Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.07.2017, Az.: 13 A 2876/15

altersdiskriminierende Besoldung; Ausschlussfrist; Entschädigung; Erfahrungsstufen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.07.2017
Aktenzeichen
13 A 2876/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53981
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Niedersächsischen Beamtinnen und Beamten stehen Ansprüche auf Entschädigungszahlung oder auf Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht zu, nachdem im Niedersächsischen Besoldungsgesetz rückwirkend zum 1. September 2011 Dienstaltersstufen durch Erfahrungsstufen ersetzt worden sind.

2. Die besoldungsrechtliche Altersdiskriminierung ist mit der Neuregelung des niedersächsischen Besoldungsrechts und der Einführung sogenannter Erfahrungsstufen beseitigt worden. Die Besoldung nach Erfahrungsstufen ist nicht altersdiskriminierend .

3. Der Gesetzgeber hat eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu bestimmen, nach wieviel Jahren die Einordnung in die höchste Erfahrungsstufe erfolgt. Es gibt keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der niedersächsische Gesetzgeber seinen Ermessenspielraum mit der Neuregelung überschritten hat.

4. Ansprüche auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz für die Zeit vor dem 1. September 2011 bestehen nicht, wenn diese nicht (wie hier) innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht worden sind.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Der im E. 1965 geborene Kläger ist als Stadtoberamtsrat (BesGr A 13) bei der Beklagten beschäftigt. Er befindet sich in der Stufe 11 der Grundgehaltstabelle.

Mit Urteil vom 08.09.2011 (C-297/10 und C-298/10 –, juris) in dem Verfahren „Hennings und Mai“ stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert und durch die Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert worden sei, dahingehend auszulegen sei, dass es einer in einem Tarifvertrag vorgesehenen Maßnahme entgegenstehe, wonach sich innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe die Grundvergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst bei dessen Einstellung nach dessen Alter bemesse. Dass die Stufe der Grundvergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst bei der Einstellung anhand des Lebensalters festgesetzt werde, gehe danach über das hinaus, was für die Berücksichtigung der Berufserfahrung, die der Angestellte vor seiner Einstellung erworben habe, erforderlich und angemessen sei.

Über dieses Urteil informierte die Beklagte ihre Mitarbeiter mit dem Personalrundschreiben Nr. 11/12 vom 05.11.2012. Es sei die Frage zu klären, ob diese Rechtsprechung auf die besoldungsrechtlichen Regelungen der Beamtinnen und Beamten übertragen werden müsse. Sollte eine höchstrichterliche Entscheidung mit Wirkung für Niedersachsen dahingehend getroffen werden, dass die Besoldung statt nach dem Besoldungsdienstalter aus dem Endgrundgehalt erfolgen müsse, werde sie diese Regelungen auf alle Beamten anwenden; ein Antrag oder ein Widerspruch seien nicht erforderlich. Mit Personalrundschreiben Nr. 16/13 vom 23.12.2013 wies die Beklagte noch einmal auf das Rundschreiben vom November 2012 hin und führte aus, dass sie auf die Einrede der Verjährung verzichte.

In einem weiteren Personalrundschreiben (Nr. 19/14 vom 19.12.2014) informierte die Beklagte über Entschädigungsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung. Sie nahm Bezug auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2014 (2 C 3.13 u.a.) zu Entschädigungsansprüchen von Beamten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und wies darauf hin, dass sie von sich aus prüfen werde, ob und in welcher Höhe Beamten ein Entschädigungsanspruch zukomme, sobald die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes und das angekündigte niedersächsische Beamtenbesoldungsgesetz vorlägen. In dem Personalrundschreiben heißt es: „Es ist somit nicht erforderlich, dass jede Beamtin und jeder Beamter einen Antrag auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG stellt. Soweit in § 15 Abs. 4 AGG geregelt ist, dass ein Anspruch innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss, wird die Landeshauptstadt Hannover alle Beamtinnen und Beamten so behandeln, als hätten sie einen Antrag gestellt. Zur Sicherung möglicher Ansprüche ist es auch nicht erforderlich, beim Verwaltungsgericht Klage zu erheben. Eine Frist für die Klageerhebung innerhalb von 3 Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung besteht für Beamte vor dem Verwaltungsgericht nach unserer Rechtsmeinung nicht“.

Mit Schreiben vom 12.12.2014 beantragte der Kläger die rückwirkende Neuberechnung seiner Besoldung unter Berücksichtigung einer altersdiskriminierungsfreien Festsetzung seiner Besoldungsstufe sowie eine Entschädigung nach dem AGG.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.01.2015 ab. Es sei noch nicht möglich festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Entschädigungsanspruch bestehe. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung, jedoch den Hinweis, es sei nicht erforderlich, Klage zu erheben.

Am 02.06.2015 hat der Kläger Klage erhoben.

Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens - mit dem Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechtes, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2016 - (Nds. GVBl. 2016, 308 ff.) - wurde das bisherige System der Dienstaltersstufen durch sogenannte Erfahrungsstufen ersetzt. Die Regelungen über die Erfahrungsstufen treten nach Art. 20 des Besoldungsneuregelungsgesetzes rückwirkend zum 01.09.2011 in Kraft.

Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst einen Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG, einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG sowie eine sogenannten unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch geltend gemacht und zur Begründung vorgetragen: Die zunächst in Niedersachsen weitergeltenden Regelungen der §§ 27, 28 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in der bis zum 30.08.2006 geltenden Fassung verstießen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Richtlinie 2000/78/EG und gegen §§ 1, 3 AGG.

Die Umstellung der Besoldung sei rückwirkend ab dem 01.09.2011 erfolgt. Er mache aber Entschädigungsansprüche bereits ab August 2006 geltend. Durch die angeordnete Rückwirkung (Umstellung vom Besoldungsdienstalter auf Erfahrungsstufen) bleibe es für den Zeitraum von August 2006 bis zum 31.08.2011 dem Grunde nach bei der bisherigen Altersdiskriminierung. Die Ansprüche aus § 15 Abs. 2 AGG blieben bestehen.

Die Ansprüche auf Entschädigung seien auch fristgerecht geltend gemacht worden. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG stehe dem Anspruch auf Entschädigung ab August 2006 nicht entgegen, weil sich die Diskriminierung als Dauertatbestand darstelle und die Ausschlussfrist nicht vor Beendigung der Diskriminierung zu laufen beginne.

Außerdem habe die Beklagte ihn mit ihren Personalrundschreiben davon abgehalten, Widerspruch gegen seine Besoldung einzulegen. Ein Widerspruch wäre so auszulegen gewesen, dass er auch einen Antrag auf Entschädigung nach dem AGG beinhaltet hätte.

Die Beklagte könne einem Entschädigungsanspruch im Hinblick auf das Personalrundschreiben vom 05.11.2012 nicht die Einrede der Verjährung entgegenhalten, weil erklärt worden sei, im Zusammenhang mit einer altersdiskriminierenden Besoldung sei es nicht erforderlich, zur Fristwahrung Anträge zu stellen, und die Beklagte zudem auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.

Durch die Neufassung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes sei auch den Entschädigungsansprüchen ab 01.09.2011 keineswegs die Grundlage entzogen worden. Die Ansprüche aus § 15 Abs. 2 AGG bestünden nach wie vor. Auch das Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts sei mit den Vorgaben des Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 2000/78 nicht vereinbar. Durch die Neuregelung sei die Altersdiskriminierung nicht beseitigt worden. Besoldungsrechtliche Einstufungen und Aufstieg knüpften immer noch an Lebensalter an. Die Besoldungstabellen seien nahezu unverändert in das neue Gesetz übernommen worden. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass der Aufstieg in die höchste Stufe der Besoldungsgruppe erst nach 28 bzw 30 Jahren erfolge. Wissenschaftliche Studien, die belegten, dass ein Arbeitnehmer oder Beamter nach 28/30 Jahren Berufserfahrung bessere Arbeitsergebnisse erziele und eine höhere Leistungskurve erreiche als nach 10/15 Jahren Erfahrung, lägen nicht vor. Es fehle auch an einer vernünftigen Begründung, warum Beamte der Besoldungsgruppe A 12 grundsätzlich nicht mehr in die zweite Besoldungsstufe eingeordnet würden, nicht aber Beamte der Besoldungsgruppen bis A 11.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger in dem Zeitraum August 2006 bis August 2011 eine angemessene Entschädigung, welche in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 100,00 € monatlich jedoch nicht unterschreiten soll, zuzüglich Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab September 2011 fortlaufend eine Entschädigung, welche in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 300,00 € pro Monat jedoch nicht unterschreiten soll, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz zu zahlen,

3. den Bescheid der Beklagten vom 23.01.2015 aufzuheben,

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine monatliche Entschädigung in Höhe von 300,00 € zu zahlen, bis ein Besoldungsgesetz erlassen ist, das nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Inkrafttreten der Neuregelungen des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes habe sich die Hauptsache erledigt.

Die Besoldung der niedersächsischen Beamten verstoße nach der Neuregelung des Besoldungsrechtes zum 01.09.2011 nicht mehr gegen das Diskriminierungsverbot. Entschädigungsansprüche seien für die Zeit ab dem 01.09.2011 nicht mehr begründet.

Die rückwirkende Umstellung der Besoldung von Dienstalters- auf Erfahrungsstufen sei mit der Verfassung vereinbar. Das habe hinsichtlich der vergleichbaren Regelungen des sächsischen Besoldungsrechts auch das Bundesverfassungsgericht schon bestätigt (Beschl. v. 07.10.2015 - 2 BvR 1028/15).

Für die Zeit vor dem 01.09.2011 habe der Kläger seine Ansprüche nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit den Anträgen zu 1.) bis 3.) als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Insbesondere ist die Klagefrist für die Anfechtung des Bescheids vom 23.01.2015 eingehalten. Weil der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2015, mit dem der Antrag des Klägers auf Entschädigung abgelehnt wurde, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, greift die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO. Bei Klageerhebung am 02.06.2015 war diese noch nicht abgelaufen.

Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte es nach § 105 Abs. 1 NBG nicht. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites sind ausschließlich Entschädigungsansprüche. Um die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme in einer besoldungsrechtlichen Angelegenheit, für die ein Vorverfahren vorgeschrieben ist, wird in diesem Verfahren nicht gestritten.

Der Rechtsstreit hat sich für die geltend gemachten Ansprüche auf Entschädigung ab dem 01.09.2011 auch nicht erledigt, nachdem das Land Niedersachsen rückwirkend ab diesem Zeitpunkt die Besoldung niedersächsischer Beamter von Dienstalters- auf Erfahrungsstufen umgestellt hat. Denn die Klage richtet sich auf Entschädigung, nicht auf diskriminierungsfreie Besoldung, und eine Entschädigung wurde dem Kläger durch das Besoldungsneuregelungsgesetz nicht zugesprochen.

Soweit der Kläger mit dem Antrag zu 4.) die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine monatliche Entschädigung in Höhe von 300,00 € zu zahlen, bis ein Besoldungsgesetz erlassen ist, das nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, ist die Klage als Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 2 VwGO zulässig, weil der Kläger seine Ansprüche auf laufende monatliche Entschädigung nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann und ihm auch ein entsprechendes Feststellungsinteresse zur Seite steht.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung, und zwar weder für die Zeit ab dem 01.09.2011 (1.) noch für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.08.2011 (2.):

1.) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG nicht zu. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der/die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Dieser - verschuldensunabhängige - Anspruch greift nur dann ein, wenn eine Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründen vorliegt. Hier fehlt es bereits an einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. Denn durch die rückwirkend in Kraft gesetzte Regelungen im Niedersächsischen Besoldungsgesetz liegt eine Benachteiligung nicht mehr vor.

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2016 (Nds. GVBl. S. 308) richtete sich die Besoldung nach §§ 27, 28 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.08.2002. Diese Bestimmungen galten nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der Besoldung der Beamten der Länder zunächst als Bundesrecht und anschließend in ihrer am 31.08.2006 geltenden Fassung als Landesrecht fort, § 1 Abs. 2 Nds. Besoldungsgesetz - NBesG a.F. - vom 07.11.2008 (Nds. GVBl. S. 334), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2013 (Nds. GVBl. S. 310).

Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 30.10.2014 - 2 C 6/13 - Rn. 14 bis 16 juris) hat entschieden, dass die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27 und 28 BBesG a.F. Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters benachteiligt und diese Bestimmungen mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16, RL 2000/78/EG) unvereinbar sind. Die damit verbundene Altersdiskriminierung ist allerdings mit der Neuregelung des niedersächsischen Besoldungsrechts und der Einführung sogenannter Erfahrungsstufen beseitigt worden.

Die besoldungsrechtliche Ersteinstufung des Beamten orientiert sich nicht mehr am Lebensalter; der Aufstieg nach Stufen knüpft an die bisher erlangte Berufserfahrung an. So richtet sich nach § 25 Abs. 1 NBesG die Zuordnung einer Beamtin oder eines Beamten der Besoldungsordnung A zu einer Erfahrungsstufe nach der Dauer ihrer oder seiner dienstlichen Erfahrung (Erfahrungszeit). Die Überleitung der vorhandenen Beamtinnen und Beamten in die neuen Grundgehaltstabellen ist gemäß §§ 71 bis 73 NBesG ebenfalls mit Wirkung vom 01.09.2011 geregelt worden. Ihr Grundgehalt bestimmt sich nach der Besoldungsgruppe, der das ihr oder ihm verliehene Amt zugeordnet ist, und nach der Erfahrungsstufe, die der Stufe entspricht, der sie nach dem bis dahin geltenden Recht am 01.09.2011 zugeordnet waren, § 72 Abs. 1 NBesG. Nach   § 72 Abs. 2 NBesG werden Beamtinnen und Beamte der Besoldungsordnungen A und C sowie Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 1 und R 2, für die im Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 31.12. 2016 ein Beamten- oder Richterverhältnis zu einem der in § 1 genannten Dienstherren begann, mit Wirkung von dem Tag des Beginns dieses Beamten- oder Richterverhältnisses der Erfahrungsstufe neu zugeordnet, die der Stufe entspricht, der sie nach dem bis dahin geltenden Recht zugeordnet waren, wenn dies für die Betroffene oder den Betroffenen günstiger ist als eine Zuordnung nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

Soweit der Kläger trotz Änderung der besoldungsrechtlichen Vorschriften von einer fortbestehenden Altersdiskriminierung im Sinne des AGG ausgeht, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes - also etwa wegen ihres Alters - benachteiligt werden. An das Lebensalter wird aber nunmehr weder unmittelbar noch mittelbar angeknüpft, so dass bereits eine Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgründen nicht vorliegt. Die Ausrichtung der Besoldung an Erfahrungsstufen ist mit Blick auf die Richtlinie 2000/78/EG nicht zu beanstanden. Der EuGH hat entschieden, dass das System der Erfahrungsstufen mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar ist. Hinsichtlich der Erfahrungsstufen im Bundesbesoldungsrecht wird im Urteil vom 19.06.2014 – C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 –, Rn. 50, juris unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 08.09.2011 (C-297/10 und C-298/10, Rechtssache Hennings und Mai) ausgeführt:

„Hierzu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass das Ziel der Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es diesem ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, in der Regel ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik darstellt (Urteil Hennigs und Mai, EU:C:2011:560, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Allerdings muss, wie schon aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 hervorgeht, geprüft werden, ob im Rahmen des den Mitgliedstaaten zuerkannten weiten Ermessens, auf das in Rn. 46 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Insoweit hat der Gerichtshof anerkannt, dass der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters in der Regel zur Erreichung dieses Ziels angemessen ist, weil das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergeht….“

Die Besoldung nach Erfahrungsstufen ist damit grundsätzlich nicht altersdiskriminierend und kann keine Entschädigungspflicht nach dem AGG auslösen.

Soweit die mangelnde Sachgerechtigkeit der Neuregelung beanstandet wird, greift dieser Einwand nicht durch. Auf dem Gebiet des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit (BVerfG, Beschl. vom 6.05.2004 - 2 BvL 16/02 -, Rn. 41 juris; BVerfG, Beschl. vom 4.06.1969 - 2 BvR 343/66 u.a.,- Rn. 41 juris). Kann ein Gesetzgeber zwischen mehreren denkbaren und verfassungsrechtlich gleichermaßen zulässigen Lösungen wählen, obliegt es folglich ihm zu entscheiden, wie die Folgen eines altersdiskriminierenden Besoldungssystems zu beseitigen sind (BVerfG, Beschluss vom 7.10. 2015 - 2 BvR 568/15 - Rn. 17 juris). Wegen des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, hat ein Gericht nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen. Dem Gesetzgeber steht es im Besonderen frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen. Ihm muss zugestanden werden, auch das gesamte Besoldungsgefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen. Jede Regelung des Besoldungsrechts muss zwangsläufig generalisieren und typisieren und wird in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen; sie wird insoweit vielfach unter irgendeinem Gesichtspunkt für die unmittelbar Betroffenen fragwürdig erscheinen. Die vielfältigen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte werden nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sein. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt (BVerfG, Beschl. vom 06.05.2004, a.a.O., Rn. 42; BVerfG, Beschl. vom 04.04.2001 - 2 BvL 7/98 -, Rn. 43 f. juris). Ausgehend hiervon ist die Neuregelung des niedersächsischen Besoldungsrechts rechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit von der Klägerseite die Sachgerechtigkeit der Neuregelung beanstandet wird, weil die Zeitspannen bis zur Erreichung des Endgrundgehalts unrealistisch lang seien und man deshalb nicht einen Erfahrungszusatz (und damit verbunden eine höhere Arbeitsqualität) unterstellen könne, der erst nach ca. 28 Jahren die Einordnung in die höchste Erfahrungsstufe rechtfertige, greifen diese Einwände nicht durch. Diese beruhen nämlich auf der Annahme, dass mit zunehmender Berufserfahrung nicht mehr von einer Leistungssteigerung infolge eines Erfahrungszuwachses ausgegangen werden kann, was sich auch in der Ausgestaltung der Besoldungsstufen niederschlagen müsse. Die zum Beleg dieser Annahme in einem gleichgelagerten Verfahren angeführten wissenschaftlichen Studien (vgl. Urteil der Kammer vom 07.07.2017 in dem Verfahren 13 A 4188/15) sind allerdings zu pauschal und unsubstantiiert und deshalb nicht geeignet, durchgreifende Zweifel daran entstehen zu lassen, dass der Besoldungsgesetzgeber mit der Ausgestaltung der Erfahrungsstufen seine weiten Entscheidungsspielräume überschritten hat. Die in Bezug genommenen wissenschaftlichen Studien konzentrieren sich soweit erkennbar auf biologische und medizinische Aspekte und enthalten keine Gesamtwürdigung der Leistungsfähigkeit und des Arbeitserfolges von Menschen unterschiedlicher Altersstufen im Vergleich. Sie setzen sich nicht hinreichend mit der Frage auseinander, ob die Abnahme der physischen Leistungsfähigkeit eines Menschen im fortschreitenden Alter nicht auf der anderen Seite durch Fähigkeiten ausgeglichen wird, die sich erst mit zunehmendem Alter entwickeln und die nicht weniger wichtig sind, um gute Arbeitserfolge zu erzielen als physische Leistungsfähigkeit. Hierzu zählen – neben den Aufbau von Spezialwissen – auch Erfahrung, Fähigkeit zur Teamarbeit und die Fähigkeit, in schwierigen Situationen richtig zu handeln.

Im Übrigen ließe es sich nur mit äußerstem Aufwand ermitteln, ob wirklich im Einzelfall die Arbeitsqualität einer Beamtin oder eines Beamten durch zunehmende Berufserfahrung und dem damit verbundenen Gewinn an Routine und Lebenserfahrung eher zunimmt oder ob diese wegen nachlassender körperlicher Leistungsfähigkeit eher abnimmt. Diese Frage dürfte auch nicht für alle Laufbahnen und Laufbahngruppen in gleicher Weise zu beantworten sein, weil die Beamtinnen und Beamten unterschiedlicher Laufbahnen und Laufbahngruppen auch ganz unterschiedlichen Anforderungen ausgesetzt sind. Die Kammer hat jedenfalls keinen Zweifel daran, dass sich der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung der Erfahrungsstufen im Rahmen seines ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums bewegt.

Die Überleitung der Besoldung der „Bestandsbeamten“ von den bisherigen Dienstaltersstufen in die Erfahrungsstufen, wobei die Erfahrungsstufe der schon erreichten Dienstaltersstufe entspricht (§ 72 Abs. 1 NBesG), beinhaltet keinen Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG.

Zwar perpetuiert die Überleitungsregelung für Beamte der Besoldungsordnung A, die wie der Kläger nach der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts vom 20.12.2016 altersdiskriminierend besoldet wurden, die unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters, weil die Neuregelung an das Grundgehalt anknüpft, das dem Beamten nach dem diskriminierenden System der §§ 27, 28 BBesG a.F. zustand. Dies ist jedoch zur Wahrung des Besitzstands und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwands für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten nach der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt (EuGH, Urteil vom 19.06.2014 - C 501/12 u.a. - Rn. 64 ff. und 78 ff. juris; BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a.a.O., Rn. 68). Tatsächlich schreibt das Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts für Bestandsbeamte die bloße betragsmäßige Überleitung des Grundgehalts vor. Der Beamte erhält danach ein Grundgehalt in gleicher Höhe wie nach bisherigem Recht. Maßgeblich ist grundsätzlich die Dienstaltersstufe, die nach bisherigem Recht am Tag vor der Überleitung erreicht worden ist. Die mit dieser Übergangsregelung verbundene Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters ist aber nach der Rechtsprechung des EuGH gemäß Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Ziel der Regelung ist es offenkundig auch, finanzielle Einbußen der Beamten auszuschließen. Die Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, sodass mit dieser Regelung ein legitimes Ziel verfolgt wird (so BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a.a.O., Rn. 70 m.w.N.).

Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der niedersächsische Gesetzgeber die Einführung der Erfahrungsstufen rückwirkend in Kraft gesetzt hat. Durch die rückwirkende Einführung der Erfahrungsstufen bereits ab dem 01.09.2011 sollte die im bisherigen Besoldungsrecht enthaltene Altersdiskriminierung bereits für die Vergangenheit beseitigt werden. Erst durch das rückwirkend in Kraft gesetzte Landesgesetz ist die für die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A erforderliche unionsrechtskonforme gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Die rückwirkende Inkraftsetzung entsprechender vergleichbarer Regelungen in Sachsen wurde vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 30.10.2014, a.a.O. Rn. 75 ff.) für zulässig erachtet. In dieser Entscheidung wird u.a. ausgeführt:

 „Die rückwirkende Inkraftsetzung der hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 27 bis 29 sowie § 80 SächsBesG zum 1. September 2006 durch Art. 28 Abs. 3 des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes ist nicht zu beanstanden.

aa) Diese Rückwirkung ist verfassungsrechtlich selbst dann zulässig, wenn zu Gunsten der Klägerin angenommen wird, dass hier der Fall einer echten Rückwirkung vorliegt.

Die verfassungsrechtliche Problematik der echten Rückwirkung folgt aus den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Bis zur Verkündung einer rechtlichen Norm muss der Bürger grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf das bisherige Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -BVerfGE 97, 67 <78 f.> und Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -BVerfGE 114, 258 <300>). Verfassungsrechtlich unzulässig ist danach die belastende Tendenz eines rückwirkenden Gesetzes (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77 - BVerfGE 50, 177 <193> m.w.N.). An einer solchen belastenden Wirkung für bereits am 31. August 2006 ernannte Beamte der Besoldungsordnung A fehlt es hier aber, weil die zum 1. September 2006 in Kraft gesetzte landesrechtliche Regelung weder nach dem früheren Recht begründete Besoldungsansprüche beseitigt noch ihre Geltendmachung erschwert.

Die Zuordnung dieser Bestandsbeamten zu den neuen Stufen des Grundgehalts zum 1. September 2006 orientiert sich nach § 80 Abs. 1 SächsBesG an den nach dem bisherigen Recht erreichten Stufen. Der anschließende Stufenaufstieg nach § 80 Abs. 2 und § 27 Abs. 2 SächsBesG entspricht hinsichtlich der Zahl der Stufen sowie des Rhythmus des Aufstiegs der früher maßgeblichen Vorschrift des Bundesrechts. Die Gewährung von Leistungsstufen oder der Ausspruch einer Hemmung des Aufstiegs in den Stufen des Grundgehalts im Zeitraum bis zum 31. März 2014 bleiben nach § 80 Abs. 7 SächsBesG wirksam. Auch sind die Grundgehaltssätze für Besoldungsempfänger der Besoldungsordnung A für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis Ende März 2014 nachträglich nicht abgeändert worden. Eine belastende Wirkung der rückwirkenden Regelung durch das Sächsische Dienstrechtsneuordnungsgesetz ergibt sich auch nicht daraus, dass der Klägerin rückwirkend ein etwa zuvor bestehender Anspruch auf höhere Besoldung entzogen worden sei. Denn mangels eines gültigen Bezugssystems hatte die Klägerin aufgrund der RL 2000/78/EG zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine höhere als die gesetzliche Besoldung.

bb) Selbst wenn man von einer belastenden Wirkung der rückwirkenden Inkraftsetzung der Neuregelung ausginge, ergäbe sich daraus für deren verfassungsrechtliche Beurteilung nichts anderes.

Hat eine rückwirkende Norm eine belastende Wirkung, so ist diese nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in jedem Fall unzulässig. Denn das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 - BVerfGE 95, 64 <86 f.> und vom 18. Februar 2009 - 1 BvR 3076/08 - BVerfGE 122, 374 <394>) oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 a.a.O. S. 193 f.). Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (BVerfG, Beschlüsse vom 20. Oktober 1971 - 1 BvR 757/66 - BVerfGE 32, 111 <123> und vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - NVwZ 2014, 577 Rn. 65).

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit einer echten Rückwirkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten (Beschlüsse vom 18. Februar 2009 a.a.O. und vom 17. Dezember 2013 a.a.O.).

An der Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Betroffenen in den Fortbestand der bisherigen Vorschriften fehlt es auch im hier vorliegenden Fall, in der ein kompetenz- und unionsrechtskonformes Landesgesetz rückwirkend an die Stelle eines unionsrechtswidrigen Bundesgesetzes getreten ist. Die Klägerin ist nicht schutzwürdig, weil sie selbst zutreffend geltend gemacht hatte, die Bestimmungen der §§ 27 und 28 BBesG a.F. diskriminierten sie ungerechtfertigt wegen ihres Lebensalters. Sie musste dementsprechend damit rechnen, dass der hierfür zuständige Gesetzgeber die mit Ablauf der Umsetzungsfrist wegen des Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbaren Bestimmungen der §§ 27 und 28 BBesG a.F. durch solche Vorschriften ersetzen wird, die den Vorgaben der RL 2000/78/EG genügen.

Das Urteil des EuGH vom 19. Juni 2014 (Rs. C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294) hat die von der Klägerin bereits in ihrem Widerspruch vom 13. Dezember 2009 geäußerte Rechtsansicht bestätigt, dass die §§ 27 und 28 BBesG a.F. zu einer nicht gerechtfertigten unmittelbaren Diskriminierung wegen des Lebensalters führen. Damit waren diese für die Besoldung der Klägerin maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbar. Diese Anknüpfung an das Lebensalter eines Beamten erfasste potenziell sämtliche Beamte und damit die gesamte Tabelle der Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung A. Da auch keine Kategorie bevorzugter Beamter benannt werden kann, ist es nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere auch nicht möglich, Beamte in die höchste Dienstaltersstufe einzuordnen und danach zu besolden (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 95 bis 97). Durch die rückwirkende Regelung zum 1. September 2006 hat der Gesetzgeber des Freistaats Sachsen, soweit ihm dies aus kompetenzrechtlichen Gründen möglich war, d.h. für den Zeitraum ab dem 1. September 2006, für die Besoldung der Klägerin eine unionsrechtskonforme gesetzliche Regelung geschaffen.

cc) Die Rückwirkung scheitert auch nicht daran, dass hierdurch der Klägerin der zumindest ab dem 8. September 2011 bestehende unionsrechtliche Haftungsanspruch entzogen worden ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH ermöglicht die rückwirkende Anwendung von Maßnahmen des Mitgliedstaates zur vollständigen Durchführung einer Richtlinie die Behebung des Schadens, der durch die unzureichende Umsetzung der Richtlinie entstanden ist. Denn hierdurch werden den von der Richtlinie Begünstigten diejenigen Rechte garantiert, die ihnen zugestanden hätten, wenn die Richtlinie fristgerecht umgesetzt worden wäre. Danach ist die rückwirkende Inkraftsetzung unionsrechtskonformer Gesetze eine zulässige Form der Wiedergutmachung und lässt einen etwaigen unionsrechtlichen Haftungsanspruch entfallen (EuGH, Urteile vom 10. Juli 1997 - Rs. C-94/95 und C-95/95, Bonifaci u.a. - Slg. 1997, I-3969 Rn. 51 ff. und - Rs. C-373/95, Maso - Slg. 1997, I-4051 Rn. 39 ff.). Für den ursprünglich auch ab dem 1. September 2006 bestehenden Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gilt dies entsprechend. Auch insoweit steht im Vordergrund, dass erst durch das rückwirkend in Kraft gesetzte Landesgesetz die für die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A erforderliche unionsrechtskonforme gesetzliche Grundlage geschaffen worden ist. Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Amtshaftungsanspruch ist anerkannt, dass eine rückwirkende Rechtsänderung einen ursprünglich bestehenden Haftungsanspruch wieder beseitigen kann (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - III ZR 24/94 - BGHZ 127, 223 <227 f.> und Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 49/07 - NVwZ 2008, 815 f.).“

Dieser Beurteilung hat sich das Bundesverfassungsgericht angeschlossen:

„Die angegriffene rückwirkende Neuregelung der Beamtenbesoldung verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>). Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies daher einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 [BVerfG 08.06.1977 - 2 BvR 1042/75] <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>). Hieran gemessen entfaltet das Sächsische Besoldungsgesetz schon keine belastende Wirkung. Das Sächsische Besoldungsgesetz in der Fassung des Art. 2 Sächsisches Dienstrechtsneuordnungsgesetz schafft ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem. Die bisherige, am Besoldungsdienst- oder Lebensalter ausgerichtete Stufenzuordnung ist durch eine altersunabhängige, an beruflichen Erfahrungszeiten orientierte Zuordnung ersetzt worden. Eine rechtsbeeinträchtigende Wirkung geht damit nicht einher“ (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.10.2015 – 2 BvR 413/15 –, Rn. 21, juris).

Auch die vom Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung für das rückwirkende Inkrafttreten der besoldungsrechtlichen Neuregelungen zum 01.09.2011 ist rechtlich nicht zu beanstanden und insbesondere nicht willkürlich. Bei der Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren Regelung steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsregelungen muss sich daher darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, insbesondere ob die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar war. Der Gesetzgeber hat sich bei seiner Entscheidung, Erfahrungsstufen rückwirkend zum 01.09.2011 einzuführen, an dem Datum der Verkündung der grundlegenden Entscheidung des EuGH vom 08.09.2011 - C 298/10- (Hennings und Mai) orientiert. Das ist schon deshalb sachgerecht, weil erst mit dieser Entscheidung Rechtsklarheit darüber hergestellt wurde, dass das bisherige Besoldungssystem des Bundesbesoldungsgesetzes auf der Grundlage von Dienstaltersstufen nicht den europarechtlichen Vorgaben entsprach. Dass es daneben auch noch fiskalische Überlegungen gegeben hat, die den niedersächsischen Gesetzgeber veranlasst haben, die Neuregelungen zum 01.09.2011 in Kraft treten zu lassen, ist unschädlich. Der Gesetzgeber hat seinen auch insoweit bestehenden weiten Gestaltungsspielraum jedenfalls nicht überschritten.

Mit Änderung des niedersächsischen Besoldungsrechtes ab dem 01.09.2011 stehen dem Kläger deshalb ab diesem Zeitpunkt Entschädigungsansprüche wegen Altersdiskriminierung nicht mehr zu.

2.) Dem Kläger stehen auch für die Zeit vom 1.08.2006 bis 31.08.2011 keine Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG zu.

Der Besoldungsgesetzgeber hat die früheren Dienstaltersstufen erst ab dem 01.09.2011 durch Erfahrungsstufen ersetzt. Für den Zeitraum davor ist auf der Grundlage der bereits zitierten Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, dass der Kläger durch die Berücksichtigung seine Dienstalters auf Grundlage der Regelungen des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes wegen seines Alters diskriminiert worden ist. Gleichwohl kann der Beamte zum Ausgleich dieser Diskriminierung keine Entschädigung verlangen.

Die Kammer lässt hier offen, ob der Anspruch auf Entschädigung bereits daran scheitert, dass der Beklagten das Versäumnis des Landesgesetzgebers überhaupt nicht vorgeworfen werden kann, weil diese keinen Einfluss darauf hatte, wie das Niedersächsische Besoldungsgesetz ausgestaltet wird und ob und ab welchem Zeitpunkt eine gegebenenfalls altersdiskriminierende Besoldungsregelung durch rückwirkende Neuregelung „geheilt“ wird. Zwar setzt ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG kein Verschulden des Arbeitgebers voraus. Das OVG Lüneburg hat aus dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 3 AGG aber die Frage aufgeworfen, ob nicht das darin enthaltene Haftungsprivileg für den Arbeitgeber bei der Anwendung von Kollektivvereinbarungen erst recht in einem Fall gelten muss, in dem der Arbeitgeber bzw. eine beklagte Körperschaft des öffentlichen Rechts Gesetzesvorschriften anwendet (Beschluss vom 25.02.2014 – 5 LA 204/13 –, Rn. 13, juris). Die Kammer hat diese Frage offen gelassen, weil ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG im Falle des Klägers jedenfalls daran scheitert, dass er für seinen Entschädigungsantrag die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt hat.

Nach § 15 Abs. 4 AGG ist ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 - also auch der Entschädigungsanspruch - innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

§ 15 Abs. 4 AGG ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, welche zum Erlöschen des nicht fristgemäß geltend gemachten Anspruchs führt und von den Gerichten von Amts wegen zu beachten ist (Belling in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 15 AGG, Rn. 12 abrufbar unter juris). Wesentlich für eine solche Ausschlussfrist ist, dass der materielle Anspruch mit der Einhaltung der Frist „steht und fällt“. Ein „verspäteter“ Antragsteller soll also materiell-rechtlich seine Anspruchsberechtigung endgültig verlieren (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 14.03.2007 - 4 LC 16/05 -, Rn. 12 juris, unter Bezug auf BVerwG, Urteil vom 18.04. 1997 - 8 C 38.95 -, juris, Rn. 12). Dies bedeutet, dass Ansprüche auf Entschädigung, die nicht rechtzeitig geltend gemacht wurden, endgültig untergegangen sind. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt, weil es sich um eine Ausschlussfrist handelt, nicht in Betracht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 32 Rn. 64).

Der Kläger hat diese Frist versäumt. Mögliche Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG für den hier streitigen Zeitraum sind untergegangen.

Der Kläger hat mit seinem Schreiben an die Beklagte vom 12.12.2014 erstmals einen Antrag auf Entschädigung geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist des § 15 Abs. 4 AGG bereits abgelaufen, denn diese endete am 08.11.2011. Die 2-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG begann nämlich mit dem Urteil des EuGH vom 08.09.2011 in Sachen Hennigs und Mai an zu laufen.

Die Frist des § 15 Abs. 4 GG beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Grundsätzlich hat der Beschäftigte dann Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist allerdings eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. In diesen Fällen ist danach die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - 2 C 6.13 - juris, Rn. 51, m.w.N.). Hier ist die entscheidungserhebliche Rechtslage durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 08.09.2011 geklärt worden, so dass Anträge auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (wie auch Anträge auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG) bis zum 08.11.2011 hätten gestellt werden müssen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht erstmals mit Urteil vom 30.10.2014 (2 C 6.13 - juris, Rn. 52) entschieden und seitdem mehrfach bestätigt (Urteil vom 20.05.2015 - 2 A 9/13 - juris, Rn. 12 f. und Urteil vom 06.04.2017 - 2 C 20.15, juris). Zur Begründung sei auf das Urteil vom 06.04.2017 - 2 C 20.15 - verwiesen, wo ausgeführt wird:

„Ist, wie hier in Bezug auf die Vereinbarkeit der §§ 27 und 28 BBesG a.F. mit den Vorgaben der RL 2000/78/EG, eine Rechtslage unsicher und unklar, beginnt die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 51 ff.).

In seinen bisherigen Urteilen ist der Senat davon ausgegangen, dass insoweit die in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgeschriebene Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (C-297/10 und C-298/10) maßgeblich ist (BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 51 ff., - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 53 und vom 20. Mai 2015 - 2 A 9.13 - juris Rn. 13). Hieran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.

Bei einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage beginnt der Lauf der Ausschlussfrist zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist (BAG, Urteil vom 15. März 2012 - 8 AZR 160/11 - juris Rn. 61; BGH, Urteile vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98 - NJW 1999, 2041 <2042> und vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 - NJW-RR 2009, 547 Rn. 15 zu dem gleich behandelten Fall des Beginns der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dies setzt nicht voraus, dass sämtliche denkbaren Zweifelsfragen restlos höchstrichterlich geklärt sind. Es reicht aus, wenn infolge einer höchstrichterlichen Entscheidung die Erhebung der Klage für den Betroffenen zumutbar ist.

Der Gerichtshof der Europäischen Union selbst geht davon aus, dass in seinem Urteil in Sachen Hennigs und Mai vom 8. September 2011 den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Bezug auf ein mit §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden ist (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 104). Dass auch nach dem genannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union einzelne Verwaltungsgerichte nach wie vor eine diskriminierende Wirkung des geltenden Besoldungssystems verneint bzw. deswegen den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht haben (vgl. den Vorlagebeschluss des VG Berlin vom 12. Dezember 2012 - 7 K 156.10 - juris Rn. 93 ff. m.w.N.) und eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht vorlag, ändert daran nichts. Entscheidend ist, dass mit dem Urteil in Sachen Hennigs und Mai die erforderliche höchstrichterliche Klärung ("Verdeutlichung") durch den Gerichtshof der Europäischen Union selbst vorlag, nämlich dass ein mit §§ 27, 28 BBesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem unionsrechtswidrig ist. Damit war es den Betroffenen zumutbar, ihre daraus folgenden Ansprüche im Klagewege geltend zu machen. Dass seinerzeit in der besagten Entscheidung vom 8. September 2011 die maßgebliche (hinreichende) Klärung der Rechtslage gesehen wurde, wird auch dadurch augenfällig belegt, dass - wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist - im Nachgang zu dieser Entscheidung mehrere Berufsverbände und Interessenvertretungen ihre Mitglieder durch vorformulierte "Musteranträge" unterstützt und sie aufgefordert haben, unter ausdrücklichem Hinweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ihre Ansprüche geltend zu machen.“

Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an, weil die Begründung gut nachvollziehbar ist und für Rechtssicherheit sorgt. Damit endete die Ausschlussfrist am 08.11.2011, der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 12.12.2014 seinen Entschädigungsanspruch nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht.

Der Einwand des Klägers, ihm könne der Ablauf der 2-Monats-Frist wegen der Personalrundschreiben der Beklagten nicht entgegengehalten werden, greift nicht durch. Mit den von der Beklagten an ihre Bediensteten übersandten Personalrundschreiben Nr. 11/12, Nr. 16/13 und Nr. 19/14 wurde insbesondere keine Regelung getroffen, nach der es den Beamtinnen und Beamten der Beklagten erlaubt sein soll, Entschädigungsansprüche auch nach Ablauf der 2-Monats-Frist geltend zu machen (vergleichbar einer Vereinbarung dieses Inhalts zwischen Tarifvertragsparteien nach § 15 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz AGG). Die Berufung der Beklagten auf den Ablauf dieser Frist ist auch nicht im Hinblick auf einen durch die Personalrundschreiben geschaffenen Vertrauenstatbestand rechtmissbräuchlich.

Die Personalrundschreiben Nr. 11/12 und Nr. 16/13 enthalten weder eine solche Vereinbarung noch schaffen sie einen entsprechenden Vertrauenstatbestand, weil es in diesen Schreiben nur um Fragen der Besoldung, nicht aber um Entschädigungsansprüche ging. Dies ergibt sich aus dem jeweiligen Betreff „Beamtenbesoldung - Bemessung des Grundgehaltes nach dem Besoldungsdienstalter“. Die Absicht, eine Regelung für Entschädigungsansprüche zu treffen, ist auch dem Wortlaut der Personalrundschreiben nicht zu entnehmen.

Zu Entschädigungsansprüchen verhält sich allein das Personalrundschreiben Nr. 19/14 vom 19.12.2014. Dort wird den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beklagten zugesagt, es sei nicht erforderlich, das jede Beamtin und jeder Beamte einen Antrag auf Entschädigung stellt, es würden alle Beamtinnen und Beamten so behandelt, als hätten diese einen Antrag nach § 15 Abs. 2 AGG gestellt.

Dieses Schreiben ist so zu verstehen, dass sich die entsprechende Zusage nur auf noch bestehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bezieht und nicht etwa im Dezember 2014 bereits erloschene Entschädigungsansprüche wieder aufleben lässt.

Bei Anlegung der aus § 133 und § 157 BGB entwickelten Maßstäbe zur Auslegung von Willenserklärungen ist maßgeblich darauf abzustellen, wie der Adressat bei objektiver Würdigung dieses Rundschreiben verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2003 - 2 C 23.02 -, juris). Bei verständiger Würdigung kann dem Rundschreiben allenfalls die Bedeutung zukommen, dass Beamte, die im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014, mit der ein Anspruch auf Entschädigung für Beamte, die von Altersdiskriminierung der Besoldung betroffen sind, anerkannt wurde, bislang noch keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gestellt haben, diesen nicht noch stellen zu müssen. Das Personalrundschreiben ist eine unmittelbare Reaktion der Beklagten auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014. Das zeigt der zeitliche Zusammenhang zu diesem Urteil und die Bezugnahme auf dieses Urteil in dem Absatz, in dem die Beklagte erklärt, es sei nicht erforderlich, dass jede Beamtin oder jeder Beamte ein Antrag auf Entschädigung stellt, diese würden auch im Hinblick auf die 2-Monats-Frist so behandelt, als hätten sie den Antrag innerhalb der Frist gestellt. Die Beklagte wollte offenbar verhindern, dass sie aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit einer Vielzahl von Entschädigungsanträgen, quasi einer „Antragsflut“ konfrontiert wird. Es sollte auf diese Weise das Verhalten der Beamtinnen und Beamten in der Zukunft gesteuert werden, nämlich ihre Reaktion darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht den von altersdiskriminierender Besoldung betroffenen Beamten Entschädigungsansprüche zugesprochen hat. Es spricht aber wenig dafür, dass mit dem Personalrundschreiben Fristversäumnisse, die in der Vergangenheit liegen, geheilt werden und rückwirkend etwaig erloschene Ansprüche wieder aufleben sollten. Für einen solchen weitgehenden Erklärungsinhalt finden sich in dem Personalrundschreiben keine hinreichenden Anhaltspunkte; eine derartige Erklärung wäre auch nicht mit den Haushaltsgrundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vereinbar gewesen und hätte eventuell sogar Regressansprüche gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten ausgelöst, die für die Formulierung dieses Rundschreibens Verantwortung tragen.

Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist ist damit auch nicht rechtsmissbräuchlich. Nach dem in § 242 BGB für den gesamten Rechtsverkehr normierten Grundsatz, dass jedermann in Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat, ist die Beklagte vorliegend nicht gehindert, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen. Rechtsmissbräuchliches Verhalten könnte man der Beklagten allenfalls dann vorwerfen, wenn sie den Kläger von der rechtzeitigen Geltendmachung abgehalten oder es pflichtwidrig unterlassen hatte, ihm - wie den übrigen Beamten - Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte hat - auch durch den Inhalt der vom Kläger in Bezug genommenen Personalrundschreiben - nicht die Ursache dafür gesetzt, dass der Kläger die Frist des § 15 Abs. 4 AGG versäumt hat. Die Frist war vielmehr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Rundschreibens, das sich mit Entschädigungsansprüchen befasste, schon lange abgelaufen. Sie ist nicht gehindert, sich auf den Ablauf der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten Frist zu berufen.

Soweit die Beklagte auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, bezog sich dies auf die besoldungsrechtlichen Ansprüche. Fragen der Verjährung stellen sich im Übrigen nicht, weil der Anspruch auf Entschädigung - wie oben ausgeführt - untergegangen ist.

3.) Der Kläger hat seine Ansprüche nur auf § 15 Abs. 2 AGG gestützt, nach der Neuregelung des Besoldungsrechtes durch das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2016 aber nicht mehr Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG oder auf der Grundlage des sogenannten unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gefordert. Die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG oder des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs lägen auch nicht vor. Beide – verschuldensabhängigen – Ansprüche kämen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 06.04.2017, a.a.O. m.w.N.), der sich die Kammer auch insoweit anschließt, erst für den Zeitraum ab dem 08.09.2011 in Betracht, weil erst mit Entscheidung des EuGH in Sachen Hennings und Mai die Rechtslage hinreichend geklärt war und dem Gesetzgeber der Vorwurf gemacht werden kann, er habe schuldhaft mit seinen besoldungsrechtlichen Regelungen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen bzw. der Verstoß gegen das Unionsrecht sei hinreichend qualifiziert. Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt lag aber durch die rückwirkende Einführung von Erfahrungsstufen im Niedersächsischen Besoldungsgesetz ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nicht mehr vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Berufung war gem. §§ 124a Abs. 1 iVm. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.