Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 09.11.2018, Az.: 5 U 5/17

Bindung des Gerichts des Schadensersatzprozesses gem.§ 945 ZPO an die im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
09.11.2018
Aktenzeichen
5 U 5/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 12053
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 18.04.2017 - AZ: 6 O 380/16

Amtlicher Leitsatz

Der im Verfügungsverfahren ergangenen Entscheidung kommt keine materielle Rechtskraft für den Schadensprozess zu.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 18.04.2017 zu Az. 6 O 380/16 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 406.000,92 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer nach Auffassung der Klägerin ungerechtfertigten Anordnung einer einstweiligen Verfügung, durch die ihr auf Antrag der Beklagten die Beherbergung von Flüchtlingen in ihrem Hotel- und Ferienwohnungskomplex untersagt worden war.

Die Klägerin betreibt seit dem Jahr 2004 ein Hotel in dem Gebäudekomplex P.straße in G., Ortsteil H.. Dieser wurde ausweislich Ziffer I.3. der notariellen Teilungserklärung vom 30.04.1976 in der Rechtsform des Wohn- und Teileigentums errichtet. Das Wohnungseigentum besteht aus 134 einzelnen Apartments und dem aus einem Restaurant mit Café und Bierkeller bestehenden Teileigentum, das nach Ziffer V. § 1 Nr. 2 der Teilungserklärung zu gastronomischen Zwecken genutzt wird.

Die mit der Klägerin verbundenen Firmen E. GmbH, H. GmbH und H. AG sind Eigentümer des Teileigentums und von dreiundsechzig Wohneinheiten. Darüber hinaus hatte die Klägerin für die Dauer vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2015 fast alle weiteren Apartments der anderen Wohnungseigentümer zur Erweiterung des Hotelbetriebs gepachtet und die wesentliche Unterhaltung der Gemeinschaftsanlagen übernommen, wozu unter anderem ein Schwimmbad, eine Sauna, ein Fitnessraum, Tiefgaragen, eine Klima-, Telefon- und Heizungsanlagen gehören.

Am 14./18.09.2015 schloss die Klägerin mit dem Land N., vertreten durch das Ministerium für Inneres, einen Vertrag über die Unterbringung und Verpflegung von bis zu 300 Personen in bis zu 104 Zimmern in dem Zeitraum vom 21.09.2015 bis zum 31.12.2015 und von bis zu 210 Personen in bis zu 58 Zimmern für das Jahr 2016, wobei vorrangig geflüchtete syrische Familien beherbergt werden sollten. Am 21.09.2015 nahm sie 256 Flüchtlinge aus dem Grenzdurchgangslager F. auf und stellte den Betrieb des Schwimmbades, des Sauna- und Fitnessbereichs sowie das öffentliche Angebot zur Nutzung des Restaurants, eines Kosmetikstudios und der Tiefgaragen ein.

Gegen die Beherbergung der Flüchtlinge wandten sich die Beklagten, die Eigentümer von insgesamt elf Wohneinheiten in dem betroffenen Gebäudekomplex sind, von denen sie bis zum 31.12.2015 ebenfalls acht an die Klägerin vermietet hatten und drei weitere Einheiten gesondert als Ferienwohnungen anboten. Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht Goslar die einstweilige Verfügung vom 21.09.2015 zu Az. 27 C 25/15 und untersagte der Klägerin, die Räumlichkeiten in dem Objekt P.straße dem n. Innenministerium für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde die Klägerin verpflichtet, bereits erfolgte Belegungen unverzüglich zu beenden. Daraufhin wurden die bereits im Hotel untergebrachten Personen in den folgenden Wochen nach und nach in andere Unterkünfte verlegt und zunächst keine weiteren Flüchtlinge, später nur noch vereinzelt syrische Familien aufgenommen

Auf den Widerspruch der Klägerin vom 29.09.2015 stellte das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 21.09.2015 mit Beschluss vom 30.09.2015 vorläufig ein, hob die Einstellung der Vollstreckung nach mündlicher Verhandlung vom 12.10.2015 jedoch wieder auf und bestätigte die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 15.10.2015. Auf die Berufung der Klägerin und deren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom selben Tag stellte das Landgericht Braunschweig mit Beschlüssen vom 16.10.2015 und 28.10.2015 zu Az. 6 S 409/15 die Zwangsvollstreckung erneut ein, hob mit Urteil vom 08.12.2015 die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Goslar vom 21.09.2015 auf und wies den Eilantrag der Beklagten zurück. Daraufhin wurden seitens des Landes N. noch im selben Monat 190 Personen aus einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft in H. in dem Hotel der Klägerin untergebracht und ab dem 01.01.2016 Flüchtlinge in einer dem Beherbergungsvertrag entsprechenden Anzahl aufgenommen.

Gegenüber dem Land N. rechnete die Klägerin für die Zeit vom 21.09. bis 31.12.2015 insgesamt 20.227 statt ursprünglich geplante 30.600 Übernachtungen ab. Mit Schreiben vom 18.12.2015 forderte sie die Beklagten unter Fristsetzung zum 30.12.2015 auf, den bis dahin wegen der ausgefallenen 10.373 Übernachtungen entstandenen Schaden in Höhe von 366.325,50 € auszugleichen.

Im hiesigen Verfahren macht die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 406.000,92 € nebst Zinsen geltend, wobei sie für den Zeitraum vom 21.09.2015 bis zum 31.12.2015 einen Umsatzausfall von 486.688,80 € netto abzüglich ersparter Aufwendungen ansetzt.

Das Landgericht Braunschweig hat der Klage mit Urteil vom 18.04.2017 zu Az. 6 S 409/15 in vollem Umfang stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin nach § 945 ZPO Ersatz für den ihr entgangenen Gewinn von den Beklagten verlangen könne, da sich die von diesen beantragte einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen habe. Zudem seien die finanziellen Ausfälle der Klägerin kausal und zurechenbar auf die gerichtliche Verfügung des Amtsgerichts Goslar zurückzuführen und ein Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht nicht feststellbar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Die Beklagten wenden sich gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 11.05.2017 zugestellte Urteil mit der am Montag, dem 12.06.2017, eingelegten Berufung, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.08.2017 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet haben. Sie vertreten unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen weiterhin die Ansicht, dass der Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz zustehe, da die einstweilige Verfügung vom Amtsgericht Goslar zu Recht erlassen worden sei.

Es habe ein Verfügungsanspruch bestanden, da die Nutzung des Wohnungseigentums als Flüchtlingsheim maßgeblich von der bisherigen Nutzung als Hotelbetrieb abgewichen sei. Statt der schlichten Gewährung der Unterkunft für Gäste sei eine Einrichtung mit vorgegebenen Organisationsstrukturen entstanden, die auch durch Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen gekennzeichnet sei. So sei bereits die Zuweisung der Unterkunft fremdbestimmt durch den Landkreis G. als zuständiger Ausländerbehörde erfolgt, die dementsprechend jedem Bewohner eine beschränkte Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage der Wohnsitznahme in dem streitbefangenen Objekt ausgestellt habe. Dort sei auch die regelmäßige Auszahlung von Taschengeld und das Verteilen von Winterkleidung durch die gemeinnützige Organisation S. e.V. erfolgt. Es habe feste Essenszeiten und Verhaltensregeln für das Zusammenleben gegeben, in denen beispielsweise auf die Einhaltung von Ruhezeiten oder Mülltrennung hingewiesen worden sei, was auch jedenfalls ab Januar 2016 mit Hilfe eigenen Sicherheitspersonals durchgesetzt worden sei. Zur Betreuung der Bewohner seien zweimal wöchentlich ärztliche Sprechstunden im Gebäude durchgeführt und Dolmetscher sowie Sozialarbeiter gesucht worden. Die Flüchtlinge hätten beispielsweise die in dem leergeräumten Fitnessraum aufgestellten Waschmaschinen nur mit Hilfe Dritter bedienen können. Letztlich sei auch die Wohnmöglichkeit in den teilweise nur 18,12 m² bis 21, 51 m² großen Apartments für eine Belegung mit vier Personen sehr beengt und allein durch die Nutzung der als Wohnraumausstattung gedachten Schlafsofas sichergestellt worden. Dementsprechend sei nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien davon auszugehen, dass die Einweisung der Flüchtling als heimtypische Unterbringung anzusehen sei, was auch mit der Bezeichnung des Gebäudes als Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung F. durch den Landkreis G. übereinstimme.

Treuepflichten, nach denen die Beklagten verpflichtet gewesen seien, die von den Klägern gewählte Vermarktung der Räumlichkeiten als Flüchtlingsunterkunft zu dulden, gebe es nicht.

Ebenso habe ein Verfügungsgrund bestanden, da die seitens der Klägerin im September 2015 bereits begonnene Belegung des Hotels mit Flüchtlingen habe verhindert werden müssen, um nachhaltigen Schaden für die touristische Vermarktung der Ferienanlage abzuwenden.

Hinsichtlich der Höhe des Ersatzanspruches sei darüber hinaus zu bedenken, dass nach § 945 ZPO nur derjenige Schaden zu ersetzen sei, der aufgrund der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung entstanden sei. Hier habe aber die Klägerin im Nachgang zu der gegen sie am 21.09.2015 ergangenen einstweiligen Verfügung ihrerseits am 30.09.2015, 16.10.2015 und 28.10.2015 drei gerichtliche Einstellungsbeschlüsse erwirkt, so dass die Beklagten zu keinem Zeitpunkt wirksam ihren Verfügungsanspruch hätten durchsetzen können.

Die Beklagten beantragen,

das am 11.05.2017 zugestellte Urteil des Landgerichts Braunschweig zu Az. 6 O 380/16 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass ihr ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 945 ZPO und § 823 BGB zustehe, da die einstweilige Verfügung am 21.09.2015 zu Unrecht ergangen sei, wie dies bereits vom Landgericht Braunschweig in dem Eilverfahren zu Az. 6 S 409/15 mit Urteil vom 08.12.2015 festgestellt worden sei. Im hiesigen Schadensersatzprozess seien die Gerichte an die in dem dortigen Verfahren getroffenen Feststellungen zur Unrechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung gebunden, zumal die Eilentscheidung dort sowohl wegen eines fehlenden Verfügungsanspruches als auch wegen eines nicht vorhandenen Verfügungsgrundes aufgehoben worden sei.

Zudem habe es tatsächlich von vornherein an einem Verfügungsanspruch gefehlt, da sich die Art und Weise der Nutzung des Objektes aufgrund der Unterbringung der Flüchtlinge gegenüber dem vorherigen Gebrauch durch Hotelgäste nicht verändert habe. Insoweit sei auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.10.2017 zu Az. V ZR 193/16 in der Gesamtschau darauf abzustellen, dass die Einheit zu Wohnzwecken und nicht als Heim genutzt worden sei. Denn es seien kaum Leistungen erbracht worden, die eine heimtypische Organisationsstruktur erforderten, und wenn, sei dies in den nicht Wohnzwecken dienenden Teileigentumsflächen im Keller- und Erdgeschoss erfolgt. In den dortigen Räumen, zu denen der Eingangsbereich, das Restaurant, das Café, Toiletten, Wäsche-, Getränke- und Lagerkeller gehörten, habe insbesondere die gastronomische Versorgung der Flüchtlinge stattgefunden und die mit der unmittelbaren Unterbringung einhergehende Organisation. Die anderweitigen organisatorischen Maßnahmen zur Erfassung der Flüchtlinge und deren Erstversorgung nach Maßgabe des Asylverfahrensrechts seien hingegen von den zuständigen Behörden im Kurhaus H. erbracht worden. Dementsprechend hätten die ca. 30 m² großen Apartments, zu denen jeweils ein separates Badezimmer und teilweise eine Kitchenette gehörten, auch allein zu Wohnzwecken für jeweils bis zu vier familiär verbundene Flüchtlinge gedient. Es habe weder gemeinschaftlich genutzte Koch- und Sanitäranlagen gegeben noch sei eine Belegung durch einen unübersichtlich großen Personenkreis in Mehrbettzimmern mit Doppelstockbetten erfolgt. Besondere Verhaltensregeln seien nicht etabliert worden.

Da die Nutzung des Wohneigentums aufgrund des Vertrages mit dem Land N. zudem nicht mehr gestört habe als die zulässige Nutzung als Hotel, habe die Unterbringung der Flüchtlinge nach dem Grundsatz von Treu und Glauben überdies nach § 242 BGB, § 10 WEG selbst dann hingenommen werden müssen, wenn eine zweckbestimmungswidrige Nutzung vorgelegen hätte. Denn zum einen habe es hinsichtlich der Fluktuation der Gäste aufgrund der Verweildauer von etwa vier bis sechs Wochen sogar eine Verbesserung gegenüber dem vorherigen Hotelbetrieb gegeben. Zum anderen sei dieser Betrieb seit Jahren erheblich defizitär gewesen, so dass erforderliche Sanierungsarbeiten, insbesondere am Gemeinschaftseigentum, erst aufgrund des Vertrages mit dem Land N. hätten refinanziert werden können.

Darüber hinaus habe es an einem Verfügungsgrund gefehlt, da keine zeitlich bedingte Gefährdung der behaupteten Ansprüche der Beklagten bestanden habe. Denn eine etwaige erhöhte Abnutzung des Wohneigentums sei im Rahmen der mit den Eigentümern geschlossenen Pachtverträge ohnehin seitens der Klägerin finanziell auszugleichen gewesen. Soweit die Beklagten meinten, dass die Möglichkeit zur Nutzung des Gebäudes als Hotel aufgrund der zwischenzeitlichen Nutzung als Flüchtlingsunterkunft eingeschränkt werde, sei dies weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden. Insoweit müsse zudem eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Parteien vorgenommen werden, die zugunsten der Klägerin, die die Hauptlast des Objektes trage, ausfalle.

Nach § 945 ZPO sei ihr daher der durch die einstweilige Verfügung entstandene Schaden zu ersetzen, wobei es im Hinblick auf die Kausalität ausreiche, dass die Klägerin einer von den Beklagten erzeugten Zwangswirkung ausgesetzt gewesen sei. Denn allein aufgrund des von den Beklagten erzeugten Vollstreckungsdrucks, den diese durchgehend und kompromisslos ohne Rücksicht auf die Belange der Klägerin immer wieder mit anwaltlichen Schreiben aufrecht erhalten hätten, habe sie trotz zwischenzeitlicher Einstellung der Zwangsvollstreckung keine Flüchtlinge mehr aufgenommen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz, insbesondere zu den weiteren Kriterien der Abgrenzung zwischen Hotelgästen und Flüchtlingen, der Beeinträchtigung der Möglichkeit zur Vermarktung und Belegung der Apartments ab September 2015 sowie der Berechnung der Schadenshöhe wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21.09.2018 verwiesen. Die Akte des Amtsgerichts Goslar zu Az. 27 C 25/15 (Landgericht Braunschweig zu Az. 6 S 409/15) ist beigezogen worden.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, da ihnen gegen die Klägerin ein Unterlassungsanspruch zustand und demzufolge aus der nicht vollständigen Belegung der Hotels in den letzten Wochen des Jahres 2015 kein ungerechtfertigter Schaden entstanden ist.

Nach § 945 ZPO ist eine Partei, die eine einstweilige Verfügung erwirkt, die sich später als von vornherein ungerechtfertigt erweist, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel entsteht. Als von Anfang an ungerechtfertigt erweist sich eine Maßnahme, wenn der Verfügungsanspruch oder der Verfügungsgrund von vornherein fehlte. Maßgebend für den Verfügungsanspruch ist dabei die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt des Schadensersatzprozesses, und für den Verfügungsgrund, ob die Annahme der Besorgnis einer Rechtsverletzung zur Zeit des Erlasses der einstweiligen Verfügung vom Standpunkt eines objektiven Beurteilers gerechtfertigt war (Zöller/Vollkommer, Kommentar zur ZPO, 32. Auflage, § 945 ZPO Rn. 8 m.w.N.).

Dabei ist das Gericht des Schadensersatzprozesses in der Beurteilung der anfänglichen Rechtfertigung der einstweiligen Verfügung grundsätzlich frei.

Die Frage, ob und inwieweit im Eilverfahren gemäß §§ 935 ff ZPO getroffene formell rechtskräftige Entscheidungen über den Verfügungsanspruch den Schadensersatzrichter im nachfolgenden Verfahren nach § 945 ZPO binden, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten. Für den hier zu entscheidenden Fall der Bindungswirkung negativer summarischer Entscheidungen über den Verfügungsanspruch wurde nach der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, dass der Schadensersatzrichter an die Eilentscheidung gebunden sei, wenn danach der Verfügungsanspruch von Anfang an nicht bestanden habe und deshalb die einstweilige Verfügung aufgehoben worden sei, (vgl. RG, JW 1911, 819; JW 1937, 2224; BGHZ 62, 7, 10; BGHZ 75, 1, 5; BGH, NJW 1992, 2297, 2298 [BGH 26.03.1992 - IX ZR 108/91]). Diese Auffassung wurde in erster Linie im Wesentlichen mit der Erwägung begründet, dass die Haftungsnorm des § 945 ZPO auch in dem Fall, dass sich die einstweilige Anordnung als von Anfang an ungerechtfertigt erweise, ein ausgesprochen formales Element enthalte. Der Anspruch sei an formale, leicht festzustellende Voraussetzungen geknüpft und verfolge den Grundsatz, dass derjenige, der von einem noch nicht endgültig rechtsbeständigen Titel Gebrauch mache, aber im weiteren Verlauf des Rechtsstreits unterliege, dem Gegner auch ohne Verschulden Schadensersatz zu leisten habe. Ob diese höchstrichterliche Rechtsprechung Fortgeltung beansprucht, ist offen. In den hierzu nachfolgend ergangenen Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof nicht positioniert und weder an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten noch die gegenteilige Ansicht bestätigt (vgl. Urteil vom 15.01.1998 zu Az. I ZR 282/95 - juris Rn. 15 m.w.N.; Urteil vom 19.11.2015, Az. I ZR 109/14 - juris Rn. 9, 13 m.w.N., Urteil vom 29.04.2014, Az. 6 U 156/13).

In Teilen der Rechtsprechung und in der weit überwiegenden Literatur wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass von vornherein keine Bindungswirkung für den Schadensersatzrichter an Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bestehe (KG Berlin, Urteil vom 08.01.2016, Az. 5 U 97/14 - juris Rn. 28 f; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 04.03.2004, Az. 6 U 171/02 - juris; OLG Hamburg, Urteil vom 04.09.2003, Az. 3 U 27/03 - juris Rn. 46ff; OLG Stuttgart, Urteil vom 21.02.1992, Az. 2 U 185/91 - juris Rn. 36; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. A.. § 945 Rn. 9 m.w.N.; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. A., § 945 Rn. 23 ff m.w.N.; Münchener Kommentar/Drescher, ZPO, 5. Auflage, § 945 Rn. 14 ff m.w.N.; Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO, 4. Auflage, § 945 Rz 16 f; Beck-online/Mayer, ZPO, § 945 Rn. 22 m.w.N.; Teplitzki, Zur Bindungswirkung gerichtlicher Vorentscheidungen im Schadensersatzprozess nach § 945 ZPO, NJW 1984, 850 ff). Hierfür wird angeführt, im summarischen Sicherungsverfahren stehe allein die Notwendigkeit der Sicherung der Rechtsstellung zum Zwecke der Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren in Frage, nicht aber die Rechtserkenntnis über das Bestehen oder Nichtbestehen des die zu sichernde Rechtsstellung begründenden Anspruchs im Hauptverfahren. Wenn aber - nach allgemeiner Meinung - eine Bindungswirkung im Rahmen des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens nicht bestehe, sei es systemwidrig, dass aufgrund der Vorverlagerung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Bindung des Richters im Schadensersatzprozess angenommen werde. Es gehe nicht an, zwischen dem eigentlichen Hauptsacheverfahren, für das das Eilverfahren unstreitig keinerlei Rechtskraftwirkung entfalte, und dem Schadensersatzprozess zu differenzieren. Maßgeblich für das Fehlen einer Bindungswirkung sei zudem, dass die Streitgegenstände von Eilverfahren und Schadensersatzprozess unterschiedlich seien. Jede im Eilverfahren über den geltend gemachten Anspruch getroffene Entscheidung sei notwendig eine vorläufige, die im Hauptsacheverfahren korrigiert werden könne, das gelte ebenso im nachfolgenden Schadensersatzprozess. Hinzu komme, dass im Eilverfahren weit geringere Beweisanforderungen (Glaubhaftmachung) gälten, während auf das Schadensersatzverfahren die Grundsätze des Strengbeweises Anwendung fänden. Schließlich würde die Annahme einer auf die Fälle ohne Hauptsacheentscheidung beschränkten materiellen Bindungswirkung den Gläubiger des Eilverfahrens letztlich dazu zwingen, ein ansonsten vermeidbares Hauptsacheverfahren allein deshalb durchzuführen, weil er nur auf diese Weise die Bindungswirkung der Entscheidung im summarischen Verfahren ausräumen könnte. Dies wäre dem anzunehmenden Parteiinteresse keineswegs förderlich.

Der Senat macht sich die nach eigener Prüfung und Bewertung die überzeugenden Gründe der letztgenannten Auffassung vor dem Hintergrund zu eigen, dass das summarische Verfahren eine geringere Richtigkeitsgarantie bietet und sich eine etwaige Verkürzung prozessualer Rechte sonst in unzulässiger Weise in einem ordentlichen Verfahren fortsetzen würde. Im Ergebnis ist entgegen der Auffassung der Klägerin deshalb eine Bindungswirkung an die Entscheidung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu verneinen.

Die vor diesem Hintergrund vorzunehmende Prüfung des Verfügungsanspruches zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Amtsgerichts Goslar ergibt, dass den Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB im Hinblick auf das Wohnungseigentum zustand.

Nach § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer den Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich eine Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Nach § 1 Abs. 1 WEG gilt dabei für das Wohnungseigentum die Zweckbestimmung des Wohnens und für das Teileigentum gemäß § 1 Abs. 2 WEG, dass es nicht zu Wohnzwecken dient. Bezogen auf den streitbefangenen Gebäudekomplex P.straße, der mit notarieller Teilungserklärung vom 30.04.1976 unter Ziffer I.3. in Wohnungseigentum mit 134 Apartments und Teileigentum bestehend aus Restaurant, Café und Bierkeller mit Nebenräumen geteilt wurde, folgt daraus, dass das Teileigentum in Übereinstimmung mit Ziffer V. § 1 Nr. 2 Satz 3 der Teilungserklärung zu gastronomischen Zwecken und die übrigen Wohneinheiten allein zu Wohnzwecken genutzt werden können. Denn die gesetzliche Terminologie beinhaltet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 6f; vom 15.01.2010, Az. V ZR 72/09 - juris Rn.12,15f) die verbindliche Festlegung, zu welchem Zweck welches Sondereigentum genutzt werden darf. Dies gilt insbesondere, wenn Räume aufgrund ihrer Ausstattung sowohl Wohnungs- als auch Teileigentum sein können. Dabei ist zwar davon auszugehen, dass der Begriff des Wohnens im Rahmen der Nutzung von Wohnungseigentum im Grundsatz weit zu verstehen ist (BGH, Urteile vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 10; vom 15.01.2010, Az. V ZR 72/09 - juris Rn.15) und es weder darauf ankommt, ob die Nutzung privat, gewerblich, dauerhaft durch denselben Nutzer oder einen unüberschaubaren Personenkreis erfolgt (BGH, Urteil vom 15.01.2010, Az. V ZR 72/09 - juris Rn. 12, 17). Demzufolge ist auch die Nutzung einer Wohnungseinheit durch wechselnde Bewohner mit einem vorübergehenden Unterkunftsbedarf grundsätzlich ebenso zulässig (BGH, Urteil vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 10) wie die Überlassung von Wohnungseigentum als Unterkunft an Aus- und Übersiedler oder eine asylberechtigte Familie (BGH Urteile vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 12; vom 15.01.2010, Az. V ZR 72/09 - Rn.16 a.E.).

Eine grundsätzlich zulässige Nutzung des Wohnungseigentums erweist sich aber als unzulässig, wenn sie in der konkreten Ausgestaltung bei typisierender Betrachtungsweise von dem Inbegriff des Wohnens deutlicher abweicht, als dies bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck üblicherweise zu erwarten wäre (vgl. BGH, Urteile vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 9; vom 10.07.2015, Az. V ZR 169/14 - juris Rn. 16, 21). Dies ist nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.10.2017 jedenfalls dann der Fall, wenn die Nutzung der Räume den Charakter eines Heimes annimmt (BGH, Urteil vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn.12). Denn danach überschreitet der Heimbetrieb die vom Begriff des Wohnens umfasste Nutzung derart, dass die heimähnliche Unterbringung von Personen grundsätzlich nur in den gemäß § 1 Abs. 2 WEG nicht Wohnzwecken dienenden Teileigentumseinheiten, nicht aber in Wohnungseinheiten erfolgen kann. Wann eine Nutzung von Wohnraum als heimähnlich anzusehen ist, ist aufgrund einer Gesamtschau verschiedener Kriterien zu beurteilen (vgl. BGH, a.a.O. - juris Rn. 13, 17 m.w.N.). Dabei ist im Ergebnis darauf abzustellen, inwieweit sich das beabsichtigte Zusammenleben mehrerer Nutzer von anderen, insbesondere den bisher in den Räumlichkeiten praktizierten Wohnformen unterscheidet (vgl. BGH, a.a.O. - juris Rn. 18) - hier somit von dem Wohnen der Gäste in einem Hotel. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, gerade nicht entscheidend, ob eine Vielzahl nicht familiär verbundener Personen innerhalb eines Gebäudes untergebracht wird oder der Wohngebrauch wegen der Belegdichte den Rahmen des Üblichen überschreitet (vgl. BGH, a.a.O. - juris Rn. 13 f,18) bzw. das Sicherheitsgefühl der übrigen Bewohner sich verringert oder eine starke Beanspruchung des Gemeinschaftseigentums und eine Wertminderung des Wohnungseigentums zu befürchten ist (BGH, Urteil vom 10.07.2015, Az. V ZR 72/09 - juris Rn. 20-22). Denn eine Vielzahl nicht familiär verbundener, wechselnder Personen kann auch in einer Wohngemeinschaft von Bauarbeitern oder Studenten zusammenleben; in jeder Wohnanlage können sich Personen aufhalten, vor denen andere sich fürchteten, auch Eigentümer gehen mit Gemeinschaftseigentum nicht immer sorgfältig um und die Möglichkeit der Änderung des Charakters einer Anlage besteht bei einer Fluktuation der Bewohner durchgehend. Derartige Veränderungen der Nutzung können wirksam nur verhindert werden, wenn die Wohnungseigentümer die von ihnen nicht erwünschten Formen des Wohnens in der Teilungserklärung oder durch Vereinbarung ausschließen oder unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen (BGH, V ZR 72/09 - juris Rn. 20-22) - von dieser Möglichkeit haben die Wohnungseigentümer hier unstreitig keinen Gebrauch gemacht.

Eine das Wohnen überschreitende Nutzung von Wohnungseigentum als Heim ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vielmehr entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung gewährt wird, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 19). Denn die Grenzen des Wohnens werden überschritten, wenn die Nutzung nicht in erster Linie durch die Unterkunft an sich geprägt wird, sondern durch die von der Einrichtung vorgegebene Organisationsstruktur und - je nach Zweck des Aufenthalts - durch Dienstleistungen oder Überwachung und Kontrolle. Daher geht es auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Wohnungseigentum in erster Linie um die Frage, inwieweit deren gemeinschaftliches Zusammenleben eine heimtypische, regulierende Organisationsstruktur erforderlich macht (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 21). Davon ist bei Gemeinschaftsunterkünften, in denen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland im Zusammenhang mit der Erstaufnahme untergebracht werden, grundsätzlich auszugehen. Denn derartige Einrichtungen dienen in erster Linie eben nicht Wohnzwecken, sondern sind Anlaufstellen für Flüchtlinge, in denen diese sich registrieren lassen, einen Ausweis erhalten, sich der nach § 62 AsylG, § 36 IfSG vorgeschriebenen Gesundheitsuntersuchung unterziehen und einen Asylantrag stellen können. Allein ihre Obdachlosigkeit während des Wartens auf eine längerfristige Aufenthaltserlaubnis mit endgültiger Wohnungszuweisung erfordert es, ihnen in dieser Zeit auch Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wegen der damit zudem verbundenen Versorgung einer Vielzahl von Menschen unterschiedlicher Herkunft in ständig wechselnder Zusammensetzung müssen diese Einrichtungen daher nicht nur über eine gewisse bauliche Größe, sondern auch über eine von den einzelnen Bewohnern unabhängige organisatorische Ausgestaltung verfügen. Denn zweifellos machen das enge Zusammenleben vieler Personen in einem Umfeld ohne eigenbestimmte Alltagsgestaltung und persönliche Bindungen sowie die ständige Fluktuation der Bewohner eine Strukturierung zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs des Aufenthalts- und Asylverfahrens erforderlich. So müssen Zimmer und Betten zugewiesen, Mahlzeiten angeboten, Verhaltensregeln im Hinblick auf Ordnung und Ruhezeiten aufgestellt und durchgesetzt und etwaige Konflikte der Bewohner geschlichtet werden. Dabei kommt es für den Charakter als Einrichtung oder Heim nicht darauf an, ob solche Leistungen tatsächlich erbracht werden. Entscheidend ist, dass sie grundsätzlich objektiv erforderlich sind, um ein gedeihliches Zusammenleben der Bewohner nach dem Nutzungskonzept zu gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2017, Az. V ZR 193/16 - juris Rn. 23).

Nach diesen Kriterien ist die hier seitens des N. Ministeriums für Inneres und Sport vormals beabsichtigte Nutzung der Räume des Gebäudes P.straße als Heimnutzung einzuordnen. Dafür spricht zum einen, dass nach dem Gruppenvertrag vom 14./18.09.2015 dort erst kurz zuvor nach Deutschland eingereiste Flüchtlinge in 104 Zimmern mit bis zu 300 Betten untergebracht werden sollten, die zunächst aus dem Erstaufnahmelager F. und später aus einer provisorischen Unterkunft in der Polizeikaserne H. nach H. gebracht wurden. Die Zuweisung erfolgte im Rahmen des Asylverfahrensgesetzes, die Legitimation der Zugewiesenen über einen von der Ausländerbehörde ausgestellten Hausausweis. Ab Mitte September 2015 wurde das Hotel der Klägerin zudem von den Kommunalpolitikern vor Ort durchgängig als Erweiterung des Flüchtlings-Durchgangslagers F. bezeichnet. Bereits dies spricht dafür, dass an die Stelle der Nutzung des Wohnungseigentums als Hotel mit freier Gestaltung der Lebensführung seitens der Gäste eine heimtypische Organisationsstruktur mit eingeschränkter Eigengestaltung der Lebensführung der Bewohner getreten ist.

Hinzu kommt, dass insbesondere auch wegen des konkreten Bedürfnisses nach Unterstützung und Betreuung seitens der Zugewiesenen keine Zweifel daran bestehen, dass die damit verbundenen organisatorischen Anforderungen über die mit einem Hotelbetrieb verbundenen hinausgingen: im Gegensatz zu Hotelgästen bereiten Flüchtlinge sich in der Regel weder hinreichend auf die sprachlichen und kulturellen noch auf die klimatischen, infrastrukturellen oder behördlichen Anforderungen am Ort ihrer Unterkunft vor. Demzufolge erfordert bereits ihre Erstorientierung eine umfassende Einweisung - und zwar für jeden Einzelnen- und bei Menschen aus Syrien jedenfalls auch hinsichtlich der generellen Lebenssituation in Deutschland. Dementsprechend bot die Klägerin dem Land Niedersachsen im Leistungsverzeichnis zum Gruppenvertrag vom 14./18.09.2015 über die hotelüblichen Serviceleistungen hinaus die Betreuung durch bis zu zwei Sozialarbeiter an und sagte zu, ausreichend Sicherheitsfachkräfte für 24 Stunden täglich zur Verfügung zu haben. Auch in ihrer Arbeitsplatzausschreibung für Sozialarbeiter bezeichnete sie ihr Hotel als Flüchtlings-Erstaufnahmelager einer Außenstelle von F. und benannte als Aufgabenbereich insbesondere die Unterstützung der Flüchtlinge bei Behörden-, Arzt- und pädagogischen Angelegenheiten.

Zudem verfügen Flüchtlinge nicht mehr über ein Zuhause, in das sie nach dem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung zurückkehren können. Sofern zu diesem Verlust und der Sorge um die künftige Bleibe auch noch traumatisierende Fluchtursachen oder Erlebnisse während der Flucht hinzukommen, sind psychische Auffälligkeiten zu erwarten, denen im Rahmen des Zusammenlebens in der Einrichtung zu begegnen ist. Hinzu kommt, dass - anders als bei Hotelgästen - bei Flüchtlingen generell ein erhöhtes Bedürfnis nach medizinischer Fürsorge besteht. Nach den Schreiben des ärztlichen Leiters des Rettungsdienstes des Landkreises Goslar vom 22.09.2015 und der Allgemeinmedizinerin C. vom 27.10.2015 wurden bei vielen der Zugewiesenen physische und psychische Erschöpfungszustände festgestellt, die ambulante und teilweise stationäre medizinische Behandlungen erforderten. Danach war insbesondere für die vielen Kinder, Schwangeren und Traumatisierten bei einer erneuten Verlegung eine Dekompensation mit möglichen lebensbedrohlichen Folgen (Suizid) zu befürchten.

Auch wenn einige mit der Aufnahme von Flüchtlingen verbundene organisatorische Einheiten - wie z.B. die Registrierung und die Ausgabe des Hauspasses für das Hotel sowie eine Kleiderkammer - von vornherein räumlich in das Kurmittelhaus in H. ausgelagert waren, ist die Unterbringung der zugewiesenen Personen in dem Gebäudekomplex P.straße in der Gesamtschau als ein Zusammenwohnen in einer heimtypischen Form zu werten.

Diese Nutzung überschreitet damit die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums, womit den Beklagten ein Anspruch zur Unterlassung im Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung am 21.09.2915 zustand.

Soweit die Klägerin meint, dass die Beklagten dennoch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben aufgrund der Verbundenheit der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Billigung der Nutzung aus wirtschaftlichen Überlegungen verpflichtet gewesen seien, fehlt es an einer tragfähigen Begründung. Denn offensichtlich verfolgten beide Parteien Ende des Jahres 2015 zwar ähnliche Interessen hinsichtlich der Nutzbarmachung des Wohnungseigentums, setzten dabei aber unterschiedliche Schwerpunkte. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der Ansatz der Klägerin zur Nutzung des Gebäudes als Flüchtlingsheim gegenüber der von den Beklagten gewünschten fortgesetzten Vermietung an Feriengäste der langfristig vorzugswürdigere Weg war, ergeben sich auch aus ihrem Vorbringen nicht.

Ein Verfügungsgrund zur Untersagung der beabsichtigten Nutzung des Wohnungseigentums für die Unterbringung von Flüchtlingen war im September 2015 ebenfalls gegeben. Maßgebend dafür ist, ob die Annahme der Besorgnis einer Rechtsverletzung zur Zeit des Erlasses der einstweiligen Verfügung vom Standpunkt des objektiven Beurteilers gerechtfertigt war (Zöller/Vollkommer, Kommentar zur ZPO, 31. Auflage, § 945 ZPO Rn. 8 m.w.N.). Daran bestehen hier keine Zweifel, da zum Zeitpunkt des Erlasses der Unterlassungsverfügung am 21.09.2015 seitens des Landes N. bereits 256 Flüchtlinge dem Hotel der Klägerin als Unterkunft zugewiesen worden waren. Aufgrund ihrer Heimat- und Obdachlosigkeit und der damaligen Überfüllung der Flüchtlingsunterkünfte erscheint es dem Senat mehr als wahrscheinlich, dass den Beklagten ohne Erlass der einstweiligen Verfügung die Durchsetzung der Räumung der Wohnungen nicht zeitnah möglich gewesen wäre.

Ungeachtet dessen kommt es für den hier geltend gemachten Anspruch auf das Fehlen eines Verfügungsgrundes nicht mehr an. Denn aufgrund der fehlenden materiell-rechtlichen Berechtigung zur Vermietung der Räume als Flüchtlingsunterkunft kann der Klägerin aufgrund der fehlenden Belegung ohnehin kein Schaden - gleich aus welchem Rechtsgrund - entstanden sein.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist nach §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO für vollstreckbar zu erklären.

Die Revision wird im Hinblick auf die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob und inwieweit im Eilverfahren nach §§ 935 ff ZPO getroffene formell rechtskräftige Entscheidungen über den Verfügungsanspruch den Schadensersatzrichter im Verfahren nach § 945 ZPO binden, zuzulassen, weil die Rechtssache insoweit grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist gemäß § 47 Abs. 1, 48 GKG nach dem Änderungsbegehren der Beklagten in Höhe des erstinstanzlich titulierten Betrages festgesetzt worden.