Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.02.2012, Az.: 2 Ws 43/12
Frage der Rechtmäßigkeit der Benachrichtigung als Gegenstand der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Art und Weise des Vollzuges einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme gemäß § 101 Abs. 7 S. 2 StPO
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.02.2012
- Aktenzeichen
- 2 Ws 43/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 12010
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0224.2WS43.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 22.11.2011 - AZ: 4 AR 23/11
- LG Verden - 22.11.2011 - AZ: 4 AR 24/11
Rechtsgrundlage
- § 101 Abs. 7 S. 2 StPO
Fundstellen
- MMR 2012, 626-627
- NStZ 2013, 60-62
- StRR 2012, 262-263
- StraFo 2012, 183-184
Amtlicher Leitsatz
Zum Gegenstand der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Art und Weise des Vollzuges einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO gehört auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Benachrichtigung, insbesondere auch die Frage der Rechtzeitigkeit der Benachrichtigung.
In der Telekommunikationsüberwachungssache
gegen M. B.,
geboren am xxxxxxx 1967 in H.,
wohnhaft G., H.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt L. A., H. -
Drittbetroffener:
R. B.,
geboren am xxxxxxxx 1944 in H.,
wohnhaft G., H.,
- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt K., H. -
wegen Mordes
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen
den Beschluss des Landgerichts Verden vom 22. November 2011
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Drittbetroffenen
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxxx,
den Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxx und
die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxxxxxxxx
am 24. Februar 2012
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Verden vom 22. November 2011 wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Drittbetroffenen im Beschwerdeverfahren werden der Landeskasse auferlegt.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stade richtet sich gegen Ziffer 3. des angefochtenen Beschlusses, soweit die 4. große Strafkammer des Landgerichts Verden festgestellt hat, dass die Art und Weise des Vollzuges zweier Beschlüsse des Landgerichts Verden zur Überwachung der Telekommunikation des Drittbetroffenen rechtswidrig gewesen seien, da die Benachrichtigung des Drittbetroffenen nicht rechtzeitig erfolgt sei, und die daraus resultierende Kostenfolge unter Ziff. 4 des Beschlusses.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
In dem zugrunde liegenden Strafverfahren gegen M. B., den Sohn des Drittbetroffenen, hatte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 29.04.2010 ein freisprechendes Urteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Stade aufgehoben. Gegenstand dieses Verfahrens war ein Mord zum Nachteil der S. A. im Jahr 1987. Der Senat verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Verden, das daraufhin am 30.04.2010 Haftbefehl gegen den Angeklagten M. B. erließ. Nachdem dieser im Wege der Zielfahndung in der Bundesrepublik Deutschland nicht ermittelt werden konnte, ordnete die 4. große Strafkammer des Landgerichts Verden am 25.05.2010 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stade gemäß §§ 100 a, 100 b StPO die Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs des Vaters des Angeklagten, des hiesigen Drittbetroffenen, für drei Monate an. Am selben Tage und unter demselben Aktenzeichen wurde auch die Überwachung der Telekommunikation des Bruders des Angeklagten, M. B., angeordnet. Am 13.08.2010 ordnete die 4. große Strafkammer des Landgerichts Verden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stade auch die Überwachung des E-Mail-Verkehrs des Drittbetroffenen gemäß §§ 100 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 h, Abs. 3, 100 b, 100 g StPO für drei Monate an. Am 21.08.2010 wurde der Angeklagte M. B. in Venezuela festgenommen. Die Überstellung nach Deutschland erfolgte am 16.09.2010. Am 22.09.2010 bat die zuständige Staatsanwältin die ZKI Lüneburg um Übersendung des Vorgangs "Zielfahndung", um "kurzfristig die Benachrichtigung" vornehmen zu können. Am 01.10.2010 vermerkte die Staatsanwältin, dass es für die TÜ-Benachrichtigungen noch an der von der ZKI angekündigten Teilnehmerliste der Telefongespräche fehle. Am 05.10.2010 vermerkte die Staatsanwältin, dass an der Übersichtsliste der Telekommunikationsteilnehmer noch gearbeitet werde, diese werde jedoch so schnell wie möglich an die StA übersandt. Zur Wiedervorlage vermerkte die Staatsanwältin eine Frist von drei Tagen nebst Klammerzusatz "(TÜ-Liste?)". Sodann lässt sich eine weitere Bearbeitung des Vorgangs im Hinblick auf die Benachrichtigung der überwachten Teilnehmer nicht mehr nachvollziehen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu ausgeführt, dass mutmaßlich ein Wechsel des Sachbearbeiters stattfand, da nunmehr unter dem 28.04.2011 von einem anderen Staatsanwalt die schriftliche Benachrichtigung der Betroffenen, u.a. R. und M. B., verfügt wurde. Diese Benachrichtigungen enthielten jeweils den Hinweis, dass der Betroffene binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise des Vollzugs beim Amtsgericht Stade beantragen könne. Diese Schreiben wurden mit normaler Briefpost am 04.05.2011 abgesandt. Am 20.05.2011 ging beim Amtsgericht Stade ein "Einspruch" des Drittbetroffenen R. B. gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie die Art und Weise des Vollzuges der Telekommunikationsüberwachung ein. Am gleichen Tage erfolgte auch ein Einspruch des Drittbetroffenen M. B. Mit Beschlüssen vom 01.07.2011 (Aktenzeichen 34 Gs 1390/11 und 1391/11) stellte das Amtsgericht Stade auf die Anträge der Drittbetroffenen fest, dass die Anordnungen der Überwachung des Telekommunikations- und E-Mail-Verkehrs der Betroffenen rechtmäßig waren. Die Art und Weise des Vollzugs wurde jedoch für rechtswidrig erklärt, soweit die Betroffenen nicht rechtzeitig von den Strafverfolgungsbehörden informiert worden seien. Im Übrigen wurde auch die Art und Weise des Vollzuges für rechtmäßig erklärt. Zur Begründung verwies das Amtsgericht Stade darauf, dass die Benachrichtigung spätestens mit der Überstellung des Angeklagten nach Deutschland am 16.09.2010 habe erfolgen können und müssen. Gründe für eine Zurückstellung der Benachrichtigung habe die Staatsanwaltschaft Stade nicht aktenkundig gemacht. Die verspätete Benachrichtigung betreffe Art und Weise des Maßnahmenvollzuges und könne somit gemäß § 101 Abs. 7 StPO gerügt werden. Gegen diese Beschlüsse legte die Staatsanwaltschaft Stade, soweit die Rechtswidrigkeit der Art und Weise des Vollzuges der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen festgestellt worden war, rechtzeitig sofortige Beschwerde ein. Im Hinblick auf den Drittbetroffenen R. B. hob die 13. Strafkammer des Landgerichts Stade mit Beschluss vom 11.08.2011 den Beschluss des Amtsgerichts Stade vom 01.07.2011 auf und legte die Akten zur Entscheidung über den Antrag des R. B. der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Verden vor, da sich sowohl aus dem Gesetzeswortlaut des § 101 Abs. 7 StPO als auch aus dessen Auslegung eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Verden ergebe (11c Qs 125 AR 11820/10 (128/11)). Im Hinblick auf den Drittbetroffenen M. B. hob die 7. große Strafkammer des Landgerichts Stade mit Beschluss vom 26.09.2011 den Beschluss des Amtsgerichts Stade vom 01.07.2011 auf und lehnte den Antrag von M. B. ab. Von einer Weiterleitung an das örtlich zuständige Landgericht Verden sah die 7. große Strafkammer des Landgerichts Stade aus rechtlichen Gründen ab, erteilte jedoch den Hinweis, der Betroffene M. B. könne sich mit einem erneuten Antrag nach § 101 Abs. 7 StPO, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, an das Landgericht Verden wenden (11c Qs 125 AR 11820/10 (129/11)). Dieser Beschluss wurde am 30.09.2011 mit normaler Post an den Bevollmächtigten des Betroffenen übersandt.
Die Akten wurden daraufhin am 31.10.2011 von der Staatsanwaltschaft Stade dem Landgericht Verden vorgelegt, damit dort über den Antrag des R. B. entschieden werden könne. Am 28.10.2011 beantragte der Bevollmächtigte der Betroffenen R. und M. B. beim Landgericht Verden die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts Stade. Eine Ablichtung der von ihm mit Schriftsatz vom 11.07.2011 beim Amtsgericht Stade gegen den Beschluss vom "09.07.2011" eingelegten sofortigen Beschwerde fügte er bei. Nachdem das Landgericht Verden den Bevollmächtigten mit Schreiben vom 01.11.2011 darauf hingewiesen hatte, dass unklar war, ob sich der Wiedereinsetzungsantrag tatsächlich auf beide Mandanten beziehe und der Wiedereinsetzungsantrag betreffend M. B. möglicherweise verfristet sei, erklärte der Bevollmächtige mit Fax-Schreiben vom 11.11.2011, dass der Antrag des M. B. deswegen nicht weiter verfolgt würde.
Das Landgericht Verden entschied daher mit dem angefochtenen Beschluss vom 22.11.2011 nur noch über den Antrag des Drittbetroffenen R. B. im Hinblick auf die Anordnung und Durchführung der Telekommunikations- und E-Mail-Überwachung. In dem angefochtenen Beschluss stellt die Kammer unter Ziffer 1. fest, dass der Beschluss des Landgerichts Verden vom 25.05.2010, mit dem für einen Zeitraum von drei Monaten die Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs des Drittbetroffenen angeordnet wurde, rechtmäßig war, genau so wie der Beschluss des Landgerichts Verden vom 13.08.2010, mit dem für die Dauer von drei Monaten die Überwachung und Aufzeichnung des E-Mail-Verkehrs des Drittbetroffenen angeordnet wurde (Ziffer 2. des angefochtenen Beschlusses).
Mit Ziffer 3. des angefochtenen Beschlusses stellt das Landgericht Verden auf den Antrag des Drittbetroffenen vom 09.05.2011 weiter fest, dass die Art und Weise des Vollzuges der Beschlüsse des Landgerichts Verden zu Ziffer 1. und 2. rechtswidrig gewesen sei, soweit der Drittbetroffene von der Staatsanwaltschaft Stade erst durch Verfügung vom 28.04.2011 von den durchgeführten Maßnahmen benachrichtigt worden sei; im Übrigen sei der Vollzug der Beschlüsse des Landgerichts Verden zu Ziffer 1. und 2. rechtmäßig gewesen. Ziffer 4. des angefochtenen Beschlusses enthält die Kostenregelung, wonach die Kosten des Verfahrens und diesbezüglichen notwendigen Auslagen der Drittbetroffene zu 80% und die Landeskasse zu 20% zu tragen haben.
Gegen Ziffer 3. und 4. des angefochtenen Beschlusses, soweit die Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist, wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde. Der Drittbetroffene hat den Beschluss nicht angefochten. Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt die sofortige Beschwerde und meint insbesondere, dass der Antrag des Drittbetroffenen R. B. hätte zurückgewiesen werden müssen, weil er nicht rechtzeitig gewesen sei. Auch R. B. habe beim Landgericht Verden erneut einen Antrag auf Überprüfung und einen Antrag auf Wiedereinsetzung stellen müssen, habe damit jedoch die Wochenfrist des § 45 StPO nicht eingehalten. Die Generalstaatsanwaltschaft steht ferner auf dem Standpunkt, dass die Frage der rechtzeitigen Benachrichtigung nicht zur Art und Weise des Vollzuges gehöre, der gemäß § 101 Abs. 7 StPO zu überprüfen sei.
Der Angeklagte M. B. ist vom Landgericht Verden am 16.08.2011 freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde erweist sich als unbegründet.
1. Der Senat ist zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft berufen. Zwar ist das Verfahren derzeit zur Entscheidung über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das - erneut - freisprechende Urteil des Landgerichts Verden erneut beim Bundesgerichtshof anhängig. Da es aber an einer §§ 305 a Abs. 2, 464 Abs. 3 Satz 3 StPO, § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG i.V.m. § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO entsprechenden Regelung, wonach dem mit der Revision befassten Rechtsmittelgericht auch die Entscheidung über die sofortige Beschwerde übertragen wird, fehlt, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass zur Entscheidung über sofortige Beschwerden gegen Entscheidungen der Strafkammern die Oberlandesgerichte berufen sind, § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG (vgl. dazu BGHSt 54, 30 ff. Rdnr. 19, zitiert nach [...]).
2. Die sofortige Beschwerde deckt keine Rechtsfehler in dem angefochtenen Beschluss auf, er ist sowohl in formeller, als auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
a) Das Landgericht Verden war für die Entscheidung über die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzuges gemäß § 101 Abs. 7 StPO zuständig. Die Zuständigkeit folgt bereits aus § 101 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Satz 2 StPO. Nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO können die von der Telekommunikationsüberwachung benachrichtigten Personen bei dem nach Satz 1 zuständigen Gericht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit beantragen. Das nach Satz 1 zuständige Gericht ist das für die Anordnung der Maßnahme zuständige Gericht. Damit verweist § 101 Abs. 7 Satz 1 StPO auf § 162 StPO. Nach § 162 StPO ist für die Anordnung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gemäß Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Nach § 162 Abs. 3 Satz 1 StPO ist jedoch nach Erhebung der öffentlichen Klage das Gericht zuständig, das mit der Sache befasst ist. Damit ergibt sich bereits aus § 101 Abs. 7 Satz 1 StPO die Zuständigkeit des Landgerichts Verden. An dieser Zuständigkeit hat sich auch dadurch, dass die 4. große Strafkammer des Landgerichts Verden den Angeklagten am 16.08.2011 freigesprochen hat, gemäß § 162 Abs. 3 Satz 2 StPO nichts geändert.
Diese Auslegung entspricht auch der in § 101 Abs. 7 Satz 4 StPO enthaltenen Sonderregelung, wonach dann, wenn die öffentliche Klage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt worden ist, über den Antrag das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung entscheidet. Dies ist zwar hier nicht mehr möglich, da das Landgericht Verden bereits seine abschließende Entscheidung mit dem Freispruch des Angeklagten getroffen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird § 101 Abs. 7 Satz 4 StPO jedoch ausdehnend dahingehend ausgelegt, dass die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts auch dann gegeben ist, wenn die nachträgliche Überprüfung einer verdeckten Ermittlungsmaßnahmen von einem sogenannten Drittbetroffenen begehrt wird oder wenn ein nicht angeklagter Beschuldigter sich im Verfahren nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO gegen heimliche Ermittlungsmaßnahmen wendet, die in dem ursprünglich gemeinsam geführten Ermittlungsverfahren angeordnet worden sind (vgl. dazu BGH, NStZ 2010, 225 [BGH 29.10.2009 - StB 20/09]). Die Prüfung der Frage, ob die Erhebung einer Anklage dazu führt, dass über Anträge im nachträglichen Rechtsschutzverfahren gegen Anordnung heimlicher Ermittlungsmaßnahmen der Ermittlungsrichter oder das Tatgericht entscheidet, hat sich daran zu orientieren, ob bei Fortdauer der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters die Gefahr besteht, dass von dem Anordnungs- und Beschwerdegericht einerseits und dem erkennenden bzw. Rechtsmittelgericht andererseits divergierende Entscheidungen zur Frage der Rechtmäßigkeit der beanstandeten Maßnahmen getroffen werden (vgl. dazu BGH NStZ 2010, 225 [BGH 29.10.2009 - StB 20/09]). Auch danach ist hier grundsätzlich von der Zuständigkeit des Landgerichts Verden auszugehen. Für die Zuständigkeit des Landgerichts Verden ist es daher ohne Bedeutung, ob der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Stade vom 11.08.2011 hinsichtlich der Verweisung mit oder ohne Rechtsgrundlage erfolgt ist (zu einem vergleichbaren Verweisungsbeschluss vgl. BGHSt 53, 1 ff.).
b) Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt auch nicht deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil, wie die Generalstaatsanwaltschaft meint, der Drittbetroffene es versäumt habe, rechtzeitig gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO den Antrag auf Überprüfung der Maßnahme beim zuständigen Gericht zu stellen bzw. gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO rechtzeitig Wiedereinsetzung zu beantragen. Entscheidend ist diesbezüglich allein, dass das Landgericht Verden in dem angefochtenen Beschluss diesen Aspekt geprüft hat und - konkludent - Wiedereinsetzung gewährt hat, weil der Drittbetroffene in dem Benachrichtigungsschreiben der Staatsanwaltschaft Stade vom 03.05.2011 rechtsfehlerhaft dahingehend belehrt worden sei, dass er die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der fraglichen Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzuges "bei dem Amtsgericht Stade" beantragen könne. Dass er den Antrag sodann dort gestellt habe, dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Damit hat die Kammer dem Drittbetroffenen faktisch Wiedereinsetzung in die Versäumung der Zweiwochenfrist gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO gewährt. Dies ist gemäß § 46 Abs. 2 StPO der Anfechtung im Beschwerdeverfahren entzogen. Somit kommt es auch für die Frage, ob der Drittbetroffene einen rechtzeitigen Antrag gestellt hat, nicht darauf an, ob die Verweisung durch das Landgericht Stade recht-mäßig war.
c) Die sofortige Beschwerde erweist sich auch als unbegründet, soweit sie sich dagegen wendet, dass in dem angefochtenen Beschluss die Frage des Zeitpunkts der Benachrichtigung als Frage der Art und Weise des Vollzuges der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO behandelt worden ist. Das Landgericht Verden hat nämlich zutreffend die Frage des Zeitpunkts der Benachrichtigung nach § 101 Abs. 4 und 5 StPO zur "Art und Weise des Vollzugs" der Maßnahmen gezählt.
In der Kommentarliteratur zu § 101 StPO wird, soweit auf diese Frage eingegangen wird, die Frage des Zeitpunkts bzw. der Umstände der Benachrichtigung zum Gegenstand der nachträglichen Überprüfung gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO hinzugezählt (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 101 Rdnr. 25; Karlsruher Kommenar-Nack, StPO, 6. Aufl., § 101 Rdnr. 30; Systematischer Kommentar-Wolter, StPO, § 101 Rdnr. 38). In der Rechtsprechung ist zu dieser Frage - soweit ersichtlich - bislang keine Entscheidung ergangen.
Die Generalstaatsanwaltschaft führt zutreffend aus, dass in der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift keine Aussage dazu enthalten ist, wie der Begriff der "Art und Weise ihres Vollzuges" auszulegen ist (vgl. dazu BT-Drucksache 16/5846). Entscheidend ist daher, ob zu dem "Vollzug" der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme auch die Umstände der Benachrichtigung dazu gehören. Dies lässt sich mit dem Wortlaut dieser Formulierung vereinbaren und entspricht, wie das Landgericht Verden in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt, dem Sinn der Neuregelung zum nachträglichen Rechtsschutz in § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO. Das Landgericht Verden führt aus, dass der effektive nachträgliche Rechtsschutz, wie ihn § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO um des Grundrechts des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG willen bei verdeckten Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung vorsieht, vielfach ohne die (zeitnahe) Benachrichtigung nicht möglich sein würde. Der effektive nachträgliche Rechtsschutz und die ihn erst ermöglichende Benachrichtigungspflicht sei insoweit notwendiger Ausfluss des objektiven Wertgehalts des Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 GG ("Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren") und als solcher ein integraler - und im Übrigen für die Verfassungskonformität der entsprechenden strafprozessualen Regelungen unverzichtbarer - Bestandteil des Verfahrens der Telekommunikationsüberwachung selbst. Diese Ausführungen zum Sinn und Zweck der Regelung in § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO sind zutreffend und werden gestützt durch weitere systematische Überlegungen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien folgt, dass durch die gesetzliche Neuregelung die bislang anerkannten Rechtsbehelfe, insbesondere der Rechtsschutz entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, nicht verdrängt werden sollten. Dies spricht dafür, dass dann, wenn die Frage der Umstände und des Zeitpunkts der Benachrichtigung nicht im Rahmen der nachträglichen Rechtmäßigkeitsprüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO überprüft werden könnten, dies gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog möglich sein müsste mit der Folge, dass die Zweiwochenfrist in § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO für diese Art der Überprüfung nicht gelten würde. Dies widerspräche jedoch dem Gedanken, dass der Rechtsbehelf des § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO als lex spezialis gegenüber § 98 Abs. 2 StPO zu verstehen ist, da ansonsten, also bei paralleler Anwendbarkeit des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, dieser unbefristete Rechtsbehelf einer Löschung der Daten gemäß § 101 Abs. 8 StPO dauerhaft entgegen stünde. Genau deshalb, also um eine baldige Löschung der Daten zu ermöglichen, ist jedoch die Befristung in § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO eingeführt worden (vgl. dazu BGHSt 53, 1 ff.). Vor diesem systematischen Hintergrund ist es nur konsequent, auch die Frage des Zeitpunkts und der Umstände der Benachrichtigung im Rahmen des Rechtsbehelfs nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO zu überprüfen. Anderenfalls könnten die Daten, wenn die Zweiwochenfrist des § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO abgelaufen ist, also niemand die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme im Übrigen beantragt hat, nicht gemäß § 101 Abs. 8 StPO gelöscht werden, weil sie möglicherweise noch für eine spätere gerichtliche Überprüfung der Rechtzeitigkeit der Benachrichtigung zur Verfügung stehen müssten. Dies widerspräche der gesetzgeberischen Intention bei der Schaffung des Rechtsbehelfs in § 101 Abs. 7 StPO.
d) Auch die Ausführungen des Landgerichts Verden dazu, dass die Benachrichtigung des Drittbetroffenen hier zu spät erfolgt ist, da sie spätestens nach dessen Überstellung nach Deutschland am 16.09.2010 hätte erfolgen können, sind nicht zu beanstanden. Die Staatsanwaltschaft hat zwar zunächst Gründe für die Zurückstellung der Benachrichtigungen verfügt, die darin lagen, dass die Polizei noch keine entsprechenden Übersichten gefertigt hatte. Nach Ablauf der Wiedervorlagefrist in der Verfügung vom 05.10.2010 finden sich jedoch keine weiteren Gründe dafür, warum die Benachrichtigung nicht erfolgt ist. Das Landgericht führt zutreffend aus, dass einer möglicherweise fehlenden Verfügbarkeit der Akten durch das Anlegen eines Aktendoppel hätte begegnet werden können. Die Feststellung, dass die Art und Weise des Vollzugs der Beschlüsse des Landgerichts Verden rechtswidrig war, soweit der Drittbetroffene von der StA Stade erst durch Verfügung vom 28.04.2011 von den durchgeführten Maßnahmen benachrichtigt worden ist, ist daher nicht zu beanstanden.
3. Auch die Quotelung in der angefochtenen Kostenentscheidung ist aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.