Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.01.2013, Az.: 5 A 45/11

Bestattungspflicht; Ersatzvornahme; Grundverwaltungsakt; Rangfolge; subsidiäre Bestattungspflicht

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
23.01.2013
Aktenzeichen
5 A 45/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Sofern die Gemeinde weiterhin (vgl. Nds. OVG, U. v. 10.11.2011 - 8 LB 238/10 -, juris Rn. 32 ff.) unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung der Ersatzvornahme zur Beisetzung einer Urne auffordert, darf sie eine solche Beisetzungsanordnung nur an den bzw. die höchstrangig bestattungspflichtigen Angehörigen richten. Gleichzeitig an alle bekannten Verwandten des Verstorbenen gerichtete Beisetzungsanordnungen bewirken eine von § 8 Abs. 3 NBestattG nicht vorgesehene und der dort geregelten Rangfolge widersprechende gleichrangige Verpflichtung aller Bestattungspflichtiger. Die Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG sieht die Möglichkeit des "Nachrückens" nur hinsichtlich der Kosten, nicht aber für die Pflicht, die Bestattung zu veranlassen, vor.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 25.02.2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsanspruchs abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 399,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung, die Urne seines verstorbenen Bruders beisetzen zu lassen.

Am 06.02.2011 verstarb der am E. geborene F. im Klinikum Salzgitter-Lebenstedt. Die Beklagte ermittelte als Angehörige des Verstorbenen drei Kinder und als Geschwister den Kläger und seine Schwester.

Nachdem die Schwester am 09.02.2011 telefonisch gegenüber der Beklagten erklärt hatte, die Bestattung nicht in Auftrag geben zu wollen, informierte die Beklagte die Kinder des Verstorbenen und den Kläger mit Schreiben vom 09.02.2011 über den Todesfall, verwies auf deren Bestattungspflicht nach dem Niedersächsischen Bestattungsgesetz (NBestattG) und bat darum, sich unverzüglich mit ihr bezüglich der Bestattung in Verbindung zu setzen. Der Kläger erklärte der Beklagten am 11.02.2011 telefonisch, die Bestattung seines Bruders nicht in Auftrag zu geben. Die Kinder des Verstorbenen lehnten es ebenfalls ab, die Bestattung in Auftrag zu geben.

Am 14.02.2011 erteilte die Beklagte dem Bestattungsinstitut G. in Salzgitter den Auftrag, den Verstorbenen einzuäschern. Die Einäscherung fand am 21.02.2011 statt.

Mit Bescheid vom 25.02.2011 forderte die Beklagte sodann den Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die Urne des Verstorbenen bis zum 17.03.2011 beisetzen zu lassen und drohte für den Fall, dass er der Aufforderung nicht fristgerecht nachkomme an, die Beisetzung im Wege der Ersatzvornahme durchführen zu lassen. Zur Begründung bezog sie sich darauf, dass die Urne nach § 9 Abs. 2 NBestattG innerhalb eines Monats beizusetzen und der Kläger als Angehöriger im Sinne von § 8 Abs. 3 NBestattG bestattungspflichtig sei sowie die Kosten hierfür zu tragen habe.

Am 15.03.2011 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er verweist darauf, dass er die Kosten der Bestattung nicht tragen könne, weil er von Leistungen der ARGE lebe.

Er beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert:

Die Kinder und die Schwester des Verstorbenen hätten gleichlautende Beisetzungsanordnungen wie der Kläger erhalten. Da weder der Kläger noch die anderen Angehörigen die Urne in der gesetzten Frist hätten beisetzen lassen, habe sie (die Beklagte) die Urnenbeisetzung am 18.03.2011 selbst in Auftrag gegeben. Zwischenzeitlich habe sie die drei Kinder des Verstorbenen mit Leistungsbescheid zur Übernahme der Bestattungskosten herangezogen. Beide Töchter hätten jeweils einen Antrag auf Ratenzahlung gestellt und ihre Raten mittlerweile beglichen. Der Sohn des Verstorbenen habe nicht gezahlt, weshalb gegen ihn Vollstreckungsmaßnahmen laufen würden. Sein Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten beim Fachdienst Soziales sei wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden. Da somit fraglich sei, ob die Bestattungskosten von den vorrangig Verpflichteten vollständig beglichen würden, sei eine Aufhebung der Beisetzungsanordnung gegenüber dem Kläger derzeit nicht möglich. Die Beisetzungsanordnung sei zwingend erforderlich, um gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG die Kosten von den nächstrangig Verpflichteten zu fordern, soweit sich diese von den vorrangig Verpflichteten nicht erlangen lassen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage ist zulässig.

Obwohl der Verstorbene bereits auf Veranlassung der Beklagten im Wege der Ersatzvornahme beigesetzt wurde, hat sich der angefochtene Bescheid vom 25.02.2011 noch nicht erledigt. Die in ihr getroffene Anordnung der Bestattung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 6 des Niedersächsischen Bestattungsgesetzes (NBestattG) hat noch rechtliche Wirkungen (so auch VG Oldenburg, U. v. 05.09.2012 - 5 A 1368/11 -, juris Rn. 16; VG Osnabrück, U. v. 27.08.2010 - 6 A 200/09 -). Allein der Vollzug eines Handlungspflichten auferlegenden Verwaltungsaktes muss nicht bereits zu dessen Erledigung führen, selbst wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen. Von einem Verwaltungsakt, mit dem Handlungspflichten auferlegt werden, die im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt wurden, gehen auch weiterhin rechtliche Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren aus. Denn der „Grundverwaltungsakt“ bildet zugleich die Grundlage für den Kostenbescheid (BVerwG, U. v. 25.09.2008 - 7 C 5/08 -, juris Rn. 13), hier für den Leistungsbescheid, mit dem die Bestattungskosten festgesetzt werden.

Die streitgegenständliche Bestattungsanordnung ist auch nicht deshalb erledigt, weil die Beklagte bereits Leistungsbescheide gegen die nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 NBestattG vorrangig vor dem Kläger verpflichteten Kinder des Verstorbenen erlassen hat. Im System des § 8 NBestattG ist bei Ausfall der Kinder des Verstorbenen der Erlass eines Leistungsbescheides gegen die nächstrangig Verpflichteten und damit auch gegen die Geschwister des Verstorbenen möglich (Abs. 4 Sätze 3 und 4).

Ob durch die Zahlung der Bestattungskosten die Erledigung der Bestattungsanordnung eintritt, kann hier dahingestellt bleiben. Der Sohn des Verstorbenen hat bislang das gegen ihn festgesetzte Drittel der Bestattungskosten nicht gezahlt. Auch wenn im Hinblick auf die in § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG geregelte gesamtschuldnerische Haftung der vorrangig Bestattungspflichtigen die Beklagte zunächst versuchen muss, den noch offenen Kostenanteil von den beiden Töchtern des Verstorbenen zu erhalten, besteht die Möglichkeit, dass diese nicht zahlen und der Kläger als Verpflichteter der nächsten Rangstufe in Anspruch genommen wird (vgl. Horn, Nds. BestattG, Kommentar, § 8 Anm. 6 d).

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25.02.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Anordnungsbescheid der Beklagten ist § 11 Nds. SOG i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 6 NBestattG und für die gleichzeitige Androhung der Ersatzvornahme §§ 64, 65, 66, 70 Nds. SOG.

Die Gemeinde kann weiterhin die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme nach §§ 64, 66 Nds. SOG veranlassen und von den primär Bestattungspflichtigen auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG die Erstattung entstandener Kosten verlangen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Nds. OVG) hat allerdings mit Urteil vom 10.11.2011 (8 LB 238/10, www. rechtsprechung.niedersachsen.de) seine bisher vertretene Auffassung, die Heranziehung des vorrangig Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten setze stets eine zwangsweise Durchsetzung der gesetzlichen Pflichten im Wege der Ersatzvornahme voraus, ausdrücklich aufgegeben und dazu ausgeführt:

„Der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Gemeinde ist es zwar durchaus möglich, die sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 NBestattG ergebende Bestattungspflicht gegenüber den nach § 8 Abs. 3 NBestattG primär gesetzlich Bestattungspflichtigen im Wege des Verwaltungszwangs nach den Bestimmungen im 6. Teil 1. Abschnitt des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - durchzusetzen. Erfüllen die nach § 8 Abs. 3 NBestattG primär Pflichtigen die ihnen obliegende, gegebenenfalls durch einen auf § 11 Nds. SOG gestützten (Grund-)Verwaltungsakt zu konkretisierende gesetzliche Bestattungspflicht nicht, kann die zuständige Gemeinde etwa im Wege der Ersatzvornahme nach §§ 64, 66 Nds. SOG die Bestattung veranlassen und von den primär Bestattungspflichtigen dann auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG die Erstattung entstandener Kosten verlangen (vgl. Senatsbeschl. v. 21.11.2006, a.a.O.). Dass der Gesetzgeber mit den Regelungen in § 8 Abs. 4 NBestattG diese generell eröffnete Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung ordnungsrechtlicher Pflichten der Bestattungspflichtigen beschränken und die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde auf die Erfüllung einer zwar subsidiären, aber eigenen Bestattungspflicht verweisen wollte, kann weder dem Wortlaut oder der Systematik des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien entnommen werden (vgl. Senatsbeschl. v. 21.11.2006, a.a.O.; Barthel, Nds. Bestattungsgesetz, 2. Aufl., § 8 Anm. 4.3; a.A. Horn, Nds. Bestattungsgesetz, 2. Aufl., § 8 Anm. 6.a.; ders., Die Bestattungspflicht nach dem Niedersächsischen Bestattungsgesetz, in: NdsVBl. 2007, 321, 325).

Neben dieser Möglichkeit, die Bestattungspflicht der nach § 8 Abs. 3 NBestattG primär gesetzlich Pflichtigen im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzen, begründet § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG aber auch eine subsidiäre Bestattungspflicht der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Gemeinde (vgl. Fraktionen der CDU und FDP, Entwurf eines Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG), LT-Drs. 15/1150, S. 15; Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG), LT-Drs. 15/2584, S. 10 f.). Handelt die zuständige Gemeinde auf der Grundlage des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG, sorgt sie folglich nicht im Wege des Verwaltungszwangs für die Erfüllung fremder Pflichten, hier der primär Bestattungspflichtigen nach § 8 Abs. 3 NBestattG. Sie erfüllt vielmehr eine ihr selbst obliegende gesetzliche Pflicht zur Bestattung (vgl. Barthel, a.a.O., § 8 Anm. 4.1; Repkewitz, Ordnungsbehördliche Bestattungen, in: VBlBW 2010, 228, 230; Stelkens/Seifert, Die Bestattungspflicht und ihre Durchsetzung: Neue und alte Probleme, in: DVBl. 2008, 1537, 1541). Die bei der Erfüllung dieser Pflicht verursachten Bestattungskosten schuldet die Gemeinde selbst. Die primär gesetzlich Bestattungspflichtigen nach § 8 Abs. 3 NBestattG haften der Gemeinde nach der besonderen gesetzlichen Bestimmung in § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG aber für diese Bestattungskosten. Diese Haftung kann nach § 8 Abs. 4 Satz 3 NBestattG durch Leistungsbescheid festgesetzt werden. Die Rechtmäßigkeit der auf dieser Grundlage erfolgten Heranziehung zu Bestattungskosten erfordert mithin nicht eine (rechtmäßige) zwangsweise Durchsetzung der gesetzlichen Pflichten im Wege der Ersatzvornahme, sondern lediglich das Entstehen und die Erfüllung der subsidiären gesetzlichen Bestattungspflicht der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Gemeinde nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG.

Diese subsidiäre Bestattungspflicht entsteht nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG bereits dann, wenn niemand für die Bestattung sorgt. Maßgeblich ist dabei auf die in § 9 NBestattG für die jeweiligen Bestattungsarten und -abschnitte genannten Zeitpunkte abzustellen. Ausgehend von der gesetzlich angeordneten Subsidiarität der gemeindlichen Bestattungspflicht entsteht diese nur, wenn für die Gemeinde nach eigener Prüfung feststeht, dass die gesetzlichen Bestattungspflichten durch einen primär Bestattungspflichtigen zu den in § 9 NBestattG genannten Zeitpunkten voraussichtlich nicht erfüllt werden. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein primär Bestattungspflichtiger nicht vorhanden oder zur Veranlassung der Bestattung nicht willens oder nicht in der Lage ist. Die zuständige Gemeinde hat daher regelmäßig innerhalb der durch § 9 NBestattG bestimmten Zeiträume unter Ausnutzung der ihr zur Verfügung stehenden oder für sie mit zumutbarem Aufwand erreichbaren Erkenntnisquellen zu ermitteln, ob primär Bestattungspflichtige vorhanden und diese zur Veranlassung der Bestattung willens und in der Lage sind. Erst wenn diese - abhängig vom Einzelfall jeweils unterschiedlichen Anforderungen unterliegenden - Ermittlungen die Feststellung gestatten, dass die gesetzlichen Bestattungspflichten durch einen primär Bestattungspflichtigen zu den in § 9 NBestattG genannten Zeitpunkten voraussichtlich nicht erfüllt werden, entsteht die subsidiäre Bestattungspflicht der Gemeinde nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG.“

Hieran gemessen war im vorliegenden Fall zwar bereits die subsidiäre Bestattungspflicht der Beklagten entstanden, nachdem die Kinder und die Geschwister des Verstorbenen ihr gegenüber telefonisch erklärt hatten, die Bestattung nicht in Auftrag zu geben. Gleichwohl war es daneben rechtlich zulässig, dass die Beklagte die vorrangig bestattungspflichtigen Verwandten zur Bestattung aufgefordert und ihnen für den Fall der Nichterfüllung ihrer Bestattungspflicht die Ersatzvornahme angedroht hat.

Gegenüber dem Kläger ist der streitgegenständliche Bescheid jedoch rechtswidrig, weil er nicht zu dem vorrangig bestattungspflichtigen Personenkreis gehört. Der Kreis der Bestattungspflichtigen wird durch § 8 Abs. 3 NBestattG bestimmt und eine Rangfolge festgelegt. Danach ist der Kläger als Bruder des Verstorbenen grundsätzlich nach § 8 Abs. 3 Nr. 6 NBestattG bestattungspflichtig, allerdings nur dann, wenn die nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 NBestattG vorrangig bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen ausfallen und weitere ihm gegenüber vorrangige Bestattungspflichtige nicht vorhanden sind. Gleichzeitig ohne Rücksicht auf die Rangfolge an alle bekannten Verwandten des Verstorbenen gerichtete Beisetzungsanordnungen - ihre Rechtskraft vorausgesetzt - bewirken dagegen gerade eine vom Gesetz nicht vorgesehene und der dort geregelten Rangfolge widersprechende gleichrangige Verpflichtung aller Bestattungspflichtiger (vgl. B. der Berichterstatterin der erkennenden Kammer v. 22.11.2012 - 5 B 173/12 -).

Ausgehend von dieser Systematik erweist sich die an den Kläger gerichtete Bestattungsanordnung als rechtswidrig. Die Beklagte hat dabei nicht die Rangfolge des § 8 Abs. 3 NBestattG beachtet und den Kläger gleichrangig neben den Kindern des Verstorbenen zur Bestattung aufgefordert. Sie hätte die Bestattungsanordnungen nur gegenüber den vorrangig verpflichteten Kindern des Verstorbenen erlassen dürfen. Die Bestattungspflicht ist allein in § 8 Abs. 3 NBestattG geregelt, und die dort aufgeführten „primär“ Bestattungspflichtigen sind nur dann konkret verpflichtet, die Bestattung eines verstorbenen Verwandten zu veranlassen, wenn es einen vorrangig Verpflichteten nicht gibt. Die Reihenfolge, die § 8 Abs. 3 NBestattG vorgibt, erlaubt dagegen kein „Nachrücken“ der nachrangigen Bestattungspflichtigen, wenn vorrangig Bestattungspflichtige erklären, den Verstorbenen aus finanziellen oder persönlichen Gründen nicht beisetzen zu wollen.

Die Möglichkeit des „Nachrückens“ ergibt sich auch nicht aus einer Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG. Zwar treten danach die nächstrangig Verpflichteten an die Stelle der vorrangig Verpflichteten, wenn sich die Bestattungskosten von ihnen nicht erlangen lassen. Allerdings bezieht sich diese Regelung ausdrücklich nur auf die „Kosten“ der Bestattung, nicht aber auf die Pflicht, die Bestattung zu veranlassen. Daraus folgt, dass die zuständige Gemeinde Bestattungsanordnungen ausschließlich gegenüber den vorrangig Bestattungspflichtigen erlassen darf.

Allein für die Kosten, die sie später ersetzt verlangt, gilt dagegen § 8 Abs. 4 NBestattG. Nach dessen Satz 3 setzt die Gemeinde diese Kosten durch einen Leistungsbescheid fest, und nach Satz 4 treten die nächstrangig Verpflichteten an die Stelle der vorrangig Verpflichteten, wenn sich von diesen die Bestattungskosten nicht erlangen lassen.

Selbst wenn § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG auch für § 8 Abs. 3 NBestattG gelten würde, wovon die erkennende Kammer nach den vorstehenden Ausführungen gerade nicht ausgeht, wäre die streitgegenständliche Bestattungsanordnung schon deshalb rechtswidrig, weil für den Kläger nicht ersichtlich ist, an welcher Rangstelle er zur Bestattung verpflichtet ist und vor allem, ob die Beklagte vorrangig Bestattungspflichtige ermittelt und zur Bestattung aufgefordert hat.

Im streitgegenständlichen Bescheid hat die Beklagte den Kläger lediglich darauf hingewiesen, dass er als Bruder des Verstorbenen „Angehöriger“ i.S. vom § 8 Abs. 3 NBestattG sei. Sie hat weder erwähnt, dass der Kläger gegenüber den Kindern des Verstorbenen nachrangig bestattungspflichtig ist, noch, dass sie den Kindern gleichlautende Bestattungsanordnungen zugestellt hat. Dies hat sie erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen. Der Kläger konnte deshalb auch nicht erkennen, dass die Beklagte - wie sie es dann in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getan hat - zunächst die vorrangig bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen durch Leistungsbescheid zur Erstattung der entstandenen Kosten auffordern und er erst dann in Anspruch genommen würde, wenn und soweit sich die Bestattungskosten von diesen nicht erlangen lassen. Der Bescheid vom 25.02.2011 enthält insoweit keine Ermessenserwägungen, obwohl § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG verlangt, dass in der Begründung alle für die Entscheidung wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind und die Begründung nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG auch die ermessensleitenden Gesichtspunkte enthalten soll.

Bei einem Ermessensnichtgebrauch können die Ermessenserwägungen auch nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren "ergänzt" werden. Das ist nach § 114 Satz 2 VwGO nur möglich, wenn der Bescheid oder die Verwaltungsvorgänge schon Ermessenserwägungen enthalten (s. im Einzelnen OVG Münster, U. v. 29.06.2010 - 18 A 1450/09 - juris). Dies ist hier nicht der Fall. Obgleich die Beklagte alle bestattungspflichtigen Verwandten zur Bestattung aufgefordert hat, findet sich auch im Verwaltungsvorgang weder ein Hinweis darauf, dass der Beklagten die Rangfolge der Bestattungspflichtigen bewusst war, noch auf die Betätigung eines Auswahlermessens. Dieser Ermessensfehler würde ebenfalls zur Rechtswidrigkeit des Bescheides gegenüber dem Kläger führen.