Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.11.1986, Az.: 18 OVG L 7/84
Personalmaßnahmen bei wissenschaftlichen Mitarbeitern; Recht auf Unterrichtung des Personalrats; Vorlage aller erforderlichen Unterlagen; Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst; Erfüllung von Überwachungsaufgaben gegenüber der Dienststelle
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.11.1986
- Aktenzeichen
- 18 OVG L 7/84
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1986, 16370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1986:1127.18OVG.L7.84.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 07.03.1984 - AZ: PL VG 11/83
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Unterrichtung über Personalmaßnahmen bei wissenschaftlichen Mitarbeitern
Redaktioneller Leitsatz
Wenn der Personalrat insbesondere darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Bediensteten an der Universität bestehenden Bestimmungen durchgeführt werden, so erfordert das keine generelle, vom konkreten Anlaß losgelöste Unterrichtung.
In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat (Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen)
des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 27. November 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hamann und Ladwig sowie
die ehrenamtlichen Richter Bade und Bruns
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 7. März 1984 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit einem Schreiben vom 1. September 1982 machte der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten unter Hinweis auf seine Aufgaben nach §§ 66 und 67 Abs. 1 Nr. 2 Nds. PersVG geltend, daß er rechtzeitig und eingehend zu unterrichten sei, wenn die Universität Personalentscheidungen beabsichtige, bei denen es insbesondere um die Einstellung von wissenschaftlichen Mitarbeitern gehe; dies bedeute, daß er bei sämtlichen - auch nicht mitbestimmungsbedürftigen - Personalmaßnahmen frühzeitig und umfassend zu unterrichten sei. In einer Äußerung vom 19. November 1982 erwiderte der Beteiligte, daß ein Anspruch des Antragstellers darauf, daß ihm die Unterlagen zu Personalmaßnahmen vorgelegt würden, mit Rücksicht auf dessen Überwachungsaufgaben im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 Nr. 2 Nds. PersVG nur dann anerkannt werden könne, wenn in einem Fall ein konkreter Anlaß bestehe.
Am 26. Mai 1983 hat der Antragsteller das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Mitarbeiter, bei denen nach § 100 Nr. 2 Nds. PersVG die Mitbestimmungsregelungen des § 78 Nds. PersVG nicht anwendbar seien, müsse er rechtzeitig und eingehend über eine beabsichtigte Einstellung und eine sonstige Personalmaßnahme unterrichtet werden (§ 67 Abs. 2 Satz 1 Nds. PersVG). Ferner seien ihm sämtliche für die Prüfung der beabsichtigten Maßnahme bedeutsamen Unterlagen vorzulegen (§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nds. PersVG). Andernfalls könne er seine gesetzlichen Überwachungsaufgaben, insbesondere diejenigen nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 Nds. PersVG, nicht wahrnehmen.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet ist,
- 1.
ihm, soweit es sich um wissenschaftliche Mitarbeiter in verselbständigten Dienststellen der Universität ... handele, rechtzeitig vor der Entscheidung über seine Einstellung die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber vorzulegen,
- 2.
bei befristeten Arbeitsverträgen rechtzeitig vor Durchführung der Personalmaßnahme den Befristungsgrund anzugeben und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen,
- 3.
vor der Verlängerung von Arbeitsverträgen von wissenschaftlichen Mitarbeitern rechtzeitig den Befristungsgrund anzugeben und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen sowie
- 4.
vor Kündigungen von wissenschaftlichen Mitarbeitern rechtzeitig den sachlichen Grund für eine Kündigung anzugeben und mitzuteilen, ob anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben sind und welche soziale Auswahl zur Kündigung geführt hat.
Der Beteiligte ist dem Antrag entgegengetreten und hat erwidert: Dem Antragsteller stehe das von ihm in Anspruch genommene umfassende Informationsrecht nicht zu. Sein Verlangen würde auf eine allgemeine Kontrolle der Dienststelle hinauslaufen, die das Gesetz gerade nicht vorsehe. Eine solche Kontrolle bedeute, daß die Personalvertretung der Dienststelle grundsätzlich mißtraue, was mit dem Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung unvereinbar sei. Im übrigen werde der Antragsteller auch in den Fällen des § 100 Nr. 2 Nds. PersVG durch Angaben in einem Formblatt über Personalmaßnahmen unterrichtet, die wissenschaftliche Mitarbeiter beträfen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 7. März 1984 abgelehnt und ausgeführt: Dem Antragsteller stehe das von ihm geltend gemachte umfassende Recht auf Information und Vorlage von Unterlagen bei Personalentscheidungen, die wissenschaftliche Mitarbeiter beträfen, nicht zu. Es finde in Niedersächsischen Personalvertretungsgesetz keine Grundlage. Ein Anspruch nach § 72 Abs. 2 Satz 1 Nds. PersVG bestehe nicht, weil das bei dieser Regelung vorausgesetzte Mitbestimmungsrecht bei wissenschaftlichen Angestellten gerade ausgeschlossen sei (§ 100 Nr. 2 Nds. PersVG). Auch § 67 Abs. 2 Nds. PersVG begründe keine allgemeine, uneingeschränkte Informations- und Vorlagepflicht. Vielmehr müsse das Auskunftsverlangen einen konkreten Bezug zu den von der Personalvertretung zu erfüllenden Aufgaben haben. Wäre eine über den konkreten Anlaß hinausgehende Informationspflicht der Dienststelle anzuerkennen, so würde der Personalrat zu einem übergeordneten Kontrollorgan; das verstieße gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und würde den Frieden innerhalb der Dienststelle gefährden.
Gegen den ihm am 2. April 1984 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 24. April 1984 Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel am 21. Mai 1984 begründet. Er trägt vor: Für die rechtliche Beurteilung sei als Ausgangspunkt wesentlich, daß auch nach der Neufassung des § 100 Nr. 2 Nds. PersVG durch Art. II Nr. 2 des Änderungsgesetzes vom 14. Juli 1981 die allgemeine Regelung des § 67 Nds. PersVG für die wissenschaftlichen Mitarbeiter fortgelte. Die Pflichten zur Unterrichtung des Personalrates sowie zur Vorlage von Unterlagen im Sinne des § 67 Abs. 2 Nds. PersVG hingen entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht davon ab, ob zu der vom Personalrat wahrzunehmenden Aufgabe ein konkreter Bezug bestehe. Es genüge vielmehr, daß die Unterrichtung des Personalrates sowie die Vorlage der erforderlichen Urkunden in Verbindung mit der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe stehe, die dem Personalrat im allgemeinen oder speziell obliege. Eine solche allgemeine Aufgabe habe er - der Antragsteller - nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 Nds. PersVG wahrzunehmen; es sei seine Sache, darüber zu wachen, ob die zugunsten der wissenschaftlichen Mitarbeiter geschaffenen Bestimmungen von der Universität ... beachtet würden.
Würden ihm nur dann Auskünfte gegeben und Unterlagen zur Verfügung gestellt, wenn ein "konkreter Anlaß" vorliege, so sei er nicht in der Lage, seine Überwachungsaufgabe im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 2 Nds. PersVG sachgerecht zu erfüllen, d.h. eine konkrete Verletzung der hier geltenden Bestimmungen zu rügen.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und hebt hervor: Die vom Antragsteller beanspruchten Rechte würden bedeuten, daß die Personalvertretung auf diesem Wege praktisch die Erfüllung der Aufgaben durch die Dienststelle sowie deren inneren Betrieb allgemein überwache. Eine solche Stellung komme dem Personalrat nach der Konzeption des Personalvertretungsrechts aber nicht zu.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen, wegen des sonstigen Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller kann nicht verlangen, daß er allgemein, d.h. ohne konkreten Anlaß zu unterrichten ist und ihm generell Unterlagen vorzulegen sind, wenn die Universität die mit dem Antrag bezeichneten Personalmaßnahmen bei wissenschaftlichen Mitarbeitern beabsichtigt.
Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 Nds. PersVG ist der Personalrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und eingehend zu unterrichten, nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nds. PersVG sind ihm alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Unterliegt eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrates, so wird die allgemeine Informationspflicht der Dienststelle für das Mitbestimmungsverfahren durch § 72 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nds. PersVG präzisiert; die der Mitbestimmung bedürfende dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahme löst diese Pflicht aus (BVerwG, Beschl. v. 11.2.1981 - BVerwG 6 P 3.79 -, Buchholz 238.36 § 67 Nds. PersVG Nr. 3 (S. 1 f.)). Für eine solche auf die Mitbestimmung bezogene Pflicht zur Unterrichtung ist anerkannt, daß bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst dem Personalrat die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber vorzulegen sind (BVerwG, Beschl. v. 11.2.1981 a.a.O., und Beschl. v. 11.2.1981 - BVerwG 6 P 44.79 -, Buchholz 238.31 § 68 BaWüPersVG Nr. 1). Im vorliegenden Fall ist der Anknüpfungspunkt für eine derart umfassende Informationspflicht nicht gegeben, weil § 100 Nr. 2 Nds. PersVG, der die geltende Fassung durch Art. II Nr. 2 des Gesetzes vom 14. Juli 1981 (Nds. GVBl S. 189) erhalten hat, die Anwendung des § 78 Nds. PersVG - Fälle der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten unter anderem der Beamten und Angestellten - auf wissenschaftliche Mitarbeiter ausschließt.
Angesichts dieser Sachlage läßt sich der vom Antragsteller geltend gemachte Informationsanspruch nicht mit der Begründung bejahen, er habe gegenüber der Dienststelle die Überwachungsaufgaben nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 und § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. PersVG zu erfüllen und ohne die begehrte Unterrichtung könne er diese Aufgaben nicht sachgerecht wahrnehmen. Zwar trifft es zu, daß die Pflicht zur Unterrichtung des Personalrates sowie die Pflicht zur Vorlage von Unterlagen in untrennbarem Zusammenhang mit den Aufgaben des Personalrates stehen; nach § 67 Abs. 2 Satz 1 Nds. PersVG ist der Personalrat "zur Durchführung seiner Aufgaben" rechtzeitig und eingehend zu unterrichten; nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nds. PersVG sind ihm die "erforderlichen" Unterlagen vorzulegen (BVerwG, Beschl. v. 11.2.1981 - BVerwG 6 P 3.79 - a.a.O., S. 2). Dies reicht aber nicht aus, um die vom Antragsteller beanspruchten Rechte zu bejahen, wenn dieser sich lediglich auf seine Überwachungsfunktion beruft. Das Verlangen des Antragstellers würde darauf hinauslaufen, daß ihm eine allgemeine, außerhalb eines Mitbestimmungsverfahrens liegende Kontrolle der Dienststelle in bezug auf Personalentscheidungen bei wissenschaftlichen Mitarbeitern eingeräumt wird, ohne daß konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Rechtsverletzung bestehen. Der Personalrat hat nach seiner personalvertretungsrechtlich ausgeformten Stellung indessen keine allgemeinen Aufsichtsbefugnisse und ist kein den Fach- und Rechtsaufsichtsinstanzen nebengeordnetes Kontrollorgan (ebenso zur gleichartigen Rechtslage nach dem BPersVG: BVerwG, Beschl. v. 21.9.1984 - BVerwG 6 P 24.83 -, Buchholz 238.3 A § 68 BPersVG Nr. 5 (S. 5); Beschl. v. 27.2.1985 - BVerwG 6 P 9.84 -, Buchholz 238.3 A § 67 BPersVG Nr. 5 (S. 4)). Unter diesen Umständen wären die vom Antragsteller für geboten gehaltenen Informations- und Vorlagepflichten nur dann anzuerkennen, wenn er andernfalls die ihm nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 und § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG obliegenden Überwachungsaufgaben nicht oder nur unvollkommen erfüllen könnte (vgl. dazu grds. BVerwG, Beschl. v. 27.2.1985 a.a.O., S. 4 f.). Das trifft indessen nicht zu. Wenn der Antragsteller insbesondere darüber zu wachen hat, daß die zugunsten der Bediensteten an der Universität Hannover bestehenden Bestimmungen durchgeführt werden, so erfordert das keine generelle, vom konkreten Anlaß losgelöste Unterrichtung. Der gesetzliche Überwachungsauftrag bleibt auch dann sinnvoll, wenn der Antragsteller darauf verwiesen wird, daß er im Einzelfall seinen Einfluß geltend machen kann, falls eine Rechtsverletzung bei einer Personalmaßnahme zu besorgen ist (vgl. dazu grds. BVerwG, Beschl. v. 27.2.1985 a.a.O., S. 4 f.).
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß der Antragsteller vom Beteiligten über Personalmaßnahmen bei wissenschaftlichen Mitarbeitern informiert wird, indem ihm mit einem (grünen) Formblatt Grunddaten zu der im Einzelfall beabsichtigten Personalentscheidung mitgeteilt werden.
Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob dem Begehren des Antragstellers, soweit es sich um die Einstellung externer Bewerber als wissenschaftlicher Mitarbeiter handelt, entgegengehalten werden kann, daß sich die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben lediglich auf die Bediensteten = Beschäftigten der Dienststelle beziehe (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.2.1981 - BVerwG 6 P 44.79 - a.a.O., S. 3 f.).
Hiernach war die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung ergeht im Beschlußverfahren nicht.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keine der dafür vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen gegeben ist.
Dr. Hamann,
Ladwig,
Bade,
Bruns