Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 01.08.2017, Az.: 4 B 2396/17
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 01.08.2017
- Aktenzeichen
- 4 B 2396/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 24545
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Übernahme der Kosten einer Schulassistenz.
Der am E. geborene Antragsteller besuchte im Schuljahr 2016/2017 die 7. Klasse im Gymnasialzweig der F. A-Stadt. Seit dem 24. Juni 2015 wird er sowohl ambulant als auch teilweise stationär in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des G. behandelt.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2016 stellte die Niedersächsische Landesschulbehörde einen Bedarf des Antragstellers an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung fest. Zur Begründung führte sie aus, dass die eingeübten Verhaltensmuster von Selbststeuerung und Selbstkontrolle des Antragstellers akut kritisch seien und die Wahrnehmung seiner schulischen Potenziale deutlich einschränkten. Der Antragsteller benötige einen Lehrrahmen, der durch klare Regeln, Verlässlichkeit, Überschaubarkeit, Annahme und Wertschätzung gekennzeichnet sei. Das Lern-, Arbeits- und Sozialverhalten sei beständig durch ein Rückmeldesystem zu erläutern.
Zur weiteren Begründung bezog sich die Landesschulbehörde auf das Fördergutachten zur Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung vom 31. März 2016. In diesem heißt es unter anderem:
"4. Aussagen zum prognostizierten Förderbedarf an sonderpädagogischer Unterstützung
Die Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs wird empfohlen für den Bereich emotionale und soziale Entwicklung, da die familiäre Situation und die gepflegten Verhaltensmuster von Selbststeuerung und Selbstkontrolle einerseits langfristig bestehen und akut kritisch sind, andererseits zusammenhängen und letztlich die Wahrnehmung schulischer Potenziale H. deutlich einschränken. befindet sich derzeit in psychologischer Therapie.
5. Aussagen zum künftigen Lern- und Förderprozess
H. schulische Misserfolge korrelieren mit der familiären Situation und den daraus resultierenden Verhaltensmustern. Es müsste ermöglicht werden, andere Muster unabhängig von der familiären Situation zu erwerben/pflegen/nutzen. Klassische unterrichtsmethodische Herangehensweisen dürften dabei nur bedingt erfolgreich sein und die praktizierten Ansätze (abweichende Aufgabenstellung, stärkere Vorstrukturierung von Aufgaben, usw.) durchaus gepflegt werden. Um durchgängig ein strukturiertes, planvolles und motiviertes Arbeiten im Unterricht wirklich zu gewährleisten, müsste aber ggf. eine dauerhafte Intensivbegleitung ermöglicht werden, was den realistischen Möglichkeiten widerspricht.
Wichtiger erscheint es, H. Gedankenwelt insofern zu ordnen, als dass er stärker zwischen familiären und unterrichtlichen Kontexten differenzieren kann und nicht den Ballast des Privaten als ständige Behinderung des schulischen Erfolges erfährt. spricht, wenn er die Möglichkeit dazu bekommt sehr offen, kennzeichnet derzeitige Probleme und ist offen was schulische Erfolge und Misserfolge betrifft. Dabei verliert er sich aber häufig in seinen Gedankenwelten: Schulisches, Privates, Mediales, Literarisches - alles geht ineinander über und durchdringt sich. Der unübersichtliche Knoten von Verstrickungen scheint auch im unterrrichtlichen Kontext ein Grund für gedankliche und thematische Abschweifung zu sein.
Um diese Gedankenwelten zu strukturieren, Einflüsse auf H. Engagement zu kennen, ihm gewahr werden zu lassen und sie ggf. zu minimieren, ist Zeit zum Gespräch für wichtig. Im Weiteren sollte sich erreichbare Ziele setzen sowohl im Sozialverhalten als auch im Arbeitsverhalten. Diese Ziele sollten kontinuierlich formuliert, und ausgewertet werden. Dies ist im Rahmen des Regelunterrichts nicht leistbar."
Unter dem 26. Februar 2017 stellten die Eltern des Antragstellers für diesen einen Antrag auf eine persönliche Schulassistenz. Zur Begründung führten sie aus, dass ihr Sohn unter einer nachhaltigen sozialemotionalen Störung/AD(H)S mit erheblichen Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Strukturierungsdefiziten leide. Er befinde sich seit 2 Jahren in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und sei von Juli 2015 bis Ende September 2015 stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in I. behandelt worden. Die Lernsituation ihres Sohnes habe sich nach Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht verbessert. Es sei wiederholt zu Vorfällen in der Schule gekommen. Seitens der Schule werde eine persönliche Assistenz befürwortet, um zu unterstützen und Mitschüler und Lehrkräfte zu entlasten.
Die Eltern des Antragstellers legten gemeinsam mit dem Antrag unter anderem ein Schreiben der F. A-Stadt vom 15. Februar 2017 vor, in dem ein Vorfall im Februar 2017 in der Schule geschildert wurde. Der Antragsteller sei mit einem Springmesser in der Schule erschienen. Im Büro der Gymnasialzweigleiterin habe er während des Gesprächs zur Erörterung des Sachverhalts ein Nasenspray herausgeholt und es unter Hinweis auf seine Giftigkeit vollständig getrunken. Er habe gesagt, er wolle sich umbringen, da "sein ganzes Leben scheiße" sei. Der Antragsteller sei sehr aufgelöst gewesen und habe mehrmals Suizidabsichten wiederholt. Er sei mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht worden.
Mit Schreiben vom 11. April 2017 hörte der Antragsgegner die Eltern des Antragstellers zur beabsichtigten Ablehnung des Antrages auf Übernahme der Kosten einer Schulassistenz an. Er führte aus, dass eine Schulassistenz für den Antragsteller derzeit nicht die geeignete Hilfe darstelle. Der Einsatz einer Schulassistenz sei niemals ursächlich an der Genesung des Verhaltens orientiert. Er - der Antragsgegner - sehe einen direkten Zusammenhang zwischen den in der Schule gezeigten Verhaltensweisen und der familiären Situation. Eine Schulassistenz würde den Antragsteller im schulischen Rahmen außerdem noch mehr separieren und stigmatisieren. Der Antragsteller selbst lehne die Hilfe zudem ab. Eine Schulassistenz vermöge das wiederholt gezeigte manipulative und aggressive Verhaltensmuster nicht zu mildern und zu beeinflussen. Hierfür bedürfe es der Intervention fachlich ausgebildeter Psychotherapeuten im außerschulischen Rahmen unter Einbeziehung der gesamten Familie. Es sei davon auszugehen, dass die begonnene medikamentöse Behandlung einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Ausdauer und Konzentration liefere. Aus den vorliegenden Berichten gehe nicht hervor, dass beim Antragsteller Verhaltensauffälligkeiten vorlägen, die ein Ausmaß besäßen, welches auf eine drohende seelische Behinderung hinweise. Es sei nicht feststellbar, dass den Entwicklungsrückständen des Antragstellers durch eine Schulassistenz begegnet werden könne.
In ihrer Stellungnahme vom 17. April 2017 führten die Eltern des Antragstellers aus, dass sich die Symptomatik der verschiedenen Störungen ihres Sohnes sowohl im häuslichen als auch im schulischen und im freizeitorientierten Bereich zeige. Die familiäre Situation könne niemals allein ursächlich zur Begründung für die Verhaltensauffälligkeiten in Betracht gezogen werden. Bei der beantragten Bewilligung einer Assistenz in der Schule gehe es in erster Linie um Hilfen zur Strukturierung, Organisation und planvollem Handeln in Bezug auf das Unterrichtsgeschehen und das Unterrichtsmaterial. Aufgrund des Krankheitsbildes und seiner seelischen Entwicklungsverzögerung sei genau hierzu nicht in der Lage. Daher sähen sie die Kriterien einer drohenden seelischen Behinderung als erfüllt an. Eine Stigmatisierung ihres Sohnes entstehe durch mangelnde Kommunikation und Unwissenheit unter anderem auf Seiten der Elternschaft in der Schule, nicht aber durch den planvollen Einsatz einer Schulassistenz. Ihr Sohn habe erheblich unter psychischem Druck gestanden, als er die Schulassistenz abgelehnt habe. Die Nachfrage sei suggestiv gestellt worden. In nachfolgenden Gesprächen habe den Einsatz einer Schulassistenz sehr wohl als Hilfestellung anerkannt.
Die Eltern des Antragstellers fügten ihrer Stellungnahme einen Behandlungsbericht des G. vom 13. April 2017 bei, wo der Antragsteller stationär sowohl vom 29. Juli 2015 bis 14. Oktober 2015 als auch vom 22. Februar 2017 bis 13. April 2017 behandelt worden ist. Als Diagnosen enthielt der Bericht: sozioemotionale Störung mit Unruhe und Impulsivität (...), Übergewicht, schädlicher Medienkonsum von unangemessenen Inhalten und Hypothyreose (Anmerkung der Kammer: Unterfunktion der Schilddrüse). Es bestünden psychosoziale Entwicklungsrisiken. Der Antragsteller sei aufgrund seiner Diagnosen nachhaltig in seiner sozialemotionalen Entwicklung beeinträchtigt. Er gehöre dem Personenkreis der Eingliederungshilfe an und sei auf diese angewiesen. Am 30. März 2017 habe eine Helferrunde mit den Lehrern des Antragstellers und Mitarbeitern des Jugendamtes des Antragsgegners stattgefunden. In diesem Zusammenhang sei dringend Hilfe zur Erziehung sowie eine Schulbegleitung empfohlen worden.
Die Familienanamnese enthielt u.a. folgende Angaben:
"Mutter: Frau A., J., sei Lehrerin in Teilzeit. Sie habe in ihrer Jugend eine Essstörung gehabt, wirkt auch jetzt untergewichtig, sehe bei sich aber keine Essstörung mehr. Vater: Herr A., K., sei Schulleiter an einem Gymnasium, ist deutlich übergewichtig und leide unter Bluthochdruck."
Zur Behandlung führte der Bericht unter dem Punkt "Gut lernen und die Konzentration verbessern" aus:
" besuchte zuverlässig die Klinikschule und die Außenschule (L.). Das Arbeits- und Sozialverhalten entsprach den Erwartungen. Aufgrund der o.g. schwachen Rechtschreibleistungen empfahlen wir für Nachhilfe."
Unter dem Punkt "Ruhig bleiben" wurde ausgeführt:
" übte den angemessenen Umgang mit Entspannung. Er sollte seine Bedürfnisse und Anliegen nach einer kurzen Auszeit angemessen mit seinen Eltern besprechen. Auch seine Eltern sollten sich angemessene Auszeiten bei Anspannung nehmen".
Zur Überschrift "Den familiären Alltag entspannt gestalten" hieß es:
"Die Familie überlegte sich Familienregeln und stimmte sich zu sinnvollen Konsequenzen ab. Wir empfahlen ein vorab besprochenes Vorgehen bei Streit und Auseinandersetzung einzuhalten. Wir empfahlen 'wertvolle Zeiten' mit den Eltern. Wir betonten die Bedeutung von regelmäßigem Lob, mitunter auch schon bei kleineren Erfolgen."
Mit Bescheid vom 29. Mai 2017 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten für eine Schulassistenz für den Antragsteller ab. Zur Begründung bezog er sich auf seine Ausführungen im Anhörungsschreiben vom 11. April 2017. Ergänzend führte er aus, dass die aufgezeigten Verhaltensweisen des Antragstellers seiner psychischen Unreife zuzuschreiben seien. Im Verlauf der mehrwöchigen stationären Klinikbehandlung habe der Antragsteller zuverlässig die Klinikschule und die Außenstelle (Ratsgymnasium Rotenburg) besucht. Das Arbeits- und Sozialverhalten habe den Erwartungen entsprochen. Obwohl die Beschulung in einer Außenstelle während des Klinikaufenthaltes ein hohes Maß an Eigenverantwortung mit sich bringe, habe es der Antragsteller geschafft, sich eigenständig und angepasst zu verhalten. Dem Antragsteller sei es auch ohne Assistenz gelungen, sich im Ratsgymnasium zurechtzufinden. Aus seiner Sicht - des Antragsgegners - sollte an dem begonnenen Behandlungskonzept der Klinik mit der gesamten Familie weitergearbeitet werden. Angesichts des Alters und der Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers sei eine Schulassistenz kontraproduktiv. Sie stelle keine geeignete Hilfe zur Strukturierung, Organisation und planvollem Handeln in Bezug auf das Unterrichtsgeschehen dar. Eine Schulassistenz sei kein "Sicherheitsdienst" und diene nicht dazu, möglicherweise aufkommendes Fehlverhalten einzudämmen. Auf der derzeitig besuchten Schule seien die personellen und räumlichen Voraussetzungen gegeben, um auf die erzieherischen Herausforderungen im Schulalltag zu reagieren. Es gebe eine Schulsozialarbeiterin und ein Trainingsraum zur Förderung eigenverantwortlichen Handelns. Die Schule werde den erzieherischen Herausforderungen nicht zuletzt durch den etablierten Förderbedarf im Bereich emotionale und soziale Entwicklung in Form von individueller Zuwendung gerecht. Eine Schulassistenz übernehme keine ergänzenden schulischen/unterrichtenden Aufgaben. Sie beschränke sich auf den individuellen Unterstützungsbedarf des begleiteten Schülers. Beim Antragsteller liege keine Abweichung vor, die seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtige oder zu beeinträchtigen drohe. Der Antragsteller sei vielmehr allein in der Lage, in der Schule auch ohne eine Unterstützung zurechtzukommen. Das vom Antragsteller gezeigte Verhalten stehe eher im Kontext zur familiären Situation.
Der Bescheid enthielt weiter einen Hinweis mit einer Empfehlung, die begonnene Behandlung in der kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz der Universität Bremen regelmäßig weiterzuführen. Ziel der Maßnahmen sei, dass sich im Elternhaus ein Zusammenleben einstelle, welches den Antragsteller in die Lage versetze, sich zu strukturieren und planvoll zu handeln.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 27. Juni 2017 Klage erhoben und gleichzeitig die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe im vollen Umfang erfüllt seien. Der Antragsgegner setze sich erkennbar nicht mit den festgestellten Diagnosen auseinander. Er - der Antragsteller - bedürfe dringend einer sonderpädagogischen Unterstützung aufgrund einer bestehenden oder drohenden Behinderung, da die Bildungsziele akut gefährdet seien. Er sei insbesondere in seiner emotionalen und sozialen Entwicklung zu unterstützen. Dies verkenne der Antragsgegner genauso wie die fachärztlichen Diagnosen. Diese hätten ausdrücklich "dringend" eine Schulbegleitung empfohlen. Die Schulassistenz sei nicht nur erforderlich, sondern dringend geboten.
Der Antragsgegner tritt dem entgegen und bezieht sich zur Begründung auf seinen Bescheid vom 29. Mai 2017. Ergänzend führt er aus, dass nach seiner fachlichen Einschätzung die schulischen Schwierigkeiten vor allem mit der häuslichen Situation zusammenhingen. Es bestehe eine enge Verzahnung und Wechselwirkung zwischen dem Befinden des Antragstellers und der häuslichen Situation. Der Antragsteller sei weder seelisch behindert noch von einer solchen Behinderung bedroht. Die beantragte Hilfe sei nicht geeignet, den Eintritt der drohenden seelischen Behinderung zu verhüten. Mitte Juli habe eine Familientherapie begonnen, deren Ziel es sei, einerseits die Eltern bei der Erziehung zu unterstützen und zu stärken, damit sie positiv und wertschätzend auf die Bedürfnisse des Antragstellers eingehen könnten. Andererseits ziele sie darauf ab, dass der Antragsteller alternative Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Konflikten erarbeite, um zu klären, welche Unterstützung er von welchem Elternteil benötige. Diese Hilfe setze an der Wurzel der schulischen Probleme des Antragstellers an. Diese familiäre Hilfe werde ihm helfen, sich mehr und mehr auf seine schulischen Aufgaben zu konzentrieren und sein Selbstvertrauen stärken. Gerade in Bezug auf das Selbstvertrauen sei es kontraproduktiv, wenn man ihm durch eine Schulassistenz vermittle, dass er es alleine nicht schaffe.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.
Bereits an der Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ergeben sich für die Kammer erhebliche Zweifel. Ein solcher ist nur anzunehmen, wenn ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache unter Berücksichtigung der Interessen des jeweiligen Antragstellers unzumutbar erscheint. Die Rechtsschutzgewährung muss dringlich bzw. eilbedürftig sein (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123, Rn. 80a f.).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kosten für die begehrte Schulassistenz vom Antragsteller bzw. seinen Erziehungsberechtigten aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse vorläufig selbst getragen werden können. Es bleibt dem Antragsteller und seinen Eltern in diesem Fall unbenommen, im Falle einer erfolgreichen Klage Sekundäransprüche gegen den Antragsgegner geltend zu machen und eine nachträgliche Übernahme der Kosten für die Schulassistenz zu erreichen. Ein Rechtsverlust droht nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn offensichtlich ist, dass der Antragsteller und seine Eltern nicht in der Lage sind, die Kosten für die Schulassistenz vorläufig selbst zu tragen. Hier spricht Überwiegendes dafür, dass es daran fehlt. Nach eigenen Angaben verfügen die Eltern des Antragstellers über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 8.000 €, das sich vornehmlich aus der monatlichen Besoldung des Vaters des Antragstellers in Höhe von M. € und dem monatlichen Gehalt der Mutter in Höhe von N. € zusammensetzt. Selbst wenn man sämtliche laufende Ausgaben der Eltern des Antragstellers berücksichtigt, verbleibt - nach eigenen Angaben - ein frei verfügbares monatliches Einkommen in Höhe von ca. 2.000,00 €. Vor diesem Hintergrund ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Antragsteller und seine Eltern wirtschaftlich nicht in der Lage sind, die Kosten der begehrten abgelehnten Schulassistenz zunächst selbst zu übernehmen.
Letztlich kann die Frage des Anordnungsgrundes hier aber offen bleiben. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher ist nur anzunehmen, wenn das Gericht im Rahmen einer summarisch vorzunehmen Prüfung zu dem Schluss kommt, dass die in der Hauptsache erhobene Klage überwiegende Erfolgsaussichten bietet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 123, Rn. 25). Daran fehlt es hier, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Schulassistenz haben dürfte.
Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenübernahme ist § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII). Nach dessen Abs. 1 Satz 1 haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht (Nr. 1), und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (Nr. 2). Nach Satz 2 sind Kinder oder Jugendliche von einer seelischen Behinderung bedroht, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob der Antragsteller die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe erfüllt. Denn selbst wenn man dies bejaht, kann er die begehrte Übernahme der Kosten für eine Schulassistenz durch den Antragsgegner nicht beanspruchen.
Zwar stellt die Schulbegleitung bzw. Schulassistenz grundsätzlich eine mögliche Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII dar. Nach § 35a Abs. 2, Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - haben Kinder und Jugendliche einen Anspruch auf Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unter der Voraussetzung, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 SGB VIII erfüllt sind. Hierzu gehört auch die Gewährung eines pflegerischen Schulbegleiters. Seine Aufgaben erstrecken sich auf das Erlernen und Einüben eines sozialkompetenten Verhaltens für den Schulbetrieb für ein in seinen sozialen Kompetenzen erheblich beeinträchtigtes Kind oder Jugendlichen. Pädagogische Maßnahmen im Sinne des Bildungsauftrages fallen hingegen grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Schule. Ein Anspruch auf Schulassistenz setzt daher einen individuellen, über die regelmäßig Betreuung durch die Schule hinausgehenden heil- bzw. sozialpädagogischen Sonderbedarf voraus, sowie dass sich der Beurteilungsspielraum des Jugendhilfeträgers bei Bewältigung dieser Bedarfslage auf eine Schulbegleitung reduziert (vgl. zum Vorstehenden Stähr, in: Hauck, Sozialgesetzbuch SGBV VIII Bd. 2, K § 35a, Rn. 48).
An letzterem fehlt es hier. Die Entscheidung über die Eignung und Erforderlichkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme unterliegt einem sozialpädagogischen Entscheidungsprozess unter Mitwirkung des betroffenen Hilfeempfängers und mehrerer Fachkräfte. Diese Entscheidung erhebt nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit, sondern soll nur eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich in diesem Fall darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Eignung und Erforderlichkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist damit gerichtlich nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 21.02.2013 - 12 CE 12.2136 -, zitiert nach , unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 24.06.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155). Will ein Betroffener - wie im vorliegenden Fall der Antragsteller - die Verpflichtung des Jugendhilfeträgers, also hier des Antragsgegners, zur Durchführung einer bestimmten Hilfemaßnahme in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO erwirken, muss er im Hinblick auf den im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit bestehenden Beurteilungsspielraum des Jugendamtes darlegen und glaubhaft machen, dass allein die beanspruchte Hilfemaßnahme zur Deckung seines Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze kann die Kammer nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht davon ausgehen, dass der Antragsteller einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Übernahme der Kosten für eine Schulassistenz im Rahmen der Eingliederungshilfe hat, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass sein schulischer Hilfebedarf allein durch die beanspruchte Schulbegleitung zu decken ist. Dies geht auch aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Stattdessen begegnet die Annahme des Antragsgegners, dass der Hilfebedarf des Antragstellers eine Fortsetzung und Intensivierung der begonnenen Maßnahmen im familiären Bereich erfordert, keinen rechtlichen Bedenken.
Allein in dem Behandlungsbericht vom 13. April 2017 wird eine Schulbegleitung empfohlen. Allerdings wird dort zum Behandlungsverlauf auch festgestellt, dass der Antragsteller zuverlässig die Klinikschule und die Außenschule (ohne die Mitwirkung einer Schulassistenz) besucht hat und das Arbeits- und Sozialverhalten den Erwartungen entsprochen habe. Im Hinblick auf die schulischen Leistungen wurde nur eine Nachhilfe wegen der schwachen Rechtschreibleistung des Antragstellers empfohlen. Weitere aufgeführte Behandlungsansätze finden sich nicht. Eine Begründung für die Erforderlichkeit der Schulbegleitung trotz des erfolgreichen Schulbesuchs fehlt, sodass deren Empfehlung weder nachvollziehbar noch zwingend erscheint. Vielmehr geht aus der weiteren Behandlungsbeschreibung hervor, dass der Schwerpunkt der Therapie des Antragstellers auf den Erwerb von sozialen Fertigkeiten und die Gestaltung eines entspannten Familienalltages gelegt wurde. Hier enthält der Behandlungsbericht im Gegensatz zu seinen Ausführungen zum Schulbesuch konkrete Behandlungsansätze nicht nur für den Antragsteller, sondern auch insbesondere für seine Eltern.
Aus der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Bereich soziale und emotionale Entwicklung ergibt sich ebenfalls weder Eignung noch Erforderlichkeit einer Schulassistenz für den Antragsteller. Die Landesschulbehörde führte bereits in ihrem Bescheid vom 4. Mai 2016 aus, dass den Lehr- und Förderbedürfnissen des Antragstellers durch die Beschulung nach den Bestimmungen der weiterführenden Schule entsprochen werden kann. Darüber hinaus wird im Fördergutachten zur Feststellung des Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung vom 31. März 2017 ausdrücklich festgehalten, dass die Schwierigkeiten des Antragstellers in der Schule mit der privaten und familiären Situation korrelieren. So wird im Gutachten ausdrücklich der "Ballast des Privaten" erwähnt, der eine ständige Behinderung für schulische Erfolge darstelle. Grund für die gedanklichen und thematischen Ausschweifungen sei ein "unübersichtlicher Knoten", in dem u.a. Schulisches und Privates ineinander übergingen. Daraus hat der Antragsgegner nachvollziehbar und aus Sicht der Kammer zu Recht den Schluss gezogen, dass die Probleme des Antragstellers im schulischen Kontext vornehmlich mit der familiären Situation zusammenhängen und diesen durch die Gewährung einer Schulassistenz nicht entgegengetreten werden kann.
In Anbetracht dessen ist es vertretbar, wenn der Antragsgegner davon ausgeht, dass statt einer unmittelbaren Behandlung der schulischen Schwierigkeiten die begonnene Psychotherapie und Behandlung der gesamten Familie die Bedürfnisse des Antragstellers sachgerecht erfüllt. Sämtlichen vorgelegten Unterlagen lässt sich entnehmen, dass gerade die Vermengung zwischen Privatem und Schule dazu führt, dass der Antragsteller in der Schule Verhaltensmuster zeigt, die ihn an einer erfolgreichen Teilnahme am Unterricht hindern. Es sind erkennbar die im familiären Rahmen eingeübten Verhaltensweisen, die schulischen Erfolgen entgegenstehen. Der Antragsgegner geht daher für die Kammer nachvollziehbar davon aus, dass die Ursache der schulischen Schwierigkeiten des Antragstellers im familiären Kontext zu suchen sind, und zieht den Schluss, dass sich mit einer Verbesserung der familiären Situation auch eine Linderung der Probleme in der Schule einstellen könnte. Diese Ansicht ist unter Beachtung der nur eingeschränkt möglichen verwaltungsgerichtlichen Überprüfbarkeit und im Rahmen der hier nur summarisch vorzunehmenden Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden.