Verwaltungsgericht Osnabrück
v. 17.09.2012, Az.: 6 A 72/12

Dauerkennzeichen; Autohändler; Zuverlässigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
17.09.2012
Aktenzeichen
6 A 72/12
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2012, 44330
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der Kläger betreibt einen Kfz-Handel und begehrt die Zuteilung eines roten Kennzeichens mit Fahrzeugscheinheft zur wiederkehrenden Verwendung.

Seinen hierauf gerichteten Antrag vom 5.10.2011 begründete er mit der Durchführung von Probe-, Prüfungs- und Überführungsfahrten für den von ihm ausweislich vorliegender Gewerbeanmeldung seit dem 3.1.2011 betriebenen Kfz-Handel.

Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit des Klägers zog der Beklagte die zum Aktenzeichen F. verbundenen Strafakten bei. Diese wurde im vorliegenden Verfahren beigezogen; auf ihren Inhalt - insbesondere den darin ergangenen und seit dem 31.7.2010 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts G. wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Danach wurde der Kläger wegen 4 Straftaten nach §§  164, 53 StGB mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 70 Euro bestraft. Allen Verfahren lag zugrunde, dass der Kläger als Geschäftsführer der Firma Auto Das GmbH über seine Fahrereigenschaft hinsichtlich eines mit einem roten Kennzeichen geführten Firmenfahrzeugs im Rahmen der Verfolgung von straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten getäuscht hatte, indem er eine andere Person als Fahrer des Fahrzeugs angegeben hatte.

Aufgrund dieser Vorfälle hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 12.1.2012 zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags wegen Unzuverlässigkeit an. Auf die Stellungnahme seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.1.2012 erging sodann am 27.2.2012 der Ablehnungsbescheid des Beklagten, den der Kläger mit Klage vom 27.3.2012 angefochten hat.

Zur Begründung macht er in Fortführung seines Anhörungsvortrags geltend, seine Zuverlässigkeit sei nicht zu verneinen. Die einschlägige Regelung des § 16 Abs. 3 FZV setzte mit der Zuverlässigkeit voraus, dass die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der roten Kennzeichen bestehe. Dies sei nicht der Fall. In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Firma H. sei er bereits im Besitz eines roten Dauerkennzeichens gewesen. Zwar seien die per Strafbefehl abgeurteilten Taten nicht in Abrede zu stellen, doch habe er sich diesen zur Verwarnung gereichen lassen. Wiederholungsfälle seien nicht aufgetreten. Eine missbräuchliche Verwendung von roten Kennzeichen habe auch nicht vorgelegen. Diese seien von ihm für betriebliche Belange - nicht aber zweckwidrig oder zur Minimierung von Kosten von Privatfahrten - eingesetzt worden. Es seien keine Verhaltensweisen zutage getreten, die dem Schutzzweck der Bestimmung zuwider gelaufen wären. Auch sei er aus betrieblichen und wettbewerblichen Gründen als selbständiger Kfz-Händler auf die Zuteilung des beantragten Kennzeichens angewiesen. Deren Verweigerung könne vorliegend nicht mit Art. 12 GG konform gehen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 27.2.2012 zu verpflichten, ihm ein rotes Dauerkennzeichen gemäß § 16 Abs. 3 FZV zuzuteilen.

Der Beklagte hält an seinem Bescheid fest und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid sowie zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter angehört. Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuteilung des begehrten roten Kennzeichens mit Fahrzeugscheinheft zur wiederkehrenden Verwendung; der ablehnende Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 FZV können rote Kennzeichen und besondere Fahrzeugscheinhefte für Fahrzeuge mit roten Kennzeichen durch die örtlich zuständige Zulassungsbehörde zuverlässigen Kraftfahrzeughändlern befristet oder widerruflich zur wiederkehrenden betrieblichen Verwendung, auch an unterschiedlichen Fahrzeugen, zugeteilt werden. Für jedes Fahrzeug ist eine gesonderte Seite des Fahrzeugscheinheftes zu dessen Beschreibung zu verwenden; die Angaben zum Fahrzeug sind vollständig und in dauerhafter Schrift vor Antritt der ersten Fahrt einzutragen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 FZV). Das Fahrzeugscheinheft ist bei jeder Fahrt mitzuführen und zuständigen Personen auf Verlangen auszuhändigen (§ 16 Abs. 3 Satz 4 FZV). Über jede Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt sind fortlaufende Aufzeichnungen zu führen, aus denen das verwendete Kennzeichen, das Datum der Fahrt, deren Beginn und Ende, der Fahrzeugführer mit dessen Anschrift, weitere fahrzeugbezogene Angaben und die Fahrstrecke ersichtlich sind (§ 16 Abs. 3 Satz 5 FZV). Die Aufzeichnungen sind ein Jahr lang aufzubewahren und zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen (§ 16 Abs. 3 Satz 6 FZV).

Ob eine Person im Sinn des § 16 Abs. 3 Satz 1 FZV „zuverlässig“ ist, sie also die Gewähr dafür bietet, sich zukünftig gesetzeskonform zu verhalten, ist durch eine am Sinn und Zweck vorstehend wiedergegebener Vorschriften orientierte Prognoseentscheidung festzustellen. Mit der Zuteilung der roten Kennzeichen erhält der Empfänger die Möglichkeit, befreit von im Übrigen von Rechts wegen den Zulassungsbehörden obliegende Aufgaben und Kompetenzen das zum Einsatz von Fahrzeugen mit diesen Kennzeichen Erforderliche in Eigenmacht auszuführen. Ihm wird nämlich gestattet, autonom über die jeweils zweckgebundene Zulassung eines Kraftfahrzeugs zu befinden und er muss nur noch seinen Dokumentationspflichten hinsichtlich des Fahrzeugscheinhefts genügen. Diese Privilegierung ist indes nur gerechtfertigt, wenn zu erwarten ist, dass der Kennzeicheninhaber das damit in ihn gesetzte Vertrauen auf den gesetzmäßigen Umgang mit den roten Kennzeichen nicht enttäuschen wird. Er muss die Gewähr dafür bieten, dass er persönlich sowohl bei der Entscheidung über die Verwendung der roten Kennzeichen als auch bei der Durchführung und Überwachung der Dokumentationspflichten auch seiner Organisationsverantwortung genügt und dem in ihn gesetzten Vertrauen des Gesetzgebers in den verantwortungsvollen Umgang mit den roten Kennzeichen gerecht werden wird. Er ist deshalb dann unzuverlässig, wenn er Verstöße gegen die einschlägigen Vorschriften über den Umgang mit den roten Kennzeichen begangen oder gegen Verkehrs- oder Strafvorschriften verstoßen hat, die ihrerseits eine missbräuchliche Verwendung erwarten lassen, oder wenn hinsichtlich der ordnungsgemäßen Führung seines Gewerbebetriebs sonstige Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten festzustellen sind, die eine derartige Annahme begründen.

In diesem Sinn hat sich der Kläger infolge der durch rechtskräftigen Strafbefehl geahndeten Straftaten als unzuverlässig erwiesen, weshalb ihm der Beklagte zu Recht die Erteilung von roten Kennzeichen verweigert hat. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind Sinn und Zweck der vorstehend angeführten Vorschriften gerade nicht darauf beschränkt, die Verwendung der roten Kennzeichen nur zu den gesetzlich zulässigen Anlässen sicher zu stellen, sondern zielen weitergehend darauf, durch die Inpflichtnahme des Kraftfahrzeughändlers für eine aussagekräftige und verlässliche Dokumentation mittels des Fahrtenbuchs für ausreichende Zeit insbesondere nachvollziehbar zu machen, wer zu welchem Zeitpunkt der Fahrer eines mit diesen roten Kennzeichen bewegten Fahrzeugs gewesen ist. Aus diesem Grund müssen neben dem verwendeten Fahrzeug und dem roten Kennzeichen auch das Datum der Fahrt, deren Beginn und Ende nebst Fahrstrecke sowie der Fahrzeugführer mit dessen Anschrift im Fahrtenbuch aufgeführt und während der Aufbewahrungsfrist für zuständige Personen ersichtlich sein. Diese Dokumentation zielt insbesondere auch darauf ab, nachvollziehbar vorzuhalten, wer als Fahrer für das Führen des Fahrzeugs im Straßenverkehr für die jeweilige dokumentierte Fahrt verantwortlich ist. Gerade insoweit hat sich der Kläger jedoch ausweislich der mit rechtskräftigem Strafbefehl geahndeten Straftaten fehlverhalten, indem er - obwohl er selbst Fahrzeugführer des mit roten Kennzeichen im Straßenverkehr bewegten Fahrzeugs gewesen war - eine andere Person, die - soweit seine Einlassung - das Fahrzeug (möglicherweise zu einer anderen Zeit und Fahrtstrecke) genutzt hatte im Rahmen der Anhörung im Ordnungswidrigkeitenverfahren als fraglichen Fahrzeugführer benannte und dadurch die Ermittlungen in eine falsche Richtung lenkte. Insoweit hat der Kläger sich im Strafverfahren ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakten mit Schreiben vom 27.5.2010 dahingehend eingelassen, dass im Hause der Firma H. für die mit roten Kennzeichen geführten Fahrzeuge „ein Fahrtenbuch geführt“ worden sei. Auf die Anhörung im Ordnungswidrigkeitenverfahren sei bei der Sachbearbeitung

„offensichtlich so verfahren worden, daß bei Eingang der Schriftstücke in das Fahrtenbuch geschaut wurde, um zu prüfen, wer ein rotes Kennzeichen zum Vorfallszeitpunkt benutzt hat. Dann wurde so verfahren, daß die betreffende Person dass auch gegenüber der Behörde, die den Geschwindigkeitsverstoß ermittelte, angegeben wurde“.

Daraus folgt, dass der Kläger als verantwortlicher Geschäftsführer der Firma I. seiner Verantwortung bei der Durchführung und Überwachung der Dokumentationspflichten und seiner Organisationsverantwortung nicht genügt hat und dem in ihn gesetzten Vertrauen des Gesetzgebers in den verantwortungsvollen Umgang mit den roten Kennzeichen nicht gerecht geworden ist. Die Anhörungen im Ordnungswidrigkeitenverfahren erfolgen neben einer Identifizierung von Fahrzeug und Kennzeichen unter Angabe von Tatort und Tatzeit und waren somit einer bestimmten dokumentierten Fahrt eindeutig zuzuordnen. Dass der Kläger zur Tatzeit das betreffende Fahrzeug geführt hatte, ging nach seiner Einlassung jedoch aus den geführten Unterlagen gerade nicht hervor. Vorliegend kann im Übrigen dahinstehen, ob die vom Kläger absolvierte Fahrt fälschlicherweise einer anderen Person zugeschrieben war oder ob die Fahrt gar nicht dokumentiert und von ihm - insoweit entgegen seiner vorstehend wiedergegebenen Einlassung - im Rahmen der Anhörung eine mit Tatort und Tatzeit nicht vereinbare Angabe gemacht wurde. Jedenfalls hat der Kläger die einschlägigen Bestimmungen über den Umgang mit roten Kennzeichen in § 16 Abs. 3 FZV wiederholt nicht eingehalten. Dies rechtfertigt die vom Beklagten angestellte Prognose, der Kläger werde sich im Fall einer Zuteilung von roten Kennzeichen für den von ihm geführten Kfz-Handel erneut pflichtwidrig verhalten, weshalb der Kläger als unzuverlässig im Sinn des § 16 Abs. 3 FZV anzusehen ist. Dem steht angesichts der Kürze des seit seinen Straftaten verflossenen Zeitraums weder der Umstand entgegen, dass es seit der strafrechtlichen Ahndung nicht zu einer Wiederholung solch strafbaren Verhaltens gekommen ist, noch begründet seine Einlassung, er habe sich die Bestrafung zur Verwarnung dienen lassen, eine abweichende prognostische Einschätzung. Ein tragfähiger Anhaltspunkt für eine nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung des Klägers wird daraus noch nicht ersichtlich. Sein im vorliegenden Verfahren eingenommener Standpunkt, der Schutzweck des § 16 FZV sei von den von ihm begangenen Straftaten gar nicht berührt gewesen, lässt vielmehr begründete Zweifel an einer hinreichenden Einsichtsfähigkeit des Klägers in die straßenverkehrsrechtliche Bedeutung und Tragweite seiner Verfehlungen erkennen, die einer sachgerechte Aufarbeitung des begangenen Unrechts - was unverzichtbare Voraussetzung für eine nachhaltige positive Verhaltensänderung wäre - widerstreitet. Die mit seiner Unzuverlässigkeit verbundene Beeinträchtigung seiner Berufsausübungsfreiheit beruht auf gesetzlicher Bestimmung, ist verhältnismäßig und von ihm als Folge seines eigenen Fehlverhaltens hinzunehmen.