Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.06.2016, Az.: 9 W 42/16
Schätzung des Unternehmenswerts im aktienrechtlichen Spruchverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.06.2016
- Aktenzeichen
- 9 W 42/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 41725
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 25.02.2015 - AZ: 23 O 7/13
Rechtsgrundlagen
- § 327a AktG
- § 387 ZPO
Redaktioneller Leitsatz
Bei der Unternehmensbewertung ist dem erkennenden Gericht weder die Auswahl einer bestimmten Methode zwingend vorgegeben, noch ist davon auszugehen, dass sich ein Wert mit mathematischer Gewissheit gleichsam "punktgenau" bestimmen lässt.
Tenor:
Die Beschwerden gegen den am 25. Februar 2015 verkündeten Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover (Bd. LI, Bl. 669 ff. d. A.) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Geschäftswert von 200.000 € trägt die Antragsgegnerin mit Ausnahme der Kosten der beschwerdeführenden Antragsteller, die diese selbst tragen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um eine Erhöhung der Barabfindung für die nach
§ 327 a AktG am 23. November 2012 beschlossene Übertragung ihrer Aktien auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin der D. AG. Wegen des Sachverhalts und der Feststellungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen, mit der das Landgericht die Anträge zurückgewiesen hat, weil die von der Antragsgegnerin auf 31,56 € je Aktie festgelegte Abfindung dem (über dem Ertragswert liegenden) Verkehrswert der Aktien gemäß dem Durchschnittskurs innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme entspreche.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der im Rubrum genannten 23 Antragsteller, wegen deren Vorbringen auf die inhaltliche Zusammenfassung in dem Nichtabhilfebeschluss der Kammer vom 9. März 2016 (Bd. LIII, Bl. 1036 ff. d. A.) verwiesen wird.
II.
Die Beschwerden sind nach § 12 SpruchG zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt. Ob auch die Rechtsmittel der Antragsteller zu 21 und 22 sowie zu 65 und 66 fristgerecht nach § 63 FamFG eingelegt worden sind (die in Bd. LI, Bl. 772 und Bl. 774 abgehefteten Originale von deren Schriftsätzen sind erst nach Ablauf der jeweiligen Beschwerdefrist eingegangen, die ausweislich der Schriftsätze vorab übersandten Telefaxe befinden sich nicht bei den Akten), kann dahinstehen. Die Rechtsmittel erweisen sich nämlich jedenfalls in der Sache als unbegründet.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die auch gegenüber dem Beschwerdevorbringen zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses sowie des auf die Angriffe der Beschwerden im Einzelnen umfassend eingehenden Nichtabhilfebeschlusses, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, verwiesen.
Soweit (allein) die Antragsteller zu 14, 65 und 66 sowie der Vertreter der außenstehenden Aktionäre zu den zutreffenden Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss Stellung genommen haben, ist - ergänzend und teilweise wiederholend - Folgendes festzuhalten:
1. Die bei der vom Landgericht im Rahmen seiner nach § 287 Abs. 2 ZPO vorgenommenen Schätzung des Unternehmenswertes vorliegend mit 5,5 % angesetzte Marktrisikoprämie ist auch aus der Sicht des Senats im Streitfall nicht zu beanstanden. Sie lässt sich, wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat, auf der Basis von in der Wirtschaftswissenschaft anerkannten und in der Bewertungspraxis gebräuchlichen Methoden abstützen, auch wenn diese Methoden in der wissenschaftlichen Diskussion nicht einhellig vertreten werden (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 17. Juli 2014, 20 W 3/12, Rn. 110 f. nach juris). Bei der Unternehmensbewertung ist dem erkennenden Gericht weder die Auswahl einer bestimmten Methode zwingend vorgegeben, noch ist davon auszugehen, dass sich ein Wert mit mathematischer Gewissheit gleichsam "punktgenau" bestimmen lässt. Die vom Bewertungsgutachter herangezogene und vom Landgericht nach eigener kritischer Würdigung übernommene Marktrisikoprämie liegt in der Bandbreite allgemein gebräuchlicher Werte (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23. Juli 2015, 12 a W 4/15, Rn. 45 nach juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. November 2015, I-26 W 9/14, Rn. 54 nach juris).
Dass, wie die Antragsteller argumentieren, von anderen Gerichten (für andere Stichtage) in anderen Fallgestaltungen niedrigere Marktrisikoprämien für angemessen gehalten worden sind, ist mithin ebenso wenig entscheidend, wie eine von dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank gehaltene Rede Aufschluss über die im Streitfall richtige (bzw. vertretbare) Marktrisikoprämie geben kann. Schon die Zusammenstellung unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen zeigt, dass die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion zur Bestimmung der Marktrisikoprämie weiterhin nicht abgeschlossen ist (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 110; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18. Mai 2016, 12 a W 2/15, Rn. 68 nach juris). Es ist aber nicht Aufgabe eines gerichtlichen Spruchverfahrens, die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion und Methodenlehre voranzutreiben. Ausreichend ist es allein, dass das Landgericht - wovon hier auszugehen ist - eine tragfähige Grundlage für die Schätzung des Anteilswerts geschaffen hat.
2. Soweit der Vertreter der außenstehenden Aktionäre seine Auffassung weiter verfolgt, das Landgericht habe sich nicht mit der in § 327 c Abs. 2 Satz 2 AktG vorgesehenen Prüfung der Angemessenheit der Abfindung durch einen gerichtlich bestellten sachverständigen Prüfer zufrieden geben dürfen, sondern hätte für das Spruchverfahren einen weiteren, unabhängigen Sachverständigen bestellen müssen, vermag sich der Senat auch dem nicht anzuschließen.
Nach den auch in dieser Hinsicht überzeugenden Feststellungen der Kammer bestehen an der Vertretbarkeit der Wertermittlung durch die gutachtliche Stellungnahme der von der Antragsgegnerin beauftragten Wirtschaftsprüferin P. und deren Überprüfung durch den gerichtlich bestellten sachverständigen Prüfer D. (Anlagen CC 1 bzw. CC 2 im gesonderten Ordner) keine die Angemessenheit des Abfindungsbetrags berührenden Bedenken. Angesichts insoweit also fehlenden Aufklärungsbedarfs bedurfte es keiner Einholung eines weiteren gerichtlichen Sachverständigengutachtens (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. Dezember 2015, I-26 W 22/14, Leitsatz 2 nach juris; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30. August 2012, 21 W 14/11, Rn. 34; OLG München, Beschl. v. 5. Mai 2015, 31 Wx 366/13, Rn. 95 nach juris).
Insbesondere hat die mündliche Anhörung des sachverständigen Prüfers durch die Kammer keine tatsächlichen Streitpunkte erkennen lassen, die der Aufhellung oder Ausklärung durch einen Sachverständigen bedürfen. Die Beschwerdeführer haben solche auch nicht aufgezeigt.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 15 SpruchG. Die Festsetzung des Geschäftswerts für die Gerichtskosten findet ihre Grundlage in § 74 Abs. 1 S. 1 GNotKG.