Landgericht Oldenburg
Urt. v. 01.12.1986, Az.: 7 O 115/83
Klage gegen die Forderung von Darlehenszinsen; Gewährung zinsbegünstigter und tilgungsbegünstigter Darlehen aus Mitteln der Wohnungsfürsorge; Nachträgliche Neufestsetzung des Zinssatzes
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 01.12.1986
- Aktenzeichen
- 7 O 115/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 14572
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1986:1201.7O115.83.0A
Rechtsgrundlagen
- § 18a WoBindG
- § 18b Abs. 3 WoBindG
Verfahrensgegenstand
Feststellung
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ... und den Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 3.100,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks mit Familienheim (Kaufeigenheim), das sie mit Kaufvertrag vom 25.03.1969 von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft für den Landkreis Vechta erwarben und bereits vorher als Bewerber seit Errichtung des Hauses im Jahre 1965 bewohnten.
Das Kaufeigenheim wurde u.a. finanziert durch ein zinsloses, mit jährlich 1 % zu tilgendes öffentliches Baudarlehen über 26.800,00 DM, das die Landestreuhandstelle für den Wohnungsbau der Wohnungsbaugesellschaft "für ... (den Kläger zu 1) mit Bescheid vom 14.02.1962 bewilligte. Der Bescheid vom 14.02.1962 enthält den ausdrücklichen Vermerk Ersatzwohnungsbau aus Anlaß der Freimachung der ehem. Muna Damme für Verteidigungszwecke", weiter die Auflage: "Die Wohnung ist für die Dauer von 5 Jahren zugunsten von solchen Personen und Haushalten vorbehalten, die durch Maßnahmen zur Unterbringung von deutschen oder nicht deutschen Streitkräften aus ihren bisherigen Wohnungen verdrängt werden."
Der Bescheid nimmt auf das Zweite Wohnungsbaugesetz vom 27.06.1956 und die Wohnungsbeförderungsbestimmungen des Landes Niedersachsen (WFB) vom 13.02.1959, beide "in der zur Zeit der Bewilligung geltenden Fassung" als für die öffentliche Förderung des Bauvorhabens maßgebliche und verbindliche Vorschriften Bezug. Weiter heißt es in Ziffer V. 1 Satz 3 des Bescheides: "Bei Familienheimen ist der in Abschnitt I festgesetzte Zinssatz endgültig". Als Zinssatz ist in Absatz 1 des Bewilligungsbescheides 0 v.H. angegeben.
Mit der Durchführung der Beleihung und der Verwaltung des öffentlichen Baudarlehns wurde die Beklagte beauftragt, die dazu anweisungsgemäß (Ziff. V 3 des Bewilligungsbescheides) mit der Wohnungsbaugesellschaft einen Darlehnsvertrag nach dem in Nr. 58 WFB vorgeschriebenen Muster abschloß. Dieser enthält in § 1 Abs. 2 folgende Vereinbarungen:
"Maßgebend für das Vertragsverhältnis ... sind neben den Bestimmungen des Bewilligungsbescheides
a)
die Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ... in der zur Zeit der Bewilligung geltenden Fassung ...b)
die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (WFB) in der zur Zeit der Bewilligung geltenden Fassung."
Der Darlehnsvertrag sieht einen Zinssatz von 0 %, eine Tilgung von 1 % und Verwaltungskosten von 0,5 % jährlich vor.
Die Kläger haben mit Erwerb des Grundstücks die Rechte und Pflichten aus dem Darlehnsvertrag übernommen. Mit Schreiben vom 23.07.1982 teilte die Beklagte den Klägern auf Veranlassung der Landestreuhandstelle für Wohnungs- und Städtebau mit, daß die Kläger ab 01.10.1982 auf die gewährten öffentlichen Darlehn statt bisher 0,5 % Zinsen jährlich (in Wirklichkeit Verwaltungskostenbeitrag) 2.010,00 DM Zinsen (= jährlich 6 %) zu zahlen haben. Der Zinsfuß wurde mit Schreiben vom 05.11.1982 für die Zeit vom 01.10.1982 bis 30.09.1983 auf 4,25 % p.a. ermäßigt.
Zur Begründung ihres Verlangens verwies die Beklagte auf § 18a Wohnungsbindungsgesetz in der Neufassung der Bekanntmachung vom 30.07.1980 und auf die Rechtsverordnung des Niedersächsischen Landesministeriums vom 02.04.1982.
Die Kläger verlangen die Feststellung, daß die Beklagte im Rahmen des abgeschlossenen Darlehnsvertrages nicht berechtigt ist, Darlehnszinsen zu verlangen.
Sie sehen das Erhöhungsverlangen schon deshalb als formnichtig an, weil das die Erhöhung verlangende Schreiben der Beklagten entgegen § 18 b Abs. 3 WoBindG nicht eigenhändig unterschrieben sei. Sie berufen sich ferner darauf, daß der Bewilligungsbescheid und der hierauf bezogene Darlehnsvertrag die Möglichkeit einer Zinserhebung ausschließen. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Verordnung der Nds. Landesregierung vom 02.04.1982 sowie auf § 18 a WoBindG i.d.F. des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes berufen. Diese Gesetze seien wegen Verstoßes gegen Art. 2 GG (in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 GG), 14 GG und das verfassungsrechtlich gesicherte Prinzip des Rückwirkungsverbotes nichtig.
Die Kläger behaupten, sie hätten vor Inanspruchnahme des öffentlichen Darlehns ein ehemaliges Kammanschafts- der Reichswehr in einem Munitionslager bewohnt. Dieses sei Ende des Krieges weitgehend zerstört gewesen und von ihnen zum Teil durch Eigenarbeit und Eigenaufwand zusammen mit anderen Familien mit Aufwendungen in Höhe von 22.000 - DM wieder bewohnbar gemacht worden. Als das Munitionslager im Jahre 1961 wieder militärischen Zwecken zugeführt werden sollte, sei ihnen erklärt worden, sie sollten einer Auflösung des Mietvertrages zustimmen. Ihnen werde für den Bau eines Eigenheims - wie geschehen - ein zinsloser Kredit zur Verfügung gestellt.
Sie seien nicht freiwillig in Anspruch genommen worden. Das zinslose Darlehen sei daher als Enteignungsentschädigung für die ihnen entstandenen Rechts- und Vermögensverluste anzusehen. Der rückwirkende Entzug der Enteignungsentschädigung stelle sich als Verstoß gegen Art. 13 und 14 GG dar.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, daß die Beklagte im Rahmen des zwischen ihr und der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft für den Landkreis Vechta GmbH in Vechta (Oldenburg) geschlossenen Darlehensvertrages H 15987 vom 18.06.1963 nicht berechtigt ist, Darlehenszinsen zu verlangen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte macht geltend, es sei zweifelhaft, ob mit der in § 18 b abs. 3 WoBindG erwähnten schriftlichen Mitteilung Schriftform im Sinne von § 126 BGB gemeint sei. Zumindestens sei der Formmangel geheilt durch das Schreiben vom 05.11.1982, das alle gesetzlichen Erfordernisse aufweise. § 18a WoBindG sei nicht verfassungswidrig. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Beklagte ist befugt, aus dem am 18.06.1963 geschlossenen Darlehensvertrag die Zahlung von Darlehenszinsen zu verlangen Die Ermächtigung hierzu ergibt sich aus den §§ 18a, 18b WoBindG. Die dort genannte schriftliche Mitteilung ist als rechtsgestaltende Willenserklärung des Privatrechts anzusehen, wenn die darlehensverwaltende Stelle eine Bank ist.
Das Zinsverlangen der Beklagten scheitert nicht schon an der Formunwirksamkeit ihrer schriftlichen Mitteilung vom 23.07.1982.
Das Gericht geht allerdings angesichts der strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Einhaltung der Schriftform stellt (vgl. insbesondere BGH NJW 1970, 1078 ff), davon aus, daß das Schreiben der Beklagten vom 23.07.1982 die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Schriftform nicht enthält. Die fotokopierte Unterschrift auf Seite 3 des Schreibens vom 23.07.1982 deckt vielmehr nur den formularmäßigen Text, nicht auch den für die Kläger individuell gestalteten Text auf Seite 1 des Schreibens; darüber hinaus fehlt es am wirksamen Zugang der eigenhändig unterschriebenen Urkunde.
Die Beklagte hat jedoch mit Schreiben vom 05.11.1982 (Bl. 42 d.A.) erneut den Klägern eine Mitteilung i.S. des § 18 b Abs. 3 WoBindG zukommen lassen, die formwirksam ist. Auch die auf die Eingabe der Kläger erfolgte Mitteilung vom 05.11.1982 hat i.S. des § 18 b Abs. 3 WoBindG bestimmenden Charakter. In ihr wird der geforderte Zinssatz, die Jahresleistung und der für die einzelnen Jahresleistungen geltende Zahlungsabschnitt neu festgesetzt. Die Mitteilung enthält damit zugleich auch alle bestimmenden Bestandteile, wie sie § 18 b Abs. 3 WoBindG vorschreibt. Einer Wiederholung des gesamten Textes des Schreibens vom 05.11.1982 bedurfte es nicht. Der nicht wiederholte Text des Schreibens vom 05.11.1982 hat nämlich keinen den Vertragsinhalt bestimmenden Charakter, sondern enthält lediglich Hinweise, für die § 18 b Abs. 3 WoBindG die Schriftform nicht vorschreibt.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Unterschrift unter dem Schreiben vom 05.11.1982 rückwirkt oder ob die Beklagte erst nach Zugang dieses Schreibens, unter Beachtung der Frist des § 18b Abs. 4 WoBindG, Zinsen fordern kann. Dieses ist nicht der Gegenstand des Streites der Parteien und nicht der Inhalt des Klagantrages.
Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, daß in ihrem individuellen Falle § 18a WoBindG nicht anzuwenden sei, weil auf die ihnen gewährten öffentlichen Mittel der Subventionszweck nicht zutreffe, diese vielmehr ihrem Zwecke nach eine Entschädigung für Rechtsnachteile darstellen sollten. Das ihnen gewährte Darlehen hat Subventionszweck und stellt keine Enteignungsentschädigung dar.
Die Kläger behaupten nämlich nicht, zumindestens nicht schlüssig, daß der mit ihnen seinerzeit abgeschlossene Mietvertrag ihnen eine als eigentumsähnlich anzusehende, Vermögenswerte Rechtsposition verschaffte. Der Mietvertrag war auch unter damaligen Voraussetzungen jederzeit kündbar und unterlag als Mietvertrag über ein Öffentliches Gebäude nicht dem Mieterschutz (§ 32 MSchG).
Die vom Gesetzgeber eingeräumte Ermächtigung, Darlehenszinsen zu fordern, die Grundlage des Verlangens der Beklagten ist, verstößt auch nicht gegen die von den Klägern herangezogenen Verfassungsnormen. In seinem zwischenzeitlich ergangenen Beschluß vom 13. Mai 1986 (Az.: 1 BvR 99/85 und 1 BvR 461/85) hat dazu das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß die Gewährung zins- und tilgungsbegünstigter Darlehen aus Mitteln der Wohnungsfürsorge (hierum handelt es sich auch im vorliegenden Falle) keine verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition begründe. Es hat weiter ausgeführt, daß die Ermächtigung der Bundesregierung, in bestimmtem Umfang die Zinsen für ältere Darlehen aus Mitteln der Wohnungsfürsorge zu erhöhen (§ 87a Abs. 5 des II Wohnungsbaugesetzes i.V. mit § 18a Abs. 1 und 2 WBindG, in derzeitiger Fassung) keine Grundrechte der Darlehensnehmer verletze und unter dem Gesichtspunkt der unechten Rückwirkung zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner das gesetzgeberische Verfahren, das zu den Änderungen des 2. Haushaltsstrukturgesetzes geführt hat, für noch vertretbar gehalten. An die vorstehende Entscheidung, auf deren Inhalt verwiesen wird, ist auch das Gericht gebunden (§ 31 BVerfGG).
Auf den bei den Klägern vorliegenden konkreten Sachverhalt kommt es im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle, sofern einmal die Verfassungsgemäßheit einer Bestimmung feststeht, nicht an. Er kann nur in der Weise berücksichtigt werden, daß die Norm auf den bei den Klägern vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden ist, was oben verneint wurde.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, /09 ZPO.