Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.02.1989, Az.: 3 U 3/88
Wirksamkeit einer vereinbarten so genannten nachschüssigen Tilgungsverrechnungs-Klausel; Verstoß gegen das Transparenzgebot ; Verschleierte Preiserhöhung bei einer nachschüssigen Tilgungsverrechnung und Erkennbarkeit für den Durchschnittskunden; Neuberechnung eines Darlehenzins bei Unwirksamkeit der Vertragsklausel
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.02.1989
- Aktenzeichen
- 3 U 3/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 20032
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1989:0201.3U3.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 10.11.1987 - AZ: 4 O 344/87
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 AGBG
- § 488 BGB n.F.
Fundstellen
- NJW 1989, 2267-2268 (Volltext mit red. LS)
- NJW-RR 1989, 1138 (red. Leitsatz)
- ZIP 1989, 291-293
Verfahrensgegenstand
Wirksamkeit einer Klausel über die nachschüssige Tilgungsverrechung von Darlehensrückzahlungen
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 1989
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 10. November 1987 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden geändert.
Es wird festgestellt, daß die zwischen den Parteien im Rahmen des am 27.2.1985 geschlossenen Darlehensvertrages - Darlehenskonto 610223-22 - enthaltene Vereinbarung zu Ziffer 2.1.1 unwirksam ist, soweit darin festgehalten wird, daß von dem auf die Endauszahlung des Darlehens folgenden Kalenderhalbjahr an Zinsen nach dem jeweiligen Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Kalenderhalbjahres berechnet werden.
Ferner wird die Beklagte verurteilt, die im Zusammenhang mit dem o.a. Darlehensvertrag zu entrichtenden Zinsen in der Weise zu berechnen, wie sie sich bei sofortiger Verrechnung der in den Annuitätsraten enthaltenen ab 31.3.1985 monatlich vertragsgerecht gezahlten Tilgungsleistungen ergibt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstrekkung der Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,- DM abzuwenden, sofern die Kläger nicht ihrerseits Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Beide Parteien dürfen als Sicherheit die selbstschuldnerische unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder anderen Sparkasse beibringen.
Die Revision wird zugelassen.
Wert der Beschwer: 10.000 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbarten sogenannten nachschüssigen Tilgungsverrechnungs-Klausel. Sie haben am 21.2.1983 unter Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einen Darlehensvertrag über 150.000 DM geschlossen (Bl. 17 GA), verzinslich mit nominell 8,75 % p.a. und zu tilgen mit 1 % ab 31.3.1985. Noch vor Tilgungsbeginn änderten sie mit weiterem Vertrag vom 27.2.1985 (Bl. 21 GA) die Darlehensbedingungen teilweise ab, insbesondere wurde der Zinssatz ab 1.3.1985 auf 7,75 % gesenkt und bis zum 28.2.1995 festgeschrieben. Weiterhin enthält der neue Vertrag in Ziffer 2 unter der fettgedruckten Oberschrift "Verzinsung, Auszahlungskurs, Rückzahlung" über die Zinsberechnung u.a. folgende Regelung (Bl. 21 GA):
"2 Verzinsung, Auszahlungskurs, Rückzahlung 2.1 Verzinsung 2.1.1 Das Darlehen ist zu einem Zinssatz von jährlich 7,5 v.H. ab 1.3.1985 zu verzinsen. Dieser Zinssatz ist bis zum 28.2.1995 unveränderlich. Spätestens bis eine Woche vor Ablauf der Zinsbindungsfrist kann jede Partei verlangen, daß über die Bedingungen für die Darlehensgewährung (Zinssatz, Disagio u.a.) neu verhandelt wird. Werden bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist keine neuen Darlehensbedingungen vereinbart, ist die Sparkasse berechtigt, die Zinsen entsprechend dem von ihr für Darlehen dieser Art jeweils festgesetzten Zinssatz mit sofortiger Wirkung durch Erklärung gegenüber dem Darlehensnehmer zu senken oder zu erhöhen. Die Zinsen werden ab Auszahlungstag aus dem jeweils valutierten Kapital berechnet, nach Endauszahlung aus diesem Betrag. Von dem auf die Endauszahlung folgenden Kalenderhalbjahr an werden die Zinsen nach dem jeweiligen Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Kalenderhalbjahres berechnet. Sie sind in halbjährlichen Teilbeträgen am 30.6. und 30.12. j.Js. zu zahlen. 2.1.2 ... 2.2 ... 2.3 Rückzahlung Tilgungsdarlehen: Tilgung mit 1,0 v.H. jährlich des ursprünglichen Darlehensbetrages zuzüglich der durch die Rückzahlung ersparten Zinsen. Die jährliche Leistungsrate (Zinsen und Tilgung) beträgt z.Z. 13.128,00 DM. Sie ist in monatlichen Teilbeträgen von 1.094,00 DM zu den Zinsterminen, erstmals am 31.3.1985 zu zahlen. Bis zum Tilgungsbeginn sind nur die Zinsen zu zahlen. Bei einer Änderung des Zinssatzes (Nr. 2.1.1) kann die Sparkasse auch die Leistungsrate anpassen."
Die Kläger haben unter eingehenden Darlegungen die Ansicht vertreten, daß die vorstehend zitierte Zinsklausel mit dem AGB-Gesetz nicht im Einklang stehe. Im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGB-Gesetz fehle es bereits an einer wirksamen Einbeziehung dieser Klausel in den Darlehensvertrag. Denn die fragliche Klausel sei so unverständlich und unklar, daß es einem durchschnittlichen Kreditnehmer nicht möglich sei, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Im übrigen sei die Klausel auch überraschend im Sinne des § 3 AGB-Gesetz; sie bedeute ferner eine unangemessene Benachteiligung des Kreditnehmers und sei daher als Preisnebenabrede auch gemäß § 9 AGB-Gesetz unwirksam; mit dem Grundgedanken des § 362 BGB sei sie unvereinbar.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, daß ab Beginn des Darlehensvertrages vom 27.2.1985 (Konto-Nummer 610223-22) für die Berechnung der Zinsen der Tilgungsstand maßgeblich ist, wie er sich bei sofortiger Verrechnung der in den Annuitätsraten enthaltenen monatlichen vertragsgerecht ab dem 31.3.1985 gezahlten Tilgungsleistungen ergibt,
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, ihnen bezüglich des Darlehens zu Konto-Nummer 610223-22 eine neue Abrechnung zu erteilen, bei welcher Zinsen nur für diejenige (restliche) Darlehenssumme berechnet werden, die verbleibt, wenn die in den vertragsgerecht ab 31. März 1985 geleisteten Zahlungen der Kläger enthaltenen Tilgungsbeträge mit Wirkung vom Tage des Zahlungseingangs von der Darlehenssumme (Valuta) in Abzug gebracht werden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die Klage sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Unzulässig sei sie wegen der Möglichkeit der Kläger, etwaige Ansprüche im Wege der Leistungsklage zu verfolgen; die Unbegründetheit ergebe sich daraus, daß die beanstandete Klausel mit dem AGB-Gesetz voll vereinbar sei. Sie sei inhaltlich klar, wegen ihrer weiten Verbreitung keinesfalls überraschend und benachteilige die Kreditnehmer auch nicht unangemessen, abgesehen davon, daß es sich bei dieser Klausel ohnehin um eine sogenannte kontrollfreie Entgeltregelung handele.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.11.1987 abgewiesen. Es hat zwar ein Feststellungsinteresse der Kläger bejaht, einen Verstoß gegen das AGB-Gesetz aber unter weitgehender Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16.6.1987 (WM 87, 838), die einen ähnlich gelagerten Fall der nachschüssigen Verrechnung von Tilgungsleistungen betraf, abgelehnt.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Klageziel - wenn auch mit modifizierten Anträgen - weiter. Sie vertreten nach wie vor die Ansicht, daß die beanstandete Verzinsungsklausel insbesondere gegen §§ 3 und 9 AGB-Gesetz verstoße.
Die Kläger beantragen (Bl. 115 GA),
- 1.
festzustellen, daß die zwischen den Parteien im Rahmen des am 27.2.1985 geschlossenen Darlehensvertrages - Darlehenskonto 610223-22 - enthaltene Vereinbarung zu Ziffer 2.1.1 unwirksam ist, soweit darin festgehalten ist, daß von dem auf die Endauszahlung des Darlehens folgenden Kalenderhalbjahr an Zinsen nach dem jeweiligen Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Kalenderhalbjahres berechnet werden, und
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, die im Zusammenhang mit dem o.a. Darlehensvertrag zu entrichtenden Zinsen in der Weise zu berechnen, wie sie sich bei sofortiger Verrechnung der in den Annuitätsraten enthaltenen ab 31.3.1985 monatlich vertragsgerecht gezahlten Tilgungsleistungen ergibt,
hilfsweise
entsprechend den im ersten Rechtszuge gestellten Anträgen zu entscheiden,
ganz hilfsweise
bei hiermit zugleich angeregter Zulassung der Revision im Falle einer Maßnahme nach § 711 ZPO anzuordnen, daß Sicherheit auch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer öffentlichen Sparkasse oder Volksbank sein darf.
Die Beklagte beantragt (Bl. 124 GA),
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
für den Fall der Gewährung von Vollstreckungsnachlaß zu gestatten, daß Sicherheit in Form der Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank geleistet wird.
Die Beklagte verteidigt unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil. Insbesondere vertritt sie die Auffassung, daß die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.11.1984, die zu der vom Landgericht herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart ergangen und dieses Urteil im Sinne der von den Klägern vertretenen Rechtsauffassung abgeändert hat, im vorliegenden Falle nicht einschlägig sei, weil die hier maßgebende Verzinsungsklausel mit der Klausel, über deren Wirksamkeit der Bundesgerichtshof zu entscheiden gehabt habe, in wesentlichen Punkten nicht identisch sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vor dem Senat gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet. Das Landgericht hat die Feststellungsklage, deren Zulässigkeit die Beklagte im Berufungsverfahren zutreffenderweise nicht mehr bestreitet, zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die von den Klägern beanstandete Regelung über die halbjährlich nachschüssige Tilgungsverrechnung ist unwirksam. Ihr fehlt es - aus der Sicht eines durchschnittlichen Darlehensnehmers - an der nötigen Durchschaubarkeit; sie ist deshalb wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz unwirksam. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der neuesten, vom Senat uneingeschränkt geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie sie in der Entscheidung vom 24.11.1988 ihren Niederschlag gefunden hat. Darüber hinaus können die Kläger entsprechend ihrem weiteren Antrag auch eine neue Darlehensberechnung verlangen.
I.
In der vorgenannten Entscheidung hatte sich der Bundesgerichtshof mit einer formularmäßig vereinbarten Regelung über Verzinsung, Tilgung und Nebenleistungen eines Hypothekenbankkredites auseinanderzusetzen. Die zu überprüfende Bestimmung enthielt in einem ersten Absatz neben der Angabe des jährlichen Nominalzinses, des jährlichen Tilgungssatzes (fester Prozentsatz zuzüglich der durch die fortschreitende Minderung des Kapitals ersparter Zinsen) und der gleichbleibenden prozentualen Jahresleistung auch die Regelung, daß die in der Jahresleistung enthaltenen Zinsen "jeweils nach dem Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Tilgungsjahres berechnet" werden. Ein zweiter Absatz beinhaltete nicht weiter mitgeteilte Nebenleistungen. Im folgenden dritten Absatz schließlich war die Bestimmung enthalten, daß die Zins- und Tilgungsleistungen jeweils kalendervierteljährlich zu entrichten seien.
Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung weder den Absatz 1 noch den Absatz 3 der vorgenannten Regelung als solches verworfen, sondern nur beanstandet, daß das Ineinandergreifen beider Absätze eine für einen Durchschnittskunden nicht erkennbare preiserhöhende Wirkung entfalte. Das sei mit der Verpflichtung eines AGB-Verwenders, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und durchschaubar darzustellen, insbesondere die preiserhöhende Wirkung von Nebenabreden hinreichend erkennbar werden zu lassen, unvereinbar. Ein Durchschnittskunde, also eine Privatperson, die erst- und/oder einmalig Grundbesitz erwirbt und über keine Finanzierungserfahrungen verfügt, müsse durch die Gestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in die Lage versetzt werden, die preiserhöhende oder sie sonst benachteiligende Wirkung einer Klausel nicht erst nach intensiver Beschäftigung oder aufgrund ergänzender Auskünfte zu erkennen. Im konkret entschiedenen Fall hätte dies möglicherweise durch die Einarbeitung des Absatzes 3 in den Absatz 1 geschehen können; jedenfalls hätte aber die zusätzliche Angabe des Effektivzinses entsprechend § 4 der Preisangabenverordnung vom 14.3.1985 ausgereicht, um die preiserhöhende Wirkung der vereinbarten nachschüssigen Tilgungsrechnung deutlich werden zu lassen.
Diese Argumentation überzeugt den Senat. Insbesondere kann der vom Bundesgerichtshof gewählte Ausgangspunkt seiner Entscheidung, nämlich die Geltung und die Bedeutung des Transparenzgebotes, nicht in Frage gestellt werden (so aber Bruchner, WM 88, 1873 ff.). Denn dieses Gebot durchzieht das AGB-Gesetz, wie sich speziell aus § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 und § 5 AGB-Gesetz ergibt, wie ein "roter Faden" (ebenso Trinkner/Wolfer, BB 87, 425, 428). Darüber hinaus entspricht es lange gesicherter Rechtsansicht, daß ein Verstoß gegen das Transparenzgebot auch zur Unwirksamkeit einer Klausel gemäß § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz führen kann (BGH NJW 84, 171, 172; BGH WM 87, 755, 756; Köndgen NJW 87, 160, 164). Auch die Beklagte erkennt dies ausweislich des von ihr vorgelegten Gutachtens von Prof. ... ausdrücklich an (vgl. S. 39 des Gutachtens). Schließlich ist es auch zutreffend, daß der Bundesgerichtshof für die Beurteilung der gebotenen Klausel-Transparenz auf die Verständnismöglichkeit einer Privatperson abgestellt hat, die erst- und/oder einmalig Grundbesitz erwirbt und über keine einschlägigen Finanzierungserfahrungen verfügt. Denn dies ist - wie auch die langjährige Erfahrung des speziell mit Banksachen befaßten erkennenden Senates zeigt - genau der Personenkreis, der typischerweise Verträge der vorliegenden Art abschließt. Für ihn müssen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen also klar und durchschaubar sein, und nicht etwa nur für einen damit befaßten Fachmann.
Die in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten vorgebrachte Argumentation, daß es schon reichsgerichtlichen Grundsätzen entsprochen habe, daß derjenige, der sich in bestimmter Weise am Geschäftsverkehr beteiligt, sich das für die von ihm getätigten Geschäfte erforderliche Wissen zurechnen lassen müsse, vermag der Senat nicht zu teilen. Die Argumentation der Beklagten offenbart ein längst überwundenes zivilrechtliches Verständnis; es übersieht das vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung in den letzten 20 Jahren gleichermaßen verfolgte Ziel und die dazu geschaffenen Gesetze und Rechtsgrundsätze, den Verbraucher vor überraschenden, unklaren und/oder unangemessenen Geschäftsbedingungen zu schützen.
II.
Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen wird die im konkreten Fall verwendete Zins- und Tilgungsregelung ebenfalls dem Transparenzgebot nicht gerecht. Auch bei ihr ergibt sich ihre preiserhöhende Wirkung erst aus der einem Durchschnittskunden nicht möglichen Gesamtschau der mehrere Absätze umfassenden Regelung:
Nr. 2.1.1 befaßt sich ausschließlich mit den zu zahlenden Zinsen. Abgesehen von den hier ohnehin nicht weiter interessierenden Vereinbarungen zur nominellen Zinshöhe wird in Satz 5 der zitierten Nr. zunächst der selbstverständliche und vom Kreditnehmer grundsätzlich erwartete Grundsatz formuliert, daß Zinsen "aus dem jeweils valutierten Kapital berechnet" werden; der Kreditnehmer wird also in seiner Auffassung bestätigt, daß er Zinsen stets nur auf den offenen Saldo der Sparkasse zu zahlen hat. In einer rechtlich nicht zu beanstandenden Art und Weise wird sodann in Satz 6 festgelegt, daß die Zinsen nach dem jeweiligen Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Kalenderhalbjahres berechnet werden. Das führt für sich allein weder objektiv noch aus der Sicht des Kreditnehmers zu einer zinserhöhenden Wirkung, allemal auch deshalb nicht, weil Satz 7 festlegt, daß die Zinsen in halbjährlichen Teilbeträgen zu zahlen sind. Daß bei halbjährlichen Zahlungen die Zinsen jeweils nach dem Kapitalstand zum vorangegangenen Halbjahresehde zu berechnen sind, ist nicht nur rechnerisch geboten, sondern auch als solches für einen Darlehensnehmer selbstverständlich. Eine verschleierte Preiserhöhung könnte sich erst aus einer nachschüssigen Verrechnung von zwecks Tilgung geleisteten Beträgen ergeben; über Tilgungsbeträge ist indessen in der gesamten Nr. 2.1.1 nichts gesagt. Darüber verhält sich erst die erheblich später folgende Nr. 2.3 des Vertrages. Sie legt in ihrem ersten Satz den Tilgungsbetrag mit einem Prozent des ursprünglichen Darlehnsbetrages zuzüglich der durch die Rückzahlung ersparten Zinsen fest. Satz 2 weist sodann die jährliche Leistungsrate für Zins- und Tilgung mit 13.128 DM aus. Bis hierher führt die fragliche Zins- und Tilgungsregelung noch immer nicht zu einer preiserhöhenden Wirkung. Diese Wirkung folgt vielmehr erst aus dem Satz 3 der Nr. 2.3, durch den erstmals und im Widerspruch zu der in Nr. 2.1.1 vorgesehenen kalenderhalbjährlichen Zahlungsweise die Zahlung der jährlichen Leistungsrate in monatlichen Teilbeträgen von 1.094 DM vorgeschrieben wird. Erst dieser dritte Satz der Nr. 2.3 führt im Zusammenwirken mit der in Satz 6 der Nr. 2.1.1 enthaltenen Zinsbestimmung dazu, daß die Kläger letztlich monatliche Tilgungsleistungen zu erbringen haben, die sich zinsmäßig erst für das folgende Kalenderhalbjahr auswirken und damit den Effektivzins des Darlehens beeinflussen. Dies zu erkennen, überfordert aber nach Auffassung des Senats die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Kreditnehmers. Insbesondere wird er auch dadurch in der zuverlässigen Beurteilung der wahren Kosten des von ihm aufgenommenen Darlehens gehindert, daß Nr. 2.1.1 von halbjährlichen Zinszahlungen per 30.6. und 30.12. eines jeden Jahres spricht, Nr. 2.3 dann aber abweichend die monatliche Zahlung der zunächst wiederum jährlich berechneten Leistungsrate - bestehend aus Zins und Tilgung - festschreibt. Bei diesem Durcheinander von monatlichen, halbjährlichen und jährlichen Leistungsraten ist es selbst für einen juristisch vorgebildeten Darlehensnehmer keineswegs problemlos möglich, den wahren Regelungsgehalt und die damit zwangsläufig verbundene Erhöhung des Effektivzinses zu erkennen. Die dem Senat zur Ausbildung zugewiesenen Referendare vermochten jedenfalls ohne nähere Erläuterung die versteckte zinserhöhende Wirkung der hier erörterten Klausel nicht zu erkennen.
Selbst das von der Beklagten vorgelegte Gutachten Prof. ..., dessen Ausführungen sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.1.1989 ausdrücklich in vollem Umfang zu eigen gemacht hat, stellt in richtiger Erkenntnis der Sachlage fest (siehe Seite 20 des Gutachtens), daß "der Durchschnittskreditnehmer die mit den fraglichen Klauseln verbundene Wirkung einer Erhöhung des Effektivzinsens meist nicht ohne weiteres durchschauen" wird. Wie derselbe Gutachter sodann für die hier vorliegende Vertragsklausel, deren Transparenz-Würdigung die Seiten 49 und 50 des Gutachtens gewidmet sind, im wesentlichen mit der Begründung, die Kläger seien durch die maschinenschriftlichen Einfügungen in den ansonsten vorgedruckten Darlehenstext trotz aller im übrigen einzuräumenden Verständnisschwierigkeiten hinreichend für die zinserhöhende Wirkung der hier fraglichen Klausel "sensibilisiert" worden und die preiserhöhende Wirkung der Klausel sei deshalb offensichtlich gewesen, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
Der Senat hat deshalb antragsgemäß die Unwirksamkeit der hier fraglichen Zinsberechnungsklausel festzustellen.
III.
Ist somit die von der Beklagten verwendete Zinsregelung unwirksam, so ist sie verpflichtet, das Darlehen neu abzurechnen, indem sie auf bereits geleistete Tilgungsbeträge keine Zinsen mehr verlangt, also die erbrachten Tilgungsleistungen zinsmäßig taggenau berücksichtigt und die sich daraus ergebenden bisherigen Zinsüberzahlungen zusätzlich jeweils tilgungswirksam und damit auf Dauer zinsmindernd verwendet. Dem Kläger darüber entsprechend seinem zweiten Klagantrag und der dazu in der letzten mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen eine neue Abrechnung zu erteilen, ist die Beklagte aufgrund des geschlossenen Darlehensvertrages in Verbindung mit Treu und Glauben verpflichtet. Allein sie hat es zu verantworten, daß die bisherigen Abrechnungen unrichtig sind und die Kläger keine genaue Obersicht über ihren wahren Schuldenstand haben. Zu der Abrechnung ist die Beklagte auch mittels der bei ihr verwendeten Datenverarbeitung ohne weiteres in der Lage.
IV.
Da die Berufung somit vollen Erfolg hat, muß die Beklagte auch die gesamten Kosten des Verfahrens gemäß § 91 ZPO tragen. Die mit dem Urteil zu verbindenden weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 546 Abs. 1 Nr. 1 zugelassen worden, weil der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung beikommt. Denn die hier vom Senat beanstandete Zinsregelung befindet sich in einem standardisierten Text, der von einer Vielzahl deutscher Sparkassen verwendet wird, so daß der vorliegenden Entscheidung über den Einzelfall hinaus eine sehr weitreichende Bedeutung beikommt.
Streitwertbeschluss:
Wert der Beschwer: 10.000 DM.