Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 27.10.2016, Az.: 12 A 138/16

Autowaschanlage; Feiertagsschutz

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
27.10.2016
Aktenzeichen
12 A 138/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43383
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der gewerbliche Betrieb einer Autowaschanlage in Niedersachsen widerspricht dem Wesen der Sonn- und Feiertage, auch wenn die Anlage automatisch betrieben wird.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, um ihren Autowaschpark auch an Sonn- und Feiertagen betreiben zu dürfen.

Die Klägerin ist ein KFZ-Meisterbetrieb in L. mit SB-Autowaschboxen mit Hochdruckreinigern im Hinterhof. Diese Boxen sind laut ihrer Internetseite durchgehend geöffnet.

Im April 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Öffnung ihres Autowaschparks an Sonn- und Feiertagen nicht zulässig sei. Zum angekündigten Ordnungswidrigkeitenverfahren nahm die Klägerin im Juli 2015 durch ihren Rechtsanwalt Stellung.

Am 13. August 2015 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für ihren Autowaschpark. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Anhörung im September 2015 am 7. Dezember 2015 ab. Das gewerbliche Vorhalten widerspreche dem Niedersächsischen Feiertagsgesetz. Der Waschvorgang sei für jeden durch den Zu- und Abgangsverkehr sowie Werbemaßnahmen wahrnehmbar und diene dem werktäglichen Gelderwerb. Eine Ausnahme könne nur aus besonderem Anlass wie etwa einem Firmenjubiläum genehmigt werden. Die Ablehnung der beantragten Genehmigung sei in Abwägung mit der Berufsfreiheit der Klägerin auch verhältnismäßig.

Hiergegen hat die Klägerin am 7. Januar 2016 Klage erhoben.

Sie trägt hierzu im Wesentlichen vor, dass es sich bei ihren SB-Autowaschboxen nicht um eine klassische Waschanlage handele, an Sonn- und Feiertagen kein Personal beschäftigt werde, sondern der Waschvorgang vielmehr einer häuslichen Reinigung vergleichbar sei. Eine Störung der Anlieger sei wegen der Lage im Gewerbegebiet nicht zu besorgen. Sinn und Zweck des Gesetzes seien hier nicht betroffen, da der Autowaschpark wie Videotheken automatisch betrieben und freiwillig genutzt werde. Der Arbeitnehmerschutz sei hier nicht beeinträchtigt. Es gebe viele junge Leute, die ihr Auto als eine Art Freizeitgestaltung gerne sonntags wüschen. Die Anlage der Klägerin trage zum Umweltschutz bei, weil das Abwasser aufbereitet und gereinigt werde. Andernfalls würden seine überwiegend jungen Kunden ihre Autos ggf. zu Hause waschen, auch wenn dies ebenfalls verboten sei. Die Vorinhaberin des Waschparks habe diesen etwa 10 Jahre beanstandungsfrei auch sonn- und feiertags betrieben. Andere Waschanlagen hätten ebenfalls sonntags geöffnet. Bundesweit sei der Feiertagsschutz zudem aufgeweicht. Eine technische Umrüstung sei wirtschaftlich unverhältnismäßig. Die Klägerin habe das Sonn- und Feiertagsgeschäft wirtschaftlich eingeplant.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.12.2015 zu verpflichten, ihr den Betrieb von Autowaschboxen in der …-straße …, L. gemäß ihres Antrags vom 13.08.2015 an Sonn- und Feiertagen zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf ihren Bescheid und ergänzt, dass sie der Klägerin gerne entgegenkommen würde, etwa durch eine auf Antrag zu genehmigende Öffnung an einzelnen - bis zu 4 - Markttagen ähnlich eines verkaufsoffenen Sonntags. Insbesondere nach der eingeholten Auskunft des Niedersächsischen Innenministeriums und der klaren Rechtslage sei ihr eine generelle Genehmigung der Sonn- und Feiertagsöffnung jedoch verwehrt. Es gebe keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht. Zudem liege die von der Klägerin erwähnte Tankstelle N. im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde Moormerland bzw. des Landkreises Leer, jedenfalls nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten.

Die Beteiligten erklärten im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 13. Oktober 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtene Ablehnung der beantragten Ausnahmegenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung.

Ihr Betrieb des Autowaschparks an Sonn- und Feiertagen verstößt gegen das Niedersächsische Gesetz über die Feiertage (Nds. FeiertagsG) in der Fassung vom 7. März 1995, zuletzt geändert am 5. Juni 2013 (Nds. GVBl. S. 131).

Gemäß § 4 Abs. 1 Nds. FeiertagsG sind öffentlich bemerkbare Handlungen verboten, die die äußere Ruhe stören oder dem Wesen der Sonn- und Feiertagsruhe widersprechen. Bei dem gewerblichen Vorhalten der SB-Autowaschboxen handelt es sich um eine solche öffentlich bemerkbare Handlung, die dem Wesen der Sonn- und Feiertagsruhe widerspricht.

Eine Handlung ist öffentlich bemerkbar, wenn sie von unbestimmt vielen und unbestimmt welchen Personen wahrnehmbar ist. Auf die tatsächliche Wahrnehmung kommt es dabei nicht an. Der Waschpark der Klägerin liegt an einer viel befahrenen Straße, sodass unbestimmt vielen und unbestimmt welchen Personen als Passanten und Kunden die Wahrnehmung ermöglicht ist. Schon aus Umsatzgründen hat die Klägerin ein Interesse daran, dass ihr Autowaschpark als betriebsbereit erkennbar ist. Die Klägerin wirbt zudem unter anderem über ihre Internetseite (Stand: 27.10.2016) dafür, dass der Waschpark durchgehend geöffnet sei. Auch hierdurch ist die Handlung für unbegrenzt viele Personen und damit öffentlich bemerkbar.

Dem Wesen der Sonn- und Feiertagsruhe widerspricht eine typisch werktägliche Handlung. Durch die Sonn- und Feiertagsruhe soll zum einen die allgemeine Arbeitsruhe gewährleistet werden, zum anderen aber auch die seelische Erhebung (Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV). Der Schutzzweck ist damit nicht auf Arbeitnehmer begrenzt, sondern umfasst alle Menschen. Die Sonn- und Feiertage sollen als Tage der religiösen Erbauung, inneren Sammlung, Entspannung, Erholung und nicht zuletzt der sozialen Freizeitgestaltung und des Familienlebens vor der typischen werktäglichen Geschäftigkeit bewahrt werden. Die Sonn- und Feiertagsruhe kann nur verwirklicht werden, wenn die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen und es dem Einzelnen dadurch ermöglicht wird, im sozialen Zusammenleben den vielfältigen und unterschiedlichen Bedürfnissen ungehindert von den werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nachzugehen (BVerfG, Urteile vom 1. Dezember 2009 – 1 BvR 2857/07 u.a. –, BVerfGE 125, 39, und vom 9. Juni 2004 – 1 BvR 636/02 –, BVerfGE 111, 10 [BVerfG 27.01.2004 - 2 BvR 496/01]; BVerwG, Urteile vom 11. November 2015 – 8 CN 2/14 –, NVwZ 2016, 689 und vom 15. März 1988 – 1 C 25.84 –, juris; VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 25. November 1988 – 2 A 215/88 –, DWW 1989, 209). Deshalb haben alle Tätigkeiten zu unterbleiben, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach üblicherweise an Werktagen stattfinden und dem täglichen Gelderwerb zuzurechnen sind. Denn diese Tätigkeiten nehmen dem Sonn- und Feiertag den Charakter des besonderen, nämlich ein „Nicht-Werktag“ zu sein, der die Menschen aus dem werktäglichen Berufsstress und der allgemeinen Hektik des Erwerbs- und Arbeitslebens herauslöst (BVerwG, a.a.O.; VG Oldenburg, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen widerspricht der gewerbliche Betrieb einer Autowaschanlage dem Wesen der Sonn- und Feiertage. Dies gilt auch für vollautomatisierte Waschanlagen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12. September 1988 – 12 B 37/88 –, NJW 1989, 1235; OVG Hamburg, Urteil vom 8. Mai 1990 – Bf VI 54/89 –, NVwZ 1991, 180; Möstl, Öffnung von Videotheken und Autowaschanlagen an Sonntagen?, GewArch 2006, 9, m. w. N.).

Auch wenn einige der Kunden der Klägerin das Autowaschen als freiwillige Erholung und Freizeitvergnügen betrachten sollten und die Klägerin an Sonn- und Feiertagen kein Personal beschäftigt, stellt sich das gewerbliche Bereithalten der SB-Autowaschboxen durch die Klägerin als ein Betriebsablauf mit einer Dienstleistung gegen Entgelt dar. Damit verbunden ist für die Klägerin die Absicht der Gewinnerzielung. Unerheblich ist hierbei, ob der Waschvorgang voll automatisch oder durch den Einsatz von Arbeitskräften oder durch die Kunden selbst erfolgt.

Von diesem generellen Verbot sind einige Handlungen kraft Gesetzes ausgenommen. So gestattet § 4 Abs. 2 Nds. FeiertagsG nicht gewerbsmäßige leichtere Betätigungen in Haus und Garten und § 4 Abs. 3 Nds. FeiertagsG erlaubt es Videotheken zu öffnen. Es handelt sich bei dem Betrieb der Klägerin jedoch nicht um gewerbsmäßige leichtere Betätigungen in Haus und Garten. Soweit die Klägerin vorträgt, ihr Betrieb sei einer Videothek vergleichbar, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Ausnahme für Videotheken wurde in § 4 Abs. 3 Nds. FeiertagsG 2002 als besondere Ausnahme eingefügt. Hintergrund dessen war die Beseitigung einer Ungleichbehandlung hinsichtlich der Öffnungszeiten von Videotheken und Filmtheatern. Betreiber von Videotheken waren wie Betreiber von Filmtheatern verpflichtet, eine Filmförderabgabe zu leisten. Im Gegensatz zu Filmtheatern war es Videotheken aber vor der Gesetzesänderung nicht erlaubt, sonn- und feiertags zu öffnen (Protokoll der 94. Plenarsitzung des Nds. Landtags vom 23. Januar 2002, S. 9261). Diese konkret auf Videotheken bezogene Ausnahme kann nicht auf andere Betriebsarten erweiternd ausgelegt werden. Das generelle Verbot des § 4 Abs. 1 Nds. FeiertagsG wurde dadurch nicht aufgeweicht.

Vielmehr erklärte der Niedersächsische Gesetzgeber und die Niedersächsische Landesregierung auch vor dem Hintergrund der Ausnahmen in anderen Bundesländern ausdrücklich, am Verbot für Autowaschbetriebe festhalten zu wollen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Ladenöffnungszeiten in Niedersachsen der Fraktion der FDP - Nds. Landtag Drs. 17/179 - u.a. mit dem Ziel, die sonntägliche Öffnung von Autowaschanlagen durch eine Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage zu erlauben, wurde abgelehnt (vgl. Protokoll der 7. Plenarsitzung des Nds. Landtags am 29. Mai 2013, S. 531, 533, 537, sowie der 9. Plenarsitzung vom 18. Juni 2013, S. 756, 759). Auf eine mündliche Anfrage in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 24.01.2014, Fragestunde Nr. 36, zu möglichen Ausnahmen nach § 14 Nds. FeiertagsG bei Autowaschanlagen antwortete der Niedersächsische Innenminister: „Der Landesregierung ist bekannt, dass die Feiertagsgesetze der verschiedenen Bundesländer unterschiedliche Regelungen enthalten und dass dies den Grundsätzen des föderalistischen Aufbaus der Bundesrepublik entspricht.“ sowie „Die Landesregierung sieht derzeit keinen Anlass die geltende Rechtslage zu ändern.“.

Die unterschiedliche Rechtslage in den einzelnen Bundesländern begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV überlässt es gerade der Gesetzgebung der Länder, wie sie die Sonn- und Feiertagsruhe jeweils schützen, um den regionalen Besonderheiten Rechnung tragen zu können (vgl. nur BVerfG, Urteile vom 1. Dezember 2009 und vom 9. Juni 2004, jeweils a.a.O., Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 BvR 931/12 –, BVerfGE 138, 261; zu den Autowaschanlagen: Bay VerfGH, Entscheidung vom 27. Februar 2012 – Vf. 4-VII-11 –, NVwZ-RR 2012, 537 [BVerfG 14.03.2012 - 2 BvQ 16/12]).

Sollte sich die Auffassung über Inhalt und Reichweite der Sonn- und Feiertagsruhe ändern, ist es Sache des hierzu berufenen Gesetzgebers, den Sonn- und Feiertagsschutz den aktuellen Umständen entsprechend neu zu gestalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. September 1998 – 1 B 88/98 –; VGH Mannheim, Urteil vom 15. August 2011 – 9 S 989/09 –, DVBl. 2012, 123 (nur Leitsatz); VG Koblenz, Urteil vom 04. April 2011 – 3 K 1586/10.KO –; VG Braunschweig, Urteil vom 24. März 2010 – 5 A 30/10 –; alle juris).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung aus § 14 Abs. 1 lit. c) Nds. FeiertagsG. Diese Ausnahmeregelung erlaubt schon keine allgemeine Freistellung vom grundsätzlichen Verbot des Sonn- und Feiertagsbetriebs (vgl. zur Regelung nach dem LadSchlG: BVerwG, Urteil vom 11. November 2015, a.a.O.).

Eine Ausnahme kann die Behörde nur aus besonderem Anlass im Einzelfall zulassen. Die Klägerin versucht einen besonderen Anlass aus dem bereits zehnjährigen Betrieb des Waschparks durch die Vorgängerin zu begründen. Auf den Fortbestand dieses Zustandes konnte die Klägerin jedoch nicht vertrauen, weil der Betrieb entgegen dem Verbot des § 4 Nds. FeiertagsG ohne eine besondere Genehmigung geführt wurde. Die bisherige Untätigkeit der Beklagten verpflichtet sie nicht, den rechtswidrigen Zustand weiter zu dulden und nunmehr zu legalisieren.

Auch die Aspekte des Umweltschutzes und des wirtschaftlichen Aufwands einer technischen Umrüstung ihres Betriebs führen zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen würde dies für alle Waschanlagen, seien es personalbetriebene oder automatisierte, gelten. Der äußere Schutz des Sonn- und Feiertages hat grundsätzlich Vorrang vor persönlichen und materiellen Interessen. Zum anderen dürfte die Beklagte auch Verunreinigungen des Grundwassers durch Privatpersonen, die ihr Auto ggf. sonn- und feiertags zu Hause zu waschen würden, nicht hinnehmen, soweit die Zuleitung des Abwassers ggf. wasserhaushaltsrechtlich oder aus anderen Gründen nicht gestattet wäre. Akute Umweltgefahren sind nicht ersichtlich.