Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.10.2016, Az.: 15 B 5090/16
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 20.10.2016
- Aktenzeichen
- 15 B 5090/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43064
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 184 S 1 GVG
- § 58 Abs 2 VwGO
- § 81 Abs 1 S 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der in einer Rechtsbehelfsbelehrung enthaltene Hinweis, dass die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss, stellt keine Unrichtigkeit im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO dar und führt demgemäß auch nicht dazu, dass sich die Frist zur Erhebung der Klage auf ein Jahr verlängert. (entgegen: u.a. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2016 - 22 K 4119/15.A -, juris Rn. 47 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juni 2016 - 3a K 4187/15.A -, juris Rn. 17, VG Hannover, Beschluss vom 15. September 2016 - 3 B 4870/16 -, V.n.b.).
Tenor:
Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Antragsteller begehren nach § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (-15 A 4280/16 -) gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 9. August 2016 enthaltenen (und allein einen in ihre Rechte eingreifenden vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisenden) Regelungen in Ziff. 5 bis 7, mit denen das Bundesamt die Abschiebung nach Kosovo angedroht, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG befristet und ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und befristet hat.
Der Antrag, über den gem. § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist bereits unzulässig.
Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung mit Bescheid vom 9. August 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Dieser Bescheid wurde den Antragstellern nach Angaben ihres früheren Prozessbevollmächtigten am 16. August 2016 zugestellt (vgl. Seite 2 der Klageschrift, Bl. 2 der Gerichtsakte). Gem. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG musste der Antrag nach § 80 Abs. 5 innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Verwaltungsaktes erhoben werden. Die Antragsfrist endete also bereits am 23. August 2016, so dass die erst am 30. September 2016 erfolgte Antragserhebung verspätet war.
Der Einzelrichter folgt nicht der von einigen Gerichten vertretenen und vom jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zitierten Rechtsauffassung, nach der die dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt sei und daher gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Einlegung des Rechtsbehelfs die Jahresfrist gelte.
Die in dem angefochtenen Bescheid verwendete Rechtsbehelfsbelehrung lautet:
„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von einer Woche nach Zustellung Klage bei dem Verwaltungsgericht Oldenburg, Schlossplatz 10, 26122 Oldenburg, erhoben werden. (…) Die Klage muss den Kläger, die Beklagte und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und in deutscher Sprache abgefasst sein. (…) Die Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO kann innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides bei dem oben genannten Verwaltungsgericht gestellt werden. “
Das Verwaltungsgericht Hannover führt hierzu in seinem Beschluss vom 15. September 2016 - 3 B 4870/16 -, V.n.b.) unter Bezugnahme auf bereits vorangegangene Entscheidungen u.a. des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2016 - 22 K 4119/15.A -, juris Rn. 47 ff.) sowie des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Urteil vom 24. Juni 2016 - 3a K 4187/15.A -, juris Rn. 17) aus:
„Antrag (und Klage) sind auch nicht wegen Ablaufes der Wochenfrist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG unzulässig. Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig erteilt worden, sodass nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist. Mit der Formulierung ‚in deutscher Sprache abgefasst‘ wird dem Betroffenen unrichtiger Weise nahelegt, die Klage müsse schriftlich erhoben werden. Dem in diesem Satzteil verwendeten Verb ‚abfassen‘ kommt ganz überwiegend die Bedeutung einer schriftlichen Äußerung zu. Es ist gleichbedeutend mit anfertigen, aufschreiben, aufsetzen, formulieren, niederschreiben, schreiben, verfassen, zu Papier bringen, niederlegen (VG Düsseldorf, Gerichtsbesch. v. 28.06.2016 - 22 K 4119/15.A -, juris Rn. 54 f. unter Verweis auf den Duden, Das Synonymwörterbuch, 4. Aufl., zum Stichwort ‚abfassen‘, Ziff 1). Äußert sich die Rechtsbehelfsbelehrung - wie hier - über die notwendigen Angaben nach § 58 Abs. 1 VwGO hinaus auch über die Form des Rechtsbehelfs, so sind alle Möglichkeiten der Erhebung des Rechtsbehelfs, insbesondere die Möglichkeit, Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, zu benennen. Dies ist unterblieben mit der Folge, dass ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf einzulegen bzw. rechtzeitig einzulegen (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 24.06.2016 - 3a K 4187/15.A -, juris Rn. 17; VG Augsburg, Beschl. v. 03.12.2014 - Au 7 S 14.50321 -, juris Rn. 26).“
Dieser Rechtsprechung tritt der Einzelrichter entgegen. Sie übersieht, dass auch eine mündlich zur Niederschrift erhobene Klage bzw. ein in dieser Form gestellter Antrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts ausschließlich in deutscher Sprache abgefasst wird und nicht etwa in der Landessprache des jeweiligen Rechtsuchenden. Der in der Rechtsbehelfsbelehrung verwendete Passus der „in deutscher Sprache abgefassten Klage“ bezieht sich damit ersichtlich nicht auf eine bestimmte Form der Klageerhebung, d.h. er stellt nicht eine - von § 58 Abs. 1 VwGO auch nicht geforderte - Belehrung über die Möglichkeit dar, einen Rechtsbehelf wahlweise schriftlich oder mündlich zur Niederschrift anzubringen (vgl. § 81 VwGO). Vielmehr soll durch diesen zusätzlichen Hinweis vermieden werden, dass ein Rechtsuchender seinen Rechtsbehelf bei dem zuständigen Gericht nur in seiner Landessprache einreicht, was mit Blick auf § 55 VwGO i.V.m. § 184 Satz 1 GVG, wonach die Gerichtssprache deutsch ist, zur Folge hätte, dass der Rechtsbehelf eine fristwahrende Wirkung nicht entfaltet (vgl. Ortloff/ Riese, in: Schoch/ Schneider/ Bier/ Riese/ Ortloff, VwGO, 30. EL Februar 2016, § 81 Rn. 6; Kopp/ Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 55 Rn. 9 m.w.N.).
Das hiergegen eingewandte Argument, die Frist werde aber auch in diesen Fällen jedenfalls dann gewahrt, wenn die Eingabe den noch verständlichen Hinweis in deutscher Sprache enthalte, es werde ein Rechtsbehelf eingelegt (so VG Düsseldorf, a.a.O., juris Rn. 62), überzeugt nicht, da insoweit nicht hinreichend zwischen dem formalen Akt der Einlegung eines Rechtsbehelfs (§ 81 VwGO) und dessen Inhalt (§ 82 VwGO) differenziert wird. Ein in der Eingabe enthaltener Hinweis in deutscher Sprache, dass mit der Eingabe ein Rechtsbehelf eingelegt werden soll, stellt zwar eine nach § 81 Abs. 1 VwGO wirksame Klageerhebung bzw. Antragstellung dar (Ortloff/ Riese, a.a.O., § 82 Rn. 11; a.A.: Kopp/Schenke, a.a.O., § 82 Rn. 2 und Rn. 13, der darüber hinaus auch das Vorliegen der inhaltlichen Mindestvoraussetzungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO fordert, ohne dass der Wortlaut des § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Unterscheidung zwischen den Anforderungen der Sätze 1 und 2 des § 82 Abs. 1 VwGO nahelegt). Hiervon zu trennen sind aber der Eingabe beigefügte darüber hinausgehende, nicht in deutscher Sprache enthaltene Ausführungen, die Ergänzungen darstellen (und insbesondere zur Begründung des Rechtsbehelfs dienen) können, anders als im Falle des § 81 VwGO allerdings nicht Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern - hinsichtlich der Mindestanforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO - lediglich Zulässigkeitsvoraussetzung sind und die damit - etwa durch nachträgliche Übersetzung in die deutsche Sprache - grundsätzlich bis zum Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung nachgeholt werden können (vgl. zum Ganzen auch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Februar 1990 - 9 B 506.89 - NJW 1990, 3103, mit dem das Gericht die hier streitige Formulierung in einer Rechtsmittelbelehrung implizit als ordnungsgemäß erachtet hat - Leitsatz: „Ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Ausländer handelt nicht ohne Verschulden, wenn er bewusst entgegen der von ihm verstandenen Rechtsmittelbelehrung, dass eine Klage in deutscher Sprache abgefasst sein müsse, bei Gericht eine Klageschrift in einer fremden (polnischen) Sprache einreicht.“).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).