Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.06.1987, Az.: 8 T 41/87
Konstitutive Wirkung einer Entscheidung hinsichtlich des Personenstandes eines Kindes; Prüfungsrecht eines Standesbeamten seit Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes und dem damit verbundenen Übergang vom Vertragssystem zum Dekretsystem hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit einer (einzutragenden) Adoption
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 22.06.1987
- Aktenzeichen
- 8 T 41/87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1987, 19873
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:1987:0622.8T41.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Burgdorf - 25.11.1985 - AZ: 2 XVI 7/85
- AG Braunschweig - 10.12.1986 - AZ: 30 III 34/86
Rechtsgrundlagen
- §§ 45 ff. PersStdG
- § 1742 BGB
Verfahrensgegenstand
Beischreibungsfähigkeit einer Adoption in Geburtenbuch
Tenor:
In der Personenstandssache wird der Beschluß des Amtsgerichts Braunschweig vom 10. Dez. 1986 auf die Beschwerde des Beschwerdeführers abgeändert.
Der Standesbeamte beim Standesamt in Wolfenbüttel 3340 Wolfenbüttel wird angewiesen, einen Randvermerk über die am 25.11.1985 vom Amtsgericht Burgdorf (2 XVI 7/85) beschlossene Annahme des Kindes ... in Wolfenbüttel im Geburtenbuch beizuschreiben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
... wurde das Kind ... von ihrer Mutter ... in Wolfenbüttel geboren (Standesamt Wolfenbüttel ...). Nachdem die Mutter am ... Herrn ... geheiratet hatte, nahmen die Eheleute das Kind ... als ihr gemeinschaftliches Kind an. Der Kindesannahmevertrag wurde am 08.09.1976 vom Amtsgericht Wolfenbüttel genehmigt. Am 31.01.1979 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Am 02.11.1984 schloß die Mutter des Kindes die Ehe mit Herrn ... Dieser stellte am 17.05.1985 in notarieller Form den Antrag, die Annahme des Kindes auszusprechen. Durch Beschluß vom 25.11.1985 hat das Amtsgericht Burgdorf (2 XVI 7/85) diesen Antrag entsprochen. Der Standesbeamte in Wolfenbüttel hat Bedenken, die vom Amtsgericht Burgdorf beschlossene Adoption im Geburtenbuch mit Rücksicht auf die erste Adoption im Geburtenbuch beizuschreiben. Durch Beschluß vom 06.08.1986 (Bl. 43 d.A.) hat das Amtsgericht Wolfenbüttel die Adoption aus dem Vertrag vom 16.03.1976 aufgehoben (9 XVI 10/86). Durch den angefochtenen Beschluß hat sich das Amtsgericht Braunschweig die Bedenken des Standesbeamten zu eigen gemacht und den Standesbeamten angewiesen, den Adoptionsvermerk nicht beizuschreiben. Für die Einzelheiten wird auf den Beschluß vom 10.12.1986 (Bl. 55 ff d.A.) verwiesen. Gegen diesen Beschluß hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde ist nach § 49 Personenstandsgesetz zulässig und in der Sache begründet.
Der Standesbeamte ist nach § 30 Personenstandsgesetz verpflichtet, auf der Grundlage des Kindesannahmebeschlusses des Amtsgerichts Burgdorf vom 25.11.1985 (Bl. 28 d. Beiakte AG Burgdorf - 2 XVI 11/86 -) einen Randvermerk zum Geburtenbuch einzutragen.
1.
Die vorgenannte Entscheidung des Amtsgerichts Burgdorf hat konstitutive Wirkung hinsichtlich des Personenstandes des Kindes und ist für die Gerichte im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgrund der allgemeinen Bindungswirkung der Gestaltungsakte bindend (BGHZ 69, 235). Danach steht dem Standesbeamten seit Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes und dem damit verbundenen Übergang vom Vertragssystem zum Dekretsystem kein Prüfungsrecht hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit der (einzutragenden) Adoption zu. Wenn auch der Standesbeamte weiterhin die Möglichkeit hat, nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Personenstandsgesetz in Zweifelsfällen eine gerichtliche Entscheidung über eine vorzunehmende Amtshandlung herbeizuführen, ist auf die Anrufung des Gerichtes durch den Standesbeamten nicht schlechthin darüber zu entscheiden, ob der Adoptionsbeschluß materiell rechtlich fehlerfrei ergangen ist.
2.
Im Anweisungsverfahren (§§ 45 ff Personenstandsgesetz) ist die Prüfung vielmehr darauf zu beschränken, ob dem Beschluß, durch den die Adoption ausgesprochen worden ist, derart gravierende Fehler anhaften, daß er rechtlich als nichtig anzusehen ist. Tatsachen, nach denen der Beschluß des Amtsgerichts Burgdorf nicht nur materiell fehlerhaft, sondern darüber hinaus schlechthin nichtig ist, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allein der - möglicherweise gegebene - Verstoß gegen das in § 1742 BGB enthaltene Verbot der sogenannten Doppeladoption begründet nicht die Nichtigkeit, sondern der darin enthaltene Verstoß gegen materielles Recht führt grundsätzlich nur zur Anfechtbarkeit oder Aufhebbarkeit (BayObLG FamRZ 1952, 536). Wenn - wie vorliegend - die Annahme eines Kindes entgegen § 1742 BGB ausgsprochen wird, bleibt das Adoptionsdekret gleichwohl wirksam (BayObLG FamRZ 1985, 201, 203 [BayObLG 23.08.1984 - BReg. 1 Z 5/84]; Münchener Kommentar - Lüderitz § 1752 RZ 21). Denn die Nichtigkeit ergibt sich vorliegend weder aus dem materiellen Recht selbst (gesetzliche Anordnung der Nichtigkeitsfolge) noch ist der Beschluß vom 25.11.1985 auf eine der Rechtsordnung schlechthin unbekannten Rechtsfolge gerichtet, was ebenfalls die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge haben könnte. Danach liegt die Entscheidung - trotz eines möglichen Verstoßes gegen materielles Recht - nicht völlig außerhalb des Rahmens der dem Vormundschaftsgericht vom Gesetzgeber zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse.
Danach war der angefochtene Beschluß abzuändern und der Standesbeamte zur Eintragung des Adoptionsvermerkes anzuweisen, wobei die Mitteilung des Wortlautes des Randvermerkes entbehrlich ist (vgl. BayObLG a.a.O. 203).