Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.03.1998, Az.: HEs 8/98
Vorliegen der besonderen Voraussetzungen einer Anordnung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 30.03.1998
- Aktenzeichen
- HEs 8/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 32980
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1998:0330.HES8.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Salzgitter - AZ: 10 Ls 106 Js 7441/96
- StA Braunschweig - AZ: 106 Js 7441/96
- GenStA Braunschweig - AZ: HEs 8/96
- AG ... - 31.03.1996 - AZ: 1222-011 Gs 35/96
Rechtsgrundlagen
- § 121 Abs. 1 StPO
- § 122 Abs. 1 StPO
Verfahrensgegenstand
Verdacht des Diebstahls
In der Strafsache
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
am 30. März 1998
beschlossen:
Tenor:
Der Haftbefehl des Amtsgerichts ... vom 31. März 1996 - 1222-011 Gs 35/96 wird aufgehoben.
Gründe
Der Angeklagte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Salzgitter vom 31. März 1996 seit dem 28. September 1997 in Untersuchungshaft. Da noch kein tatrichterliches Urteil gegen ihn ergangen ist, hat der Senat nach den §§ 121 Abs. 1, 122 Abs. 1 StPO darüber zu entscheiden, ob die Untersuchungshaft andauern darf. Das ist nicht der Fall. Hierbei kann dahinstehen, ob der Angeklagte der ihm in dem Haftbefehl zur Last gelegten Taten (schwerer Bandendiebstahl in drei Fällen) dringend verdächtig ist oder ob gegen den Angeklagten der in dem Haftbefehl angenommene Haftgrund der Fluchtgefahr besteht. Denn jedenfalls sind die besonderen Voraussetzungen, unter denen allein nach § 121 Abs. 1 StPO die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus andauern darf, nicht gegeben.
Die Ermittlungen haben sich nach der Verhaftung des Angeklagten weder besonders umfangreich noch besonders schwierig gestaltet. Sie waren vielmehr bei der Verhaftung des Angeklagten im wesentlichen bereits abgeschlossen, wie sich nicht zuletzt daraus ergibt, daß die Staatsanwaltschaft bereits unter dem 30. Oktober 1997 den Abschluß der Ermittlungen verfügen und Anklage erheben konnte. Es liegt aber auch kein anderer wichtiger Grund vor, der einem Urteil innerhalb der Sechs-Monats-Frist entgegengestanden hätte. Der Umstand, daß bislang ein Urteil nicht ergangen ist, liegt vielmehr ausschließlich in den Meinungsverschiedenheiten begründet, die - bei im wesentlichen unverändertem Sachstand - zwischen Staatsanwaltschaft, der 1. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig und dem Schöffengericht Salzgitter darüber bestehen, welches Gericht für die Verhandlung und Entscheidung der Sache sachlich zuständig ist. Die Staatsanwaltschaft hat die Anklage vom 30. Oktober 1997 (Eingang beim Landgericht am 12. November 1997) an das Landgericht gerichtet. Die 1. Strafkammer hat nach Gewährung rechtlichen Gehörs durch Beschluß vom 10. Dezember 1997 die Anklage - allerdings wohl nur nach Maßgabe der §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB - zugelassen und das Hauptverfahren aus beachtlichen rechtlichen Gründen gemäß § 209 Abs. 1 StPO vor dem Schöffengericht in Salzgitter eröffnet. Dort sind die Akten aus dem Vorgang nicht nachvollziehbaren Gründen erst am 21. Januar 1998 eingetroffen. In dem auf den 23. März 1998 anberaumten Termin hat das Schöffengericht Salzgitter nach Durchführung der Beweisaufnahme die Sache gemäß § 270 StPO an das Landgericht Braunschweig verwiesen. In dem Beschluß des Schöffengerichts ist ohne nähere Konkretisierung (aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 23. März 1998, Bl. 177 R bis 178 R sind Einzelheiten nicht hinlänglich zu entnehmen) davon die Rede, daß die "eigenen Angaben des Angeklagten" und im übrigen "eine Vielzahl von Umständen" für eine bandenmäßige Tatausführung sprächen und deshalb eine Gesamtstrafe in Betracht komme, die die Strafgewalt des Schöffengerichts überschreite. Das nunmehr wieder mit der Sache befaßte Landgericht Braunschweig hat Termin noch nicht anberaumt. Bei dieser Sachlage aber ist festzustellen, daß bei der Behandlung des gegen den Angeklagten gerichteten Strafverfahrens das für Haftsachen geltende verfassungsrechtlich begründete Beschleunigungsgebot nicht beachtet worden ist. Denn ohne den dargestellten Kompetenzkonflikt wäre der Erlaß eines erstinstanzlichen Urteils unschwer innerhalb der Sechs-Monats-Frist möglich gewesen (vgl. in diesem Sinne zur Frage Kompetenzkonflikt/wichtiger Grund nach § 121 StPO: BVerfG StV 1992, 522 [BVerfG 07.09.1992 - 2 BvR 1305/92]; OLG Düsseldorf StV 92, 425; OLG Frankfurt/Main StV 94, 328; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 121 Rdnr. 25). Da die Verzögerung auf Umständen beruht, auf die der Angeklagte keinerlei Einfluß hatte, ist der gegen den Angeklagten erlassene Haftbefehl aufzuheben und der Angeklagte in dieser Sache aus der Untersuchungshaft zu entlassen.