Landgericht Braunschweig
Urt. v. 26.02.1986, Az.: 5 O 181/85
Entschädigung wegen eines begangenen Verbrechens i.R. einer Vergewaltigung
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 26.02.1986
- Aktenzeichen
- 5 O 181/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 20391
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:1986:0226.5O181.85.0A
Rechtsgrundlagen
- § 177 StGB
- § 847 Abs. 2 BGB
Verfahrensgegenstand
Schmerzensgeld und Feststellung
In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig im schriftlichen Verfahren
durch
die Richter am Landgericht ... und ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Februar 1985 zu zahlen.
- 2.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung von 14.500,- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Am Abend des 29. September 1984 wurde die im Jahre 1920 geborene Klägerin von dem 1950 geborenen Beklagten in der Nähe von Werlaburgdorf vergewaltigt. Wegen der Einzelheiten des Tathergangs wird in diesem Zusammenhang zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 22. Januar 1985 - 38 KLs 127 Js 42787/84 - Bezug genommen.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten ein Schmerzensgeld von 12.000,- DM, zu dessen Bezahlung sie den Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 23. Januar 1985 aufforderte. Sie hält angesichts des Tatverlaufs ein solches Schmerzensgeld für angemessen und beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 12.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Februar 1985 zu verurteilen.
Der Beklagte erkennt 4.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung an und beantragt im übrigen,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Schmerzensgeldforderung der Klägerin für überhöht.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vorn 18. September 1985 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von dem Beklagten als Opfer des von ihm begangenen Verbrechens der Vergewaltigung (§ 177 StGB) gem. § 847 Abs. 2 BGB eine billige Entschädigung verlangen, die angesichts der Umstände der Tat mit 12.000,- DM angemessen erscheint. Bestimmend waren bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in erster Linie das Ausmaß an krimineller Energie, das der Beklagte bei der Tathandlung entwickelte, sowie die außergewöhnlich brutale und demütigende Durchsetzung seines Tatentschlusses. Obwohl die Klägerin verschiedentlich versuchte, sich dem Machtbereich des Beklagten zu entziehen, ließ der Beklagte ihr keine Möglichkeit, dem Verbrechen zu entgehen. Den Versuch der Klägerin, aus dem fahrenden Pkw zu springen, vereitelte der Beklagte dadurch, daß er das Fahrzeug beschleunigte. Nachdem der Beklagte den Pkw angehalten hatte und die Klägerin zu Fuß laufend zu flüchten versuchte, sprang er hinter ihr her und riß sie zu Boden. Um schließlich den Widerstand der Klägerin endgültig zu brechen, würgte er sie so heftig, daß sie Würgmale davontrug. Zugleich drohte er, die Klägerin umzubringen. Daß die Klägerin durch den Beklagten angesichts der Gewaltanwendung und der Drohungen Todesangst erlitt, kann danach nicht zweifelhaft sein und mußte sich bei der Schmerzensgeldbemessung entsprechend auswirken. Zu berücksichtigen war aber auch, daß der Beklagte vor dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs die Klägerin noch zusätzlich dadurch demütigte, daß er von ihr Oralverkehr erzwang und sie zwischen die Brüste biß. Die herabwürdigenden verbalen Äußerungen des Beklagten kommen hinzu.
Auch das Verhalten des Beklagten nach der Tat muß Einfluß auf die Schmerzensgeldhöhe nehmen. Denn nachdem er das Verbrechen an der Klägerin begangen hatte, versetzte er sie nochmals in Todesangst, nachdem er den Verlust seines Personalausweises bemerkt hatte, so daß die Klägerin, nachdem der Beklagte endlich von ihr gelassen hatte, in panischer Angst barfuß und nur mit Oberbekleidung nach Werlaburgdorf lief. Es verwundert nicht, daß die Klägerin einen Schock erlitt und deswegen 3 Tage in stationärer Behandlung bleiben mußte.
Zu Lasten des Beklagten war aber auch zu berücksichtigen, daß er sich um eine Schadenswiedergutmachung nach der Tat außerhalb des hier zu entscheidenden Rechtsstreits nicht bemühte, vielmehr der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 5. Februar 1985 mitteilen ließ, bis zur Rechtskraft des Strafurteils zu Zahlung eines Schmerzensgeldes nicht bereit zu sein.
Daß der Beklagte wegen des an der Klägerin verübten Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt wurde, die er zur Zeit verbüßt, rechtfertigt nicht die Annahme, daß dadurch der Klägerin hinreichend Genugtuung zugekommen sei. Denn einerseits erscheint die gegen den Beklagten verhängte Strafe jedenfalls nicht zu hoch bemessen. Andererseits kann Strafe in Fällen der vorliegenden Art dem Opfer kaum Genugtuung bieten.
Auch daß der Beklagte im strafrechtlichen Sinne nur mit verminderter Schuld gehandelt haben mag, kann bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht wesentlich zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. Denn die Klägerin mußte bei der Tat den Eindruck gewinnen, vom Beklagten zielstrebig unter Mißachtung ihrer persönlichen Integrität mißbraucht zu werden. Für die ihr zuzubilligende Entschädigung kann es daher nicht wesentlich sein, daß der Beklagte möglicherweise nur mit verminderter Schuld handelte, wie die Strafkammer nicht auszuschließen vermochte.
Insgesamt erscheint nach allem das Schmerzensgeld mit den 12.000,- DM nicht unangemessen, die Klägerin für das erlittene Verbrechen, die durchgemachten Todesängste und die sicher verbleibende Erinnerung an das Geschehen billig zu entschädigen.
Der geltend gemachte Zinsanspruch ist gem. §§ 284, 288 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.