Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.09.1980, Az.: 18 UF 27/80

Endgültiges Scheitern einer Ehe bei 1 1/2 jähriger Trennung; Aufrechterhaltung der Ehe wegen Akoholgefährdung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.09.1980
Aktenzeichen
18 UF 27/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1980, 12964
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1980:0909.18UF27.80.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Stade - 05.12.1979 - AZ: 42 F 370/78

In der Ehe- und Familiensache
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 1980
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht A. und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. K. und C.
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 5. Dezember 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Stade aufgehoben.

Die Sache wird zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung über den Scheidungsantrag und die Folgesachen an das Amtsgericht - Familiengericht - Stade zurückverwiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien haben am 12. Mai 1962 die Ehe miteinander geschlossen. Aus ihrer Ehe stammen eine am 2. November 1962 geborene Tochter und ein am 21. März 1966 geborener Sohn.

2

Der Antragsteller hat die Ehescheidung mit der Begründung begehrt, die Parteien lebten seit dem 14. November 1978 getrennt; ihre Ehe sei an der Alkoholabhängigkeit der Antragsgegnerin gescheitert, die ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalte. Die Antragsgegnerin ist diesem Vorbringen entgegengetreten und hat der Scheidung widersprochen.

3

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 5. Dezember 1979, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, den Scheidungsantrag mit der Begründung abgewiesen, die Trennung der Parteien habe zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht "mehr als 1 Jahr" gedauert, die Fortsetzung der Ehe bedeute für den Antragsteller auch keine unzumutbare Harte.

4

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt der Antragsteller unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Scheidungsbegehren weiter.

5

Er beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Ehe der Parteien zu scheiden.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit der Begründung, bisher sei das Scheitern der Ehe der Parteien nicht nachgewiesen; auch würde die Scheidung für sie eine besonders schwere Härte bedeuten, weil sie gerade eine schwere menschliche Krise in Form von Alkoholabhängigkeit überwunden habe und zumindest in naher Zukunft des Beistandes des Antragstellers bedürfe.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Parteien zur Frage des Scheiterns ihrer Ehe gehört und vernommen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

10

Die Voraussetzungen für eine Scheidung liegen vor, weil die Ehe der seit über einem Jahr getrennt lebenden Parteien gescheitert ist (§ 1565 BGB) und die Scheidung für die Antragsgegnerin keine so schwere Härte darstellt, daß deswegen die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten wäre (§ 1568 Abs. 1 BGB).

11

Gescheitert ist die Ehe, weil die Lebensgemeinschaft der Parteien nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Parteien sie wieder herstellen. Zwar hat die Antragsgegnerin bei ihrer Anhörung und Parteivernehmung erklärt, sie hoffe, daß der Antragsteller "irgendwann einmal vernünftig" werde und die Ehegemeinschaft mit ihr wieder herstelle. Dem steht jedoch entscheidend entgegen, daß der immerhin bereits seit über 1 1/2 Jahren sein Scheidungsbegehren verfolgende Antragsteller bei seiner Anhörung und Parteivernehmung eindeutig und überzeugend zum Ausdruck gebracht hat, die Parteien hätten sich im Laufe der Jahre endgültig auseinandergelebt; er lebe auf Dauer mit einer anderen Frau zusammen und sei fest entschlossen, nie wieder die Ehegemeinschaft mit der Antragsgegnerin aufzunehmen. Schon danach steht zur Überzeugung des Senats das endgültige Scheitern der Ehe der Parteien fest, weil nicht die geringste Aussicht besteht, daß der Antragsteller je zu einer ehelichen Verbundenheit mit der Antragsgegnerin zurückfinden wird.

12

Die Regelung des § 1565 Abs. 2 BGB steht der Scheidung schon deshalb nicht entgegen, weil die Parteien mehr als ein Jahr im Sinne von § 1567 BGB getrennt leben. Das räumt die Antragsgegnerin selbst in ihrem Schriftsatz vom 4. März 1980 in der ihren Unterhalt betreffenden "einstweiligen Anordnungssache" ein, in dem sie vortragen läßt: "In die alte Ehewohnung kann die Antragsgegnerin nicht zurück, da unstreitig dort bereits seit April 1979 der Antragsteller mit Frau K. D. in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenwohnt". Schon danach ist die einjährige Trennungsfrist des § 1565 Abs. 2 BGB abgelaufen. Im übrigen ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts davon auszugehen, daß die Parteien bereits seit Mitte November 1978 getrennt voneinander leben. Die Antragsgegnerin ist dem durchaus substantiierten Vortrag des Antragstellers, er sei Mitte November 1978 aus der gemeinsamen Ehewohnung der Parteien ausgezogen und habe seither nicht mehr mit der Antragsgegnerin zusammengewohnt, nirgends - auch nicht bei ihrer Anhörung durch den Senat - entgegengetreten. Der Antragsteller hat auch noch im November 1978 erkennen lassen, daß er die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB), indem er bereits mit seiner am 21. November 1978 beim Amtsgericht eingegangenen Antragsschrift einen "Antrag auf streitige Ehescheidung" angekündigt und vorgetragen hat, er lebe seit dem 14. November 1978 von der Antragsgegnerin getrennt. Wann die mithin eindeutig nach außen hervorgetretene Trennungsabsicht des Antragstellers der Antragsgegnerin bekannt geworden ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung (Palandt, 39. Aufl., § 1567 BGB Anm. 2)).

13

Die Ehe der Parteien kann auch nicht nach § 1568 BGB aufrecht erhalten werden. Es sind keine außergewöhnlichen Umstände ersichtlich, deretwegen die Scheidung der Ehe der Parteien eine schwere Härte für die Antragsgegnerin darstellen würde. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Antragsgegnerin noch alkoholgefährdet ist und deshalb des Beistandes des Antragstellers bedürfte. Dem steht allerdings entgegen, daß die Antragsgegnerin bei ihrer Anhörung durch den Senat recht überzeugend zum Ausdruck gebracht hat, sie wisse inzwischen selbst, wie sie ihre "Probleme anpacken" müsse. Jedenfalls aber muß davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller bei Aufrechterhaltung der Ehe der Parteien sein Verhalten gegenüber der Antragsgegnerin nicht ändern würde. Es ist nicht anzunehmen, daß er, würde sein Scheidungsbegehren zurückgewiesen bleiben, bereit und in der Lage wäre, sich von seiner derzeitigen Lebensgefährtin Frau D. zu trennen, zur Antragsgegnerin zurückzukehren und ihr Beistand zu leisten.

14

Demgemäß liegen die Voraussetzungen für eine Scheidung vor. Der Senat kann jedoch nicht selbst die Scheidung der Ehe aussprechen. Nach § 629 b Abs. 1 Satz 1 ZPO muß die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückverwiesen werden, weil dort noch Folgesachen zur Entscheidung anstehen, über die gemäß §§ 623 Abs. 1, 629 Abs. 1 ZPO gleichzeitig mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden ist.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a Abs. 1 ZPO. Eine entsprechende Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO kam hier deshalb nicht in Betracht, weil, wie bereits oben ausgeführt, auch zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz die Voraussetzungen für die Ehescheidung vorlagen.