Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 31.10.2011, Az.: 2 W 4/11 (Lw)

Abfindungsansprüche weichender Erben bei der Übergabe von nach der HöfeO tatsächlich nicht mehr als solche bestehenden Hofstellen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
31.10.2011
Aktenzeichen
2 W 4/11 (Lw)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 36338
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2011:1031.2W4.11LW.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wolfsburg - 17.12.2010

Fundstellen

  • FamRZ 2012, 1175
  • ZEV 2012, 7

Amtlicher Leitsatz

Werden zwei landwirtschaftliche Besitzungen im Wege vorweggenommener Hoferbfolge durch Übergabevertrag mit Abfindungsregelung für die weichenden Geschwister mit der Vorstellung übergeben, es handele sich um Höfe im Sinne der HöfeO, obwohl eine der beiden Besitzungen aus tatsächlichen Gründen (Fehlen der wirtschaftlichen Betriebseinheit wegen Verfalls der Hofstelle und langjähriger parzellierter Verpachtung) nicht mehr unter die HöfeO fällt, kommt eine Anpassung der vertraglichen Abfindungsregelung nach den Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage in Betracht, aus der sich vertragliche Nachabfindungsansprüche entsprechend § 13 HöfeO ergeben können.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Wolfsburg vom 17.12.2010 abgeändert und dem Antragsgegner aufgegeben, bezogen auf das Grundstücksgeschäft gemäß Kaufvertrag vom 13.08.2009 (UR-Nr. .../09 des Notars P), die landwirtschaftliche Besitzung J Blatt X betreffend, zu folgenden Fragen Auskunft zu erteilen:

1. Ist eine Ersatzbeschaffung für das mit Vertrag vom 13. August 2009 veräußerte Grundstück erfolgt? In welcher Größe mit welcher Funktion erfolgte ggf. die Ersatzbeschaffung?

2. Wie hoch war der Einheitswert der landwirtschaftlichen Besitzung J Blatt X vor und nach dem Abverkauf durch Vertrag vom 13.08.2009?

3. Welche öffentlichen Abgaben waren vom Antragsgegner aufgrund des Vertrages vom 13.08.2009 zu tragen?

4. Beruhte der Erlös des Vertrages vom 13.08.2009 oder ein Teil davon bei wirtschaftlicher Betrachtung auf Leistungen des Antragsgegners?

Der Antragsgegner trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Geschäftswert: 3.000,00 €.

Gründe

1

I. Die Parteien sind Geschwister. Mit notariellem Vertrag vom 15.06.1995 (UR-Nr.: 916/95 des Notars R) haben die Eltern der Parteien dem Antragsgegner ihren jeweiligen landwirtschaftlichen Grundbesitz übertragen, und zwar der Vater den im Grundbuch des Amtsgerichts Wolfsburg von H Blatt Y eingetragenen Hof und die Mutter den im Grundbuch des Amtsgerichts Wolfsburg von J Bl. X eingetragenen "Hof". Gleichzeitig hat sich der Antragsgegner in § 11 des Vertrags verpflichtet, seinen beiden Schwestern, also auch der Antragstellerin, jeweils 20.000,00 DM zu zahlen, sofern sie sich gegen Zahlung dieses Betrags mit Rücksicht auf die Hofübergabe für abgefunden erklären, "jedoch bei Aufrechterhaltung der Ansprüche nach § 13 HöfeO".

2

Während die landwirtschaftliche Besitzung des Vaters in H unstreitig ein Hof im Sinne der HöfeO war und ist, handelte es sich jedoch unstreitig bei der übertragenen landwirtschaftlichen Besitzung der Mutter schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr um einen Hof i.S.d. Höfeordnung. Allerdings gingen alle Beteiligten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabevertrags davon aus, dass auch der mit Hofvermerk versehene Besitz der Mutter einen Hof im Sinne der HöfeO darstellte.

3

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2005 kam es zwischen dem Antragsgegner und der weiteren Schwester der Parteien, Frau C, zum Streit über die Hofeigenschaft der Besitzung in J, der parallel zum Rechtsstreit über die Pflichtteilsansprüche von Frau C beim Landgericht Braunschweig zum Hoffeststellungsverfahren beim Amtsgericht Wolfsburg 4 Lw 35/08 führte. Das Amtsgericht Wolfsburg hat dort mit Beschluss vom 3.12.2008 festgestellt, dass die Besitzung in J am 29.11.1996 kein Hof im Sinne der HöfeO war. Im Beschwerdeverfahren 2 W 28/09 haben die dortigen Beteiligten am 01.03.2010 einen Vergleich geschlossen, wonach sich der Antragsgegner zu einer Zahlung von 65.000,00 € an Frau C zur Erledigung aller etwaigen höfe- und erbrechtlichen Ansprüche nach der Mutter der Parteien verpflichtete und die Beschwerde zurücknahm.

4

Mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 08.05.2008 (Anlage K 3 Bl. 48) machte die Antragsstellerin gegenüber dem Antragsgegner die Abfindung gemäß § 11 des Übergabevertrags geltend und erklärte sich mit Rücksicht auf die Hofübergabe unter Aufrechterhaltung der Ansprüche nach § 13 HöfeO für abgefunden. Der Antragsgegner hat die Zahlung der Abfindung in Höhe von 20.000 DM (= 10.225,87 €) in Raten aufgenommen.

5

Mit Vertrag vom 13.08.2009 (UR-Nr.: 647/09 des Notars P) veräußerte der Antragsgegner Teile des Grundstücks mit der verfallenen Hofstelle in J für 290.000 €. Die Antragstellerin macht deshalb einen Auskunftsanspruch nach § 13 HöfeO geltend. Sie ist der Auffassung, dass ihr zumindest auf Grund des Übergabevertrags Ansprüche entsprechend § 13 HöfeO zustünden.

6

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Ansprüche bestünden nicht, weil § 13 HöfeO nicht anwendbar sei. Auch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergäben sich derartige Ansprüche nicht.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird auf Ziffer I der Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

8

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Bestimmung des § 13 Abs. 10 HöfeO mangels Vorliegens eines Hofs nicht anwendbar sei und § 11 des Vertrags vom 15.06.1995 nicht in der Weise ausgelegt werden könne, dass die Geltung des § 13 HöfeO vertraglich habe vereinbart werden sollen. Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts wird auf Ziffer II des Beschlusses vom 17.02.2010 verwiesen.

9

Gegen diesen ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 14.01.2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit einem am 24.01.2011 bei dem Oberlandesgericht Braunschweig eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, welche nach Weiterleitung an das Amtsgericht Wolfsburg dort am 03.02.2011 eingegangen ist.

10

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie trägt vor:

11

Die Vertragsbeteiligten des Übergabevertrags vom 15.06.1995 hätten die landwirtschaftliche Besitzung J, Bl. X fälschlicherweise als Hof behandelt und dem Antragsgegner damit zu Unrecht eine höferechtlich motivierte günstige Abfindungsmöglichkeit verschafft. Sodann habe der Antragsgegner mit dem Veräußerungsvertrag vom 13.08.2009 Teile der Besitzung landwirtschaftsfremd zweckwidrig verwertet. Er habe also zunächst zu Unrecht den Schutz der Höfeordnung erlangt und dann eine Verwertung entgegen dem Zweck dieses Schutzes vorgenommen.

12

Maßgeblich für die vor diesem Hintergrund ansetzende ergänzende Vertragsauslegung sei, was die Vertragsparteien als redliche Vertragspartner bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Dieser Maßstab führe hier zu dem Ergebnis, dass sie den aufgezeigten "doppelten Missbrauch" sicherlich durch Vereinbarung einer Korrekturvorschrift wie § 13 HöfeO auf einen einfachen Missbrauch abgemildert hätten. Die zu entscheidende Frage bestehe darin, ob die Abfindungsregelung von redlichen Vertragspartnern nur ganzheitlich oder um § 13 HöfeO zweckwidrig zugunsten des Antragsgegners gekürzt vereinbart worden wäre.

13

Die Antragstellerin beantragt,

14

die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und dem Antragsgegner aufzugeben Auskunft zu erteilen, aus Anlass eines Grundstückskaufvertrages vom 13. August 2009, UR.-Nr. .../2009 des Notars P zu der landwirtschaftlichen Besitzung J Blatt X:

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1. Ist eine Ersatzbeschaffung für das mit Vertrag vom 13. August 2009 veräußerte Grundstück erfolgt? In welcher Größe mit welcher Funktion erfolgte ggf. die Ersatzbeschaffung?

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2. Wie hoch war der Einheitswert der landwirtschaftlichen Besitzung J Blatt X vor und nach dem Abverkauf durch Vertrag vom 13.08.2009?

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3. Welche öffentlichen Abgaben waren vom Antragsgegner aufgrund des Vertrages vom 13.08.2009 zu tragen?

18

4. Beruhte der Erlös des Vertrages vom 13.08.2009 oder ein Teil davon bei wirtschaftlicher Betrachtung auf Leistungen des Antragsgegners?

19

Der Antragsgegner beantragt,

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die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfsburg vom 10.12.2010 zurückzuweisen.

21

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und erwidert:

22

Für eine ergänzende Vertragsauslegung sei der hypothetische Parteiwille maßgeblich; es komme darauf an, dass die Wertungen der Beteiligten zu Ende gedacht, und nicht darauf, dass - wie von der Antragstellerin gewünscht - eigene Wertungen gesetzt würden.

23

Richtigerweise gebe es aber schon keine Vertragslücke, weil eine gemischte Schenkung vorliege und der enterbte Abkömmling einen Pflichtteilsanspruch und der Pflichtteilsberechtigte ggf. einen Pflichtteilsergänzungsanspruch habe.

24

Weiter hätten redliche Vertragspartner entweder eine Regelung nach dem BGB oder nach Höferecht getroffen; eine ergänzende Vertragsauslegung müsse aber unterbleiben, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der Lücke in Betracht kämen. Auch dürfe eine ergänzende Auslegung nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstands führen. Hier sei aber kein Ergebnis gewollt gewesen, nach dem die Antragstellerin sowohl Pflichtteilsrechte als auch Ansprüche nach dem Höferecht habe haben sollen.

25

Eine Berechnungsgrundlage für die Abfindungsregelung habe es nicht gegeben. Für die Eltern der Parteien sei einzig und allein ausschlaggebend gewesen, dass der Betrieb insgesamt überleben müsse und welche Zahlung gerade noch tragfähig sei. Entscheidend sei die Überlebensfähigkeit des Betriebs gewesen. Deshalb habe der Vater der Parteien, auch wenn er nicht überwiegend Eigentümer gewesen sei, "angeordnet", dass die Schwestern noch 20.000,00 DM erhalten sollten.

26

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Wolfsburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24.03.2011 (ohne Beteiligung von Landwirtschaftsrichtern) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

27

Die Akte der Landwirtschaftssache C gegen B (Geschäftsnummer 4 Lw 35/08 Amtsgericht Wolfsburg bzw. 2 W 28/09 OLG Braunschweig) hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.08.2011 informationshalber vorgelegen.

28

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

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1. Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt aus den §§ 18 Abs. 1 HöfeO, 1 Abs. 1 HöfeVfO, 9 LwVG, 63, 64 FamFG. Aufgrund der rechtzeitigen Weiterleitung an das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Wolfsburg ist sie trotz Einlegung bei dem falschen Gericht noch rechtzeitig innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat eingegangen. Der Nichtabhilfebeschluss ist zwar verfahrensfehlerhaft ohne Landwirtschaftsrichter erlassen worden; eine Zurückverweisung kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 FamFG jedoch nicht in Betracht.

30

In der Sache selbst hat die Beschwerde Erfolg. Die Antragstellerin kann von dem Antragsgegner in dem begehrten Umfang Auskunft verlangen.

31

a) Allerdings vermag sich die Antragstellerin, die einen der Regelung des § 13 Abs. 10 HöfeO entsprechenden Auskunftsanspruch geltend macht, hierfür nicht unmittelbar auf die zitierte gesetzliche Bestimmung zu stützen, wonach der Hoferbe den Berechtigten über eine spätere Veräußerung oder Verwertung unverzüglich Mitteilung zu machen sowie über alle für die Berechnung des Anspruchs erheblichen Umstände auf Verlangen Auskunft zu erteilen hat. Voraussetzung für einen solchen Auskunftsanspruch ist, dass überhaupt ein Abfindungsergänzungsanspruch nach § 13 Abs. 1 S. 1 HöfeO besteht. Das ist hier nicht der Fall.

32

Nach der genannten Bestimmung können die nach § 12 HöfeO Berechtigten unter Anrechnung einer bereits empfangenen Abfindung die Herausgabe des erzielten Erlöses zu dem Teil verlangen, der ihrem nach dem allgemeinen Recht bemessenen Anteil am Nachlass oder an dessen Wert entspricht, wenn der Hoferbe innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall den Hof veräußert. Zwar ist unter Erbfall auch der Erwerb im Wege eines Übergabevertrags durch vorweggenommene Erbfolge nach § 17 HöfeO zu verstehen (vgl. Fassbender/Hötzel/v.Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 13 Rz. 4); der Anspruch besteht aber nur, wenn der Hoferbe den Hof unter den Voraussetzungen der Höfeordnung erworben hat (Fassbender/Hötzel/v.Jeinsen/Pikalo, aaO., Rz. 4; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, § 13 Rz. 73). War die übernommene Besitzung - wie hier - kein Hof (mehr), liegt weder ein Übergabevertrag nach § 17 HöfeO vor (Fassbender/Hötzel/v.Jeinsen/Pikalo, aaO., § 17 Rz. 23 und 30; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, aaO., § 17 Rz. 4), noch besteht ein Abfindungsanspruch (OLG Hamm, Beschluss vom 04.12.1990 - 10 W 19/90, AgrarR 1992, 25; Fassbender/Hötzel/v.Jeinsen/Pikalo, aaO., § 13 Rz. 4).

33

b) Auch die "normale" Auslegung der Regelung in § 11 des Übergabevertrags vom 15.06.1995 führt nicht zur Begründung eines Anspruchs der Antragstellerin nach § 13 HöfeO. Die Parteien des Vertrags, also der Antragsgegner und die Eltern der Verfahrensbeteiligten, haben das Bestehen eines Anspruchs nach § 13 HöfeO bei Abschluss des Vertrags vom 15.06.1995 ersichtlich vorausgesetzt. Demgemäß sind im Sinne eines Vertrags zugunsten Dritter nur die Höhe und die Zahlungsmodalitäten der Abfindungsansprüche der Schwestern des Antragsgegners nach § 12 HöfeO geregelt worden. Dabei wurde zwar gleichzeitig festgelegt, dass ein Anspruch nach § 13 HöfeO hiervon unberührt bleiben solle, allerdings ohne dass dieser als kraft Gesetzes vorhanden betrachtete Anspruch eigens vertraglich begründet worden wäre.

34

c) Schließlich wird sich die Antragstellerin entgegen ihrer Rechtsauffassung zur Begründung eines Anspruchs nach § 13 HöfeO auch nicht auf eine sogenannte ergänzende Vertragsauslegung stützen können. Hat die eigentliche Auslegung die Aufgabe festzustellen, welchen Inhalt eine rechtsgeschäftliche Erklärung hat, besteht der Zweck der ergänzenden Vertragsauslegung darin, anknüpfend an den im Vertrag enthaltenen Regelungsplan der Parteien, Lücken der rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB. 70. Auflage, § 157 Rn. 2). Voraussetzung einer jeden ergänzenden Vertragsauslegung ist jedoch, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist (BGH, Urt. v. 17.01.2007 - VIII ZR 171/06 -, ZIP 2007, 774), wobei es gleichgültig ist, ob die "Lücke" von Anfang an bestanden oder sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat (BGH, Urt. v. 24.01.2008 - III ZR 79/07 -, NJW-RR 2008, 562).

35

Hier dürfte es an einer derartigen Regelungslücke fehlen, denn einer Vervollständigung des Regelungsplans der Parteien bedarf es nur dann, wenn dispositives Gesetzesrecht zur Füllung der Lücken nicht zur Verfügung steht (BGH, Urt. v. 03.11.1999 - VIII ZR 268/98 -, NJW 2002, 1110 [BVerfG 06.03.2002 - 2 BvL 17/99]; kritisch: MK-Bosche, BGB, 5. Auflage, § 157 Rn. 38). Im Streitfall bleibt die Lücke nicht ungefüllt. Da es sich bei der Besitzung der Mutter der Parteien nicht um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt, treten an die Stelle der hier nicht anwendbaren und von den Vertragsparteien vorausgesetzten höferechtlichen Regelungen die allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen, und zwar namentlich die Vorschriften zum Pflichtteilsrecht gemäß den §§ 2303 ff. BGB.

36

d) Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Der Anspruch der Antragstellerin ergibt sich jedenfalls aus einer Anwendung der Regeln zur Störung der Geschäftsgrundlage. Haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 Abs.1 BGB). Dabei steht es nach § 313 Abs. 2 BGB einer Veränderung der Umstände gleich, wenn sich wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, als falsch herausstellen.

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So liegt es im Streitfall. Bei Abschluss des Vertrags vom 15.06.1995 sind unstreitig alle Beteiligten davon ausgegangen, dass es sich bei der Besitzung der Mutter der Verfahrensbeteiligten um einen "Hof" im Sinne der §§ 12, 13 HöfeO handelte und demzufolge auch die Bestimmungen des § 13 HöfeO Anwendung finden würden. Da sich diese den Geschäftswillen der Vertragsparteien tragende Vorstellung jedoch als falsch erwiesen hat und Höferecht mangels Vorliegens der Hofeigenschaft tatsächlich keine Anwendung findet, ist die Geschäftsgrundlage des Vertrags vom 15.06.1995 gestört.

38

Das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage führen grundsätzlich zu einer Anpassung des Vertragsinhalts an die veränderten Verhältnisse. Hier ist der Vertrag in der Weise anzupassen, dass der Antragstellerin ein inhaltlich dem § 13 HöfeO entsprechender Abfindungsergänzungsanspruch zusteht und sie demzufolge zu seiner Vorbereitung auch in einer der Bestimmung des § 13 Abs. 10 HöfeO entsprechenden Weise Auskunft verlangen kann.

39

Darauf, dass die Antragstellerin nicht Vertragspartei ist, kommt es nicht an. Handelt es sich - wie hier - um einen echten Vertrag zugunsten Dritter, kann die Anpassung nach Auffassung des Senats auch von dem begünstigten Dritten verlangt werden (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 19.11.1971 - V ZR 103/69, NJW 1972, 152). Zwar tritt die Anpassung anders als nach bisherigem Recht nicht mehr kraft Gesetzes ein. Vielmehr haben die Parteien zunächst über eine Anpassung zu verhandeln, so dass etwa eine Klage voraussetzt, dass sich der Kläger zunächst erfolglos um eine vertragliche Anpassung bemüht hat (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 313 Rn. 41). Insoweit mag zweifelhaft sein, ob sich die Klägerin im Vorfeld dieses Verfahrens mit einem auf Anpassung des Vertrags gerichteten Verhandlungsbegehren an den Antragsgegner gewandt hat. Auch diese Frage kann aber im Ergebnis dahinstehen, weil der Antragsgegner jedenfalls im Termin vor dem Senat deutlich gemacht hat, zu keinerlei Entgegenkommen bereit zu sein und eine Entscheidung zu wünschen, so dass von einer endgültigen und ernsthaften Anpassungsverweigerung des Antragsgegners ausgegangen werden kann.

40

Die Vertragsanpassung selbst ergibt sich als Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung, die im Rahmen der Zumutbarkeit und bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung zu einem optimalen Interessenausgleich führt (vgl. MK-Roth, BGB, 5. Auflage, § 313 Rn. 102 f.; Palandt/Grüneberg, aaO., Rn. 40). An diesen Kriterien gemessen ist der Störung der Geschäftsgrundlage am geeignetsten und in interessengerechter Weise durch Begründung eines dem § 13 HöfeO entsprechenden Anspruchs der Antragstellerin Rechnung zu tragen. Eine solche Regelung entspricht nicht nur der Interessenlage der Verfahrensbeteiligten, sondern auch derjenigen der Parteien des Vertrags vom 15.06.1995. Sie ist dem Antragsgegner auch zuzumuten.

41

Die Regelung der Abfindung in § 11 des Übergabevertrags zwischen den Eltern der Parteien und dem Antragsgegner enthält eine vertragliche Regelung zugunsten Dritter, die Zahlungsansprüche zugunsten der Antragstellerin und der weiteren Schwester der Beteiligten begründen. Nach der gefundenen Regelung sollten die Schwestern des Antragsgegners zumindest die in § 11 des Übergabevertrags niedergelegten Ansprüche haben, soweit sie sich damit begnügten. Der Antragstellerin und ihrer Schwester stand es mithin frei, etwaige höhere gesetzliche Ansprüche nach der Höfeordnung geltend zu machen, wobei sie das Risiko eingegangen wären, weniger als im Vertrag geregelt zu erhalten, falls sich in einem Rechtsstreit herausstellen sollte, dass ihnen weniger zusteht. Sinn und Zweck einer solchen Regelung ist es, eine möglichst den Familienfrieden erhaltende einvernehmliche Lösung zu erreichen.

42

Der Antragsgegner selbst hat deutlich gemacht, dass es seinen Eltern in erster Linie darum gegangen ist, den aus beiden "Höfen" bestehenden Betrieb insgesamt zu erhalten und eine Lösung zu finden, die von dem Betriebsinhaber, also ihm, wirtschaftlich getragen werden konnte. Andererseits sollten die Schwestern des Antragsgegners aber auch nicht leer ausgehen. Hätten die Eltern gewusst, dass es sich bei der Besitzung der Mutter nicht um einen Hof handelte, hätten sie vor diesem Hintergrund nach Möglichkeiten gesucht, das mit § 11 des Übergabevertrags wirtschaftlich angestrebte Ziel rechtlich auf andere Weise zu erreichen. Es kann deshalb angenommen werden, dass die Eltern der Verfahrensbeteiligten auf eine Regelung gedrungen hätten, die ihren Töchtern eine Abfindung sichert, wie sie in den §§ 12, 13 HöfeO angelegt ist. Dies hätte beispielsweise durch Bereinigung der höferechtlichen Lage geschehen können, indem etwa ein Ehegattenhof geschaffen oder die Besitzung der Mutter dem Vater übertragen worden wäre.

43

In diesem Lichte erscheint es nicht unbillig, im Wege der Anpassung des Vertrags inhaltlich eben den Anspruch zu begründen, der nach Auffassung der Beteiligten ohnehin bestehen sollte. Dies belastet auch den Antragsgegner nicht unzumutbar. Er wird nur in einem Umfang in Anspruch genommen, mit dem er bei Abschluss des Vertrags vom 15.06.1995 ohnehin zu rechnen hatte. Dies gilt jedenfalls solange, wie die parallel bestehenden Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht der Antragstellerin nicht geltend gemacht werden, was von dieser aber offenbar weder beabsichtigt wird noch mit Blick auf den Zeitablauf noch möglich ist. Die Antragstellerin hat vielmehr mit Schreiben vom 08.05.2008 (Anlage K 3) die in § 11 des Übergabevertrags gefundene Abfindungsregelung für sich anerkannt und so den Willen der Vertragsschließenden, namentlich ihrer Eltern respektiert. Sie verlangt ausschließlich eine Abfindungsergänzung nach den Regeln des § 13 HöfeO.

44

Demgegenüber erschiene ein Ergebnis unangemessen, wonach die Antragstellerin infolge der Nichtanwendbarkeit der Höfeordnung und der nicht geltend gemachten Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht auf eine Gesamtabfindung von 20.000,00 DM beschränkt bliebe. Dies entspräche weder der von dem Antragsgegner mitgetragenen Intention seiner Eltern, die zu der Regelung in § 11 des Übergabevertrags geführt hat, noch wäre ein solches Ergebnis interessengerecht, geschweige denn der Antragstellerin zumutbar.

45

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 34, 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 LwVG. Da der Antragsgegner unterlegen ist, entspricht es der Billigkeit, wenn er die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

46

3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht ersichtlich.

47

4. Der Geschäftswert ist gemäß den §§ 34 Abs. 2 LwVG, 19 lit. h HöfeVfO, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt worden.