Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.12.2015, Az.: 2 StE 6/15 - 3, 4-1/15 (2 StE 6/15-3)
"Islamische Staat" (IS) als terroristische Vereinigung im Ausland
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.12.2015
- Aktenzeichen
- 2 StE 6/15 - 3, 4-1/15 (2 StE 6/15-3)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 39442
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2015:1207.2STE6.15.3.4.1.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- BGH - 13.10.2015 - AZ: StB 10/15
Rechtsgrundlagen
- StGB § 89a
- StGB § 129a
- StGB § 129b
Amtlicher Leitsatz
Der "Islamische Staat" (IS) ist - wie seine Vorgängerorganisationen ISI und ISIS - eine terroristische Vereinigung im Ausland.
Auf solche Organisationen ist das deutsche Strafrecht anwendbar.
Mitglied einer terroristischen Vereinigung ist, wer sich in deren Organisation eingliedert, sich dadurch ihrem Willen unterordnet und ihre Ziele aktiv fördert.
Tenor:
Die Angeklagten sind der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig.
Der Angeklagte B. wird zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
Der Angeklagte H. B. wird zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften:
§§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB
Gründe
Eine Verständigung liegt dem Urteil nicht zugrunde.
A. Die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten
I. Angeklagter B.
Der Angeklagte A. B. ist deutscher und tunesischer Staatsangehöriger. Er wurde am 1988 als Kind von M. B. und C. B. in W. geboren. Beide sind seit 1983 verheiratet. Er hat zwei ältere Brüder (M. A. und Mu) und zwei jüngere Brüder (Ma und O). Er spricht deutsch und arabisch - in der in Tunesien gebräuchlichen Form -, beherrscht aber die arabische Schrift nicht. Die deutsche Schriftsprache beherrscht er nicht perfekt.
Der Angeklagte B. wuchs in der muslimischen Familie in W. auf, praktizierte den Islam jedoch zunächst nicht. Sein Vater ist Mitglied der muslimischen En Nahda-Partei in Tunesien und im Vorstand des Islamischen Kulturzentrums (IKZ) in W.. Er siedelte 1973 nach Deutschland über, um hier zu arbeiten. Er arbeitete zunächst als Schweißer in Lübeck und später bei Volkswagen in W.. Sein Heimatland besuchte er nach seiner Auswanderung erstmals wieder nach der Revolution im Jahr 2011.
Der Angeklagte B. wurde 1994 eingeschult. In der Grundschule musste er die zweite Klasse wiederholen. 1999 schloss sich die Orientierungsstufe an. Danach besuchte er zunächst die Realschule, musste aber nach sechs Monaten auf die Hauptschule wechseln, weil er überfordert war. Bei dem Versuch, den Realschulabschluss zu erlangen, scheiterte er zunächst und musste die zehnte Klasse wiederholen, die er dann schließlich nach entsprechender Wiederholung im Jahr 2005 mit dem Realschulabschluss verließ. Auf Wunsch seines Vaters sollte er anschließend den erweiterten Realschulabschluss auf einer Berufsschule erwerben mit dem Ziel, danach auf das Gymnasium zu wechseln. Diesen Versuch brach der Angeklagte B. jedoch nach einem halben Jahr, also Ende 2005/Anfang 2006, ab. Er orientierte sich damals mehr an seinem Freundeskreis und war vorrangig am Konsum von Cannabis interessiert. Damit hatte er im Alter von 16 Jahren begonnen; sein Konsum begann zunächst mit gelegentlichen Joints und steigerte sich auf Mengen von zuletzt einem bis anderthalb Gramm Marihuana am Tag.
Im Rahmen einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme besuchte er die O.-K.-Schule. Er erhielt vom Jobcenter monatlich 280 € und ein Bewerbungstraining. In diesem Zeitraum bewarb er sich auch um eine Lehrstelle bei Volkswagen, erhielt allerdings nach einem Vorstellungsgespräch eine Absage. Es folgte eine Arbeitslosigkeit von mindestens einem Jahr, unterbrochen von Gelegenheitsbeschäftigungen.
Der Angeklagte B. bezeichnet sich selbst als Sorgenkind der Familie. Während seine Brüder erfolgreich in Studium, Beruf und Schule waren, vertrieb er sich die Zeit mit seinen Freunden in der Stadt, ging abends "feiern" und konsumierte Cannabis. Nachdem auch ein zweites Vorstellungsgespräch bei Volkswagen nicht zur Einstellung geführt hatte, begann er eine Tätigkeit als Tellerwäscher in einer Pizzeria und arbeitete sich dort zum Pizzabäcker hoch. Als Pizzabäcker erhielt er monatlich etwa 1200 €. Er war dennoch frustriert, weil alle aus seinem Freundeskreis mittlerweile Ausbildungen begonnen hatten. Dadurch nahm sein Cannabiskonsum noch zu. Die Eltern des Angeklagten sorgten sich in dieser Zeit sehr um ihn. Es gab häufig Streit zu Hause. Der Angeklagte B. zog sich immer mehr zurück, redete irgendwann auch mit niemandem mehr aus der Familie. Für sein eigenes Versagen machte er seine Familie verantwortlich.
Am 14. April 2011 wurde der Angeklagte B. von der Zeitarbeitsfirma "A." eingestellt, die Produktionshelfer für Volkswagen suchte. Die Bewerbung auf diese Stelle hatte einer der Brüder des Angeklagten ohne sein Wissen für ihn eingereicht. Der Angeklagte wurde durch die Zusage völlig überrascht; eine Beschäftigung bei Volkswagen war immer "ein Traum" für ihn gewesen, den er schon aufgegeben hatte.
Die Arbeit bei Volkswagen verlief etwa anderthalb Jahre, also bis Ende 2012, ohne Probleme. Der Angeklagte hatte ein monatliches Einkommen zwischen 2.300 und 2.400 € zur Verfügung. Allerdings begann er nun, in Spielhallen an Geldspielautomaten zu spielen, und verlor dabei sehr viel Geld. Er verspielte nicht nur sein Gehalt, sondern baute auch noch Schulden auf. Daraufhin nahm ihm sein Vater die Geldkarte ab, und er musste auf Veranlassung seiner Familie sein Konto bei der Volksbank auflösen. Sein Lohn wurde in der Folgezeit auf das Konto seines Vaters überwiesen, von dem er sein Geld eingeteilt erhielt. Der Angeklagte rebellierte gegen diese Regelung. Er fühlte sich entmündigt und begann Anfang 2013 zusätzlich mit dem Konsum von Kokain. Dies geschah zu Beginn nur am Wochenende, später auch in der Woche. Der Konsum pro Woche betrug zuletzt etwa 10 Gramm Kokain. Parallel hierzu konsumierte er im Übermaß Alkohol. Die Situation verschlechterte sich immer weiter. Es kam zu Fehlzeiten bei der Arbeit. In dieser Zeit wurde ihm aufgrund nachgewiesener Drogenrückstände im Blut von der Verkehrsbehörde die Fahrerlaubnis entzogen. Schließlich verwies ihn sein Vater Mitte des Jahres 2013 der Wohnung.
In der Folgezeit hatte der Angeklagte zunächst verschiedene Wohngelegenheiten. Ihm war bewusst, dass er mittlerweile ein ernstes Drogenproblem hatte. Er bat seinen Vater um eine letzte Chance, die ihm dieser auch gewährte. Gemeinsam mit der Familie machte der Angeklagte im September 2013 Urlaub in Tunesien. Dort führte er einen erfolgreichen Entzug durch und konsumierte von da an bis zu seiner Rückkehr aus Syrien weder Cannabis noch Kokain.
Am 1. April 2014 erhielt er - durch Vermittlung seines Bruders M. - eine Festanstellung als Produktionshelfer bei der Volkswagen AG W. mit einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.400 Euro. Bereits ab dem 9. Mai 2014 erschien er jedoch nicht mehr an seiner Arbeitsstelle; er meldete sich zunächst krank und nahm dann unbezahlten Urlaub. Nachdem der Angeklagte am 28. Mai 2014 nach Syrien ausgereist war, wurde er von seiner Familie unter Vorlage einer Bescheinigung eines Arztes in Tunesien, welche unwahre Angaben enthielt, krank gemeldet, um den Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern; im Juli wurde ihm jedoch wegen Verletzung der Arbeitspflichten gekündigt.
Der Angeklagte B. ist ledig und hat keine Kinder. Zeitweise war er mit der tunesischen Staatsangehörigen S. M. verlobt.
Der Angeklagte B. ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Am 2. Dezember 2013 wurde er durch das Amtsgericht Hannover wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt.
Der Angeklagte B. wurde am 15. Januar 2015 an seiner Wohnschrift in W. vorläufig festgenommen. Am darauffolgenden Tag wurde er dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der Haftbefehl erließ und den Vollzug der Untersuchungshaft anordnete. Seit dem 16. Januar 2015 befindet sich der Angeklagte ununterbrochen in Untersuchungshaft.
II. Angeklagter H. B.
Der Angeklagte Ebrahim H. B. ist deutscher und tunesischer Staatsangehöriger. Er wurde am 1989 als Kind von R. und F. H. B. in W. geboren und hat drei ältere Brüder sowie eine ältere und eine jüngere Schwester. Seine Eltern waren nach Deutschland gekommen, weil der Vater bei Volkswagen in W. Arbeit erhalten hatte. Als der Angeklagte etwa fünf Jahre alt war, kehrte seine Mutter mit ihm und seinen Geschwistern nach Tunesien zurück, während sein Vater in W. verblieb. Seine älteren Brüder durften nach und nach wieder zum Vater nach Deutschland übersiedeln, sobald sie in Tunesien das Abitur erworben hatten. Als der drittälteste Bruder ebenfalls sein Abitur bestanden hatte, entschied der Vater jedoch, dass auch der Angeklagte H. B. zusammen mit seiner jüngeren Schwester und seiner Mutter nach Deutschland zurückkehren sollten. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte etwa 15 Jahre alt und besuchte in Tunesien die neunte Schulklasse. Auch er spricht arabisch in der in Tunesien gebräuchlichen Art und spricht auch die deutsche Sprache gut.
Zurück in Deutschland besuchte der Angeklagte H. B. zunächst ein Gymnasium, musste dann jedoch - aufgrund seiner mangelnden Deutschkenntnisse - auf die Realschule und später auf die Hauptschule wechseln, die er etwa im Jahr 2008/2009 mit dem Realschulabschluss verließ. Nach der Schule arbeitete er zunächst bei der Firma S., einem Zulieferer von Autositzen für Volkswagen. Nach kurzer Zeit beendete er aber diese Tätigkeit und absolvierte ein etwa achtmonatiges Praktikum in einem Elektroladen in Paris, wo er bei Verwandten wohnte. Anschließend kehrte er nach W. zurück. Hier fand er zunächst eine Gelegenheitsbeschäftigung als Tellerwäscher in einem griechischen Restaurant. Im Jahr 2010 begann er eine zweijährige Ausbildung zum Massagetherapeuten an der P.Schule in Braunschweig, wofür er 10.000 Euro aufbringen musste. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung erhielt er eine Anstellung im Badeland in W.. Die Arbeit sagte ihm aufgrund der aus seiner Sicht zu geringen Einkünfte jedoch nicht zu. In der Zeit von Ende 2012 bis Ende 2013 arbeitete er daher als Maschinenführer bei der Firma E. in Gifhorn. Anfang 2014 wurde er arbeitslos und fand bis zu seiner Ausreise nach Syrien am 28. Mai 2014 keine neue Stelle.
Bereits mehrere Jahre vor seiner Ausreise nach Syrien trat der Angeklagte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) als Mitglied bei und ist nach wie vor Mitglied dieser Partei.
Seit seiner Schulzeit konsumierte der Angeklagte H. B. gelegentlich, zumeist an den Wochenenden, Cannabis, hatte seinen Konsum nach eigenen Angaben jedoch durchgängig unter Kontrolle und erwarb nur dann Drogen, wenn er dafür Geld übrig hatte. Nach seiner Verlobung im Jahr 2012 bis zu seiner Ausreise nach Syrien war er drogenfrei, dies änderte sich erst nach seiner Rückkehr aus Syrien wieder.
Der Angeklagte H. B. ist ledig und hat keine Kinder. Er hatte sich 2012 mit der tunesischen Staatsangehörigen M. H. verlobt. Die Heirat war für August 2014 geplant, musste jedoch auf Intervention eines in der Familie einflussreichen Onkels der Braut verschoben werden. Das Verlöbnis besteht weiterhin.
Der Angeklagte H. B. ist nicht bestraft.
Er wurde am 20. November 2014 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Hannover vom 17. November 2014 auf einem Parkplatz in W. verhaftet. Am darauffolgenden Tag wurde er dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Hannover vorgeführt, der dem Angeklagten den Haftbefehl eröffnete sowie dessen Aufrechterhaltung und den Vollzug der Untersuchungshaft anordnete. Mit Entscheidung vom 20. Februar 2015 wurde der Haftbefehl des Amtsgerichts Hannover aufgehoben und durch einen Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ersetzt. Der Angeklagte befindet sich seit dem 21. November 2014 ununterbrochen in Untersuchungshaft.
B. Sachverhalt
Die Angeklagten reisten gemeinsam am 28. Mai 2014 von Deutschland nach Syrien, gliederten sich am 1. Juni 2014 in die Organisation "Islamischer Staat Irak und Großsyrien" (im Folgenden: ISIG) ein, nahmen in der Folgezeit am Verbandsleben des ISIG aktiv teil und waren im gegenseitigen Einvernehmen mit den jeweils Verantwortlichen des ISIG für ihn mehrfach fördernd tätig, bis sie schließlich getrennt voneinander im August 2014 einseitig ihre Mitgliedschaft beendeten und nach Deutschland zurückkehrten.
I. Die Organisation "Islamischer Staat Irak und Großsyrien"
Der ISIG, der sich im Juni 2014 in "Islamischer Staat" (Im Folgenden: IS) umbenannt hat, war und ist eine terroristische Vereinigung im Ausland, die sich - von radikal-religiösen Anschauungen geleitet - zum Ziel gesetzt hat, unter Inkaufnahme auch ziviler Opfer die von Schiiten dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des Präsidenten Bashar al-Assad in Syrien zu stürzen und einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" (Syrien, Libanon, Jordanien und Palästina) umfassenden Gottesstaat unter Geltung der Scharia zu errichten. Trotz der Namensgebung handelte es sich weder im Tatzeitraum noch davor und danach um einen Staat, sondern immer um eine Vereinigung, deren Tätigkeit auf die Begehung von Mord und Totschlag gerichtet war.
1. Die politische Situation in Syrien
Nachdem im Dezember 2010 mit Demonstrationen in Tunesien der sogenannte Arabische Frühling begonnen hatte, kam es in der Folgezeit auch in anderen arabischen Staaten zu Aufständen gegen bestehende Regime. Erste größere Demonstrationen gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad fanden im März 2011 vor allem in den überwiegend sunnitisch besiedelten Teilen Syriens statt. Bis Ende des Jahres 2011 entwickelten sich die Proteste zu einem bewaffneten Aufstand, dessen Träger sich in lokalen Gruppierungen organisierten, aber keiner zentralen Kontrolle unterstanden. Als erste größere Städte waren Hama und Homs im Zentrum des Landes von den Aufständen betroffen.
Anfang 2012 umfasste der Aufstand weite Teile des Landes und entwickelte sich zu einem Bürgerkrieg, in dem die Regimegegner versuchten, die Militärbasen der Regierung im Osten und Norden des Landes zu übernehmen. Im Sommer 2012 brach der Kampf auch um die Großstadt Aleppo im Nordosten des Landes aus. Jedoch war es seither keiner der Seiten möglich, die Stadt vollständig zu erobern oder unter Kontrolle zu halten. Erst Ende des Jahres 2012 konnten die Regierungstruppen den Vormarsch der Rebellen in Aleppo stoppen. Außerdem gelang es dem Regime seit Frühjahr 2013, Gebiete zurückzuerobern und Versorgungswege zu sichern sowie die in sich zerstrittenen Aufständischen zurückzudrängen.
Getragen wurde der Aufstand in Syrien zunächst von Demonstranten, die friedlich gegen das Vorgehen der syrischen Regierung, insbesondere gegen die Verhaftung von Regimekritikern protestierten. Bald wurden sie von Bürgerwehren unterstützt, die sich aus notdürftig bewaffneten Zivilisten sowie desertierten Wehrpflichtigen und Soldaten der unteren Ränge bildeten. Eine zentrale Koordination ist jedoch zu keiner Zeit erfolgt. Ihre Bewegung war ein Konglomerat von unterschiedlich großen und mächtigen Gruppierungen, die miteinander wechselnde Bündnisse eingingen und von denen sich immer wieder kleinere Teile oder auch einzelne Kämpfer abspalteten. Die Zahl der Aufständischen lag zwischen 80.000 und 100.000, unter ihnen befanden sich bis zu 17.000 Ausländer. Ihnen gegenüber standen etwa 120.000 Regierungssoldaten und weitere 50.000 paramilitärische Kräfte von Geheimdiensten und Milizen.
Zu den Hauptakteuren der Aufständischen zählte die im Juli 2011 als Dachorganisation für die Widerstandsgruppen entstandene Freie Syrische Armee (im Folgenden: FSA), die neben dem Ziel, das Assad-Regime zu stürzen, kein ausgeprägtes ideologisches Profil besaß. Trotz zahlreicher Misserfolge waren der FSA im März 2015 noch bis zu mehrere zehntausend Kämpfer zuzurechnen. Daneben gab es islamistisch geprägte Gruppierungen. Ihnen gemeinsam war das Streben nach Umwälzung des derzeitigen Herrschaftssystems zugunsten eines islamischen Staates. Sie unterschieden sich allerdings in ihren Auffassungen zur räumlichen Ausdehnung des neu zu schaffenden islamischen Staatsgebildes. Während die Islamische Front in Syrien (vormals: Syrische Islamische Front), zu der die salafistisch geprägte "Ahrar ash-Sham" ("Die freien Männer von Syrien"), die "Sukur ash-Sham" ("Die Falken Syriens") und die "Jaish al-Sham" ("Armee des Islam") gehören und die etwa 40.000 bis 60.000 Kämpfer kommandierte, eine nationale Agenda verfolgten, verstanden andere Gruppierungen die Kämpfe in Syrien als Bestandteil des weltweit zu führenden bewaffneten Dschihad. Der Ideologie al-Qaidas folgend wollten sie die Kämpfe auch in die Nachbarländer Syriens tragen und Israel angreifen. Die beiden Hauptvertreter dieser global-dschihadistischen Ausrichtung waren die "Jabhat an-Nusrah li Ahl ash-Sham" ("Hilfsfront für die Menschen Syriens"; im Folgenden: JaN), der im März 2015 einige Tausend Kämpfer angehörten, und der "Islamische Staat Irak und Großsyrien" (ISIG).
2. Die Entstehung der Vereinigung "Islamischer Staat Irak"
Die terroristische Vereinigung "Islamischer Staat Irak" (im Folgenden: ISI) geht auf die im Jahr 2003 vom jordanischen Terroristen Abu Musab al-Zarqawi im Irak gegründete terroristische Organisation "Al-Tauhid wal-Jihad" ("Monotheismus und Heiliger Krieg") zurück. Im Oktober 2004 unterstellte al-Zarqawi seine Gruppierung förmlich der al-Qaida und schwor ihrem Anführer Usama Bin Laden den Treueeid; Usama Bin Laden ernannte al-Zarqawi im Gegenzug zum obersten Befehlshaber der Organisation im Irak. Damit einhergehend wurde die Vereinigung in "al-Qaida im Irak" umbenannt. Ihre Ziele waren die Errichtung eines islamischen Staates im Irak, die "Befreiung Jerusalems" und das Führen des Heiligen Krieges in den Nachbarländern des Irak, insbesondere in Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien. Der global-dschihadistischen Ausrichtung von al-Qaida folgend wurden auch die USA, Israel und überdies die Schiiten zu Feinden erklärt und bekämpft. Von Beginn an begingen al-Zarqawi und seine Organisation Anschläge gegen Politiker, irakische Einrichtungen und Sicherheitskräfte sowie gegen westliche Staatsangehörige und die im Irak stationierten westlichen Truppen.
Aus strategischen Gründen schloss sich die al-Qaida im Irak Anfang des Jahres 2006 mit fünf weiteren radikalen sunnitisch-islamistischen Gruppierungen im Irak zum Mujahidin-Rat im Irak zusammen, der von Abdallah Rashid al-Baghdadi befehligt wurde. Allerdings behielt die al-Qaida im Irak unter diesem "Dachverband" ihre Struktur und Eigenständigkeit bei und wurde bis zu dessen Tod am 7. Juni 2006 weiterhin von Abu Musab al-Zarqawi geführt. Nachdem sich drei weitere "Widerstandsgruppierungen" dem Mujahidin-Rat im Irak angeschlossen hatten, wurde am 13. Oktober 2006 die Gründung der "Allianz der Wohlduftenden" bekannt gegeben. Nur drei Tage später proklamierte diese "Allianz" die Gründung des ISI, dessen "Staatsgebiet" die Stadt Kirkuk sowie sieben Provinzen des Irak umfassen sollte. Zum Anführer und "Emir der Gläubigen" wurde Abu Umar al-Husaini al-Quraishi al-Baghdadi (nachfolgend: Abu Umar al-Baghdadi) bestimmt. Anders als der Mujahidin-Rat im Irak verstand sich dabei der ISI nicht mehr nur als loser Zusammenschluss mehrerer Gruppierungen, sondern als eigenständige neue Organisation. Diesem Verständnis entsprechend publizierten die beigetretenen Gruppierungen seit der Ausrufung des ISI nicht mehr unter ihren früheren Namen. Abu Hamza al-Muhajir, der nach dem Tod von al-Zarqawi die Führung der al-Qaida im Irak übernommen hatte und von Usama Bin Laden als ihr Emir bestätigt worden war, verkündete am 10. November 2006 die Auflösung von al-Qaida im Irak zugunsten des ISI und unterstellte seine Kämpfer der neuen Vereinigung.
Erstmals im Februar 2007 - und nachfolgend in weiteren Verlautbarungen - gab Abu Umar al-Baghdadi seine Strategie bekannt. Er benannte den Schutz der Sunniten im Irak, die "Vernichtung der abtrünnigen Verräter und ihrer militärischen Stützpunkte", das "Niedermetzeln der feindlichen Kreuzfahrer" sowie die Eintracht der Mujahidin unter dem Banner des ISI als dessen Ziele. Damit nahm er die Zielsetzung der früheren al-Qaida im Irak auf.
Umgesetzt wurden die Ziele mittels zahlreicher Anschläge, die sich gegen irakische Polizei- und Sicherheitskräfte sowie gegen Politiker, zunehmend aber auch gegen die schiitische Zivilbevölkerung richteten. Die Anschläge wurden häufig mittels Autobomben begangen; auch Selbstmordattentäter wurden hierzu eingesetzt. Daneben sind zahlreiche Anschläge bekannt geworden, die mit Sprengfallen und Schusswaffen begangen wurden. Geiselnahmen mit anschließenden Hinrichtungen gehörten ebenfalls zur Vorgehensweise der Vereinigung.
3. Vom "Islamischen Staat Irak" zum "Islamischen Staat Irak und Großsyrien"
Mit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien sah die Führung des ISI unter Abu Bakr al-Baghdadi al-Husaini al-Quraishi (nachfolgend: Abu Bakr al-Baghdadi), der nach dem Tod von Abu Umar al-Baghdadi am 18. April 2010 zum neuen Emir ernannt worden war, die Gelegenheit, ihren Einfluss über den Irak hinaus in den Nachbarstaat Syrien auszudehnen. Da Syrer im Irak nach 2003 das größte Kontingent ausländischer Kämpfer gestellt und die Reisen von Dschihad-Freiwilligen organisiert hatten, verfügte der ISI über eine gut ausgebaute Infrastruktur in Syrien, auf die er nunmehr zurückgreifen konnte.
Nachdem Abu Bakr al-Baghdadi bereits im Sommer 2011 einzelne Kämpfer nach Syrien geschickt hatte, um dort die Möglichkeiten eines operativen terroristischen Tätigwerdens auszuloten, gründeten syrische Mitglieder unter Führung des Abu Muhammad al-Jaulani im Januar 2012 im Auftrag und mit Unterstützung des ISI die JaN als syrische Teilorganisation des ISI. Diese sollte nach dem Willen von Abu Bakr al-Baghdadi unmittelbar dem ISI unterstehen und auch keine eigenen Kontakte zur al-Qaida-Zentrale aufnehmen. Um eine fortwährende Kontrolle zu gewährleisten, schickte Abu Bakr al-Baghdadi auch irakisches Personal nach Syrien. Dies führte allerdings zu Spannungen mit Abu Muhammad al-Jaulani, der sich als Anführer der zur wichtigsten und stärksten dschihadistischen Gruppierung in Syrien herangewachsenen JaN nicht dem Führungsanspruch al-Baghdadis unterwerfen wollte.
Als der Konflikt zu eskalieren drohte, ließ Abu Bakr al-Baghdadi - nach Beratung mit den irakischen Mitgliedern seines Führungsrates - am 8. April 2013 über die Medienstelle al-Furqan die Gründung des ISIG ausrufen. In dieser Erklärung betonte er, dass die JaN lediglich der verlängerte Arm des ISI in Syrien und ein integraler Bestandteil desselben sei. Außerdem verkündete Abu Bakr al-Baghdadi, die bisherigen Bezeichnungen der JaN und des ISI seien zugunsten des neuen gemeinsamen Namens "ad-Daula al-Islamiya fi I-Iraq wa-sh-Sham" ("Islamischer Staat Irak und Großsyrien") abgeschafft.
Der Erklärung Abu Bakr al-Baghdadis folgte allerdings bereits zwei Tage später eine über die Medienstelle al-Manara al-Baida ("Der weiße Leuchtturm") der JaN veröffentliche Erklärung Abu Muhammad al-Jaulanis. Darin bestätigte er zwar die Herkunft seiner Gruppierung aus dem ISI, betonte aber die Eigenständigkeit der JaN und weigerte sich, seine Organisation Abu Bakr al-Baghdadi zu unterstellen. Vielmehr suchte er die Unterstützung von Ayman al-Zawahiri, dem Anführer von al-Qaida, indem er ihm die Gefolgschaft schwor. Im Bemühen um die Schlichtung des Konfliktes ließ Ayman al-Zawahiri im Juni 2013 eine Erklärung verbreiten, in der er die Auflösung des ISIG befahl und anordnete, dass der ISI und die JaN unabhängig voneinander unter dem Oberbefehl von al-Qaida in ihren jeweiligen Heimatländern operieren sollten. Abu Bakr al-Baghdadi weigerte sich jedoch, den ISIG aufzulösen und erklärte in einer Audio-Botschaft vom 14. Juni 2013, seine Organisation werde weiterhin unter diesem Namen auch in Syrien aktiv sein.
In der Folgezeit gelang es dem ISIG unter Führung von Abu Bakr al-Baghdadi, in Syrien weiter Fuß zu fassen. Dabei ging er auch gegen die JaN vor und übernahm schrittweise deren Stützpunkte im Osten und Norden des Landes. Die ISIG-Einheiten profitierten davon, dass viele Führer und Mitglieder der JaN zu ihnen überliefen. Auffällig war zudem, dass sich insbesondere ausländische Kämpfer, darunter die der "Jaish al-Muhajirin wal Ansar" ("Armee der Auswanderer und Helfer", im Folgenden: JAMWA) des kaukasischen Kämpfers Abu Umar al-Shishani, dem ISIG angeschlossen haben. Im Laufe des Jahres 2013 konnte der ISIG überall dort Einfluss gewinnen, wo zuvor die JaN präsent gewesen war. Den Anfang machten Stellungen in der Provinz Deir al-Zor und dem südlichen Teil der Provinz Hasaka nahe der irakischen Grenze. Es folgten die Großstadt Raqqa und Orte um die Stadt Aleppo. Außerdem gelang es dem ISIG, Verbindungswege in die Türkei unter seine Kontrolle zu bringen. Besonders wichtige Stützpunkte konnten in den Städten Azaz, Aleppo und Raqqa errichtet werden.
Während der Etablierungsprozess des ISIG in Syrien zunächst ohne größere Auseinandersetzungen verlaufen war, kam es ab der zweiten Hälfte des Jahres 2013 zu erheblichen Spannungen und bewaffneten Konflikten. So ermordeten im Juli 2013 ISIG-Gruppen einen prominenten Kommandeur der FSA; auch in den Folgemonaten verübten ISIG-Gruppen immer wieder Mordanschläge auf wichtige Befehlshaber nicht-dschihadistischer Organisationen. Im Dezember 2013 schließlich gab die Ermordung eines Kommandanten der "Ahrar ash-Sham" den Anlass für eine offene militärische Auseinandersetzung zwischen dem ISIG und den Gruppierungen der im November 2013 entstandenen Islamischen Front, der auch die "Ahrar ash-Sham" zugehörig war. Bis Ende Februar 2014 gelang es der "Islamischen Front", die Einheiten des ISIG aus wichtigen Stützpunkten zu vertreiben. Bei ihrem Rückzug verübten die ISIG-Einheiten immer wieder Massaker, insbesondere an Gefangenen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen dauern an.
Anfang des Jahres 2014 verschärften sich die Auseinandersetzungen auch mit der JaN. Zuvor hatte es Versuche zur Vermittlung gegeben, die aber erfolglos geblieben waren. Abu Bakr al-Baghdadi beharrte auf der Präsenz des ISIG in Syrien. Als Reaktion erklärte Ayman al-Zawahiri den Ausschluss des ISIG aus der al-Qaida. Nachdem schließlich ein ISIG-Selbstmordattentäter den Stellvertreter al-Zawahiris in Syrien ermordet hatte, stellte Abu Muhammad al-Jaulani ein Ultimatum dahingehend, dass die Verantwortlichen des ISIG fünf Tage Zeit hätten, sich einem Scharia-Gericht zu stellen. Da keine Reaktion erfolgte, kam es ab März 2014 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der JaN und dem ISIG.
Von dem Engagement in Syrien unberührt geblieben ist die Stellung des ISIG als führende terroristische Kraft im Irak, die sich in einer Vielzahl von Anschlägen manifestiert hat.
4. Organisations- und Führungsstruktur
Um eine Übernahme staatlicher Gewalt vorzuspiegeln und seine Zielsetzung hierauf zu verdeutlichen, verwendete der ISIG auch Elemente staatlicher Organisation zur Verfestigung seiner Struktur.
An der Spitze der Vereinigung stand im Tatzeitraum und steht nach wie vor als "Befehlshaber der Gläubigen" unangefochten Abu Bakr al-Baghdadi, der nach dem Tod von Abu Umar al-Baghdadi im April 2010 in einer am 17. Mai 2010 veröffentlichten Erklärung zum "Emir der Gläubigen" ernannt wurde und seither den ISIG anführt. Abu Bakr al-Baghdadi, der in Bagdad Religionswissenschaften studiert hatte, hat in den ersten Jahren des bewaffneten Kampfes im Irak in erster Linie religiöse Aufgaben wahrgenommen. Anschließend wurde er Mitglied im Scharia-Komitee, dessen Aufsicht er später führte. In der Folgezeit stieg er in den Shura-Rat des ISI auf und wurde vom damaligen Führer Abu Umar al-Baghdadi zu seinem Nachfolger auserkoren.
Dem Emir standen nach der ursprünglich für den ISI verfassten Organisationsstruktur als Beratungsgremien ein Großer und ein Kleiner Shura-Rat zur Seite. Dem Großen Shura-Rat gehörten Vertreter jeder der im Jahr 2006 beigetretenen Gruppierungen sowie Stammesvertreter und Experten verschiedener Bereiche an. Der Kleine Shura-Rat, der für dringende Entscheidungen zuständig war, bestand aus fünf Personen. Erkenntnisse über seine funktionelle Zusammensetzung liegen jedoch ebenso wenig vor, wie über die Namen der Mitglieder in beiden Shura-Räten. Ebenfalls unklar ist, inwieweit Abu Bakr al-Baghdadi die Shura-Räte konsultiert und das Ergebnis ihrer Beratungen bei seinen Entscheidungen berücksichtigt hat. Abu Bakr al-Baghdadi führte und führt die Organisation äußerst autoritär und reagierte auf Widerstände mit brutaler Gewalt. Seit seinem Amtsantritt kam es immer wieder zu sogenannten Säuberungsaktionen. Die Proklamation des ISIG wurde auf die Zustimmung einer Mehrheit des Beratungsgremiums gestützt.
Bei der Leitung der Vereinigung konnte der Emir zudem auf ein "Kabinett" zurückgreifen. Nach einer am 19. April 2007 im Internet über die Medienstelle al-Furqan verbreiteten Videobotschaft mit dem Titel "Die ministerielle Aufstellung im Islamischen Staat Irak" verfügte die Vereinigung über einen offiziellen Sprecher und zehn "Ministerien" mit namentlich bezeichneten "Ministern". Darüber hinaus ist von der Existenz mindestens drei weiterer "Minister" auszugehen. In einer Botschaft von September 2009 mit dem Titel "Die Zusammensetzung des Folgekabinetts des Islamischen Staates Irak" wurden personelle Veränderungen bekannt gegeben. Auch wenn seither Mitteilungen über "Kabinettsumbesetzungen" nicht bekannt geworden sind, liegen keine Hinweise darauf vor, dass sich durch die Umbenennung des ISI in ISIG Veränderungen im "Kabinettsprinzip" ergeben hätten.
Von besonderer Bedeutung im "Kabinett" und damit in der Führung des ISIG sind die Funktionen des "Premierministers" und des "Kriegsministers". "Premierminister" und gleichzeitig Stellvertreter Abu Bakr al-Baghdadis war Abu Abdallah al-Hasani al-Quraishi. Das Amt des "Kriegsministers" wurde nach dem Tode seines Vorgängers am 18. April 2010 Al-Nasir li-Dinallah Abu Sulaiman übertragen. Mehrere Verlautbarungen der Vereinigung wurden seither durch das "Kriegsministerium" gezeichnet. Ebenfalls hervorgehoben ist die Position des Sprechers, die seit August 2011 mit Abu Muhammad al-Adnani besetzt war. Wie schon seine Amtsvorgänger trat er als Unterzeichner oder Vorleser von propagandistischen Verlautbarungen und Meldungen in Erscheinung. Organisatorisch ist er dem "Informationsministerium" zuzuordnen. Er stammt aus Idlib und war zudem mächtigster syrischer Vertreter im Shura-Rat des ISIG.
Diese Zuordnung zum "Informationsministerium" gilt auch für den besonders wichtigen Bereich der Medienarbeit und der Propaganda. Grundsätzliche Entscheidungen und Bekenntnisse zu Anschlägen werden mit beachtlicher Schnelligkeit und teils professionell aufgearbeitet im Internet zur Verfügung gestellt. Dabei bedient sich der ISIG unterschiedlicher Medien; die Verlautbarungen werden regelmäßig - auch sprachlich durch Untertitel oder Übersetzungen - dem Adressatenkreis angepasst. Die Herstellung der Propagandaprodukte erfolgt durch die am 31. Oktober 2006 gegründete organisationseigene Medienproduktionsstelle al-Furqan. Nach Autorisierung durch das "Informationsministerium" wurden die Beiträge in das dschihadistische Forum Shumukh al-Islam eingestellt und verbreitet. Dies geschah regelmäßig über die Medienorganisation al-Fajr, die zwar in direkter Verbindung mit al-Furqan steht, jedoch organisatorisch eigenständig ist und auch Veröffentlichungen anderer terroristischer Vereinigungen, wie etwa al-Qaida oder al-Qaida im Islamischen Maghreb, verbreitet. Ergänzend wurde im März 2013 die Medienstelle al-l'Tisam geschaffen, die direkt dem "Informationsministerium" des ISIG unterstellt ist. Zunehmend werden die weiterhin von al-Furqan produzierten Veröffentlichungen über diese Medienstelle zur Verbreitung freigegeben. Im Shumukh al-Islam-Forum wurde im August 2013 darauf hingewiesen, dass die offiziellen Verlautbarungen des ISIG nunmehr ausschließlich über al-l'Tisam veröffentlicht sowie über den Kurznachrichtendienst Twitter (@e3tsemo und @e3tasimo) und das Shumukh al-Islam-Forum verbreitet würden.
Zur Erzielung größtmöglicher Aufmerksamkeit wurden auch Videos brutaler Hinrichtungen produziert und verbreitet, bei denen den Opfern meist vor laufender Kamera mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten und der Kopf abgetrennt wurde. Als weiteres Propagandamittel gibt der ISIG seit Juli 2014 das aufwändig gestaltete Online-Magazin "Dabiq" heraus, das hauptsächlich in englischer, aber auch in deutscher Sprache und anderen Sprachen erscheint.
Als äußeres Kennzeichen der Zugehörigkeit zum ISIG verwendet die Medienstelle al-l'Tisam - wie auch andere offizielle Stellen und die Kampfeinheiten der Organisation - in ihren Produktionen das Symbol des ISIG. Dabei handelt es sich um ein weißes Oval, das sogenannte Prophetensiegel, auf schwarzem Grund mit dem Text des islamischen Glaubensbekenntnisses. Das Logo wird dabei sowohl mit dem Zusatz "Islamischer Staat Irak" - seit den Umbenennungen in den Jahren 2013 und 2014 zunächst "Islamischer Staat Irak und Großsyrien" und dann "Islamischer Staat" - als auch ohne einen solchen Namenszusatz verwendet.
Dem Emir, seinem "Kabinett" und dem Shura-Rat nachgeordnet sind wichtige Feldkommandeure, die gleichzeitig Emire der einzelnen Provinzen und Einsatzgebiete der terroristischen Vereinigung sind. Sie stammen mehrheitlich aus dem Irak und aus Syrien. Namentlich bekannt geworden sind Abu Yahya al-Iraqi als Emir von Idlib, Abu l-Athir als Emir von Aleppo und Abu Ayman, Kommandeur der Küstenprovinz Latakia. Die Funktion des Emirs in Nord-Syrien, das die Gebiete Aleppo, Nord-Idlib, Raqqa und Latakia einschließt, hat - als einziger Nicht-Syrer oder Nicht-Iraker in den Reihen der Kommandeure - der Kaukasier Abu Umar al-Shishani, alias Tarkhan Batirashvili, inne. Er ist zugleich Anführer der JAMWA.
Auf der untersten Stufe der Hierarchie stehen die Kämpfer des ISIG. Ihre Zahl liegt bei 30.000. Die Kämpfer des ISIG werden als Soldaten bezeichnet und gehören einer Kampfgruppe an, der jeweils ein lokal zuständiger Führer vorsteht. Jedenfalls im Regionalbereich Irak des ISIG handeln die Kampfgruppen bei den alltäglichen Anschlägen und Aktionen - unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Zielvorgaben des ISIG - weitgehend autark. Im Irak sind solche Kampfgruppen in Bagdad, Kirkuk und Mossul bekannt geworden.
Als kämpfende Einheit besonders zu nennen ist das Kurdistan-Bataillon, das durch eine von al-Furqan produzierte Videobotschaft vom 14. März 2007 erstmals in Erscheinung getreten ist und dessen Aktionsschwerpunkt im kurdischen Teil des Irak liegt. Seinen Kämpfern wird hohes militärisches und technisches Ausbildungsniveau zugesprochen.
Für den syrischen Bereich ist als Kampfgruppe die JAMWA hervorzuheben. Die vom bereits genannten Abu Umar al-Shishani geführte Gruppe, der mehrere hundert aus dem Kaukasus und aus Europa stammende Kämpfer angehören, operierte zunächst selbstständig und stand dem Kaukasischen Emirat des Dokku Umarov nahe. Spätestens im Juli 2013 verstärkte die JAMWA die Zusammenarbeit mit dem ISIG und schloss sich im August 2013 dem ISIG an. Seither tritt Abu Umar al-Shishani als "Kommandierender der nördlichen Region des ISIG" auf. Der Anschluss seiner Kampfgruppe an den ISIG wurde schließlich im November und Dezember 2013 auch offiziell vollzogen. In zwei Videobotschaften hat Abu Umar al-Shishani den Treueeid auf Abu Bakr al-Baghdadi geschworen und die Auflösung der JAMWA zugunsten des ISIG verkündet. Der räumliche Aktionsschwerpunkt der JAMWA liegt im Norden Syriens, wo die Gruppierung auch Ausbildungslager unterhält, unter anderem das Lager Atimah.
Darüber hinaus unterhält der ISIG eine Vielzahl einzelner, zum Teil auf bestimmte Aufgaben und Modi Operandi spezialisierter Kampfgruppen, von denen nur ein geringer Anteil medial in Erscheinung tritt und die namentlich nicht im Einzelnen bekannt sind.
Einen nicht unerheblichen Anteil der Kämpfer machen - neben den zahlenmäßig überwiegenden syrischen Dschihadisten - Freiwillige aus dem Ausland aus. Die große Anzahl ausländischer Kämpfer in Syrien ist vor allem dadurch bedingt, dass Freiwillige verhältnismäßig einfach in die Türkei reisen und von dort über die offiziellen Grenzübergänge oder illegal mit Hilfe von Schleusern nach Syrien gelangen können. Sie stammen insbesondere aus dem Kaukasus, aus den arabischen Ländern Nordafrikas und aus Europa. Militärische Führungspositionen kommen für sie nur ausnahmsweise in Betracht; sie werden regelmäßig als einfache Kämpfer in die Kampfgruppen eingegliedert. Daneben sind die ausländischen Freiwilligen im Bereich der Logistik und des Nachschubs wertvoll. Dies gilt für die Beschaffung von sowohl eindeutig militärischem Material als auch von Gütern wie Medikamenten, Kleidung oder Kraftfahrzeugen, die zivil genutzt werden können und sich von humanitären Hilfslieferungen nicht unterscheiden lassen.
Nach ihrer Ankunft in Syrien werden die ausländischen Dschihadisten bereits in Grenznähe aufgenommen. Zuerst werden sie in sogenannten Safehouses untergebracht, die sich in unauffälligen Häuserkomplexen inmitten von Wohngebieten befinden und von den umliegenden Wohngebäuden nicht unterschieden werden können. Anschließend werden sie für ihre Aufgaben ausgewählt und auf Ausbildungslager verteilt. Regelmäßig findet eine Sicherheitsüberprüfung statt. Zur besseren Kontrolle der Kämpfer und zur Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses nehmen die militärischen Vorgesetzten des ISIG den Rekruten die Pässe und etwaig mitgeführte Mobiltelefone ab. Die Ausbildung gliedert sich in der Regel in eine Grundausbildung, die neben religiöser und ideologischer Schulung auch Formalausbildung, Konditionstraining, Grundzüge der Ersten Hilfe und das Bewegen im Gelände unter Kampfbedingungen umfasst. Daran schließt sich eine Waffenausbildung an, in der der Umgang mit und die Pflege der Waffe sowie das Schießen selbst gelehrt werden. Die Dauer der Grundausbildung beträgt etwa 20 Tage, für die Waffenausbildung werden weitere zehn Tage veranschlagt.
5. Zielsetzung
Ziel des ISIG war und ist, worauf schon die Namensgebung hindeutet, die Errichtung eines Islamischen Kalifats. Die Frage der räumlichen Ausdehnung des zu schaffenden Staatsgebildes war dabei stets auch von den aktuellen politischen Geschehnissen beeinflusst. Während Abu Musab al-Zarqawi zunächst auf den Sturz des Herrscherhauses in Jordanien und die "Befreiung" Jerusalems abzielte, stellte er - der politischen Entwicklung folgend - ab dem Jahr 2003 den Irak in den Mittelpunkt. Zunächst sollten die USA zum Rückzug aus dem Irak gezwungen werden, um dort die Gründung eines islamischen Staates zu ermöglichen. Anschließend sollte der Kampf auf die Nachbarstaaten ausgeweitet werden, um schließlich Israel angreifen und Jerusalem "befreien" zu können.
Von Beginn an hatte die Ideologie neben der anti-israelischen und anti-jüdischen Ausrichtung auch eine anti-schiitische Komponente. Sunniten wurden - in Übereinstimmung mit der Ideologie al-Qaidas - als die einzig wahren Gläubigen betrachtet. Die Schiiten, die im Irak die Bevölkerungsmehrheit stellen und deren Vertreter seit 2005 auch die Regierung im Irak dominieren, wurden als Abtrünnige bezeichnet und waren nach Ansicht des ISIG zu bekämpfen. Der Schiitenhass bezog selbst diejenigen Sunniten mit ein, die sich in der neuen Entwicklung des Irak am politischen Prozess beteiligten oder mit Schiiten oder der Regierung Geschäftsbeziehungen unterhielten.
Seine politische Zielsetzung hat der ISIG bereits vielfach in Videobotschaften verkündet. Diese konkretisierten die allgemeinen Ziele in Bezug auf aktuelle Ereignisse. So hatten von der Führung des ISI verbreitete Aufrufe etwa die Verhinderung bevorstehender Parlamentswahlen im Irak oder den Kampf gegen das irakische Justizsystem zum Thema.
Mit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien, damit einhergehend der Erweiterung des Aktionsraumes nach Syrien und der Umbenennung in ISIG, hatte sich die Zielsetzung nur insoweit geändert, als dass Syrien in der Prioritätenliste zum Irak aufgeschlossen hat. Es ging und geht nunmehr nicht mehr allein um die Errichtung eines islamischen Staates im Irak, sondern um einen islamischen Staat unter Einbeziehung Syriens und der angrenzenden Gebiete. Dabei sollen die bestehenden Grenzen der Nationalstaaten im arabischen Osten überwunden werden. Auch die Bekämpfung der verfeindeten Schiiten ist weiterhin Teil der Agenda. So rief etwa Abu Muhammad al-Adnani am 30. Juli 2013 in der Botschaft "Ernte der Soldaten" die Kämpfer des ISIG dazu auf, jegliche Waffen im Kampf gegen die Schiiten einzusetzen. Umfasst von der anti-schiitischen Ausrichtung sind nach Ausweitung des Operationsgebietes auf Syrien auch die Alawiten, die zwar keine Schiiten im engeren Sinne sind, sondern eine aus der Schia hervorgegangene religiöse Gruppierung. Die Alawiten repräsentieren im mehrheitlich von Sunniten bevölkerten Syrien zwar nur eine Minderheit, jedoch gehören ihr auch Präsident Assad sowie weite Teile der politischen und militärischen Elite in Syrien an.
Bei der Errichtung eines islamischen Staates auf dem Gebiet des Irak, Syriens und des Libanon handelt es sich um das Nahziel. Die Erweiterung des Aktionsraumes soll letztendlich der Eroberung Palästinas, der "Befreiung" Jerusalems und schließlich der Schaffung eines weltumspannenden Kalifats dienen.
Insbesondere im Norden Syriens gelang es dem ISIG, sein Terrorregime zu etablieren, wenn auch die Eroberung der strategisch wichtigen türkisch-syrischen Grenzstadt Kobane im Herbst 2014 letztlich nicht gelang. Derart gefestigt verlagerte der ISIG Mitte 2014 seine Aktivitäten zunehmend in den Irak, wo er am 10. Juni 2014 unter anderem die Stadt Mossul eroberte.
Am 29. Juni 2014 gab der offizielle Sprecher des ISIG, Abu Muhammad al-Adnani, über eine auf dem Twitter-Account der ISIG-Medienstelle AL-I'TISAM eingestellte Audiobotschaft die Gründung des "Kalifats" bekannt. Al-Adnani erklärte ferner, dass diese Entscheidung vom Schura-Rat des ISIG, seinen Emiren und Anführern getroffen und der ISIG-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi zum "Kalifen Ibrahim" ernannt worden sei. Al-Adnani verkündete zudem, dass der ISIG nun den Namen "Der Islamische Staat (IS)" führe. Die Muslime weltweit und die Kämpfer anderer Gruppierungen forderte er dazu auf, dem "Kalifen" Gehorsam zu leisten. Das "Kalifat" soll für sämtliche vom ISIG kontrollierten Gebiete gelten. Alle anderen Organisationen, Gruppierungen, Emirate und Provinzen in den Gebieten werden nicht mehr als legitim angesehen. Mit dem Aufruf, dem "Kalifen" den Treueeid zu schwören, forcierte der IS die weitere Spaltung der Dschihadisten. Der IS festigte damit die Unabhängigkeit vom al-Qaida-Netzwerk und erhebt den Führungsanspruch in der globalen Dschihad-Bewegung.
6. Vorgehensweise und terroristische Anschläge
Das Ziel der Schaffung eines islamischen "Kalifats" versuchte der ISIG dadurch umzusetzen, dass er zunächst durch terroristische Anschläge und militärische Operationen den irakischen und syrischen Staat zu schwächen versuchte und selbst personell anwachsen wollte, um schließlich mit Waffengewalt die Macht in beiden Staaten an sich zu reißen. Ein Unterschied zwischen der Irak- und der Syrien-Strategie bestand dabei darin, dass die Organisation im Irak bereits die wichtigste aufständische Gruppierung war. Dagegen musste sich der ISIG in Syrien zunächst noch bemühen, seine Konkurrenten unter den Rebellen auszuschalten. Dies gilt insbesondere für die FSA, die als Verbündete des Westens betrachtet und spätestens seit Juli 2013 militärisch bekämpft wurde.
Im Irak hatte der ISI zunächst durch eine Vielzahl von kleineren Anschlägen mit geringen Opferzahlen die Stabilität des Staates zu erschüttern versucht. Dabei ist der Autobombenanschlag ein bevorzugtes Mittel, bei dem - oftmals in koordinierten Aktionen - ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug möglichst nahe an das vorab ausgewählte Ziel fährt und sodann den Sprengstoff zur Detonation bringt. Der ISI ist seit 2003 für Hunderte dieser Anschläge verantwortlich, die primär der irakischen Regierung, den Sicherheitskräften und der schiitischen Zivilbevölkerung galten.
Seit dem Jahr 2009 ist es dem ISI gelungen, solche Anschläge auch komplexer und mit aufwendigeren Mitteln durchzuführen. Entsprechend hoch sind seither die Opferzahlen und schwer die Sachschäden. Die Angriffe richteten sich gegen Regierungseinrichtungen, wie die Anschläge vom 19. August, 25. Oktober und 8. Dezember 2009 im streng gesicherten Bagdader Regierungsviertel oder der Angriff auf das Justizministerium am 14. März 2013. Internationale Hotels, wie die Bagdader Hotels "Babylon Oberoi", "Hamra" und "Palestine", waren Ziele der koordinierten Anschläge vom 25. Januar 2010. Mehrere Angriffe erfolgten gegen ausländische diplomatische Vertretungen, wie beispielsweise die Anschläge vom 4. April 2010 auf die Botschaften des Iran, der Bundesrepublik Deutschland und Ägyptens oder am 9. September 2012 der Angriff auf ein französisches Konsulargebäude in der Provinzhauptstadt An-Nasiriyah.
Im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten gegen die schiitische Zivilbevölkerung sind beispielsweise die Anschläge in der Pilgerstadt Kerbala am 20. Januar 2011, bei denen 30 schiitische Pilger getötet wurden, sowie eine Anschlagsserie in Bagdad und anderen Städten am 10. Juni 2012 zu nennen, die 70 Menschenleben forderte.
Die Anschläge im Irak wurden auch nach der Umbenennung der Vereinigung in ISIG fortgesetzt: So ist der ISIG für einen komplexen Anschlag in vornehmlich schiitischen Vierteln Bagdads am 20. November 2013 verantwortlich, der über 30 Opfer forderte. Ein Angriff auf das Gefängnis Abu Ghraib am 21. Juli 2013 wurde ebenfalls vom ISIG ausgeführt. Daneben richteten sich Anschläge des ISIG gezielt gegen Politiker. So wurde etwa am 15. Januar 2013 ein Mitglied des irakischen Parlaments durch einen Selbstmordattentäter getötet. Allein von Januar 2013 bis Mitte Februar 2014 wurden von Terroristen des ISIG mehr als 50 Anschläge in Bagdad, Kirkuk und anderen Städten des Irak begangen. So wurden am 13. Januar 2014 während eines Besuchs des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon in Bagdad mehrere Autobomben gezündet und mindestens 26 Menschen getötet. Am 30. Januar 2014 stürmten sechs Selbstmordattentäter des ISIG das Transportministerium in Bagdad, nahmen Geiseln und töteten insgesamt mindestens 20 Personen. Vier Angreifer zündeten während des Angriffs ihre Sprengstoffwesten.
Seit dem 10. Juni 2014 haben Kräfte des ISIG die nordirakische Millionenstadt Mossul unter ihrer Kontrolle. Ihre Angriffe richteten sich zudem gegen die ebenfalls im Norden des Irak ansässige Minderheit der Jesiden. Anfang August 2014 umzingelten Mitglieder des ISIG das überwiegend von Jesiden bewohnte Siedlungsgebiet um das Sindschar-Gebirge in der Provinz Ninawa im Nordwestirak nahe der syrischen Grenze und besetzten in den folgenden Tagen die dortigen Ortschaften. Zehntausende von Jesiden wurden allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit aus ihren angestammten Siedlungsgebieten gewaltsam vertrieben und mussten ungeschützt Zuflucht im Sindschar-Gebirge suchen. Diejenigen, die nicht fliehen konnten, waren Brutalität und Willkür der ISIG-Milizionäre ausgeliefert. Männer wurden zur Konversion gezwungen oder getötet, Frauen und Kinder als Kriegsbeute verschleppt, versklavt und vergewaltigt. Der ISIG beging Gewalthandlungen, Massaker und Entführungen aber nicht nur an den Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheiten. Sunniten, die sich dem ISIG widersetzten oder die bezichtigt wurden, mit den irakischen Sicherheitskräften zu kooperieren, wurden ebenfalls Opfer des gewaltsamen Vorgehens des ISIG.
In Syrien war das Vorgehen des ISIG weitgehend militärisch geprägt, wenngleich auch hier Anschläge mit Autobomben und Selbstmordattentätern nach irakischem Vorbild verübt wurden. Einheiten des ISIG versuchten vor allem im Norden und Osten des Landes die Gebietshoheit zu übernehmen und griffen Einrichtungen und Truppen der syrischen Regierung sowie in Gegnerschaft stehender Rebellengruppen an. Im Vordergrund standen strategisch bedeutsame Ziele, etwa Grenzübergänge, Einrichtungen der Gas- und Ölinfrastruktur sowie Flughäfen. Das Operationsgebiet war dabei - anders als im Irak - nicht gefestigt, sondern unterlag stetigen Veränderungen. Maßgeblich waren insoweit die strategischen Ziele des ISIG, seine personellen und materiellen Ressourcen, die Möglichkeit der Erbeutung von Waffen und die Aktionen seiner Gegner.
In den vom ISIG kontrollierten Gebieten gingen seine Verantwortlichen mit äußerster Brutalität gegen feindliche Kämpfer und die Zivilbevölkerung vor. Seit Herbst 2013 fanden immer wieder öffentliche Erschießungen, Kreuzigungen und Enthauptungen statt. Die Köpfe der Enthaupteten wurden auf Nägel oder Stangen aufgespießt und öffentlich - zum Teil auch an Fahrzeugen des ISIG - zur Schau gestellt. Verstöße gegen das islamische Recht in der Auslegung des ISIG wurden mit drakonischen Strafen wie Abtrennen von Extremitäten oder Auspeitschen geahndet. Hinrichtungen und Misshandlungen wurden durch Video- und Fotoaufnahmen dokumentiert und im Internet verbreitet. So dokumentierte der ISIG in einem am 23. Dezember 2013 veröffentlichten Video, bei dem es sich um die 37. Folge der Propagandafilmreihe des ISIG "Fenster zum Land der Schlachten" handelte, die Erschießung einer Person namens Abdalrahman Hassan al-Hassan, welche damit begründet wurde, dass dieser mit dem syrischen System zusammengearbeitet habe und daher "nach islamischem Recht bestraft" worden sei. Gefährdet waren in diesen Gebieten auch Mitglieder internationaler Hilfsorganisationen und Angehörige der Presse. Im Herbst 2013 wurden vom ISIG in Syrien mehrere Journalisten und Mitglieder des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes entführt.
Im Jahr 2013 haben sich mehrere räumliche Schwerpunkte herausgebildet, in denen der ISIG in Syrien terroristische Aktivitäten entfaltet: Die Provinz Al-Hasaka im Nordosten Syriens ist aufgrund ihrer Grenzen zum Irak und zur Türkei wegen der hier befindlichen Transportwege von strategischer Bedeutung. In dieser Provinz fanden seit Juli 2013 häufige Konfrontationen vor allem mit der kurdischen Miliz YPG statt, die dort eine autonome Region begründen will.
In der Provinz Deir ez-Zor, die an den Irak angrenzt und für den ISIG wegen der Schleusungsrouten wichtig ist, zerstörte der ISIG am 25. Juli 2013 durch Sprengung eine schiitische Moschee.
Eine groß angelegte "Operation zur Befreiung der Küste von Latakia" im Nordwesten Syriens begann am 4. August 2013. Bei dieser Aktion ist der ISIG mit großer Brutalität vorgegangen. Gemeinsam mit weiteren aufständischen Gruppierungen überfielen die Kämpfer des ISIG zunächst Kontrollpunkte der syrischen Armee. Anschließend drangen sie in zehn von Alawiten bewohnte Dörfer ein und verübten Massaker an der Bevölkerung. Über 150 Zivilisten wurden getötet und Dutzende gefangen genommen.
Im Gebiet um die syrische Hauptstadt Damaskus kam es seit Juli 2013 zu zahlreichen Kämpfen mit den Regierungstruppen, bei denen auch mittelschwere Waffen verwendet wurden. Dabei lagen die Schwerpunkte im Juli und August 2013 in der Stadt Damaskus selbst. Ab November 2013 sind Kämpfe auch aus der Qalamun-Region nördlich der Hauptstadt bekannt geworden. Das Gebirge in dieser Region war als Versorgungsroute und Rückzugsort von großer Bedeutung. Ein in der Stadt Al-Nabik von Regierungssoldaten errichteter Kontrollpunkt wurde am 20. November 2013 zum Ziel eines von ISIG-Kämpfern verübten Selbstmordattentats.
Auch in den Regionen Homs und Hama in Zentralsyrien war der ISIG operativ tätig. Am 1. Juli 2013 zündete ein ISIG-Selbstmordattentäter vor einem Kulturzentrum in der Stadt al-Sabura eine Autobombe, die mindestens drei Menschen tötete und 18 verletzte. Eine groß angelegte Operation im östlichen Teil von Hama, bei der bis zu 1.000 ISIG-Kämpfer beteiligt waren, wurde in einem Propagandavideo des ISIG dokumentiert. Auffallend hierbei war der Einsatz einer großen Anzahl von schweren Waffen (Panzer, Raketen- und Granatwerfer, Boden-Boden-Raketen) durch die Kämpfer des ISIG. Bei einer militärischen Aktion am 14. November 2013 wurden vom ISIG nördlich von Homs mehrere Sprengsätze gegen Gegner eingesetzt. Am 9. Januar 2014 zündete ein deutscher ISIG-Selbstmordattentäter namens Robert Baum, auch bekannt unter dem Namen Uthman al-Almani, eine Autobombe in der von Angehörigen der ismailischen Minderheit bewohnten Ortschaft al-Kafat und tötete 18 Menschen; hierüber berichtete u.a. Al Jazeera.
Weitere Operationen sind aus den Provinzen Idlib und ar-Raqqa bekannt geworden. Hier hat der ISIG bei der Eroberung der gleichnamigen Provinzhauptstadt ar-Raqqa Kirchen gestürmt und mehrere Gefängnisse für Geiseln eingerichtet. Am 29. April 2014 richteten IS-Mitglieder in ar-Raqqa sieben Männer, darunter auch Minderjährige, öffentlich als vermeintliche Spitzel hin und stellten zwei Leichen danach an Kreuzen aufgehängt zur Schau; hierüber berichtete u.a. CNN am 2. Mai 2014.
Schwerpunkt der militärischen Aktivitäten des ISIG war jedoch die im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei gelegene Provinz Aleppo. Hier kämpfte der ISIG gleichzeitig gegen die kurdische YPG, das syrische Militär und verfeindete terroristische Gruppierungen. Teile der Stadt Aleppo wurden vom ISIG genauso kontrolliert wie die Stadt Al-Bab. Ebenfalls in der Provinz Aleppo gelang es den Kämpfern des ISIG und den vormals mit ihnen verbündeten Rebellengruppen den Flughafen in Minnig zu erobern. Aus der Provinz Aleppo ist zudem bekannt geworden, dass der ISIG zur Verdeutlichung seines Machtanspruchs gegenüber anderen Vereinigungen Mitglieder solcher anderen Gruppierungen entführt und hingerichtet hat. Anfang Dezember 2013 haben ISIG-Kämpfer mehrere Dutzend Kurden aus der Stadt Manbij verschleppt und getötet. Am 17. Januar 2014 zündete der ISIG in der Stadt Jarabulus an der syrisch-türkischen Grenze eine Autobombe, um FSA-Kräfte zurückzudrängen und die Stadt zurück zu erobern. Hierbei kamen mehr als 30 Menschen ums Leben, darunter mehrheitlich Frauen und Kinder. Außerdem richteten ISIG-Mitglieder diverse Zivilisten mit Schusswaffen hin. Am 1. Februar 2014 töteten ISIG-Kämpfer nördlich der Stadt Aleppo mit zwei Autobomben 26 Menschen. Am 2. Februar 2014 sprengte sich ein Selbstmordattentäter des ISIG in einem Hauptquartier einer rivalisierenden Rebellengruppe in Aleppo in die Luft und tötete 16 Personen.
Schließlich ist auch der Libanon, der nach dem Verständnis des ISIG ebenfalls Großsyrien zugehörig ist, bereits zum Operationsgebiet des ISIG geworden. So hat sich der ISIG am 25. Oktober 2013 zu einem Anschlag in der libanesischen Stadt al-Harmal bekannt, bei dem vier Raketen auf gegnerische Ziele abgeschossen wurden. Zudem übernahm der ISIG die Verantwortung für einen Autobombenanschlag in dem vorwiegend von Schiiten bewohnten Stadtviertel Haret Hreik in Beirut am 2. Januar 2014, der fünf Todesopfer gefordert hat. Die Autobombe detonierte in etwa 200 Metern Entfernung zum Hauptquartier der schiitischen Hizb Allah-Miliz. Zu diesem Anschlag bekannte sich der ISIG in einer am 4. Januar 2014 über die Medienstelle al-I'Tisam veröffentlichten Verlautbarung. Bei einem Raketenangriff am 17. Januar 2014 auf die libanesisch-syrische Grenzstadt Arsal töteten ISIG-Kämpfer mindestens sieben Personen. Der Angriff galt Angehörigen der FSA, die in der Stadt über einen Rückzugsort verfügten.
Auf dem Twitter-Kanal der al-Furqan-Medienstelle des IS wurde am 29. Juli 2014 ein Video mit dem Titel "Auf dem Weg des Prophetentums" veröffentlicht. Das Video hat eine Gesamtlänge von 36:07 Minuten und wurde 2014 erstellt. Es war auch auf dem Mobiltelefon gespeichert, welches der Angeklagte B. bei seiner Rückkehr aus Syrien mit sich führte. Zu Beginn des Videos erinnert der - nicht im Bild zu sehende - offizielle Sprecher des ISIG, Abu Muhammad al-Adnani, an die Ausrufung des Kalifats im Irak. Im Anschluss wird ein Standbild des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi, der zum "Kalif Ibrahim" ernannt wurde, eingeblendet. Er kündigt den Beginn einer neuen Ära an und betont die neu gewonnene Stärke der Muslime. Das Ende des Nationalismus und der Demokratie stehe bevor. Er ruft die Muslime auf, sich gegen die Tyrannen zu erheben und sich von den Fesseln der Schwäche zu befreien. Anschließend werden Bilder von IS-Mitgliedern auf einem öffentlichen Platz eingeblendet, die im Anschluss an die Ausrufung des Kalifats im Chor den Treueid auf den "Kalifen" Ibrahim schwören. Die nächste Bildeinstellung zeigt eine größere Gruppe von IS-Mitgliedern, die einer Ansprache folgen, die im Vorfeld einer Offensive gehalten wird. Diese soll laut Texteinblendung in Samarra stattfinden. Anschließende Bilder zeigen den Beschuss von Stellungen der irakischen Armee in der Umgebung von Samarra und den angeblichen Einzug der IS-Mitglieder in die Stadt Samarra nach vorangegangenen Straßenkämpfen zwischen IS-Mitgliedern und Soldaten der irakischen Armee. Im Anschluss wird gezeigt, wie schiitische Moscheen und Grabstätten zerstört werden. Der Sprecher verkündet, dass die IS-Mitglieder diese Stätten zerstören würden, sobald sie die Stadt oder die entsprechende Region unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Wo diese Aufnahmen entstanden sind, ist dem Video nicht zu entnehmen. Die darauffolgenden Bilder zeigen IS-Mitglieder, bei denen es sich laut eingeblendetem Text um kürzlich im "Kalifat" eingetroffene "Muhajirin" - also aus dem Ausland zugewanderte Kämpfer - handelt. Diese hören einer Ansprache zu, die sie auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten soll. In der anschließenden Sequenz wird der als "Märtyrer" bezeichnete Selbstmordattentäter Abu Ayyub al-Maghribi eingeblendet, der seine Brüder, insbesondere im "Westen", aufruft, sich dem Dschihad anzuschließen und sich auf den Weg zu "Eurem Staat" zu machen. Als er bereits in einem mit Sprengstoff beladenen Fahrzeug sitzt, erklärt er, dass nach dieser Operation nichts in Ramadi übrig bleiben werde. "Die Armee wird vernichtet und wir werden siegen." Aus drei verschiedenen Kameraperspektiven wird der von al-Maghribi durchgeführte Selbstmordanschlag dokumentiert, bei dem das Ziel laut Texteinblendung ein Stützpunkt der irakischen Armee in Ramadi gewesen sein soll. Begleitend zu Aufnahmen in einem offensichtlich vom IS/ISIG eingenommenen Verwaltungsgebäude, in das zahlreiche Zivilisten hineingehen, ist erneut der Sprecher aus dem Off zu hören, der erklärt, dass der IS/ISIG seit seiner Gründung bemüht sei, die verschiedenen Gruppierungen zu vereinen. Daher seien zahlreiche Gruppierungen und Brigaden in den Irak und nach Großsyrien gekommen, um ihren Treueid auf den IS/ISIG zu leisten, nachdem sie Zeuge von den Erfolgen des IS/ISIG geworden seien. Zeitgleich hätten sie die Möglichkeit gehabt, die über die Medien gestreuten Gerüchte aufzuklären, erklärt der Sprecher weiter. Daraufhin werden Bilder von einer Versammlung gezeigt, bei der laut Texteinblendung Mitglieder der Ansar al-Islam zu sehen sind, die den Treueid auf das Kalifat leisten. Es wird ein weiterer Auszug aus einer Rede von al-Adnani eingeblendet, in der dieser Anführern anderer dschihadistischer Gruppierungen Zurückhaltung vorwirft. Es gebe keine Rechtfertigung für die mangelnde Unterstützung gegenüber dem IS/ISIG. Er fordert sie auf, sich nicht weiterhin abzuspalten und warnt sie, gegen den IS/ISIG zu agieren. Zum Ende des Videos werden Dutzende Lastwagen und Kleintransporter gezeigt, auf deren Ladeflächen junge Männer in ziviler Kleidung dicht gedrängt kauern. Bei den gefesselten Männern handelt es sich laut eingeblendetem Text um irakische Soldaten. Nachdem die Fahrzeugkolonne zum Stehen kommt, werden die Männer zu einem offenen Feld geführt, wo sie sich auf den Boden hocken müssen und anschließend von Kämpfern des IS/ISIG erschossen werden. Die Aufnahmen zeigen die Exekution von schätzungsweise bis zu 100 Männern. In einer weiteren Videosequenz werden weitere Männer abgeführt, die an einem Flusssteg per Kopfschuss getötet und anschließend in den Fluss geworfen werden.
Kurz nach Beginn der amerikanischen Luftangriffe auf IS-Ziele im Irak im August 2014 ermordete die Organisation den im November 2012 entführten US-amerikanischen Journalisten James Wright Foley, der bei seiner Hinrichtung in Anlehnung an die Bekleidung der Insassen von Guantanamo oder Abu Ghraib einen orangefarbenen Overall tragen musste. Es folgten ähnlich inszenierte Enthauptungen von US-Amerikanern und Briten. Die öffentliche Wirkung der Hinrichtungen wurde dadurch verstärkt, dass seitens des IS ein englischer Muttersprachler zum Scharfrichter bestimmt wurde, der vermummt jeweils eine kurze Ansprache hielt und in den britischen Medien als "Jihadi John" bekannt wurde. Die als taktisches Mittel angewandte Praxis der grausamen Tötung von Geiseln und die medienwirksame Verbreitung davon gefertigter Filmaufnahmen hält nach wie vor an. Im November 2014 verbreitete der IS ein Video, in dem 18 syrische Offiziere und Piloten von je einem IS-Kämpfer vorgeführt werden. Jeder der Kämpfer schnitt auf Kommando von "Jihadi John" mit einem Jagdmesser seinem zunächst noch lebenden Opfer den Kopf ab. Zuletzt wurde im Februar 2015 die Verbrennung bei lebendigem Leib eines gefangen genommenen jordanischen Kampfpiloten veröffentlicht.
7. Vorgehen gegen Abtrünnige aus den eigenen Reihen
Der ISIG/IS ging im Verlauf des Jahres 2014 zunehmend und mit Ausrufung des Kalifats noch verstärkt gegen Abtrünnige aus den eigenen Reihen vor und verfolgte diese bis hin zu Folter und Hinrichtung. Im Jahr 2014 wurden aus diesem Grund in Syrien zwischen 120 und 200 Mitglieder der Vereinigung getötet. Zu diesem Zweck hatte der ISIG eine Art Sicherheitsabteilung gebildet; zu dieser gehörte auch ein sogenannter Sturmtrupp, dessen Aufgabe es war, IS-Mitglieder, die gegen die Regeln des IS verstießen sowie Aussteiger und vermeintliche "Spione" festzunehmen und dem Gefängnis zuzuführen, wo ihnen vom IS - meist nach vorheriger Folterung - der "Prozess" gemacht wurde, was in vielen Fällen mit der Hinrichtung der Festgenommenen endete.
Im Sommer 2015 ergriff der IS auch Maßnahmen zum Unterbinden der Kommunikation über das Internet, um IS-Mitglieder an einer Rückkehr in ihre Heimatländer und einer Kontaktaufnahme mit Geheimdiensten zu hindern. So setzte der IS mit einer öffentlichen Bekanntmachung vom 19. Juli 2015 in der Stadt ar-Raqqa den Besitzern von Internetcafés ein Ultimatum von vier Tagen, um WLAN-Verbindungen zu kappen, die von den umliegenden Häusern des Cafés genutzt werden konnten, und forderte die Besitzer auf, alle privaten Internetverbindungen sowie selbst die Internetzugänge von IS-Kämpfern abzustellen. Eine gleichlautende Anordnung erging Ende Juli 2015 in der Stadt al-Bukamal in der Provinz Deir ez-Zor. Am 20. Juli 2015 - noch vor Ablauf des Ultimatums - stürmten Mitglieder des IS-Sicherheitsdienstes Internetcafés in der Stadt ar-Raqqa und kontrollierten alle anwesenden Personen. Sie montierten die WLAN Geräte ab, die den Nachbarhäusern der Cafés Internetzugang boten. Es kam auch zu Verhaftungen von Personen, die Nachrichten über den IS im Internet verbreitet hatten.
II. Radikalisierung und Rekrutierung der Angeklagten für den ISIG/IS
1. Radikalisierung des Angeklagten B.
Der Angeklagte B. wuchs zwar in einer muslimischen Familie auf, praktizierte den islamischen Glauben jedoch zunächst nicht.
Im September 2013 lernte der Angeklagte B. an seiner Arbeitsstelle bei Volkswagen in W. S. H. kennen; dieser stammte aus Albanien und war ein strenggläubiger Muslim. H. lud den Angeklagten B. in einer Mittagspause zum Beten ein, was B. allerdings ablehnte, weil er lieber rauchen wollte. Der Angeklagte B. war bis dahin kein religiöser Mensch, Beten war ihm fremd. H. sagte zu ihm, wenn er nicht bete, sei er auch kein Muslim. Diese Frage beschäftigte B. und er fragte seinen Vater, ob es stimme, dass man kein richtiger Muslim sei, wenn man nicht regelmäßig bete. Sein Vater schöpfte sofort Verdacht und fragte ihn, ob er Kontakt mit Salafisten gehabt habe, was B. jedoch abstritt. Er hatte zwar mit dem Konsum von Drogen aufgehört und auch den Kontakt zu seinen alten Freunden abgebrochen, fühlte sich aber zu Hause absolut kontrolliert und bevormundet.
Er recherchierte im Internet, ob die Aussage, kein Muslim zu sein, wenn man nicht (regelmäßig) bete, richtig sei oder nicht. Er begleitete seinen Vater auch einmal in die Moschee. Sein Vater war im Vorstand des arabischen Kulturzentrums (IKZ) in W., zu dem auch die von den Tunesiern besuchte Moschee gehörte. Salafisten hatten in dieser Moschee Hausverbot.
Der Angeklagte B. berichtete H. davon, dass er in der Moschee gewesen sei, dass er ihn - H. - dort aber nicht gesehen habe. H. gab sich erfreut, dass B. in die Moschee gegangen war, sagte aber: "Nee, nee, lass uns in eine andere Moschee gehen, da gibt es auch ein paar junge Leute in unserem Alter". H. wusste, wer B.s Vater war, und riet ihm daher, seinem Vater besser nichts davon zu sagen. B. begleitete schließlich H. in die von dem türkischen Religionsverein "DITIB" unterhaltene Moschee in W.; tatsächlich waren dort auch fünf bis sechs andere junge Männer, die B. von früher kannte; sie nutzten auch einen Billardraum und bereiteten B. einen freundlichen und herzlichen Empfang.
In der Folgezeit holte H. den Angeklagten B. regelmäßig zum Morgengebet ab, obwohl er auf der anderen Seite der Stadt wohnte und einen großen Umweg zu B. auf dem Weg zur Moschee machen musste. Der Angeklagte B. fühlte sich sofort gut aufgehoben. Beide wurden Freunde. Unter H.s Anleitung fing der Angeklagte B. an, regelmäßig zu beten und sich mit dem Islam zu beschäftigen. Der Angeklagte B. empfand die Auseinandersetzung mit dem Islam im Verhältnis zu seinem früheren, von Drogen und Alkohol geprägten Leben als eine Art Therapie.
H. lud den Angeklagten B. schließlich ein, an einem Samstag an einer Koranverteilung in der W.er Innenstadt teilzunehmen. Die Teilnahme B.s an dieser Koranverteilung blieb nicht verborgen; auch B.s Vater erfuhr davon und stellte ihn deswegen zu Hause zur Rede und machte ihm Vorhaltungen. B.s Mutter nahm ihn jedoch in Schutz mit den Worten: "Ist das nicht besser, als wenn er Drogen nimmt?". Auch seine Brüder behandelten ihn erstmalig nicht als das Sorgenkind, sondern mit Respekt.
Der Angeklagte B. beschäftigte sich immer mehr mit dem Islam und erhielt von H. die Empfehlung, sich doch einmal Videos des bekannten Salafisten Pierre Vogel anzuschauen. Nachdem der Angeklagte B. sich sechs Wochen lang Reden von Pierre Vogel auf Video angesehen hatte, besuchte er zusammen mit H. und weiteren Besuchern der DITIB- Moschee eine Veranstaltung in Köln, auf der auch Pierre Vogel eine Rede hielt. Bei dieser Versammlung wurde Geld für die sunnitische Bevölkerung in Syrien gesammelt. Pierre Vogel begrüßte ausdrücklich die anwesenden Bediensteten des Verfassungsschutzes.
Als der Angeklagte B. an einem Tag im Herbst 2013 wieder in der DITIB-Moschee betete, kam der gesondert Verfolgte Y. O. auf ihn zu. O. stammte wie die Familie des Angeklagten B. aus Tunesien. O. war Mitglied des ISIG und gerade aus Syrien zurückgekehrt, um in W. neue Mitglieder für den ISIG anzuwerben und zur Ausreise nach Syrien zu bewegen. Dies verschwieg er dem Angeklagten B. und den übrigen jungen Männern, die die DITIB-Moschee seinerzeit besuchten, jedoch zunächst. Stattdessen gab O. vor, in Saudi-Arabien den Koran studiert zu haben und sie im Islam und dessen Praktizierung unterrichten zu wollen. O. war eine charismatische Persönlichkeit und hatte einen ausgeprägten Blick dafür, welche jungen Männer empfänglich für eine islamistische Radikalisierung und spätere Rekrutierung für den ISIG waren. Er scharte deshalb vor allem solche jungen Männer um sich, die labil und in ihrem bisherigen Lebensweg wenig erfolgreich waren, die gerade eine Lebenskrise durchmachten oder aus sonstigen Gründen auf der Suche nach Anerkennung und Orientierung im Leben waren.
Diese Voraussetzungen sah O. in der Person des Angeklagten B. als erfüllt; B. war auch deshalb für O. von besonderem Interesse, weil B.s Vater als Mitlgied der tunesischen Nahda-Partei und Vorstandsmitglied des islamischen Kulturzentrums (IKZ) in der tunesischen Gemeinde W.s eine herausragende Position hatte. O. erkannte, dass der Angeklagte B. vor allem nach Anerkennung und Bestätigung suchte. O. erklärte ihm deshalb, dass er für seinen Unterricht einen Dolmetscher von der arabischen in die deutsche Sprache benötige, und machte B. zu seinem Vertrauten. Der Angeklagte B. genoss die hierdurch gewonnene herausgehobene Stellung in der Gruppe der jungen Moscheebesucher. O. behandelte in seinem "Unterricht" zunächst nur Glaubensfragen, zitierte aus dem Koran und erklärte den jungen Männern, was im "wahren" Islam erlaubt und verboten war. Er traf sich mit den Mitgliedern der Gruppe fortan nicht nur in der Moschee, sondern auch außerhalb, zum Beispiel zum Essen und zu Freizeitbetätigungen.
In dieser Zeit riefen sogar Mütter von alten Freunden B.s dessen Mutter an und baten darum, dass B. auch diese zum Beten bringe. B. war plötzlich geachtet und geschätzt. Sein Vater war allerdings strikt gegen diese neuen Kontakte und äußerte die Meinung, dass es sich dabei um "Terroristen" handele. B. ignorierte diese Bedenken jedoch, weil er seine neu gewonnene Position genoss und bereits von O. auf derartige Vorhaltungen der Älteren vorbereitet worden war. B. fühlte sich gut und hatte so etwas wie seinen inneren Frieden gefunden. Als äußeres Zeichen seiner salafistischen Ideologie ließ er sich einen Bart wachsen. Zudem besuchte er salafistische Seminare in Hildesheim und Bremen. Auch auf sein Umfeld nahm der Angeklagte im Sinne seiner ideologischen Einstellung Einfluss. So verlangte er beispielsweise von seiner Verlobten, dass diese sich den Scharia-Vorschriften entsprechend kleide.
Im Dezember 2013 wurde der Angeklagte B. davon überrascht, dass S. H. sich von ihm verabschiedete und am nächsten Tag nach Syrien ausreiste, um sich einer albanischen Einheit des ISIG in Syrien anzuschließen. Dies nahm der Angeklagte B. zum Anlass, sich über den ISIG näher zu informieren.
Etwa zeitgleich wurde der "Unterricht" des gesondert Verfolgten O. zunehmend radikaler. O. thematisierte immer wieder das Schicksal der Sunniten in Syrien, die vom Assad-Regime mit Unterstützung der vom Iran gelenkten schiitischen Hisbollah ermordet und vergewaltigt würden, während der Westen tatenlos zuschaue. Um seine Zuhörer nicht sogleich abzuschrecken, gab O. zunächst wahrheitswidrig an, dass er selbst der Jabhat an-Nusra (JaN) angehöre. Der Angeklagte B. wusste, dass die JaN zu al-Qaida gehörte. O. redete den jungen Männern ein, dass es ihre Pflicht wie diejenige eines jeden sunnitischen Muslim sei, nach Syrien zu gehen und die dortigen Sunniten zu unterstützen. Er verunglimpfte die Menschen in Deutschland als Ungläubige und Deutschland als das Land des Unglaubens und glorifizierte das Leben in Syrien unter den "wahren Muslimen". So erklärte er beispielsweise, es gebe in Syrien nur schöne Frauen und man könne dort sofort heiraten.
Die Gruppe wuchs weiter an. Aus ursprünglich sechs Teilnehmern waren Anfang des Jahres 2014 über 20 geworden. Der Angeklagte B. hatte seinen Freund K. M'H. in die Gruppe gebracht. Weiterhin gehörten der Gruppe neben anderen die gesondert Verfolgten N. I. H., Z. B. F., B. H., S. K., M. M. und H. H.an, von denen einige inzwischen in Syrien oder im Irak gestorben sind. Auch der Zeuge A. B. A.besuchte zeitweilig die Treffen, bis es ihm sein Vater, der O. für radikal hielt, verbot. In der Gruppe schaukelten sich die Mitglieder wechselseitig hoch, wer der Beste bzw. Strengste in Glaubensfragen sei. Der Angeklagte B. hatte eine Sonderstellung, weil er als Dolmetscher für O. fungierte.
Im Februar 2014 folgte dann auf H. der Zweite aus der Gruppe, der nach Syrien auswanderte. Es handelte sich um N.i I. H.. Er war Bruder des Zeugen M. I. H., der in W. eine Shisha-Bar betrieb und ein guter Freund von Mohamed B., dem älteren Bruder des Angeklagten B., war. N. I. H. stammte wie sein Bruder aus dem Libanon und war ursprünglich Schiit gewesen. Er war aber zum sunnitischen Islam konvertiert und hatte sich in der Folge zunehmend radikalisiert. Nach der Ausreise seines Bruders wandte sich der Zeuge M. I. H. an den Angeklagten B. und fragte ihn, ob er etwas über die Ausreise seines Bruders wisse. Der Angeklagte reagierte abweisend und sagte schließlich, als H. nicht locker ließ: "Was willst du von mir? Geh doch zu Y.!" Später nannte er H. noch den Nachnamen O.s. Der Zeuge H. versuchte in der Folgezeit wiederholt, persönlich Kontakt zu Y. O. aufzunehmen, um Näheres über das Schicksal seines Bruders zu erfahren. Es gelang ihm jedoch nicht, O. noch vor dessen eigener Ausreise nach Syrien anzutreffen.
Kurz nach N. I. H. reiste auch Z. B. F., der ebenfalls der Gruppe um O. angehört hatte, nach Syrien aus und schloss sich dem ISIG an.
Der Angeklagte B. verbrachte im März 2014 zwei Wochen in Tunesien, um seine dort lebende Verlobte zu treffen. Er kehrte dort den strengen Regeln O.s den Rücken, rasierte seinen Bart ab, rauchte wieder und trank auch wieder Alkohol. Drogen nahm er nicht. Nach seiner Rückkehr nach W. bestellte er sich im Rahmen eines Leasingvertrages ein VW Golf V Cabrio. Er wollte mit diesem Fahrzeug im August für vier Wochen erneut nach Tunesien fahren.
Die Änderung seines Verhaltens blieb der Gruppe um O. nicht verborgen. Deren Mitglieder forderten ihn immer wieder auf, doch wieder zu den Treffen in der DITIB-Moschee zu kommen. S. H. rief ihn aus Syrien an und machte ihm Vorhaltungen. Sein Freund K. M'H. sagte zu ihm: "Deinetwegen bin ich in die Moschee gegangen und jetzt lässt du mich hängen".
Am 1. April 2014 erhielt der Angeklagte B. eine Festanstellung bei Volkswagen. Mitglieder der Gruppe um O. kommentierten dies damit, dass er mit dem Festvertrag auch den "Vertrag für die Hölle" unterschrieben habe. Der Angeklagte B. gelangte schließlich zu der Überzeugung, dass seine Abkehr von den Lehren O.s ein Fehler gewesen war, und kehrte Anfang April in die Gruppe zurück.
2. Radikalisierung des Angeklagten H. B.
Der Angeklagte H. B. wurde als Muslim erzogen, ging aber weder in die Moschee noch hielt er die rituellen Gebete ein.
Etwa 2012 verlobte er sich mit der Cousine der Ehefrau seines Bruders. Der Termin für die standesamtliche Trauung sowie für die Hochzeitsfeier war für den 28. August 2014 geplant. Im März 2014, als alle Gäste bereits eingeladen waren, ordnete der in der Familie einflussreiche Onkel der Braut die Verschiebung der Heirat an. Der Angeklagte H. B. fühlte sich dadurch erniedrigt und der Lächerlichkeit Preis gegeben, weil er alle geladenen Gäste wieder abladen musste.
Im islamischen Kulturzentrum in W., wo der Angeklagte H. B. den Fitnessraum nutzte, traf er den Zeugen A. S., einen früheren Freund. Dieser schlug dem Angeklagten H. B. vor, mit ihm zum "DITIB" zu kommen. Dort hielten sich inzwischen auch viele seiner früheren Bekannten auf. Man könne dort am Wochenende die Sporthalle nutzen. Bei "DITIB" handele es sich um einen islamischen Freizeitverein, wo Grillabende veranstaltet würden und man Billard spielen könne.
Dieser Anregung folgte der Angeklagte H. B. und begleitete S. Anfang April 2014 in die DITIB-Moschee. Dort traf er auch den Angeklagten B., den er schon aus der Schulzeit kannte, und schloss sich umgehend der Gruppe um O. an. Auch der Angeklagte H. B. war schnell von O.s Redetalent und Charisma in den Bann gezogen und fand in dem salafistisch-dschihadistischen Freund-Feind-Schema unbewusst die von ihm gesuchte Orientierung.
3. Rekrutierung der Angeklagten für den ISIG/IS
Spätestens im April 2014 forderte O. schließlich die Gruppenmitglieder einschließlich der beiden Angeklagten auf, ihre Familien zu verlassen und nach Syrien auszuwandern, um sich dort dem ISIG anzuschließen. Y. O. teilte der Gruppe nunmehr mit, dass er zwar früher zur JaN gehört habe, dann aber Mitglied des ISIG geworden sei, da nur dort wahre Gläubige zu finden seien. Die Angeklagten und anderen Gruppenmitglieder erfuhren, dass es zwischen dem ISIG und den anderen oppositionellen Gruppen sowie der FSA zum Bruch gekommen war und dass der ISIG diese inzwischen ebenso wie die Regierungstruppen mit Waffengewalt, Sprengstoffanschlägen und Selbstmordattentaten bekämpfte. In der Folgezeit sprachen die Gruppenmitglieder immer wieder davon, wie es beim ISIG sein würde. Der Angeklagte B. äußerte in diesem Zusammenhang: "Wer hat die 'Cojones' (spanisch: Eier), zum Islamischen Staat zu gehen?". S. K. erklärte mehrfach, dass er sich als Selbstmordattentäter einen Platz im Paradies verdienen wolle. Andere Mitglieder der Gruppe sprachen davon, Scharia-Richter zu werden, oder hatten - wie etwa der Angeklagte H. B. - in erster Linie Interesse an den syrischen Frauen und der Möglichkeit, mehrere gleichzeitig heiraten und ein angenehmes Leben als privilegierter ISIG-Angehöriger führen zu können. Der Angeklagte B. erhoffte sich, nach dem Vorbild O.s eine ideologische Schulung beim ISIG durchlaufen zu können und anschließend eine entsprechende Verwendung zu erhalten. Sie redeten auch vom Kämpfen und thematisierten etwa die Schussverletzung, die A. T., ein früherer W.er Dschihadist, der schon als Jugendlicher mit al-Quaida sympathisiert und sich 2013 dem ISIG angeschlossen hatte, bei Kämpfen auf Seiten des ISIG erlitten hatte. Der Ausdruck "den A. machen" wurde unter ihnen zu einer gebräuchlichen Umschreibung dafür, sich dem ISIG anzuschließen. Wenn O. mitbekam, dass sie vom Kämpfen sprachen oder laut dschihadistische Gesänge, sogenannte Nashids, hörten, verbot er ihnen dies, damit kein Außenstehender auf den wahren Charakter der Gruppe aufmerksam wurde. Auf sein Geheiß wechselten sie auch immer das Gesprächsthema, wenn sich Außenstehende - etwa der Imam oder Vorstandsmitglieder der DITIB-Moschee - näherten.
Die beiden Angeklagten informierten sich auch im Internet über die Zustände in Syrien und über den ISIG. Sie sahen sich Propagandavideos des ISIG an und nahmen über Facebook und Skype Kontakt zu bereits dorthin ausgewanderten Mitgliedern ihrer Gruppe auf. Der gesondert Verfolgte Z. B. F. bestärkte sie darin, nach Syrien auszureisen.
Spätestens Ende Mai 2014 waren die Angeklagten B. und H. B. als Folge dieses religiösen Radikalisierungsprozesses fest entschlossen, sich dem ISIG als Mitglieder anzuschließen. Dem Angeklagten B. wurde aus der Gruppe auch vorgeschlagen, er solle doch statt des VW Cabrio zwei VW Touareg leasen und diese dem ISIG gewissermaßen als Geschenk mitbringen. Der Angeklagte fürchtete jedoch, dadurch sein familiäres Umfeld auf seine Ausreiseabsichten aufmerksam zu machen.
In Vorbereitung auf die Reise nach Syrien hob der Angeklagte H. B. von seinem Girokonto bei der Volksbank eG am 22. Mai 2014 einen Betrag in Höhe von 2.500 Euro und am 26. Mai 2014 einen Betrag in Höhe von 1.500 Euro ab.
Den Angeklagten war bereits zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Deutschland bewusst, dass sie mit Hilfe von Y. O. und dessen Mittelsmännern zum ISIG in Syrien gelangen würden. Angesichts der medialen Präsenz war ihnen auch bekannt, dass der ISIG keine humanitäre Hilfe leistete, sondern mit Waffengewalt, Sprengstoffanschlägen und Selbstmordattentaten die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates in Syrien und dem Irak anstrebte. Es war auch das Ziel beider Angeklagten, sich gerade dieser und nicht einer der anderen in Syrien aktiven Gruppen anzuschließen.
III. Ausreise nach Syrien
Die Ausreise der Angeklagten B. und H. B. wurde durch den gesondert Verfolgten Y. O. organisiert. Er wies die ausreisewilligen Mitglieder der Gruppe aus der DITIB-Moschee an, in getrennten Gruppen nach Syrien zu reisen und niemandem von den Ausreisen zu berichten. Y. O. teilte die Gruppen ein und schrieb den Angeklagten B. und H. B. vor, dass sie als Letzte am 28. Mai 2014 fliegen sollten. Er selbst werde dann schon vor Ort sein. Sie sollten einen Flug in die Türkei nehmen und von dort weiter zur türkisch-syrischen Grenze nach Sanliurfa reisen.
Von beiden Angeklagten übernahm der Angeklagte B. die praktische Durchführung der Reise. Er erhielt von O. nur dessen Telefonnummer bzw. WhatsApp-Verbindung. Die Nummer eines Kontaktmannes in der Türkei sollte B. erst dort von O. erfahren. O. schärfte ihnen ein, mit niemandem darüber zu reden. Dies war auch für die Angeklagten wichtig. Beide gingen davon aus, dass ihre Familien, wenn sie von den Plänen erführen, sie davon abhalten würden.
Die Familie des Angeklagten B. hatte - wie er erst nach seiner Rückkehr erfuhr - auch bereits einen Monat vor seiner Ausreise Kontakt zum Landeskriminalamt aufgenommen und von ihrem Verdacht einer Ausreiseabsicht berichtet. Da die Familienmitglieder jedoch nicht als Zeugen aussagen wollten und auch vom Vorstand der DITIB-Moschee keine Bestätigung des Sachverhalts erfolgte, sahen die Beamten keine Handhabe für passentziehende Maßnahmen.
Die Angeklagten fuhren gemeinsam am 28. Mai 2014 mit dem Zug zum Flughafen in Hannover. Dort buchte der Angeklagte B. für sie beide einen Flug nach Samsun/Türkei. Sie kamen etwa gegen 19:00 Uhr in Samsun an und flogen von dort über Ankara weiter nach Antalya. Sie verbrachten eine Nacht in Antalya und der Angeklagte B. versuchte vergeblich, Y. O. telefonisch zu erreichen. Am nächsten Morgen fuhren sie mit dem Bus nach Adana weiter, wo sie am Abend des 29. Mai 2014 ankamen. Dort übernachteten sie. Sie konnten O. weiterhin nicht erreichen.
Die Angeklagten standen vor dem Problem, dass sie keine Kontaktnummer oder -Adresse in Sanliurfa hatten. Unerwartet erhielt der Angeklagte B. an diesem Morgen einen Anruf aus Syrien von S. H.. Dieser teilte B. mit, dass H.s Frau mit den Kindern ebenfalls in Adana sei und nach Syrien einreisen wolle. H. bat B. darum, seiner Frau zu helfen, da diese dringend Hilfe benötige. Zugleich erklärte H. ihm, es sei geplant, dass H.s Frau über Gaziantep einreise; er riet B., das auch zu tun, da der Grenzübertritt nach Syrien von dort aus einfacher sei als von Sanliurfa. Der Angeklagte B. entsprach H.s Bitte und folgte seinem Rat. Von H. erhielt B. die Telefonnummer eines Kontaktmannes des ISIG in Gaziantep.
Am Morgen des 30. Mai 2014 kauften die Angeklagten sich Tickets für den Bus nach Gaziantep. Auf dem Busbahnhof trafen sie zu ihrer Überraschung auf S. K., der ebenfalls zu der W.er Gruppe um O. gehörte. S. Kh. löste auch ein Ticket nach Gaziantep, und sie fuhren gemeinsam mit dem Bus etwa zweieinhalb bis drei Stunden dorthin. Sie kamen gegen Mittag in Gaziantep an. Dort rief B. die Nummer des Kontaktmannes aus Gaziantep an, die er von S. H. erhalten hatte. Es handelte sich um einen Türken, der sich als "Abu Ali" vorstellte und sie etwa eine halbe Stunde später abholte. Er beförderte sie mit einem Kleinbus in ein weißes Haus auf einem Berg. Bei beiden Angeklagten stieg nun die Nervosität, zumal sie keinerlei Kontakt nach außen hatten und alle Versuche, O. zu erreichen, gescheitert waren. Der Angeklagte B. hatte während dieser Zeit insbesondere Angst davor, dass sie von dem Türken (Abu Ali) etwa an Assad-Treue verkauft oder von sonstigen Gegnern des ISIG als Geiseln genommen würden.
Sie warteten etwa drei bis vier Stunden in dem Haus; nach Einbruch der Nacht zum 1. Juni 2014 erschien Abu Ali wieder und sagte: "Jetzt geht's los, schnell, schnell, schnell!". Die Angeklagten und S. K. wurden mit weiteren etwa 25 bis 30 Personen in mehreren Kleinbussen in Richtung syrischer Grenze gefahren. Die Fahrzeit betrug eine knappe Stunde. Es wurde an den Fahrzeugen das Licht ausgemacht, sie fuhren zehn Minuten lang im Slalom zwischen Olivenbäumen. Plötzlich wurden die Türen geöffnet und sie wurden angewiesen, sich zu beeilen. Draußen standen ungefähr sechs Männer, die sie über die Grenze lotsten. Es waren unbewaffnete Zivilisten. Die Angeklagten und anderen Personen wurden angewiesen, schnell zu laufen und sich alle paar Minuten zu bücken. Einer der sechs Männer lief immer vor und sondierte die Lage. An einer Stelle mussten sie über etwa 300 m sprinten. Den Angeklagten wurde gesagt, dass sie, falls Schüsse fallen sollten, einfach weiter rennen sollten. Die türkische Armee schieße immer nur in die Luft, sie bräuchten keine Angst zu haben. Sie kamen dann über einen kleinen Abhang und wateten durch einen Fluss. Damit hatten die Angeklagten die Grenze zu Syrien passiert.
In Syrien mussten sie einen schmalen Pfad entlang hoch auf einen Hügel laufen. Man sagte ihnen, sie dürften den Pfad nicht verlassen, da die Freie Syrische Armee (FSA) überall Minen verlegt habe. Als sie über den Hügel kamen, standen dort schon Autos und Bewaffnete vom ISIG, die sie herzlich begrüßten. Sie waren hilfsbereit und freundlich und gaben den Neuankömmlingen zu essen und zu trinken. Einer der Anwesenden hieß die Angeklagten und weiteren Personen offiziell im Namen des ISIG willkommen. Sie wurden aufgefordert, die wartenden Kleinbusse zu besteigen, und fuhren los. Die Frauen unter den Neuankömmlingen wurden separiert.
IV. Mitgliedschaftliche Anbindung an den ISIG/IS
Die Angeklagten wurden zu einer großen Villa in der Stadt Jarabulus gefahren, die als Auffanghaus des ISIG für Neuankömmlinge bestimmt war. In der Villa trafen die Angeklagten auf S. H.. Das Gebäude war eingezäunt bzw. von einer Mauer umgeben und wurde von bewaffneten ISIG-Mitgliedern bewacht; den Neuankömmlingen wurde untersagt, das Auffanghaus zu verlassen. Das Ausgangsverbot und die Bewachung dienten in erster Linie der Sicherung des Auffanghauses; es sollte verhindert werden, dass die noch ungeschulten Neuankömmlinge sich unbedacht äußerten und so etwa Nachrichtendienste oder feindliche Gruppen den Standort des Auffanghauses erfahren würden.
Nach ihrer Ankunft duschten die Angeklagten zunächst einmal; anschließend erhielten sie Essen und Trinken. Alle Anwesenden sprachen vom Dschihad. Dann erschien der verantwortliche Emir namens Abu Dujana. Dieser erklärte den Angeklagten, dass sie ihre Pässe, Mobiltelefone und alle anderen elektronischen Geräte abgeben müssten, da sie ansonsten ein leichtes Ziel bei Bomben- bzw. Raketenangriffen sein würden. Der Angeklagte B. gab hierauf seinen deutschen Reisepass und sein Mobiltelefon ab; der Angeklagte H. B. gab nur sein Mobiltelefon ab; seinen deutschen Reisepass behielt er jedoch bei sich und gab vor, ohne Pass mit dem Auto von Deutschland in die Türkei gereist zu sein. Er wollte sich damit die Möglichkeit für eine Ausreise offen halten. Seinen Pass versteckte er in seinen Socken.
Anschließend wurden die Angeklagten und weiteren Neuankömmlinge durch Mitglieder der Abteilung für innere Sicherheit des ISIG befragt. Nach dieser "Sicherheitsüberprüfung" wurden die Angeklagten und weiteren Neuankömmlinge einzeln aufgerufen und mussten sich nacheinander in das Büro des Emirs begeben. Dort erwartete sie ein weiterer ISIG-Funktionär, ein Mann aus Saudi-Arabien, und registrierte jeden einzelnen mit allen Personaldaten (Namen, Geburtsdatum, Namen der Eltern, Ausbildung, Qualifikation, Bürgen, in welcher Moschee man gebetet habe usw.) in einem Laptop. Am Schluss stellte er jedem Neuankömmling die Frage, ob er beim ISIG "Mokatel", "Istaschadi" oder "Ingeasi" werden wolle. "Mokatel" ist ein normaler Kämpfer, "Istaschadi" ist ein Selbstmordattentäter und "Ingeasi" ist eine Kombination aus Kämpfer und Selbstmordattentäter, nämlich jemand, der zunächst mit der Waffe möglichst viele Menschen tötet und sich schließlich selbst in die Luft sprengt, um möglichst viele weitere Menschen in den Tod mitzureißen. Die Angeklagten hatten nicht damit gerechnet, sich so schnell entscheiden zu müssen und nur die Wahl zwischen verschiedenen Einsatzmöglichkeiten im Bereich des bewaffneten Kampfes zu haben. Sie hatten aufgrund von O.s Versprechungen gehofft, beim ISIG Aufgaben zu erhalten, die nicht mit einer unmittelbaren Gefährdung verbunden waren. So war der Angeklagte B. davon ausgegangen, dass O. ihm zunächst eine ideologische Schulung beim ISIG vermitteln werde. Der Angeklagte H. B. hatte erwartet, beim ISIG aufgrund seiner Ausbildung zum Massagetherapeut eine Verwendung im Bereich der Gesundheitsversorgung zu finden und außerdem ein angenehmes Leben mit vier Frauen und einem großen Auto führen zu können. Der Angeklagte B. erklärte deshalb, dass er kaum islamisches Wissen habe und dass er dies erst einmal lernen wolle; außerdem könne er sich eigentlich nicht vorstellen, dass er überhaupt kämpfen könne. Der Saudi antwortete ihm, dass alle kämpfen müssten. Selbst wenn er Lehrer, Arzt oder irgendetwas anderes wäre, würde dies für ihn gelten. Lehrer und Ärzte hätten sie genug. Da der Angeklagte B. sich nicht in die Luft sprengen wollte, erklärte er, dass er sich dann für den Kämpfer entscheide. Dies erschien ihm als das kleinste der drei Übel. Der Angeklagte H. B. ließ sich ebenfalls als Kämpfer einteilen.
Schließlich wurden die Angeklagten gefragt, wieviel Geld sie bei sich führten und wer es bekommen solle, wenn sie sterben sollten. Die Angeklagten führten insgesamt 5000 € mit sich. Davon gehörten dem Angeklagten B., der den Gesamtbetrag bei sich trug und verwaltete, 1000 €, der Rest gehörte dem Angeklagten H. B.. Der Angeklagte B. übergab das Geld dem ISIG-Funktionär, der das Geld in einen Umschlag mit B.s Namen steckte und ihm erklärte, dass er das Geld nach Abschluss der "Ausbildung" wieder erhalten werde.
In dem Auffanghaus wurden die Neuankömmlinge sehr freundlich behandelt, wenngleich man sie auch von der Außenwelt möglichst isolierte. ISIG-Männer zeigten den Angeklagten und weiteren Neuankömmlingen, wie man das Sturmgewehr AK 47 "Kalaschnikow" auseinander nimmt und wieder zusammensetzt. Zu diesem Zweck waren zwei bis drei AK 47 vorhanden, an denen die Neuankömmlinge üben sollten. Auch die Angeklagten nahmen daran teil. Ansonsten bestand der Tagesablauf vor allem aus Beten, dschihadistischer Indoktrination im Sinne der Ideologie des ISIG, Essen und Schlafen. Außerdem wurden alle neuen ISIG-Mitglieder aufgefordert, sich einen Kampfnamen auszusuchen. Dieser setzte sich üblicherweise aus der Vorsilbe Abu und dem Namen des ältesten Sohnes sowie einer Herkunftsbezeichnung zusammen. Da der Angeklagte B. noch keinen Sohn hatte, wählte er den Namen seines Lieblingsbruders M. und nannte sich fortan im ISIG "Abu M.". Der Angeklagte H. B. wählte sich auch einen Kampfnamen.
Während des Aufenthalts im Auffanghaus leisteten die Angeklagten - wie alle Neuankömmlinge - auch Wachdienst innerhalb des Gebäudekomplexes, jedoch nicht am Eingangstor. Obwohl das Haus von einem Zaun bzw. einer Mauer umgeben war und es bewaffnete Wächter gab, verließ der Angeklagte B. zweimal nachts das Gelände und begab sich in ein nahe gelegenes Internetcafé. Unter anderem sprach er via Skype mit seiner Mutter. Er verschwieg ihr aber die Realität und sagte ihr nur, sie solle sich keine Sorgen machen. Er mache nur seine vier Wochen Urlaub und komme dann zurück. Der Angeklagte wollte insbesondere seinen Vater davon abhalten, nach Syrien zu reisen, um seinen Sohn zurück zu holen. Entgegen dem ausdrücklichen und unter Strafe gestellten Rauchverbot begaben sich beide Angeklagte auch mehrfach nachts auf das Flachdach des Hauses, um Zigaretten zu rauchen.
Der Angeklagte B. ging einmal zum Emir und sagte ihm, er könne seine Kontaktperson O., dessen Name beim ISIG "Abu Oubayda" war, nicht erreichen. B. wollte auf diesem Weg seine weitere Verwendung beim ISIG klären, um sich möglichst nicht an Kämpfen beteiligen zu müssen, sondern eine weniger gefährliche Aufgabe zu erhalten. Der Emir erwiderte jedoch, dass es eine klare Anweisung von Abu Bakr al-Baghdadi gebe, wonach jeder ins Ausbildungslager müsse.
Nach etwa vier oder fünf Tagen kam es im Auffanghaus zu einem Zusammentreffen der Angeklagten und S. K.s mit dem Zeugen N. D.. Dieser stammte aus Dinslaken und hatte dort der sogenannten Lohberger Gruppe um seinen Cousin P. B. angehört. Der Zeuge D. war bereits im Oktober 2013 nach Syrien ausgereist und hatte sich dem ISIG angeschlossen. Er gehörte seit etwa April 2014 der Gefängnisgruppe des ISIG an und war als Wärter in dem Gefängnis von Manbij eingesetzt. Dort wurden Personen inhaftiert, die von dem sogenannten Sturmtrupp festgenommen worden waren, weil sie verdächtigt wurden, gegen die Regeln des ISIG verstoßen zu haben, insbesondere Aussteiger oder "Spione" zu sein; diesen wurde vom ISIG - meist nach vorheriger Folterung - der "Prozess" gemacht, was in vielen Fällen mit der Hinrichtung der Festgenommenen endete. D. war zusammen mit einem weiteren Mitglied der Gefängnisgruppe nach Jarabulus gekommen, um eine private Angelegenheit zu regeln. Sie hatten Quartier in dem Auffanghaus genommen, in dem sich auch die Angeklagten und S. K. befanden. Als D., der mit einer Kalaschnikow bewaffnet war und eine Sturmhaube zur Gesichtsmaskierung trug, bemerkte, dass die Angeklagten und S. K. miteinander Deutsch sprachen, setzte er sich zu diesen. Sie führten in freundlicher Atmosphäre ein Gespräch und tranken dabei Tee. D. fragte die Neuankömmlinge, woher sie stammten und was in Deutschland so los sei. Er erhielt die Information, dass die Neuankömmlinge aus W. stammten. S. K. fragte D., was man beim ISIG machen könne. D. fragte ihn zurück, was er denn könne, worauf K. antwortete: "Ich kann Parkour", womit eine Art Freizeitklettern gemeint war. Nach etwa 20 Minuten endete das Gespräch. Zu einem weiteren Zusammentreffen zwischen den Angeklagten und D. in Syrien oder dem Irak kam es nicht mehr.
Im Auffanghaus in Jarabulus blieben die Angeklagten bis zum 12. Juni 2014.
Die Angeklagten hatten während der Zeit im Auffanghaus mehrfach die Gelegenheit, sich dem ISIG zu entziehen und sich über die nahe gelegene Grenze wieder in die Türkei zurück zu begeben. Sie behielten ihren Entschluss, sich dem ISIG anzuschließen, jedoch bei in der Hoffnung, ihre ursprünglichen Vorstellungen von ihrer Rolle beim ISIG nach einer Kontaktaufnahme zu O. noch in die Tat umsetzen zu können. Sie unternahmen keine Anstrengungen, bereits jetzt ihre mitgliedschaftliche Beteiligung am ISIG wieder zu beenden, obwohl ihnen dies möglich und zumutbar war.
Die Angeklagten handelten von ihrem Eintreffen in Syrien bis zu ihrem tatsächlichen Ausstieg aus dem ISIG/IS in dem sicheren Wissen, dass sie sowohl nach innen als auch nach außen als dessen Mitglieder in Erscheinung traten und mit ihren Tätigkeiten die Ziele des ISIG/IS objektiv förderten.
Die Fähigkeit der Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, war bei Begehung der Tat weder aufgehoben noch vermindert.
V. Aufenthalt im ersten Ausbildungslager
Am 12. Juni 2014 wurden die Angeklagten zusammen mit S. K. und weiteren Neuankömmlingen in ein Ausbildungslager des ISIG in der Nähe von ar-Raqqah gebracht. Das Ausbildungslager befand sich tief in einem Wald und war gut getarnt. Als die Angeklagten dort ankamen, wurde ihnen erklärt, dass sie jetzt in einem ersten militärischen Trainingscamp seien. Der Ton wurde dementsprechend schärfer. Sie wurden im Befehlston kommandiert und militärisch gedrillt. Hierdurch fühlten sich die Angeklagten, die aufgrund von O.s Versprechungen eine bevorzugte Behandlung erwartet hatten, eingeschüchtert.
Etwa zwei Tage später kamen auch K. M'H. und M. M., die ebenfalls aus W. stammten und der Gruppe um O. angehört hatten, in dem Ausbildungslager an.
Die Tage im Ausbildungslager waren in zwei Teile aufgeteilt. Es gab eine "religiöse" und eine militärische Ausbildung. Das, was als "religiöse" Ausbildung ausgegeben wurde, war tatsächlich eine Indoktrination im Sinne der Ideologie des ISIG. Es wurde ihnen erklärt, wer ihr Feind sei und warum sie die anderen töten müssten. Alles wurde mit Stellen aus dem Koran gerechtfertigt. Daneben gab es täglich Sieges- und Erfolgsmeldungen des ISIG. In den Nachmittagsstunden fand die militärische Ausbildung statt. Zunächst waren die Angeklagten in einer Gruppe mit den anderen Deutschen; später wurden die verschiedenen Nationalitäten miteinander vermischt.
Am 10. Juni 2014 hatte der ISIG die Millionenstadt Mossul im Irak erobert. Am 14. oder 15. Juni 2014 erschien ein hochrangiger Emir des ISIG aus dem Irak in dem Ausbildungslager, in dem sich die Angeklagten befanden. Alle wurden zusammen gerufen und der Emir hielt eine Ansprache. Er sagte zu den Neuankömmlingen: "Wir haben Mossul erobert und ihr habt nun die Ehre, Bagdad zu erstürmen", und dass Leute gebraucht würden, die sich als Selbstmordattentäter meldeten. Sie könnten sofort los und dürften im Ramadan einen Anschlag machen. Während der Rede brach Jubel unter den ISIG-Mitgliedern aus und alle schrien "Allahu Akbar". Es meldeten sich umgehend ca. 60 Männer, die voller Begeisterung Selbstmordattentäter werden wollten. Zu diesen gehörte S. K..
Auch der Angeklagte H. B. meldete sich. Seine Eltern hatten ihm in einem Telefonat geraten, sich in den Irak nach Bagdad zu begeben und von dort zu fliehen. Ein Bekannter der Familie habe bereits mehrere Verwandte von dort ausgeflogen. Als H. B. nun hörte, dass die Selbstmordattentäter in Bagdad eingesetzt werden sollten, meldete er sich ebenfalls, um dorthin zu gelangen.
Alle, die sich als Selbstmordattentäter gemeldet hatten, erhielten vor ihrer Abreise ihr Geld und ihre sonstige Habe zurück. S. K. wurde sein Rucksack, in dem sich sein Mobiltelefon Samsung mitsamt einer SD-Karte, ein Samsung Tablet-PC sowie 2500 € in bar befanden, ausgehändigt. Diese Gegenstände und das Geld schenkte er dem Angeklagten B. mit den Worten, dass er die Sachen ja nun nicht mehr brauche.
Der Angeklagte H. B. bat den Angeklagten B. darum, ihm einen Teil seines Geldes, welches auf den Namen des Angeklagten B. bei den ISIG-Verantwortlichen hinterlegt war, auszahlen zu lassen. Darauf ließ sich der Angeklagte B. etwa 500 bis 600 Euro auszahlen und reichte diese an H. B. weiter.
Zwei bis drei Tage später wurden der Angeklagte H. B. und S. K. zusammen mit den anderen, die sich als Selbstmordattentäter gemeldet hatten, in mehreren Fahrzeugen in Richtung Irak abtransportiert.
Der Angeklagte B. nahm weiter an dem Waffen- und Kampftraining teil. Die Ausbildung, die seiner Vorbereitung auf spätere Kampfeinsätze diente, umfasste einen Zeitraum von etwa zwei Wochen. Der Angeklagte B. unterzog sich einem körperlichen Training, das aus täglich zu absolvierenden Geländeläufen und Krafttraining bestand. Zudem wurde er im Umgang und der Handhabung von Schusswaffen, insbesondere mit dem Sturmgewehr AK 47 "Kalaschnikow", unterwiesen. Zum Ausbildungsprogramm gehörte auch eine religiöse und ideologische Schulung, die mit einer Indoktrination im Sinne der Ideologie des ISIG einherging, wer der Feind sei, warum dieser getötet werden müsse, dass bei den Kämpfen alle "geschlachtet" und keine Geiseln genommen werden sollten und weshalb auch die Mitglieder der JaN zu töten seien.
VI. Aufenthalt des Angeklagten B. im zweiten Ausbildungslager
Nach Abschluss des ersten Ausbildungslagers wurde der Angeklagte B. am 28. Juni 2015 in ein zweites militärisches Ausbildungslager des ISIG in der Nähe der nordsyrischen Stadt Manbij transportiert. Auch dieses Ausbildungslager war in einem Wald versteckt und gut getarnt. Es befanden sich etwa 35 ISIG-Rekruten dort, die von drei Trainern ausgebildet wurden, einem Waffentrainer, einem Sporttrainer und einem Trainer für Sonstiges.
Am 29. Juni 2014 rief der ISIG das "Kalifat" aus und benannte sich in "Islamischer Staat" (im Folgenden: IS) um. Das "Kalifat" sollte für sämtliche vom IS kontrollierten Gebiete gelten. Alle anderen Organisationen, Gruppierungen, Emirate und Provinzen in den Gebieten wurden nicht mehr als legitim angesehen. Die Muslime weltweit und die Kämpfer anderer Gruppierungen wurden dazu aufgefordert, Abu Bakr al-Baghdadi, der sich nunmehr "Kalif Ibrahim" nannte, Gehorsam zu leisten. Die Organisation erhob damit nunmehr den Führungsanspruch innerhalb der globalen Dschihad-Bewegung.
Aus Anlass der Ausrufung des Kalifats mussten alle Mitglieder des IS - auch die Teilnehmer des Ausbildungslagers - den Treueid auf den neu ernannten "Kalifen" und den IS leisten. Dies ging in dem Ausbildungslager so vor sich, dass alle IS-Rekruten sich nebeneinander aufstellen mussten, einer der Ausbilder die Eidesformel in arabischer Sprache laut vorsprach und die IS-Rekruten diese laut wiederholten. Danach brachen alle in Jubel aus und erhielten eine Mahlzeit, die deutlich besser war, als sie sie aus dem ersten Ausbildungslager gewohnt waren. Es konnte nicht festgestellt werden, dass auch der Angeklagte B. den Treueid geschworen hat.
Der Tagesablauf war nun etwas weniger durchgeplant als in dem vorherigen Lager. Der Angeklagte B. und die anderen Mitglieder seiner Gruppe hatten mehr Freizeit zwischen den Ausbildungsphasen; diese nutzten sie etwa zum Baden in einem nahe gelegenen See. Mit dem Mobiltelefon, das B. von S. K. erhalten hatte, wurden hiervon zahlreiche Fotos angefertigt. Der Angeklagte B. durfte mehrmals in Begleitung eines Ausbilders und weiterer Rekruten das Ausbildungslager verlassen und in der nahe gelegenen Stadt ein Internetcafe aufsuchen.
Dem Angeklagten B. wurden 80 Dollar als Sold ausgezahlt.
Zur Ausbildung selber gehörten vor allem Schießtraining mit der Kalaschnikow, das Üben von Kampfformationen und theoretische Grundkenntnisse zu den Flugbahnen von Geschossen. Diese Ausbildung gehörte zum "Pflichtprogramm" für die neuen Kämpfer. Daneben gab es Angebote, sich als Scharfschütze oder an schweren Waffen ausbilden zu lassen. Für diese Angebote interessierte sich B. nicht. Daneben fand ein straffes Sportprogramm statt, welches der Angeklagte B. als sehr anstrengend empfand. Da der Angeklagte B. von jeher ein Mensch war, der Probleme mit Disziplin hatte und sich nur schwer Autoritäten unterordnen konnte, kam es zwischen ihm und dem Sporttrainer zunehmend zu Reibereien, die auch auf die Gruppe übergriffen. Diese führten schließlich sogar dazu, dass der Angeklagte B. Arrest erhalten sollte. Es wurden aber zuvor Y. O., der in der Nähe an einem "Gericht" des ISIG als "Scharia-Richter" fungierte, sowie A. T., der als Gehilfe O.s tätig war, herbeigeholt, um auf B. mäßigend einzuwirken. B. machte O. Vorhaltungen, weil er eine andere Behandlung erwartet hatte. O. erklärte ihm, dass er die Ausbildung abschließen müsse, anderenfalls werde er in das erste Ausbildungslager zurückgeschickt. Ein Umgehen der militärischen Ausbildung sei nicht möglich. Da B. nicht in das erste Lager zurückgeschickt werden wollte, willigte er schließlich ein, die Ausbildung fortzusetzen und sich anzupassen. In der Folge nahm man B. aus seiner bisherigen Gruppe heraus und teilte ihn für ca. eine Woche einer anderen Gruppe zu, die überwiegend aus Turkmenen bestand, mit denen B. sich praktisch nicht verständigen konnte.
Zum Abschluss der Ausbildung erhielt der Angeklagte B. wie alle anderen auch als Ausrüstung ein Sturmgewehr AK 47 "Kalaschnikow", fünf volle Magazine und zwei Handgranaten sowie eine Magazinweste. Auf Empfehlung der Ausbilder kaufte der Angeklagte B. sich in der Stadt noch einen mit Sprengstoff gefüllten und einer Zündvorrichtung versehenen Gürtel. Dieser Sprengstoffgürtel diente als eine Art Abschreckung dagegen, von Gegnern des IS gefangen genommen zu werden. B. wurde auch davor gewarnt, dass kriminelle Banden einzelne IS-Kämpfer als Geiseln nahmen und an die rivalisierenden Gruppen verkauften. Insbesondere Ausländer seien finanziell interessant und würden für etwa 5000 $ an die Gegner verkauft.
Der Angeklagte B. wurde gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten K. M'H. und weiteren Absolventen des Ausbildungslagers auf ein Ölfeld in der syrischen Provinz Deir Al-Zor gebracht. Dort übernachteten sie und wurden am nächsten Tag weiter in den Irak transportiert.
VII. Einsatz des Angeklagten B. im Irak
1. Aufnahme im IS-Quartier in Anah/Provinz al-Anbar
Der Angeklagte B. wurde gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten K. M'H.und weiteren, etwa 12 bis 15 anderen IS-Mitgliedern in der Stadt Anah/Provinz Al Anbar im Irak in einer Villa untergebracht. Die anderen Absolventen des Ausbildungslagers wurden auf Häuser in derselben Straße verteilt. Ihr Emir hieß Abu Ali, er war ein Syrer. Neben B. und M'H. gehörten noch ein weiterer Europäer sowie mehrere Syrer, Tunesier und Saudis zu der IS-Einheit.
Dem Angeklagten B. und den weiteren neuen IS-Mitgliedern wurde von den Vorgesetzten bedeutet, dass sie nun nach Abschluss ihrer militärischen Ausbildung alsbald im Rahmen der Offensive, die der IS zum damaligen Zeitpunkt im Irak durchführte, auch in Kämpfen eingesetzt werden würden. Zunächst durften sie sich aber ausruhen und vertrieben sich die Zeit damit, Fußball zu spielen und Schwimmen zu gehen. Der Angeklagte B. hatte auch Kontakt zu Zivilisten außerhalb des IS. Nach etwa sechs oder sieben Tagen in Anah organisierte er ein Fußballturnier für IS-Mitglieder und Zivilisten. Der Emir war davon begeistert und lobte den Angeklagten B. mit der Aussage: "Wir müssen die Herzen des Volkes gewinnen".
Parallel dazu erlebte der Angeklagte B., dass der IS in Anah jesidische Frauen als Sklavinnen an IS-Mitglieder verkaufte. Der Angeklagte B. selbst beteiligte sich daran nicht. Er empfand den Vorgang als abstoßend und nicht mit seinen religiösen Überzeugungen vereinbar.
Am Tag nach dem Fußballturnier erschien der Angeklagte B. nicht zum gemeinsamen Essen im IS-Quartier. Er war zusammen mit K. M'Ha.einer Einladung von Zivilisten zum Essen gefolgt. Nach ihrer Rückkehr in das IS-Quartier wurden sie gefragt, wo sie gewesen seien. Als B. dies berichtete, brachte man ihn zusammen mit K. M'Ha. zum Emir. Dieser war darüber erbost und teilte ihnen mit, dass er von ihnen enttäuscht sei. Das Volk nehme nicht am Dschihad teil. Er fragte den Angeklagten B., über was sie mit den Zivilisten geredet hätten und ob sie aus der gleichen Schüssel gegessen hätten. Der Emir sagte auch, dass schon IS-Mitglieder von irakischen Zivilisten entführt worden seien. B. versicherte, so etwas werde nicht mehr vorkommen. Er hielt dem Emir dessen eigene Worte vor, wonach es doch darum ginge, die Herzen des Volkes zu erobern. Der Angeklagte B. sprach mit dem Emir dann noch über allgemeine Themen, viel über Deutschland und ihre Vergangenheit. Abu Ibrahim - der Vize-Emir - nahm B. und M'Habdhi in Schutz und sagte, dass sie neu seien und noch nicht so richtig wüssten, wie es laufe, und sie wohl auf die Einladung spontan reagiert hätten. Letztlich vergab ihnen der Emir und mahnte sie nur ab.
Zwei Tage später erschien im IS-Quartier derselbe Mann, der den Angeklagten B. im Auffanghaus für die interne Sicherheitsüberprüfung des IS vernommen hatte, in Begleitung eines Tunesiers. Er unterhielt sich zunächst mit dem Emir Abu Ali. Dann begrüßte er den Angeklagten B. und fragte nach K. M'Ha. B. rief M'Ha. herbei und sie tranken gemeinsam Tee. Der Sicherheitsmann behauptete, er sei auf dem Weg nach Mossul und nur zufällig bei ihnen vorbeigekommen. Er blieb bis zum Abendessen. Der Angeklagte B. ging davon aus, dass er sich durch sein Verhalten verdächtig gemacht habe und nun erneut einer Prüfung unterzogen werden sollte. Deshalb äußerte er, dass er sehr glücklich sei, nun unter Muslimen zu leben, und dass er nicht mehr nach Hause wolle und wenn, dann nur mit der schwarzen Flagge in der einen und der Kalaschnikow in der anderen Hand. Der Mann entgegne, es reiche heute nicht mehr, nur am Dschihad teilzunehmen, sondern man müsse ihn auch propagieren und weiterverbreiten. Es sei ein neues Zeitalter angebrochen und die Propaganda des IS sei wichtig. Er fragte B. nach seinem Namen bei Facebook und ließ sich seine Handynummer geben, um mit ihm in Kontakt zu bleiben. Der Mann kündigte an, nach sieben bis zehn Tagen noch einmal aus Mossul zurückzukehren und B. dann noch einmal ansprechen zu wollen.
Nach dem Besuch hatte B. das Gefühl, dass der Emir Abu Ali und noch zwei oder drei andere IS-Vorgesetzte sich ihm gegenüber verändert hatten. Ein Tunesier mit Namen Abu Hamza suchte zunehmend Kontakt zu ihm und fragte ihn vorsichtig über seine Vergangenheit aus: Wie sein Vater über den Dschihad denke, ob B. bei der Bundeswehr gewesen sei, ob seine Mutter Kopftuch trage und derartige Dinge. B. wurde klar, dass man an seiner Überzeugung zweifelte. Deshalb gab er sich besondere Mühe, die IS Vorgesetzten von seiner Treue zum IS zu überzeugen. Er erklärte dem Tunesier gegenüber, sein Vater sei ein "Kuffar" (Ungläubiger) und er würde ihn mit eigener Hand töten, wenn er ihn träfe. Das gefiel dem Tunesier.
B. kam dann der Gedanke, dass es am besten sei, wenn er direkt mit dem Vize-Emir Abu Ibrahim spreche. B. äußerte gegenüber dem Vize-Emir, dass er erst jetzt angefangen habe, den Dschihad zu verstehen und seine Pflichten als Muslim zu begreifen. B. bat den Vize-Emir, ihn dabei zu unterstützen. B. brüstete sich mit seiner Bekanntschaft zu dem Angeklagten H. B. und S. K., die ebenfalls aus W. stammten und sich als Selbstmordattentäter gemeldet hätten. Weiter erklärte er dem Vize-Emir, dass er in Deutschland ein verwöhnter Junge gewesen sei und Gewalt und Angst nicht gekannt habe. Jetzt sei aber total glücklich, hier zu sein, und Allah solle sein Zeuge sein, dass es ihn schmerze, wenn die Brüder ihn verdächtigten. Im Ergebnis gelang es dem Angeklagten B., den Vize-Emir für sich einzunehmen.
Der Angeklagte B. erfuhr, dass der Vize-Emir Abu Ibrahim ursprünglich aus Saudi-Arabien stammte und im IS über großen Einfluss verfügte. So verwaltete er auch das Waffenarsenal, welches sich in einem Haus neben der Villa befand, und die Finanzen des IS in dieser Provinz. Er verfügte über große Mengen an Dollar und Euro und zahlte den Sold an die IS-Mitglieder aus. Auch dem Angeklagten B. wurden hier wiederum 80 Dollar als Sold ausgezahlt.
Der Angeklagte B. versuchte gezielt, die Gunst des Vize-Emirs zu gewinnen. Jedes Mal, wenn Abu Ibrahim in der Nacht aufstand, um freiwillig Gebete zu machen, stand B. mit auf und tat es ihm gleich. Abu Ibrahim erklärte ihm, dass der IS wie ein Körper sei. Jeder habe seine Aufgabe, und B. solle Schritt für Schritt gehen. B. werde es noch zur Führungsperson schaffen, wenn er auf den Vize-Emir höre; aber B. müsse sich hierzu entsprechendes Wissen aneignen. Der Vize-Emir sorgte dafür, dass auf dem Mobiltelefon B.s der gesamte Koran in arabischer Sprache sowie Zitate des Propheten Mohammed gespeichert wurden. Außerdem befahl ihm der Vize-Emir, Arabisch lesen zu lernen, damit er den Schriftverkehr des IS lesen und verstehen könne; auf seine Anweisung hin erhielt der Angeklagte B. in der Folgezeit täglich Unterricht in der arabischen Schrift.
Schließlich wurde B. zu einem besonderen Vertrauten des Vize-Emirs und durfte ihn "Onkel" nennen. Der Vize-Emir vertraute ihm manchmal mehrere Tausend irakische Dinar an, die B. an Witwenhäuser auszahlen sollte. B. erhielt auch oft das Auto des Vize-Emirs gestellt. Die anderen IS-Mitglieder begannen, ihn den "Schüler von Abu Ibrahim" zu nennen. B. wusste sogar, wo der Schlüssel für das Zimmer mit den Bargeldvorräten war. Als Abu Ibrahim einmal zu einer Besprechung unterwegs war, erschien ein anderer Emir bei dem Angeklagten B., legte ihm einen Bestätigungsschein für die Auszahlung von 20.000 $ vor und erklärte, dass Abu Ibrahim ihm gesagt habe: "Wende dich an Abu M.". Der Emir äußerte sein Erstaunen darüber, dass er noch nichts von B. gehört habe. B. zahlte ihm das Geld aus.
In dem Angeklagten B. kam nunmehr wieder die Hoffnung auf, durch seine besondere Vertrauensstellung zu dem Vize-Emir eine seinen persönlichen Neigungen entsprechende privilegierte Stellung im IS zu erlangen und sich gleichzeitig Kampfeinsätzen unter Lebensgefahr entziehen zu können. Da Abu Ibrahim ihm aber auch erklärt hatte, dass er zunächst Schritt für Schritt vorgehen müsse und damit ein Einsatz bei Kämpfen weiterhin nicht ausgeschlossen war, behielt der Angeklagte B. auch die Option eines Ausstiegs und einer Rückkehr nach Deutschland im Blick. Als er im Rahmen eines Telefonats mit seinen Eltern am 26. oder 27. Juli 2014 davon erfuhr, dass sein Vater demnächst nach Tunesien reisen wollte, bat der Angeklagte B. darum, vorsorglich seinen tunesischen Reisepass und deutschen Personalausweis mitzunehmen, für den Fall, dass er in die Türkei zurückkehren sollte. So wurde dann auch verfahren. Der Vater des Angeklagten B. reiste am 29. Juli 2014 per Flugzeug nach Tunesien und nahm den tunesischen Reisepass und den deutschen Personalausweis des Angeklagten B. mit.
2. Teilnahme an einer Propagandaveranstaltung des IS
Anlässlich der Feierlichkeiten zum Ende des Ramadan am 28. Juli 2014 fuhr der Angeklagte gemeinsam mit dem Vize-Emir Abu Ibrahim zur Moschee in Anah. Während der gegenseitigen Begrüßung der IS-Mitglieder wurde der Angeklagte B. von einer Propagandaabteilung des IS dabei gefilmt, wie er in militärischer Tarnbekleidung mit einer Kalaschnikow und dem Sprengstoffgürtel die schwarze Flagge des IS schwenkte und ein anwesendes IS-Mitglied umarmte. Die Aufnahme wurde im Internet auf einer Propagandaseite des IS mit der Einblendung "Provinz Anbar, Anah, Austausch von Glückwünschen zwischen den Muslimen zu Beginn des gesegneten Festes des Fastenbrechens, Anbar_News." veröffentlicht. Auch der Angeklagte selbst verbreitete diese Aufnahme, indem er sie am 13. August 2014 im Rahmen eines Facebook-Chats der Zeugin Sr in W. übersandte. Neben den offiziellen Propagandabildern der IS-Medienstelle fertigten der Angeklagte B. und der ebenfalls anwesende K. M'Ha. am Tag des Fastenbrechens vor der Moschee auch mit dem Mobiltelefon des Angeklagten gegenseitig voneinander Bilder an, auf denen der Angeklagte B. jeweils mit der IS-Flagge abgebildet ist.
3. Transport von verwundeten IS-Kämpfern
Am 29. Juli 2014 informierte der Vize-Emir Abu Ibrahim den Angeklagten B. davon, dass ein IS-Angriff unmittelbar bevorstehe und ihre Einheit "Stück für Stück" abrücken werde aus dem Stadtgebiet von Anah. Es werde nicht in einer Kolonne gefahren, um den irakischen Geheimdienst nicht darauf aufmerksam zu machen, dass ein Angriff bevorstehe. Abu Ibrahim beruhigte den Angeklagten B. sogleich; er habe dafür gesorgt, dass B. nicht kämpfen müsse, sondern der "Medizinergruppe" zugeteilt sei und einen Verwundetentransporter fahren solle. B. werde nach der Morgendämmerung abgeholt werden, und dann werde man ihm seine Aufgabe erklären. Nähere Einzelheiten zu der Operation erfuhr der Angeklagte B. nicht. Ob der Vize-Emir in die Planung des Angriffs eingebunden war, ob er gar selbst irgendeine Funktion in diesem Zusammenhang wahrnahm, konnte der Senat nicht klären.
Am Folgetag wurde der Angeklagte abgeholt; nach einer Fahrzeit von etwa einer Stunde wurde der Standort des für B. bestimmten Fahrzeugs erreicht. Es handelte sich um einen weißen Ford mit amerikanischer Lenkradschaltung (Automatik), dessen Innenraum umgebaut und mit Matratzen ausgelegt war. B. fuhr sodann in Begleitung eines erfahreneren IS-Mannes mehrfach die Strecke probehalber ab, für die er vorgesehen war, um ein Gefühl für das Auto und auch für die Strecke zu bekommen, da er auch nachts fahren sollte.
Die Gruppe bestand aus zwei Transportern mit jeweils einem Fahrer und einem Mediziner. In B.s Transporter war der Beifahrer ein Mann, der angab, vier Semester Medizin studiert zu haben. Die Fahrstrecke betrug etwa 30 bis 35 km. Der Angeklagte B. wurde angewiesen, dass Licht am Fahrzeug auszuschalten und sich in der Dunkelheit an den roten Toplichtern der Funkmasten zu orientieren, bis er wieder auf die beleuchtete Straße komme. Der Strom auf der Strecke wurde nachts ausgeschaltet. B. und der Mediziner sollten an einer Stelle, die ca. zwei bis drei Kilometer von dem Kampfgebiet entfernt war, auf einen Pick-up warten, der Verwundete direkt aus dem Kampfgebiet zum Weitertransport in ein Krankenhaus zu ihnen brachte.
In dem vom Angeklagten B. anzufahrenden Krankenhaus, dessen Standort nicht aufgeklärt werden konnte, gab es einen Extraeingang, wo nur IS-Mitglieder Zugang hatten. Vor dem Tor standen zwei IS-Wachen, die das Rolltor sofort öffneten, wenn die Verwundetentransporter ankamen. In dem Krankenhaus hatte der IS einen eigenen Bereich mit Ärzten, die auf verwundete IS-Kämpfer warteten. Den Verantwortlichen des IS war es wichtig, dass Außenstehende nicht erfuhren, wie viele Verletzte und Tote es auf Seiten des IS gab.
Der Angriff des IS begann am 31. Juli 2014 gegen 17:00 Uhr Ortszeit. Wo der Angriff genau stattfand, gegen welches Objekt er sich richtete und ob dabei außer IS-Kämpfern auch andere Menschen getötet wurden, konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht aufgeklärt werden, welchen genauen Hergang und Umfang die Operation hatte, wie sie organsiert war, welche Instruktionen es vorab gab und welchen Kenntnisstand die im Kampf eingesetzten IS-Mitglieder über die Tätigkeit der "Medizinergruppe" hatten; eine direkte Zusage des Angeklagten B. an einen der aktiven Kämpfer, dass B. Verwundete bergen werde, war nicht festzustellen.
Der Angeklagte B. hatte ein Funkgerät erhalten, das er auf Kanal 2 einstellen musste. So war er verbunden mit dem Pick-up, der von zwei irakischen IS-Mitgliedern besetzt war, die Verwundete und Tote direkt aus dem Kampfgebiet bargen und zu dem Übergabepunkt in etwa 2 bis 3 km Entfernung zum Kampfgebiet, an dem der Angeklagte B. mit seinem Transporter auf sie wartete, brachten. Gegen 19:00 Uhr sah der Angeklagte B. eine schwarze Rauchwolke, die von in Brand gesetztem Rohöl herrührte und dazu diente, die Ortung der IS-Kämpfer von der Luft aus zu unterbinden. Der Angeklagte B. hörte sodann das Geräusch einer Detonation, welche von einem Selbstmordattentäter ausgelöst worden war. Anschließend nahm er Gewehrfeuer und Explosionen wahr.
Aus Neugier schaltete er auf Kanal eins um und hörte mit, was dort kommuniziert wurde. Nach etwa 10 bis 15 Minuten hörte er Meldungen über Verletzte und Tote. Er schaltete wieder auf Kanal zwei um, und nach kurzer Zeit erschien der Pick-up mit den beiden Irakern. Auf dem Pick-up lagen sechs Verletzte, die laut schrien, und drei Tote. Der Angeklagte B. war völlig überfordert. Er hatte Angst, war durch den Brandgeruch der Leichen und die Schmerzensschreie der Verwundeten irritiert und musste sich übergeben. Die anderen IS-Männer forderten ihn auf, die Verwundeten umzuladen, worauf B. jedoch nicht reagierte. Die beiden Iraker und der Mediziner aus B.s Transporter verbrachten die Verwundeten deshalb allein in den Transporter, woraufhin die beiden Iraker mit dem Pick-up wieder in Richtung Kampfgebiet abfuhren. Der Mediziner schrie B. an, er solle sich zusammenreißen, holte eine Flasche Wasser, goss B. Wasser über den Kopf und forderte ihn auf zu trinken. B. beruhigte sich und trug zusammen mit dem Mediziner die Leichen zur Seite und deckte sie ab.
Kurz danach erschien der Pick-up erneut mit drei bis vier Verletzten. Sie verluden auch diese Verletzten in den Transporter und der Angeklagte B. fuhr los. Am Krankenhaus angekommen blieb B. im Wagen. Nachdem die Verwundeten in das Krankenhaus gebracht worden waren, fuhren der Angeklagte B. und der Mediziner zurück in Richtung Übergabepunkt und holten nach dem beschriebenen Muster weitere Verwundete, die von den beiden Irakern aus dem Kampgebiet geborgen worden waren. Dies setzte sich etwa über drei Stunden so fort. Dann erschienen über dem Kampfgebiet Flugzeuge, die Bomben warfen und/oder Raketen abschossen.
Der Angeklagte B. machte mehrere Fahrten, deren genaue Anzahl wie auch die der transportierten IS-Kämpfer nicht festgestellt konnte. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass einer der vom Angeklagten transportierten IS-Kämpfer nach seiner Behandlung im Krankenhaus wieder in das Kampfgebiet zurückgekehrt wäre und weiter an dem Angriff des IS teilgenommen hätte.
Bei der letzten Fahrt hatte der Angeklagte wieder am Fahrzeug das Licht ausgeschaltet. Dabei kam es zu einem Frontalzusammenstoß seines Fahrzeugs mit einem anderen Verwundetentransporter, der ebenfalls ohne Licht unterwegs war. Der Angeklagte B. erlitt dabei Verletzungen im Gesicht, an einer Schulter und an einer Hand. Er meldete über Funk den Unfall und brach dann zusammen. Etwa 15 Minuten später erschien ein Pick-up und brachte die Insassen beider Transporter in das Krankenhaus. Der Angeklagte B. wurde geröntgt; da seine Verletzungen nicht schwer waren, wurde er mit anderen Verletzten in eine Villa gebracht.
Am 1. August 2014, 2:24 Uhr Ortszeit, schickte der Angeklagte B. seinem Bruder M. A. B. folgende Kurzmitteilung (SMS):
"wir fahren jetzt zurück zu schlaf platz die schlacht ist rum".
An K. M'Ha. schrieb der Angeklagte B. um 5:26 Uhr Ortszeit die SMS:
"Bruder wo srit ihr",
worauf M'Ha. um 5:27 Uhr antwortete:
"Ma9ar (übersetzt: Zentrale) bei handara".
Beide tauschten im Anschluss an diesem Tag noch folgende Kurzmitteilungen aus:
B. an M'H., 5:28:22 Uhr: "Ok",
B. an M'H., 5:28:29 Uhr: "Rabi ihmikoum", was übersetzt "Gott möge euch schützen" bedeutet,
B. an M'H., 5:28:42 Uhr: "Wie geht's denn brudern",
M'H. an B., 5:29:16 Uhr: "Amin du wieder home?",
M'H. an B., 5:29:35 Uhr: "Hamdullelah", übersetzt: "Gott sei Dank!"
B. an M'H., 5:37:24 Uhr: "Gehts weiter morgen inschlah",
M'H. an B., 5:38:18 Uhr: "Heute abend denk ich"
B. an M'H., 5:42:35 Uhr: "Und wills du noch",
B. an M'H., 5:43:26 Uhr: "Hhhhh",
M'H. an B., 5:43:26 Uhr: "Ja wallah", übersetzt: "Ja, bei Gott",
B. an M'H., 5:50:29 Uhr: "Ich komm spater in schlah",
B. an M'H., 5:51:29 Uhr: "Hattes du unsern Unfall gesehen die brudetlr im andern auto einer tod der andere totall schaden"
B. an M'H., 6:07:06 Uhr: "Wallahhhh alah hat mich geliebt"
M'H. an B., 16:01:58 Uhr: "Bring bitte mein 9amis (übersetzt: Hemd) den braunen mit meine klamotten sind durch bei uns im zimmer ist er in der tasche".
Da es infolge der Verletzung B.s nicht zu einem Treffen mit M'H. kam, schrieb dieser am 2. August 2014 an B.: "Gib ein der herkommt mein 9amis mit und eine boxershort brauche danke bro".
Seiner Verlobten S. M. teilte B. am Abend des 1. August 2014 per SMS mit:
"Die Bomben fallen auf mich und die Schüsse fliegen um meinen Kopf ."
VIII. Die Entscheidung des Angeklagten B. zum Ausstieg
Der Angeklagte B. wollte einen solchen Einsatz wie in dieser Nacht nicht noch einmal erleben und auf keinen Fall kämpfen. Ihm war bewusst, dass er nur wenige Tage haben würde, die er sich unter Berufung auf seine Verletzung einem Einsatz würde entziehen können. Er kam zu dem Schluss, dass er möglichst schnell irgendeinen Weg finden musste, um zunächst aus dem Irak herauszukommen. Dies sollte der erste Schritt sein, den er machen wollte. Er blieb unter Berufung auf seine Verletzung in Anah und stellte fest, dass die IS-Einheiten weitgehend abgezogen und mit den weiter andauernden Kampfhandlungen beschäftigt waren. Deshalb erschien ihm die Gelegenheit günstig, sich abzusetzen.
Er nahm telefonisch Kontakt zu seinem Bruder M. auf, um eine Route herauszusuchen. M. sollte versuchen herauszufinden, wo gerade Kämpfe stattfanden und wo vielleicht der beste Weg war, den der Angeklagte B. nehmen konnte. Der Angeklagte informierte sich auch bei den ihm von der Einladung bekannten irakischen Zivilisten. Er fragte sie, welche Transportmöglichkeiten es gebe und wo welche Checkpoints seien. Von seinen IS-Vorgesetzten wurde er mehrfach gefragt, ob es ihm besser gehe und er nun wieder einsatzbereit sei. B. verneinte das und versuchte, möglichst viel Zeit zu gewinnen. In dieser Zeit befürchtete er täglich, zu einem Kampfeinsatz abkommandiert zu werden, zumal ihm der Unfall vorgeworfen wurde: "Selbst dafür bist du nicht zu gebrauchen!" In einer SMS an seine Verlobte äußerte er deshalb auch seine Angst, in den nächsten Tagen vielleicht zu fallen. So antwortete er seiner Verlobten S. M., die ihn aufforderte, aus Syrien zurückzukehren, am 6. August 2014:
"So Gott will, wenn ich in den nächsten (beiden) Tagen nicht umkomme."
Am 8. August 2014 ergänzte er ihr gegenüber:
"ich habe das Gefühl, dass ich heute im Kampf fallen werde, gepriesen sei Gott".
Um seine IS-Vorgesetzten nicht misstrauisch zu machen, gab der Angeklagte B. sich in dieser Zeit Mühe, als überzeugtes und treues IS-Mitglied zu gelten. Da er weiterhin Einschränkungen durch seine Verletzung behauptete, erschien ihm dazu in erster Linie der Weg erfolgversprechend, über Facebook bei Freunden und Bekannten aus Deutschland und Tunesien Werbung für den IS zu machen und sie zur Teilnahme am bewaffneten Dschihad auf Seiten des IS aufzufordern. Dazu richtete er bei Facebook ein neues Nutzerkonto unter dem Nutzernamen "Abu M. Tunsi" ein und führte in der Folgezeit die nachfolgend beispielhaft aufgeführten Chats (Wortlaut und Schreibweise übernommen, Übersetzungen in Rundklammern):
a) Am 4. August 2014, berichtete der Angeklagte B. dem sich damals noch in W. aufhaltenden B. H., sie würden viel kämpfen und schiitische Zivilisten schlachten. Wörtlich heißt es in dem Facebook-Chat:
"Wir kampfen viel draif auf die kufar (Ungläubigen) die sind feiglinge".
Auf die Frage des B. H., ob sie auch gegen die Jabhat an-Nusra und die Freie Syrische Armee kämpften, erläuterte der Angeklagte B.:
"Ich bin irak" - "Mit karim hier nur schia (Schiiten)" - "Und irana" - "Hier geht richtig ab" - "Aber die Freie Armee sind Apostate".
Auf die Frage, ob es dort keine schiitischen Zivilisten gebe, antwortete der Angeklagte B.:
"Nein." - "Alle abgahun wir schlachten die"
In der Zeit vom 4. bis 18. August 2014 forderte der Angeklagte B. den gesondert Verfolgten B. H. mehrfach auf, nach Syrien zu kommen:
"Komm zu uns achi (Bruder) geht ur ab"
"Klopft dein hertzt"
"Komm" - "Auf was wartes du"
Auf Nachfragen des B.H., ob dort jeder eine Waffe bekomme und er sie gerade bei sich habe, erwiderte der Angeklagte B.:
"Waffe immer mit dir" - "Ist wie hose"
Als B. H.i Bedenken äußerte und erklärte, sich noch einige Zeit vorbereiten und seinen Glauben ("iman") stärken zu wollen, schrieb der Angeklagte B.:
"Achi komm ohne iman" - "Hier geht hoch" - "Bist du mit richtog bruder" - "Du brauchst kein geld nichts" - "dawla (Staat, gemeint IS) kauf alls gibt dir 80 dolla und ganze tag nur ibada (Beten) und kuffar toten macht richtig Spass"
Schließlich wies er ihn darauf hin, dass bereits mehrere andere Personen aus W. als Selbstmordattentäter (das arabische Wort "dugma" für Knopf steht dabei für den Auslöseknopf des Zünders der Sprengladung) oder Kämpfer für die Vereinigung tätig geworden seien oder sich in Syrien aufhielten:
"Im Namen Gottes, nimm das Flugzeug" - "Kuck mal zeod (zaid) dugma" - "Soufin dugma" - "Ibrahim dugma" - "Ich karim Kämpfer im Irak" - "Aldin muhanid yasin in Syrien"
"Jallah (los) das ist ein rennen ins pardis wer kommt zu erst an"
Ferner sicherte er ihm zu, dass er in der Türkei abgeholt werde und forderte ihn nochmals auf:
"Du musst komm achi Du verpasst was [...] Ja komm"
B. H. kündigte am 20. August 2014 an, nach Syrien zu kommen. Er versuchte mehrfach, B. an diesem Tag über Facebook zu erreichen. B. ging auf H.s Fragen, wie er dorthin kommen könne und was er benötigte, nicht ein. B. befand sich zu diesem Zeitpunkt schon seit drei Tagen in der Türkei. Als H. ihn schließlich fragte, warum er nicht antworte, erwiderte B. nur: "Weil sie mitlesen". Weiter antwortete B. ihm nicht; er warnte H. auch nicht. Kurze Zeit später, Anfang September 2014, machte H. sich tatsächlich auf den Weg, um sich dem IS als Mitglied anzuschließen, und gelangte zunächst in ein Trainingslager des IS. Am 27. Februar 2015 erhielt die Familie des B. H. die Nachricht, dass dieser, wahrscheinlich im Irak, ums Leben gekommen sei.
b) Dem Zeugen K. A.in W. teilte der Angeklagte B. am 4. August 2014 über Facebook mit, dass er sich im Irak aufhalte und die anderen W.er in Tabqa/Syrien seien. Sodann ermahnte B. ihn, den Weg zu Allah zurück zu suchen und forderte ihn auf, auf den Boden der Ehre zu kommen. Der Zeuge K. A. folgte dieser Aufforderung nicht.
IX. Rückkehr des Angeklagten B. nach Syrien
Am 9. August 2014 nahm der Angeklagte B. wieder Kontakt zu seinem Bruder M. auf, der mit der Familie B. zu diesem Zeitpunkt in Tunesien im Urlaub war, um sich über die genaue Route nach Syrien abzustimmen. Der Angeklagte B. hatte den Entschluss gefasst, sich nach Syrien abzusetzen. Am Folgetag setzte er diesen Entschluss in die Tat um. Er ließ den Sprengstoffgürtel, die Kalaschnikow und alles, was er sonst vom IS als Ausrüstung erhalten hatte, in dem IS-Quartier zurück und nahm den Buss nach Al Qa'im an der irakisch-syrischen Grenze. Die Fahrt dauerte mehrere Stunden. In al-Qa'im nahm er den Bus in Richtung al-Mayadin und von dort einen weiteren Bus nach ar-Raqqa. Unterwegs telefonierte der Angeklagte B. diverse Male mit seinen Brüdern und seinem Vater und hielt diese auf dem Laufenden. Die Busse passierten diverse Checkpoints. Der Angeklagte setzte sich immer möglichst weit hinten an ein Fenster und lehnte seinen Kopf hinter einen der an den Fenstern vorhandenen Vorhänge. Zivilisten brauchten keinen Passierschein. Sie wurden nur auf Sicht kontrolliert. An mehreren Checkpoints wurde aber auch genauer kontrolliert und es mussten alle Gepäckstücke geöffnet werden. Der Angeklagte B. hatte keinen Passierschein. Als er kontrolliert wurde, benutzte er eine Ausrede, die er sich zurecht gelegt hatte. Er versuchte, möglichst offensiv zu sein und die kontrollierenden IS-Männer einzuschüchtern, indem er ihnen etwa vorwarf: "Du machst dir einen Lauen am Checkpoint und laberst mich voll? Mein Schein ist auf der anderen Seite, ich komme gerade aus der Schlacht, siehst du nicht hier, da und da, ich bin verletzt". Weiter gab er vor, bei einer bestimmten IS-Einheit zu sein und dringend nach Raqqa zu müssen, weil seine Einheit Verletzte habe und Ärzte und Pflegepersonal benötige, die er herbeiholen solle.
Der gesondert Verfolgte K. M'H. bemerkte schon im Verlauf des 10. August 2014 die Abwesenheit des Angeklagten B. und rief ihn deshalb über Mobiltelefon an. Der Angeklagte B. verfolgte weiter seine offensive Strategie, die er sich zurechtgelegt hatte. Diese bestand darin, sich direkt in die Obhut von Y. O. zu begeben. B. hoffte, diesen davon überzeugen zu können, dass seine eigenmächtige Abreise aus dem Irak keine grundsätzliche Abkehr vom IS bedeute. Grund für diesen Entschluss war, dass der Angeklagte B. keinen Plan für die weitere Flucht von Syrien in die Türkei hatte. Er wollte außerdem verhindern, dass der IS eine "große Fahndung" nach ihm startete. Er wollte verhindern, dass sein Foto im Internet hochgeladen und er als flüchtig gemeldet wird.
Der Angeklagte B. nahm daher Kontakt zu Y. O. auf und verabredete sich mit diesem; er hielt sich ca. anderthalb Stunden in einem Internetcafé in Raqqa auf und wartete. Dann erschien der ebenfalls aus W. stammende Mouhannid M. und holte den Angeklagten B. ab. M. war verärgert, begrüßte den Angeklagten nicht und sagte sinngemäß: "Komm mit, du Idiot!". B. fragte M., wohin sie führen. Dieser antwortete, dass sie zu Y. O. zum Gericht führen. Dort angekommen gingen sie in ein Büro, in dem O. sich aufhielt. Dieser rief zwei Wachen herbei, die dem Angeklagten B. Handfesseln anlegten. O. sagte, dass er jetzt Termine habe und das B. später abgeholt werde. Der Angeklagte B. wurde in einen Raum im dritten Stock gebracht. Sein Geld und sein Mobiltelefon nahm man ihm ab.
Nach zwei Stunden wurde er wieder in das Büro O. gebracht. Dieser setzte sich und starrte den Angeklagten B. minutenlang an. Hierauf fragte B. ihn: "Was ist los Y.? Wir sind doch Brüder!". O. erwiderte mit der Frage: "Sind wir das?" O. fragte den Angeklagten B., ob er wisse, worum es gehe. B. antwortete mit der Gegenfrage: "Nur weil ich vom Irak abgehauen bin?". O. sagte: "Nein, weil der IS dich als Spion verdächtigt und weil du nach islamischem Recht dem Dschihad den Rücken gekehrt hast." B. sei der einzige W.er, der Probleme mache und rebelliere und, als ob das nicht schon schlimm genug sei, mache seine Familie auch noch Ärger in W.. O. sagte zu B.: "Weißt du eigentlich, dass du tot besser für den IS bist als lebend? Und bevor wir dich nach Hause lassen, werden wir dich schlachten" und schließlich: "Dass du noch lebst, hast du mir zu verdanken. Ich weiß, dass du kein Spion bist, dafür bist du zu dumm. Aber der IS denkt das und die anderen Brüder aus W. denken das auch." B. begann zu weinen. O. sagte: "Ich kann dich nicht nach Hause lassen und du erzählst dann, was hier abgeht. Außerdem, wenn wir einen gehen lassen, werden die Familien der anderen rebellieren und sagen, wenn einer gehen kann, warum dann die anderen nicht. Es ist besser, wenn wir dich schlachten. Du gehorchst nicht und tust nie, was man dir sagt. Du willst immer deinen Kopf durchsetzen. Was würdest du an meiner Stelle tun?" Darauf erwiderte der Angeklagte B., dass er das nicht wisse. O. rief in den Raum: "Was machen wir mit ihm?". Der ebenfalls wieder anwesende M. sagte darauf: "Gib ihm eine letzte Chance, setz ihn auf Bewährung. Er wird bei uns bleiben und keine Probleme machen". Hierauf entschied O.: "Einverstanden, wir setzen ihn auf Bewährung".
O. ordnete an, dass B. zunächst bei ihm und später bei M. übernachten müsse. Um zu vermeiden, dass an höherer Stelle auffiel, dass der Angeklagte B. sich aus dem Irak von der ihm zugewiesenen IS-Einheit abgesetzt hatte, forderte O. den Angeklagten auf, seinen Namen zu ändern, und stellte ihm auf seinen neuen Namen einen Passierschein aus.
In einem Facebook-Chat mit dem Nutzer "Slim Mahjoub" erklärte der Angeklagte B. am 11. August 2014 auf die Frage, was er so mache, er tobe sich aus. Auf die Erwiderung seines Chatpartners, dass bei ihm dann einiges los sei, erwiderte der Angeklagte B.:
"zermahlen, zermahlen, zermahlen".
Am selben Tag antwortete der Angeklagte B. auch dem Facebook-Nutzer "Liberato Fiorentino", bei dem es sich um einen in Tunesien lebenden Bekannten O.s handelte, auf die Frage, was er mache:
"zermahlen, zermahlen, zermahlen",
und führte dann aus:
"Wir haben heute Bukamil ergriffen" (...)
"Es sind diese, die 13 bruder getotet und bruder jasrawoi verbrannt haben. Wir haben sie nach der Morgendämmerung überfallen"
"Und wir haben sie in die Zentrale verschleppt".
"Weißt du? All die Filme, die ich machen wollte,"
"habe ich heute gemacht"
"Ich habe sie im Tel gefilmt"
"Der Emir sagte uns, wir sollen es nicht über das Netz schicken".
Am 13. August 2014 sagte O. zu dem Angeklagten B.: "Hör mal zu, du bist quasi illegal nach deinem Weggang aus dem Irak". Bei diesem Gespräch war S. H. anwesend. H. war Mitglied der sogenannten Kaukasusgruppe, einer IS-Einheit, die überwiegend aus Tschetschenen und Albanern bestand und ihr Lager in einem kleinen Ort in dem Dreieck zwischen Aleppo, Al Bab und A'Zaz, dicht an der türkischen Grenze hatte. O. teilte dem Angeklagten B. mit, dass er für zwei bis drei Wochen der Kaukasusgruppe zugeteilt sei, und dass O. in der Zwischenzeit versuchen werde, B. bei einer anderen Einheit in ar-Raqqa unterzubringen.
Der Angeklagte B. machte auch weiter über das Internet Werbung für den IS.
So berichtete er am 13. August 2014 dem Zeugen S. C., der sich zu diesem Zeitpunkt in W. aufhielt, per Facebook-Chat zu seinem Aufenthalt in Syrien/Irak, dass er mit Stolz und Ehre vorangehe, die beste Zeit seines Lebens habe und das mache, "was so moslms machen halt im Dschihad". Sodann forderte er den Zeugen auf, ebenfalls nach Syrien zu kommen. Der Zeuge C. antwortete zwar mit "Inshallah", beabsichtigte tatsächlich aber nicht, sich der terroristischen Vereinigung ISIG anzuschließen oder nach Syrien zu reisen.
Ebenfalls am 13. August 2014 forderte der Angeklagte B. zudem über Facebook die in W. lebenden Zeugen M. M. und A. S. auf, ebenfalls nach Syrien zu kommen.
Und schließlich übermittelte er am 13. August 2014 der Zeugin C. V. S. in W. im Rahmen eines Facebook-Chats das - bereits erwähnte - Bild vom 28. Juli 2014, auf dem B. mit der IS-Flagge abgebildet ist, und schrieb dazu:
"Kuck mal war im fernsehen"
"Hahhaha"
"Ich war im fernsehen".
Und auf die Bemerkung der Zeugin S.: "Du bist jetzt ein Star Bruder", erwiderte der Angeklagte:
"Ja teroo star".
Außerdem schrieb der Angeklagte B. an die Zeugin S.:
"Hast Du den Gürtel gesehen, den ich anhabe"
"Voll mit tnt"
"Schprang gurtel"
Die Nachfrage der Zeugin, ob es sich um Sprengstoff handele, bejahte der Angeklagte und erklärte auf die Frage, warum er diesen trage:
"Damit die mich nicht als geisl nehmen kon"
"Das mein sicherheit lieber spreng ich mich in die luft als das mich die feinde qwalen".
Der Zeugin C. V. S. teilte der Angeklagte B. am 13. August 2014 auch mit, dass er an Schulter und Hand verletzt worden sei, sich sein Gesundheitszustand aber schon wieder gebessert habe. Dem gesondert Verfolgten M. B. F. berichtete der Angeklagte B. am 13. August 2014 ebenfalls, dass er "in Syrien zu Besuch" sei, weil er sich im Irak verletzt habe.
Während seiner Zeit bei der Kaukasusgruppe erwarb der Angeklagte von seinem eigenen Geld wieder einen Sprengstoffgürtel und zusätzlich eine Pistole, um sich gegen eine Entführung durch gegnerische Truppen oder Zivilisten schützen zu können. Die Gefahr einer Entführung wurde schon dadurch viel kleiner, dass der Sprengstoffgürtel und eine Bewaffnung eventuellen Entführern signalisierten, sich selbst großer Gefahr auszusetzen, in die Luft gesprengt oder sonst verletzt zu werden.
Der Angeklagte B. teilte in einem Chat vom 14. August 2014 gegen 09:26 Uhr dem Facebook-Nutzer "Liberato Fiorentino" mit, als "Mujahed", mithin als Kämpfer im Dschihad, würde keiner einem Unrecht tun; selbst wenn man einen Fehler begehe, werde ein Auge zugedrückt.
Ebenfalls am 14. August 2014 beteiligte sich der Angeklagte B. an der Festnahme von zwei syrischen Staatsangehörigen durch S. H.. Der Angeklagte B., S. H. und zwei weitere albanische IS- Mitglieder waren an diesem Tag mit einem Fahrzeug des IS auf dem Weg zu einem Restaurant in Manbij, als sie einen Mann bemerkten, der mit einem Knüppel gegen die Tür einer Blechhütte schlug. H. stoppte das Fahrzeug, um den Mann zur Rede zu stellen. Sowohl er als auch der Angeklagte B. waren aufgrund ihres Erscheinungsbildes - der Angeklagte B. trug Tarnbekleidung sowie seinen Sprengstoffgürtel und führte seine Pistole mit sich - als IS-Mitglieder zu erkennen. Da B. besser Arabisch sprach als H., befragte er den Mann, was vorgefallen sei. Dieser erklärte, dass es sich bei der Blechhütte um eine provisorische Tankstelle handele und der Inhaber, der sich in der Hütte aufhalte, ihm mit Wasser verdünntes Benzin verkauft habe, wodurch der Motor seines Fahrzeugs beschädigt worden sei. Der Inhaber der Tankstelle wurde heraus gerufen und bestritt, das Benzin mit Wasser gestreckt zu haben. Aufgrund dieser Angaben ordnete H. die "Beschlagnahme" des Fasses und die "Festnahme" der beiden Kontrahenten an. Der Angeklagte B. erklärte dies den beiden Syrern und forderte den Tankstelleninhaber auf, dass Fass in der Blechhütte einzuschließen und B. den Schlüssel zu übergeben. Sodann bedeutete der Angeklagte B. den beiden Syrern, sich in das IS-Fahrzeug zu begeben, mit dem diese zu einer "Polizeistation" des IS gebracht wurden. Anschließend setzten B., H. und ihre beiden albanischen Begleiter ihre Fahrt zu dem Restaurant fort. Auf dem Rückweg sah B., dass der Inhaber der Tankstelle wieder auf freiem Fuß war. Der Verbleib des anderen Festgenommenen konnte nicht aufgeklärt werden.
Über Facebook schrieb B. dem ebenfalls aus W. stammenden IS-Mitglied "Toufik Kebbane" am 15. August 2014:
"Das land gehoert uns achi" - "Gestern hab ich und saqet 2 surya verhaftet" - "Ich hasse dies volk " - "Heuchla die hassen uns".
Dem gesondert Verfolgten Y. O. hatte er kurz zuvor ebenfalls mitgeteilt:
"Gester ich ha mit saqet 2 leute in plzei gebracht"
X. Ausstieg des Angeklagten B.
Der Angeklagte B. hatte schnell bemerkt, dass die Mitglieder der Kaukasusgruppe vergleichsweise nachlässig mit den Papieren umgingen. Deshalb fragte er ohne Umschweife H., ob dieser ihm einen Passierschein verschaffen könne, damit B. für einen Tag nach Manbij fahren könne. H. hatte in seiner Brieftasche einen Block an Papierscheinen und überreichte dem Angeklagten B. einen davon mit der Erklärung: "Füll ihn dir selbst aus". B. tat dies und fuhr für einen Tag nach Manbij.
Der Angeklagte B. kam auf die Idee, sich unter dem Vorwand, dass seine Verlobte angeblich in Istanbul sei und nach Syrien kommen wolle, aber nicht allein reisen wolle, einen Passierschein für die Türkei zu verschaffen. Hierüber informierte B. am 14. August 2014 seinen Vater telefonisch, damit dieser B.s in Tunesien lebende Cousine auf einen möglichen Anruf dieses Inhalts vorbereite, damit sie "mitspiele".
Am 15. August 2014 erhielt der Angeklagte B. von der Kaukasusgruppe wieder ein Sturmgewehr AK 47 "Kalaschnikow" ausgehändigt.
Am selben Tag führte B. über Facebook mit einer Person namens M. S. folgenden Chat:
B.: "Ich kämpfe wenn ich nicht sterbe, dann treffen wir uns in der Nachbarschaft, so Gott will"
M. S.: "warum sterben?"
B.: "Risiko im Krieg und alle 4 Tage gehen wir ein bisschen kämpfen".
Am 16. August 2014 sagte der Angeklagte B. zu H., dass er noch einmal in das Auffanghaus bei Jarabulus müsse, um etwas zu regeln. H. gab ihm erneut einen Passierschein. Der Angeklagte B. fuhr daraufhin nach Jarabulus und sprach in dem dortigen Auffanghaus den ihm noch aus seiner Einreisezeit bekannten Emir Abu Dujana an und informierte diesen, nachdem B. sich erst mit verschiedenen angeblichen Geschehnissen gebrüstet hatte, darüber, dass B.s Verlobte in Istanbul sei und eigentlich nach Syrien kommen wolle, aber Angst habe, allein die Grenze zu übertreten. B. müsse sie abholen. Der Emir hielt ihm vor: "Was willst du in der Türkei? Du hast nicht mal einen Pass!" B. behauptete dann, seine Verlobte bringe ihm einen gefälschten Pass mit, sodass er in der Türkei nicht auffallen würde. Nach längerer Diskussion erklärte sich der Emir schließlich bereit, ein Auge zuzudrücken, aber B. müsse eine entsprechende Freigabe durch die Kaukasusgruppe erhalten.
B. fuhr schnell zurück und ließ sich von H. einen weiteren Blankopassierschein aushändigen. B. bat den Taxifahrer, der ihn nach Jarabulus zurückfuhr, den Passierschein in arabischer Schrift auszufüllen. Da B. nicht fehlerfrei arabisch schreiben konnte, diktierte er dem Taxifahrer den Text, wonach B. sieben Tage Urlaub erhalten habe. Diesen Passierschein zeigte B. dem Emir im Auffanghaus, worauf dieser erklärte, dass B. mit zwei anderen IS-Mitgliedern, die in die Türkei zurück müssten, die Grenze überqueren könne.
Am Morgen des 17. August 2014 überquerte der Angeklagte B. dann gemeinsam mit den beiden anderen vom Emir erwähnten IS-Mitgliedern die Grenze zur Türkei. Auf türkischer Seite wartete ein weißer Volvo auf sie, der sie nach Gaziantep brachte. Aus Sicherheitsgründen rasierte der Angeklagte B. im Auto seinen Bart ab, um nicht als IS-Mitglied aufzufallen. In Gaziantep musste er etwa zwei Stunden auf einen Bus warten. Er nahm den Bus nach Antalya und war etwa 12 bis 14 Stunden unterwegs. Dort wurde er von Y. B., einem Freund der Familie B. aus W., der seinerzeit gerade in der Türkei Urlaub machte und vorab telefonisch durch B.s Familie informiert worden war, in Empfang genommen.
Sie konnten zunächst nicht in ein Hotel einchecken, weil B. keinen Ausweis hatte. Sein Bruder schickte ihm dann ein Foto seines Personalausweises, worauf ihnen ein Hotelzimmer zur Verfügung gestellt wurde. Für die Ausreise gab es das Problem, dass B. mit dem Reisepass eingereist war, in dem sich auch der Einreisestempel befand. Da er den Pass beim IS hatte zurücklassen müssen, benötigte er für die Ausreise mit dem Personalausweis, der ihm durch seinen Vater gebracht werden sollte, einen Einreisebeleg. Aus diesem Grund entschloss er sich, bei der türkischen Polizei den Pass als gestohlen zu melden.
Der Vater des Angeklagten B. kam am 19. August 2014 in der Türkei an. Nach vorheriger Ankündigung gegenüber dem Landeskriminalamt nahm der Angeklagte B. gemeinsam mit seinem Vater einen Flug von Istanbul nach Leipzig, wo sie am 21. August 2014 eintrafen und von Beamten der Bundespolizei und des Landeskriminalamtes Niedersachsen, nämlich den Zeugen KK R., KOK B. und PK J., in Empfang genommen, durchsucht und erstmals vernommen wurden. Der Angeklagte B. machte nach Belehrung erste geständige Angaben zur Sache. Er überließ den Polizeibeamten auch ein Mobiltelefon, dass er vorher seinem Vater gegeben hatte, während er das Mobiltelefon seines Vaters bei sich hatte.
XI. Tätigkeiten des Angeklagten H. B. im Irak
Der Angeklagte H. B., S. K. und die anderen, die sich im ersten Ausbildungslager in Syrien als Selbstmordattentäter gemeldet hatten und hierauf in mehreren Fahrzeugen in Richtung Irak abtransportiert wurden, durchquerten zunächst etwa vier bis fünf Tage lang eine Wüste. Plötzlich erreichte sie die Nachricht, dass ein anderer Transport des ISIG im Irak von Sicherheitskräften gestoppt und alle ISIG-Mitglieder verhaftet worden seien. Hierauf brachen die ISIG-Vorgesetzten des Angeklagten H. B. den Transport umgehend ab und der Angeklagte H. B. und die weiteren Teilnehmer des Transports mussten sich mehrere Tage lang auf dem Dachboden eines Hauses verstecken. Schließlich wurden sie mit einem Auto abgeholt und in ein kleines Dorf in der Nähe von Falludscha gebracht.
Die ISIG-Verantwortlichen des Transports waren sehr wütend darüber, dass sie Bagdad nicht erreicht hatten; sie vermuteten, dass sich in der Gruppe ein Informant oder verdeckter Ermittler der Sicherheitsbehörden befand. Deshalb wurde die Gruppe aufgeteilt: 10 Männer wurden abtransportiert mit der Begründung, dass sie im Nordirak eingesetzt werden sollten; weitere 10 Männer sollten in die Provinz Al Anbar gebracht werden, unter ihnen war auch S. K.. Der Angeklagte H. B. und weitere neun verdächtige Männer wurden zu einem Haus gebracht, das nicht in einer Stadt oder sonstigen Ansiedlung lag. Das Haus erweckte bei dem Angeklagten H. B. den Eindruck eines Schlachthauses. In dem Haus waren zwei Räume, deren Fußböden und Wände (ca. 2m hoch) weiß gefliest waren. In einem Raum waren noch ein Tisch aus weißen Fliesen und ein Wasserschlauch vorhanden; auf dem Fußboden und an den Wänden war Blut. Der Angeklagte und die weiteren neun Verdächtigen mussten in den anderen Raum gehen und sich setzen.
Sie wurden in dem Raum eingeschlossen und für den Rest dieses Tages alleingelassen. Am Folgetag erschienen vier ganz in schwarz gekleidete und maskierte Männer, die mit Messern bewaffnet waren. Sie erklärten den Verdächtigen, dass sie etwas zu besprechen hätten. Die Maskierten brüsteten sich damit, dass sie täglich viele Spione "schlachten". Alle mussten sich auf den Boden setzen. Sodann wurden sie verhört. Der Angeklagte H. B. wurde von zwei Maskierten verhört, die ihm vorwarfen, dass er wohl an Demokratie glaube, weil er in Deutschland SPD-Mitglied sei. H. B. war überrascht, dass die IS-Männer das und noch mehr aus seiner Vergangenheit wussten. Sie wussten, was er in Deutschland gearbeitet hatte, mit wem er was tun gehabt hatte. Sie wussten sogar, dass er schon mal Drogen konsumiert hatte. Der Angeklagte H. B. ging davon aus, dass diese Informationen von O. stammten. Ihm wurde klar, dass er in großer Gefahr war, weil derartige Vorwürfe schon geeignet hätten sein können, ihn als "Spion" anzusehen. Er beteuerte, dass er nicht an Demokratie glaube, und berief sich darauf, dass er von "Abu Oubayda" - O.s Kampfname beim ISIG - komme, der für ihn bürgen werde. O. alias Abu Oubayda war den Maskierten bekannt. Sie machten sich Notizen und verließen dann den Raum.
Vor Sonnenuntergang kamen die vier Maskierten wieder. Sie ergriffen einen etwa 30 Jahre alten Mann aus der Gruppe und zerrten ihn in den mit Glasbausteinen abgetrennten Nachbarraum, in dem sich der geflieste Tisch und der Wasserschlauch sowie das Blut an den Wänden befanden. Dann erschien ein alter Mann mit langem Bart und Turban; es handelte sich um einen "Sharia-Richter" des ISIG. Der Mann begann zu schreien und las Koranverse vor. Auf Arabisch bezichtigte er den Mann, dass er in Saudi-Arabien ziviler Polizist gewesen und nun ein Spion der Sicherheitsbehörden sei. Darauf schnitt einer der maskierten IS-Männer dem jungen Mann aus Saudi-Arabien mit einem Messer den Kopf ab. Der Angeklagte H. B. konnte dies aus dem Nachbarraum durch die Glasbausteine zwar nicht sehen, hörte aber Geräusche, die ihn an das Überfahren einer Katze erinnerten. Anschließend wurde die Leiche des Getöteten in eine Decke eingewickelt in den Raum geschleppt, in dem sich der Angeklagte und die übrigen der Gruppe befanden. Der Kopf fehlte. Der Angeklagte H. B. hatte nun Todesangst. Der "Scharia-Richter" verließ das Haus, die vier Maskierten blieben jedoch im Nachbarraum. Der Angeklagte H. B. und die anderen Mitglieder der Gruppe mussten mit der Leiche zwei Tage in dem Raum bleiben. Sie durften den Raum nur mit Erlaubnis verlassen, um ihre Notdurft zu verrichten.
Schließlich erschienen die vier Maskierten wieder in dem Raum und zerrten einen weiteren Mann hinaus. Im Nachbarraum tötete einer der Maskierten diesen Mann mit einem Genickschuss. Sodann schleppten sie die Leiche nach draußen. Dabei schrien sie sich gegenseitig an; der Angeklagte H. B. bekam mit, dass sie sich offenbar darüber stritten, dass sie für die Tötung des Mannes eine Kugel verschwendet hätten anstatt ihn auch zu "schlachten".
Am Folgetag wurden der Angeklagte H. B. und die anderen verbliebenen sieben Männer der Gruppe morgens aus dem Haus gerufen und aufgefordert, einen Minibus zu besteigen. Es handelte sich um denselben Minibus und denselben Fahrer, mit dem sie aus Syrien in den Irak gekommen waren. Der Fahrer teilte ihnen mit, dass er sie nun weiter in Richtung Falludscha bringen werde. Der Angeklagte H. B. und die übrigen Mitglieder der Gruppe waren erleichtert, dass sie nun offenbar nicht mehr als "Spione" verdächtigt wurden. Der Angeklagte H. B. entschloss sich, von diesem Moment an keine Angriffspunkte mehr zu liefern, um keinen weiteren Verdacht gegen sich aufkommen zu lassen. Sie wurden dann zunächst in eine Schule verbracht, wo sie in den Klassenräumen wohnen und schlafen mussten.
Während seines Aufenthalts in dieser Schule leistete der Angeklagte H. B. zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Gruppe den Treueid auf Abu Bakr al-Baghdadi und den ISIG. Hierzu erschien ein hochrangiger ISIG-Emir, alle Mitglieder legten ihre Hände übereinander und sprachen ihm die Eidesformel nach.
Nach zwei Wochen wurden sie weiter nach Falludscha transportiert, das sie nach fünf bis sechs Stunden Fahrt erreichten. Dort wurden sie in einer Art Villa untergebracht, die von einer Mauer umgeben war und in der sich noch weitere sechs bis sieben Männer aus der Gruppe der Selbstmordattentäter, darunter auch S. K., aufhielten. Dort hatten sie alles, was sie lange Zeit nicht gesehen hatten; manche hatten einen PC, manche hatten Laptops und mache hatten Mobiltelefone. Es gab auch Duschen und einen Garten.
Auch der Angeklagte H. B. erhielt Gelegenheit, über einen Laptop Kontakt nach außen aufzunehmen. Die Männer wurden von den ISIG-Vorgesetzten angewiesen, die Zeit bis zu ihrem jeweiligen Einsatz als Selbstmordattentäter dafür zu nutzen, über das Internet bei Freunden und Bekannten aus ihrem jeweiligen Herkunftsland Werbung für den IS zu machen und ihre Kommunikationspartner dazu aufzufordern, auf Seiten des IS am Dschihad teilzunehmen und nach Syrien und in den Irak auszuwandern. Der Angeklagte H. B. befolgte diese Anweisung und führte über Facebook entsprechende Chats mit mindestens zwei Personen; davon war eine der in W. wohnhafte Zeuge I. S. und die andere eine Mann namens "Bacam" in Tunesien.
Da inzwischen das Kalifat ausgerufen worden war, leisteten alle Bewohner der Villa einschließlich des Angeklagte H. B. nunmehr den Treueid auf den neu ernannten "Kalifen Ibrahim" und den IS. Die Zeremonie lief ab wie beim ersten Treueid. Es erschien auch derselbe Emir, der den Treueid abnahm.
Am 15. Juli 2014 stellte der Angeklagte H. B. ein Foto auf seinem Facebook-Konto ins Internet, das ihn mit einem Maschinengewehr in der Hand und einem umgehängten Patronengurt sowie S. K. vermummt und mit einem Sturmgewehr im Anschlag vor der Flagge des IS zeigte und mit der Überschrift in arabischer Sprache "Palästina, weine nicht! Mohameds Armee wird kommen" versehen war. Darüber hinaus stellte der Angeklagte H. B. ein Foto des IS-Anführers Abu Bakr Al Baghdadi in das Internet.
XII. Ausstieg des Angeklagten H. B.
Der Angeklagte H. B. hatte sich entschlossen, alle Anweisungen der IS-Vorgesetzten zu befolgen, um sich nicht verdächtig zu machen. Andererseits suchte er nach einem Ausweg aus dieser Situation und einer Möglichkeit zum Ausstieg. Ihm war klar, dass er es nicht schaffen würde, unerkannt Bagdad zu erreichen, ohne von den irakischen Sicherheitsbehörden als IS-Mitglied entdeckt zu werden.
Ihm kam schließlich die Idee, seine Schwester als Vorwand zu benutzen und den IS Vorgesetzten gegenüber zu behaupten, diese wolle sich auch dem IS anschließen und nach Syrien kommen; er müsse sie aber in der Türkei abholen, da sie sich an der Grenze zu Syrien verletzt habe und nun völlig überfordert sei. Für den Fall, dass einer der Verantwortlichen ihn gefragt hätte, woher er das wisse, hatte er sich als Antwort zurechtgelegt, dass einer der W.er ihm diese Information auf Deutsch per Chat geschrieben habe. Der Angeklagte H. B. wusste, dass die IS-Mitglieder regelmäßig begeistert waren, wenn sie weitere Personen von außerhalb für die "gemeinsame Sache" hatten gewinnen können. Dem Angeklagten H. B. wurde deshalb zugesagt, dass man die erforderlichen Maßnahmen veranlassen werde.
Mehrere Tage später, es war nun etwa Ende August 2014, erhielt er einen Passierschein und wurde mit einem Auto an einen anderen Ort gefahren, von wo aus er dann zurück nach Syrien in ein Auffanghaus in der Nähe von Jarabulus transportiert wurde. Dort befand sich ein IS-Kämpfer, der in die Türkei in ein Krankenhaus verbracht werden sollte, weil sein Gesicht durch Handgranaten verletzt worden war. Man erklärte dem Angeklagten, dass er den Transport des Verletzten in die Türkei begleiten und dort dann seine Schwester abholen solle.
Am zweiten Tag im Auffanghaus fuhr ein Bus vor, der den Verletzten und den Angeklagten H. B. in die Nähe der türkischen Grenze transportierte. Von dort fuhren sie mit einem Auto weiter in Richtung Grenze, die sie sodann zu Fuß überquerten. Auf der anderen Seite der Grenze wurden sie von türkischen Kontaktleuten abgeholt und zu einem Haus in Gaziantep gefahren, wo der Verletzte behandelt werden sollte. Der Angeklagte H. B. nutzte den Moment des Ausstiegs, um ein in der Nähe wartendes Taxi zu nehmen und zum Flughafen zu fahren. Die Fahrt zum Flughafen dauerte etwa 20 Minuten. Dort nahm der Angeklagte einen Flug nach Istanbul. In Istanbul musste er etwa drei bis vier Tage warten, bis schließlich am 3. September 2014 sein Flug nach Tunis ging.
XIII. Verfolgungsermächtigung
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 6. Januar 2014 die Ermächtigung gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 und 4 StGB zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten durch Mitglieder oder Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" erteilt, die deutsche Staatsangehörige sind oder sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten oder hier tätig werden, oder wenn Deutsche Opfer sind.
XIV. Nachtatverhalten
1. Angeklagter B.
Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen in Leipzig kehrte der Angeklagte B. mit seinem Vater nach W. zurück, wo er von nun an wieder in der elterlichen Wohnung lebte. Er gab in zwei weiteren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen am 22. August und am 25. August 2014 Einlassungen zur Sache ab, in denen er sich vom IS distanzierte und umfangreiche Angaben zu dem gesondert Verfolgten O. und dessen Rolle bei der Radikalisierung, zu weiteren Mitgliedern der W.er Gruppe, die sich dem IS angeschlossen hatten, und zu seinem Aufenthalt beim ISIG in Syrien machte. Zeitlich reichten diese Angaben bis zum Abschluss des zweiten Ausbildungslagers und seiner Ankunft in Deir ez-Zor. Zu weiteren polizeilichen Vernehmungen war der Angeklagte B. nicht mehr bereit.
Der Angeklagte B. hatte nach seiner Rückkehr in Deutschland keinen Kontakt mehr zur islamistischen Szene. Angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit und nach Bedrohungen sowohl von IS-Sympathisanten als auch Gegnern hielt er sich überwiegend in der Wohnung seiner Eltern auf und traf sich nur gelegentlich mit Freunden, insbesondere den Zeugen H. T., K. A., A. B. A., N. d. N., C. V. S. und C. He.. Er teilte diesen aber nur wenig über seine Zeit beim IS mit, weil er die Geschehnisse lieber vergessen wollte. Er litt auch seelisch unter dem Erlebten und war in der Anfangszeit nach seiner Rückkehr nervlich angespannt und schreckhaft. Er begann deshalb wieder mit dem Konsum von Cannabis.
Der Angeklagte B. musste angesichts des anhaltenden medialen und öffentlichen Interesses mit der Zeit erkennen, dass sich seine Hoffnung, in sein altes Leben vor seiner Ausreise nach Syrien zurückkehren zu können, nicht erfüllen würde. Aus Ärger über seine Festnahme am 15. Januar 2015 und die Tatsache, dass dabei vor dem Haus seiner Eltern Pressevertreter und Fotojournalisten anwesend waren, rief er diesen laut "Allahu Akbar" zu und reckte den Zeigefinger zum "Tauhid"-Zeichen - dem Erkennungszeichen des IS - empor.
Die anschließende Untersuchungshaft wurde bis Anfang September 2015 unter verschärften Sicherheitsbedingungen vollzogen. Der Angeklagte B. war in dieser Zeit in einer Sicherheitsabteilung untergebracht, in der er unausgesetzt von anderen Gefangenen abgesondert war. Er hatte eine Stunde Hofgang pro Tag, die er allein in einem gesonderten Areal verbringen musste. Sein Haftraum wurde täglich durchsucht, und der Angeklagte wurde zweimal täglich einer körperlichen Durchsuchung unterzogen, wobei er sich vollständig entkleiden musste.
2. Angeklagter H. B.
Nach Ankunft des Angeklagten H. B. in Tunis am 3. September 2015 holte ihn seine Verlobte vom Flughafen ab und brachte ihn zu seinen Eltern, die gerade in Gabes Urlaub machten. Weil seine jüngere Schwester keine Ferien mehr hatte, kehrten seine Eltern sehr zeitnah wieder zurück nach Deutschland; der Angeklagte H. B. schloss sich einem Bekannten an, der mit dem Schiff zurück nach Frankreich fahren wollte.
Am 18. September 2014 in Paris angekommen traf er sich in der Wohnung eines Cousins, bei dem er untergekommen war, mit dem Angeklagten B.. Der Angeklagte H. B. wusste zu diesem Zeitpunkt schon von seinem Bruder, dass das Landeskriminalamt gegen ihn ermittelte. Der Angeklagte B. berichtete von seinen polizeilichen Vernehmungen und stellte einen Kontakt zu seinem eigenen damaligen Verteidiger, Rechtsanwalt Z. aus W., her, für den H. B. auch eine Vollmacht unterschrieb. Anschließend kehrte B. nach Deutschland zurück; der Angeklagte H. B. blieb zunächst noch in Paris.
Am 29. September 2014 kehrte er nach W. zurück. Hier bezog er wieder seine frühere Wohnung, meldete sich arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld in Höhe von 380,- Euro monatlich. Nach dem Erwerb eines Gabelstaplerscheins trat er am 13. November 2014 eine Arbeitsstelle als Gabelstaplerfahrer bei der Firma S. mit einem Monatsverdienst in Höhe von etwa 1.500 Euro an. Zudem kaufte er Restposten an, die er auf Flohmärkten und über das Internet weiterverkaufte.
Kontakt zur islamistischen Szene hatte er nach seiner Rückkehr nicht mehr.
Am 20. November 2014 wurde er verhaftet. Er machte zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch. Im Dezember 2014 ließ er über die Justizvollzugsanstalt dem Landeskriminalamt seine Aussagebereitschaft mitteilen. Sodann gab er in Beschuldigtenvernehmungen am 16., 17., 18 und 22. Dezember 2014 sowie am 6. und 9. Januar 2015 Einlassungen zur Sache ab, in denen er sich vom IS distanzierte und umfangreiche Angaben zu seiner Rekrutierung, zu weiteren Mitgliedern der W.er Gruppe, die sich dem IS angeschlossen hatten, und zu seinem Aufenthalt beim IS in Syrien und im Irak machte.
Auf eigene Initiative und trotz Warnung vor der damit einhergehenden Gefährdung gab der Angeklagte H. B. am 10. Juli 2015 in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf Redakteuren des Norddeutschen Rundfunks vor Kameras ein Interview, welches am 16. Juli 2015 im Ersten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. In dem Interview distanzierte sich der Angeklagte H. B. vom IS und jeglichem radikal-islamischen Gedankengut, berichtete von den Rekrutierungsmethoden und seinen eigenen Erlebnissen beim IS und gab gefährdeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen Ratschläge, wie sie sich vor einer Indoktrination mit islamistischem Gedankengut und einer Rekrutierung für islamistisch-terroristischen Vereinigungen schützen können. Nach Ausstrahlung des Interviews war der Angeklagte in der Untersuchungshaftanstalt Anfeindungen und konkreten Bedrohungen Mitgefangener ausgesetzt.
C. Beweiswürdigung
I. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen in erster Linie auf den Einlassungen der beiden Angeklagten. Zweifel hieran haben sich nicht ergeben.
Die Angaben, die die Angeklagten hierzu in der Hauptverhandlung gemacht haben, stimmen mit denjenigen im Ermittlungsverfahren überein, die von den Zeugen KK R., KOK B., PK J., PK R. und KOK H.t zu den Vernehmungen des Angeklagten B. und von den Zeugen KHK S. und POKin N. zu den Vernehmungen des Angeklagten H. B. glaubhaft bekundet worden sind.
Die Feststellungen zur strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten B. und des ihr zugrunde liegenden Sachverhalts hat der Senat dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 2. Dezember 2013 entnommen. Der Angeklagte B. hat darüber hinaus die ihm in dem Verfahren zur Last gelegte Tat glaubhaft eingeräumt und weitere Angaben zu deren Hintergrund gemacht, insbesondere dazu, ihm sei zuvor wegen drogenbedingter Blutwerte von der Verkehrsbehörde die Fahrerlaubnis entzogen worden.
Die Feststellung, dass der Angeklagte H. B. unbestraft ist, hat der Senat aufgrund der entsprechenden Auskunft des Bundesamtes für Justiz getroffen.
II. Die Feststellungen zum ISIG/IS
Die Feststellungen zum ISIG bzw. IS beruhen auf den Gutachten der Sachverständigen Dr. S., Dr. K.r und A., den im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Behördenerklärungen des Bundeskriminalamts und des Bundesnachrichtendienstes, den in Augenschein genommenen Propagandavideos der Organisation sowie den Bekundungen der Zeugin KKin Z., des Zeugen D. und der Angeklagten selbst.
1. Der Sachverständige Dr. S. ist promovierter Islamwissenschaftler und spricht fließend Arabisch. Er hat ein Jahr lang in Damaskus gelebt sowie zwanzig längere Reisen und weitere zahlreiche Kurzbesuche von Beirut aus nach Syrien unternommen; den Irak hat er dreimal bereist und sich mehrfach in den Kurdengebieten im Nordirak aufgehalten. Er ist Referent der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und an deren Institut für internationale Politik und Sicherheit Wissenschaftler in der Forschungsgruppe "Naher/Mittlerer Osten und Afrika". Er hat zum IS das Buch "Kalifat des Schreckens" verfasst und ist dem Senat als renommierter Experte zum islamistischen Terrorismus bekannt, der schon in anderer Sache vor dem hiesigen Staatsschutzsenat als auch vor anderen Oberlandesgerichten zu verschiedenen islamistisch-terroristischen Vereinigungen Gutachten erstattet hat und einen hohen fachlichen Ruf genießt.
Der Sachverständige hat die Entwicklung, Zielsetzung, Organisationsstruktur und Vorgehensweise des ISIG bzw. IS so dargelegt, wie sie festgestellt worden sind. Er hat sein Gutachten unparteiisch, in sich widerspruchsfrei und überzeugend erstattet. Er hat dazu ausgeführt, dass sich seine Erkenntnisse in erster Linie auf die eigenen Verlautbarungen der Vereinigung sowie deren terroristische Aktivitäten stützen. Fragen der Verfahrensbeteiligten hat der Sachverständige überzeugend beantwortet und dabei seine Sachkunde noch einmal eindrücklich unter Beweis gestellt. So hat er auch schlüssig dargelegt, dass es sich bei dem IS nicht um einen Staat handelt, weil er weder über ein gesichertes und stabiles Staatsgebiet verfügt noch in der Lage ist, staatliche Funktionen zuverlässig und dauerhaft aufrecht zu erhalten.
2. Die Sachverständige Dr. K. ist promovierte Politikwissenschaftlerin und seit 2011 Referentin am Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung e.V. (HIIK) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und dort konkret mit Konflikten im vorderen Orient befasst. Zuvor war sie bei der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik tätig, hat eine Doktorarbeit über syrische Außenpolitik verfasst und im Jahr 2008 das Land selbst bereist. Im Jahr 2009 hat sie ein Gutachten zu Verbindungen deutscher Dschihadisten nach Pakistan verfasst.
Die Sachverständige hat in der Hauptverhandlung ein Gutachten dazu erstattet, zu welchem Zeitpunkt und in welchen Regionen in Syrien in den Jahren 2012 bis 2014 und im Irak im Jahr 2014 bewaffnete Konflikte unter Beteiligung des ISIG bzw. IS ausgetragen wurden und welche weiteren Akteure hieran beteiligt waren. Sie hat dabei die Methodik der Heidelberger Konfliktforschung vorgestellt und angewandt, die eine globale Vergleichbarkeit von Konflikten anhand bestimmter Kriterien ermöglicht.
Die Sachverständige hat zunächst die Entwicklung, Zielsetzung, Organisationsstruktur und Vorgehensweise des ISIG bzw. IS so dargelegt, wie sie festgestellt worden sind, und damit zugleich das Gutachten des Sachverständigen Dr. S. bestätigt und untermauert. Darüber hinaus hat sie insbesondere detaillierte Angaben zu einzelnen Operationen und Aktivitäten des ISIG/IS gemacht, die ebenfalls Eingang in die Feststellungen gefunden haben. Zweifel hieran haben sich nicht ergeben. Die Sachverständige hat ihr Gutachten unparteiisch, in sich widerspruchsfrei und überzeugend erstattet. Sie konnte auf Nachfrage auch jeweils die Quellen benennen, auf die sich ihre Erkenntnisse stützten; sie hat dazu ausgeführt, dass Grundlage ihres Gutachtens neben Verlautbarungen des ISIG/IS selbst nur offen zugängliche Quellen seien, insbesondere renommierte internationale Nachrichtenagenturen und Medien wie Reuters, AFP, AP, DPA, BBC, CNN, New York Times, Washington Post und Guardian sowie Publikationen der UN, UNHCR und UNAMI. Im Falle Syriens würden sich diese Quellen vorwiegend auf die Opferangaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte ("Syrian Observatory for Human Rights", abgekürzt: SOHR) stützen.
3. Der Sachverständige A. ist als Islamwissenschaftler und Politikwissenschaftler beim Bundeskriminalamt in Berlin mit der Auswertung islamistischer Publikationen befasst. Er beherrscht die arabische Sprache und Schrift, wenn auch nicht auf muttersprachlichem Niveau.
Der Sachverständige hat ein Gutachten zur Propagandatätigkeit des ISIG/IS erstattet und dazu ausgeführt, dass er selbst seit Ende 2013 etwa 200 Videos der Vereinigung ausgewertet habe. Die Vereinigung gebe schon seit 2006 hochprofessionelle Videos heraus. Seit April 2013 erfolge die Verbreitung der Videos zunehmend über Twitter, wobei täglich neue Twitter-Kanäle hinzukämen. Der Sachverständige hat sodann Ausführungen zu dem - bereits im Rahmen der Feststellungen (B.I.6.) inhaltlich beschriebenen - Propagandavideo "Auf dem Weg des Prophetentums" gemacht, welches in dem vom Angeklagten B. bei seiner Rückkehr mitgeführten Mobiltelefon gespeichert war und in der Hauptverhandlung unter Hinzuziehung des Sprachsachverständigen S. in Augenschein genommen wurde; der Sachverständige A. hat insbesondere das Datum und den Ort der Veröffentlichung des Videos - wie festgestellt - benannt und die abgebildeten Personen und Geschehnisse in den historischen Kontext eingeordnet. Danach handelt es sich bei den mehr als 100 erschossenen Männern um irakische Regierungssoldaten, die bei der Eroberung Mossuls durch den ISIG am 10. Juni 2014 gefangen genommen worden waren.
Der Senat hat sich auch diesem überzeugenden Gutachten angeschlossen. Der Angeklagte B. hat die Ausführungen bestätigt und ergänzt, dass es sich bei dem Sprecher um Abu Muhammad al-Adnani handele.
4. Die Zeugin KKin Z. ist beim Bundeskriminalamt in Berlin mit der phänomenologischen Auswertung islamistischer Publikationen befasst und seit viereinhalb Jahren für den ISIG/IS zuständig. Sie hat den "Auswertebericht zur terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" des Bundeskriminalamts, Stand 6. März 2014, mitverfasst und - zum Teil auf Vorhalt des Berichts - glaubhafte Angaben über die im Rahmen ihrer Auswertungstätigkeit gewonnenen Erkenntnisse und deren Grundlagen gemacht, die mit den Gutachten der zuvor genannten Sachverständigen im Einklang standen und diese schlüssig ergänzten.
5. Schließlich ergaben sich die getroffenen Feststellungen zum ISIG/IS auch aus folgenden - im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten - Urkunden:
Auswertebericht des Bundeskriminalamtes zu terroristischen Vereinigungen - "Islamischer Staat in Irak und Großsyrien", Stand 06.03.2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 4 - 86 mit Anlagen Bl. 88 - 163.1),
Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes zur terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat in Irak und Großsyrien", übersandt mit Schreiben des BND vom 08.04.2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 165 - 182),
Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes zu Al-Quaida im Irak/Islamischer Staat im Irak, übersandt mit Schreiben des BND vom 19.09.2012 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 183 - 186),
Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes zu terroristischen Ausbildungslagern in Syrien, Sachstand 19.03.2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 189 - 197),
Analyse des Bundesnachrichtendienstes zum Internationalen Terrorismus und Islamischen Fundamentalismus, Synopsis zum Islamischen Staat vom 07.08.2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 197.1 - 197.11),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 25.06.2014 zur Auswertung von mehreren Stellungnahmen des IS und des ISIG (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 197.13 - 197.21),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 14.07.2014 zur Ausrufung des islamischen Kalifats durch Islamischer Staat/ISIG (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 198 - 202),
Vermerk des Bundeskriminalamtes zur Veröffentlichung eines Videos von der Köpfung des amerikanischen Journalisten James Wright Foley vom 03.09.2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 203 - 205),
Ergänzungsvermerk des Bundeskriminalamtes vom 16.03.2015 von der Entwicklung des ISIG zum IS (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 206 - 219),
Vermerk des Bundeskriminalamtes zum Islamischen Staat Irak und Großsyrien (IStIGS) vom 20.12.2013 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 220 - 240)
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 27.01.2014 zu: Islamischer Staat Irak und Groß-Syrien unter Druck in Syrien (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 1 Bl. 241 - 251),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 02.04.2015 zu völkerstrafrechtlich relevantem Tatgeschehen des Islamischen Staates in Syrien und Irak Monat Juni 2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 2 Bl. 3 - 18),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 04.08.2014 zur Sicherung des Videos "Auf dem Weg des Prophetentums" (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 2 Bl. 20, 21),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 07.08.2014 über die Auswertung eines Videos des Islamischen Staates mit dem Titel "Auf dem Weg des Prophetentums" (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 2 Bl. 23 - 26),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 05.02.2015 zu völkerstrafrechtlich relevantem Tatgeschehen des Islamischen Staates in Syrien und Irak Monat Juli 2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 2 Bl. 28 - 39),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 19.01.2015 zu völkerstrafrechtlich relevantem Tatgeschehen des Islamischen Staates in Syrien und Irak Monat August 2014 (Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 2 Bl. 42 - 59 nebst Anlage 3/Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 2 Bl. 71 - 74 und Anlage 4/Strukturerkenntnisse ISIG Bd. 2 Bl. 75 - 79),
Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 13.04.2015 zum Umgang von Mitgliedern des Islamischen Staates mit jesidischen, christlichen und andersgläubigen Gefangenen und Sklaven (Strukturerkennt-nisse ISIG Bd. 2 Bl. 81 - 83).
6. Die Feststellung, dass der ISIG/IS im Verlauf des Jahres 2014 zunehmend und mit Ausrufung des Kalifats noch stärker Abtrünnige aus den eigenen Reihen verfolgt, einsperrt, foltert und auch tötet, beruht neben den Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Dr. K. auf den glaubhaften Angaben des Zeugen D..
Der Zeuge D., gegen den am 2. September 2015 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland ("Islamischer Staat Irak und Syrien") erhoben worden ist, hat glaubhaft bekundet, dass er sich von Oktober 2013 bis Anfang November 2014 als Mitglied des ISIG/IS in Syrien aufgehalten habe. Er sei in der Zeit von April 2014 bis zu seinem Ausstieg Mitglied der Gefängnisgruppe gewesen, die eine Art Geheimpolizei des ISIG/IS sei. Konkret sei er als Wärter in dem Gefängnis des ISIG/IS in Manbij eingesetzt gewesen, wo etwa 200 bis 300 Gefangene inhaftiert gewesen seien; bei diesen habe es sich sowohl um Angehörige gegnerischer Gruppen - PKK, FSA und "Assad-Soldaten" - als auch "eigene Leute" gehandelt. Er habe sich zeitweise auch um den sogenannten Sturmtrupp gekümmert, dessen Aufgabe es gewesen sei, "Spione" und Aussteiger aufzuspüren, festzunehmen und dem Gefängnis zuzuführen. Dort seien die Festgenommenen zum Teil gefoltert worden. Es habe Verhöre durch Scharia-Richter des ISIG/IS gegeben, welche zum Teil auch Todesstrafen verhängt hätten. Der Zeuge hat angegeben, selbst als Übersetzer an dem Verhör eines aus Deutschland stammenden IS-Mitglieds teilgenommen und dessen Freilassung erwirkt zu haben; an Folterungen und Hinrichtungen habe er selbst nicht mitgewirkt, solche aber mehrfach mitangesehen. Die Folterungen seien neben Schlägen etwa geschehen durch Fesseln der Hände auf den Rücken und anschließendes Aufhängen an den Armen. Teilweise seien auch Gefangene in kleine Kisten gesteckt worden, in denen sie sich nicht bewegen konnten. Die Todesstrafen seien auf verschiedene Weise vollstreckt worden; teilweise hätten die Leute sich hinknien müssen und seien von hinten in den Kopf geschossen worden, teilweise seien mit einem Schwert geköpft worden. Er habe drei "Leute" gesehen, die gekreuzigt worden seien.
Der Zeuge hat zudem bekundet, dass nach seinen persönlichen Erlebnissen im ISIG die Sicherheitskontrollen im Herbst 2013 und Anfang 2014 noch nicht intensiv gewesen seien; dies habe sich erst im Laufe der Zeit und noch mehr mit Ausrufung des Kalifats gesteigert.
Die Angaben des Zeugen waren glaubhaft. Der Zeuge hat ruhig und ohne erkennbaren Belastungseifer ausgesagt. Er hat zahlreiche Details genannt und war in der Lage, in der Chronologie der Ereignisse hin und her zu springen und auf Fragen spontan zu antworten. Er hat auch eindeutig zum Ausdruck gebracht, an welchen Stellen seine Erinnerung unsicher war oder ihm eigene Wahrnehmungen fehlten. Hinzu kommt, dass der Zeuge sich durch seine Aussage erheblich selbst belastet hat, wobei der Senat allerdings nicht verkennt, dass der Zeuge so detailliert ausgesagt haben könnte, um in seinem eigenen Strafverfahren eine Strafmilderung zu erwirken.
7. Die Feststellung der ungefähren Anzahl der im Jahr 2014 in Syrien getöteten ausstiegswilligen Mitglieder durch den ISIG/IS, nämlich 120 bis 200, beruht auf dem Bericht der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) vom 31. Dezember 2014.
8. Die Feststellungen zu den vom IS im Sommer 2015 ergriffenen Maßnahmen zur Unterbindung einer unkontrollierten Internetkommunikation beruhen insbesondere auf den Berichten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) vom 19. und 20. Juli sowie 1. August 2015.
III. Die Feststellungen zu den Tathandlungen der Angeklagten
Die Feststellungen zur Radikalisierung der Angeklagten und zu ihrer mitgliedschaftlichen Beteiligung am ISIG/IS beruhen in erster Linie auf den Einlassungen der beiden Angeklagten. Diese haben das Geschehen im Wesentlichen so geschildert, wie es festgestellt worden ist. Dabei haben sich, soweit es um den wesentlichen Ablauf des Tatgeschehens ging, keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben ergeben; denn die Angeklagten haben sich dadurch selbst erheblich belastet sowie eine Vielzahl von Details und Verknüpfungen genannt, die eine Überprüfung ihrer Angaben ermöglichten. Außerdem ist insoweit die Einlassung eines jeden Angeklagten in wesentlichen Punkten durch die des anderen sowie durch Zeugen, Urkunden und Augenscheinsobjekte gestützt worden.
Abweichend von den Feststellungen haben sich die Angeklagten jedoch dahingehend eingelassen, dass sie nicht nur nicht kämpfen, sondern sich auch sonst nicht als Mitglieder an einer terroristischen Vereinigung hätten beteiligen wollen. Hierzu haben beide in der Hauptverhandlung angegeben, vor ihrer Ausreise nach Syrien zwar gewusst zu haben, dass sie "zum IS" kämen, und sich vorab auch über den ISIG informiert zu haben. Dabei hätten sie aber nur die friedlichen Aspekte eines Lebens in einem konsequent islamischen Staat gesehen und sich auf eine verharmlosende und beschönigende Darstellung der Zustände durch O. verlassen; den terroristischen Charakter des IS und dessen Gräueltaten hätten sie nicht zur Kenntnis genommen. Der Angeklagte B. sei davon ausgegangen, dass er zunächst neun Monate lang eine Islamschule werde besuchen können, um sich selbst einen Eindruck vom Leben in einem islamischen Staat zu machen; der Angeklagte H. B. habe erwartet, dass er eine Verwendung entsprechend seiner Ausbildung zum Massagetherapeuten im Bereich der Gesundheitsversorgung erhalten werde und außerdem ein angenehmes Leben mit vier Frauen und einem großen Auto führen könne. Erst nach ihrer Ankunft im Auffanghaus des IS sei ihnen klar geworden, dass O. sie der "Zwangsrekrutierung" für den bewaffneten Dschihad des IS zugeführt habe. Sobald ihnen dies klar geworden sei, hätten sie sich dem IS wieder entziehen und aus Syrien flüchten wollen. Hieran seien sie jedoch durch die beständige Überwachung und die fortdauernde Bedrohung mit Folter und Tod im Falle abweichenden Verhaltens gehindert gewesen. Sämtliche von Ihnen eingeräumten Tätigkeiten innerhalb des IS seien unfreiwillig und nur zur Abwehr ihnen selbst drohender Gefahren für Leib und Leben erfolgt. Sobald sich ihnen die erste Gelegenheit zur Flucht geboten habe, hätten sie diese auch ergriffen.
Diese, im Kern darin bestehende Einlassung, dass die Angeklagten ohne den Vorsatz einer mitgliedschaftlichen Beteiligung am ISIG/IS nach Syrien gereist seien und dass sie vor Ort ohne Schuld, nämlich ausschließlich unter Zwang oder zur Abwehr gegenwärtiger Gefahr für Leib, Leben oder körperliche Bewegungsfreiheit gehandelt hätten, ist zur Überzeugung des Senats durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.
1. Die Einlassungen der Angeklagten
Schon aus den Einlassungen selbst ergibt sich bei genauer Betrachtung, dass die Angeklagten mit dem erforderlichen Vorsatz gehandelt haben, dass sie nicht durchgängig überwacht wurden und dass sie auch nicht einer beständigen gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder körperliche Bewegungsfreiheit ausgesetzt waren.
a) Die Einlassung des Angeklagten B.
aa) Der Angeklagte B. hat sich zunächst in einer von seinem Verteidiger Rechtsanwalt S. verlesenen schriftlichen Erklärung wie folgt eingelassen:
Nach der Rückkehr aus dem Urlaub im September 2013 habe er bei VW die Halle gewechselt. Dort habe er S. H. kennengelernt. Dies sei der erste gewesen, der sich später von W. aus nach Syrien aufgemacht habe. H. habe ihn in der Mittagspause zum Beten eingeladen, was B. allerdings abgelehnt habe, weil er lieber habe rauchen wollen. B. sei bis dahin auch kein religiöser Mensch gewesen, Beten sei ihm fremd gewesen. H. habe ihm gesagt, wenn er nicht bete, sei er auch kein Moslem. Diese Frage habe B. beschäftigt und er habe seinen Vater gefragt, ob das stimme, dass man kein richtiger Moslem sei, wenn man nicht regelmäßig biete. Sein Vater habe sofort Verdacht geschöpft und ihn gefragt, ob er Kontakt mit Salafisten gehabt habe, was B. jedoch abgestritten habe. Ihm sei damals überhaupt nicht klar gewesen, was Salafisten sind. Er habe zwar mit den Drogen aufgehört und auch den Kontakt zu seinen alten Freunden abgebrochen, habe sich aber zu Hause absolut kontrolliert gefühlt. Alle hätten befürchtet, dass er wieder mit Drogen rückfällig werden würde. Wenn sie zusammen am Tisch gesessen hätten, habe sein kleiner Bruder mehr zu sagen gehabt als er. Er habe sich überhaupt nicht mehr ernst genommen gefühlt. Wenn er mal allein ins Café gegangen sei, sei er sofort kontrolliert worden. Sein Vater und seine Brüder hätten ihm einen "Aufpasser" hinterher geschickt, damit er ja nur nichts anstelle.
Er habe angefangen, im Netz zu recherchieren, ob die Aussage, kein Moslem zu sein, wenn man nicht (regelmäßig) bete, richtig sei oder nicht.
Sein Vater sei im Vorstand der tunesischen Moschee in W. B. habe ihn dann einmal in die Moschee begleitet. Dort habe es allerdings überhaupt keine jungen Leute gegeben, sondern nur alte Männer und eben seinen Vater. Salafisten hätten in der Moschee seines Vaters Hausverbot gehabt.
Bei der Arbeit habe er H. stolz berichtet, dass er in der Moschee gewesen sei, dass er ihn - H. - dort aber nicht gesehen habe. H. habe total erfreut getan, dass B. in die Moschee gegangen sei, aber nur gemeint: "Nee, nee, nee, lass uns in eine andere Moschee gehen, da gibt es auch ein paar junge Leute in unserem Alter". H. habe natürlich gewusst, wer B.s Vater war, und gemeint, er solle seinem Vater lieber nichts erzählen. B. sei dann mit H. in die andere Moschee gegangen und tatsächlich habe es dort fünf bis sechs andere junge Leute gegeben, einen Billardraum und einen ausgesprochen freundlichen, herzlichen Empfang. Alle seien ein eingespieltes Team gewesen.
Irgendwann habe H. dann angefangen, B. zum Morgengebet abzuholen. Er habe dies getan, obwohl er auf der anderen Seite der Stadt gewohnt habe und einen großen Umweg zu B. auf dem Weg zur Moschee machen musste. B. habe sich sofort gut aufgehoben gefühlt, und er und H. seien richtige Freunde geworden. Unter seiner Anleitung habe B. angefangen zu beten und langsam begonnen, sich mit dem Islam zu beschäftigen. Auch wenn es komisch klinge, die Auseinandersetzung mit dem Islam sei für ihn auch eine Art Therapie gewesen, um sich nicht mehr mit Drogen zu beschäftigen.
Eines Samstags habe H. ihn zu einer Koranverteilung in W. eingeladen, weil er doch so gut Deutsch spreche. Seine Beteiligung an dieser Koranverteilung sei nicht verborgen geblieben, und sein Vater habe zu Hause ein "riesen Theater" gemacht. Seine Mutter habe ihn allerdings in Schutz genommen nach dem Motto: "Ist das nicht besser, als wenn er Drogen nimmt?". Auch seine Brüder hätten ihn erstmalig nicht als das Sorgenkind erlebt und er habe Respekt bei Ihnen gewonnen.
B. habe sich immer mehr mit dem Islam beschäftigt und die Empfehlung erhalten, doch einmal Pierre Vogel zu schauen. Nachdem er sich sechs Wochen lang Reden von Pierre Vogel auf Video angesehen habe, habe er diesen dann auch live in Köln erlebt. In dieser Versammlung sei auch ganz offiziell Geld für Syrien gesammelt worden. Er erinnere sich auch noch daran, dass Pierre Vogel den Verfassungsschutz, der wohl mit zwei Mitarbeitern anwesend gewesen sein solle, ausdrücklich begrüßt habe. Pierre Vogel sei - zumindest damals und soweit B. bekannt - der einzige, der in Deutsch, in einer auch für Jugendliche verständlichen Sprache seine Interpretation des Koran darzulegen verstehe.
Als B. eines Tages in der Moschee gebetet habe, sei Y. O. auf ihn zugekommen, der damals gerade aus Syrien zurückgekehrt sei. O. habe von sich behauptet, er habe in Saudi-Arabien den Koran studiert und kenne und beherrsche diesen auswendig. B. vermute, dass er gerade deshalb für O. von besonderem Interesse gewesen sei, weil er eben der Sohn seines Vaters sei, den in W. jeder kenne. O. habe ihn auch gleich zu seinem Vertrauten gemacht.
In dieser Zeit hätten auch einige verzweifelte Mütter von alten Freunden bei B.s Mutter angerufen, ob B. nicht auch mit diesen reden könne, damit sie so werden wie er, sprich: ebenfalls beten. Er sei plötzlich der brave Junge gewesen. Mit seinem Vater sei allerdings totale Konfrontation angesagt gewesen. Dieser habe seine Kontakte in die DITIB-Moschee für falsch gehalten und schon damals gemeint, das seien "Terroristen". B. habe dies überhaupt nicht an sich herangelassen, habe er doch erstmals in seinem Leben Struktur erfahren und einen gewissen Respekt erlangt.
In dieser Zeit habe es begonnen mit dem "Unterricht" von Y. O.. Es seien immer mehr junge Männer auch aus B.s altem Freundeskreis dazugekommen. B. sei plötzlich nicht mehr der "underdog", sondern ein angesehener junger Mann gewesen. Auch beruflich sei in dieser Zeit alles gut für ihn gelaufen. Er habe nach wie vor über die Zeitarbeitsfirma bei Volkswagen gearbeitet und drogenfrei gelebt. Er habe sich gut gefühlt und so etwas wie seinen inneren Frieden gefunden.
Im Dezember 2013 habe sich S. H. von ihm verabschiedet, um nach Syrien zu gehen. Bereits am nächsten Tag sei H. weg gewesen. H. sei zu B.s bestem Freund geworden. Sein plötzlicher Weggang habe ihn stark verunsichert.
Erst jetzt habe es mit der Radikalisierung angefangen. Man habe ihm das Gefühl vermittelt, eingeweiht zu sein. Zugleich sei ihm vorgegeben worden, was er tun dürfe und was nicht, so zum Beispiel in Essensdingen. Ihre Gruppe sei immer größer geworden. Aus ursprünglich sechs Leuten seien jetzt über 20 geworden. Sie hätten sich wechselseitig in der Gruppe hochgeschaukelt. Wer sei der beste bzw. strengste in Glaubensfragen. B. habe eine Sonderstellung gehabt, weil er als Übersetzer für O. fungiert habe. Schließlich spreche er gut Deutsch. Im Februar 2014 sei dann auf H. der zweite aus ihrer Gruppe gefolgt, der nach Syrien gegangen sei.
B. habe zu diesem Zeitpunkt keinerlei Ambitionen gehabt, selbst nach Syrien zu gehen. Im Februar habe er seinen Flug nach Tunesien gebucht und sei dann im März dorthin geflogen, um seine Verlobte zu treffen. Dort sei es gekommen, wie es habe kommen müssen: kaum sei er dem Einfluss der Runde um O. nicht mehr ausgesetzt gewesen, habe er sich den Bart abrasiert und auch wieder Alkohol getrunken. Er habe die "Faxen" von den strengen Regeln "dicke" gehabt. Drogen habe er allerdings keine genommen.
Nach seiner Rückkehr habe er sich im Rahmen eines Leasingvertrages einen VW Golf V Cabrio bestellt. Er habe mit diesem Fahrzeug im August für vier Wochen erneut nach Tunesien fahren wollen. Nach seiner Erinnerung habe er noch am Tag des Vertragsschlusses auch über ein Reisebüro in W. die Tickets für die Fähre ab Genua (hin und zurück) gebucht.
Die Änderung seines Verhaltens sei nicht verborgen geblieben. Er sei plötzlich von den anderen aus der Gruppe richtig "gemobbt" worden. Sie hätten nicht locker gelassen und ihn immer wieder aufgefordert, doch zurückzukommen. Als er dann in die Gruppe zurückgekehrt sei, sei er plötzlich nicht der vertraute Bruder gewesen, sondern habe eben nur an fünfter oder sechster Stelle gestanden. Wenn er erschienen sei, sei es ruhig geworden, es sei getuschelt worden. Man habe ihm vorgehalten, er sei nicht standhaft. Sogar S. H. habe ihn aus Syrien angerufen und ihm Vorhaltungen gemacht. Kerim M'Hadbhi habe schließlich gemeint: "Deinetwegen bin ich in die Moschee gegangen und jetzt lässt du uns/mich hängen". Im April habe B. mitbekommen, dass K. M'H. nach Syrien gehen wollte. Man habe zu B. gesagt: "Du hast ja jetzt deinen Festvertrag (nach drei Jahren Arbeit über die Zeitarbeitsfirma), damit hast du auch den Vertrag für die Hölle unterschrieben". Irgendwie habe dies in und an ihm gearbeitet. Y. O. habe ihm dann angeboten, dass er gleichwohl auch nach Syrien könne, um dort zu helfen und zu lernen. Es sei keine Rede von Kämpfen gewesen. Er habe von einem neunmonatigen Besuch einer Islamschule gesprochen. Auch dies könne B. sich erst einmal anschauen, wenn er vor Ort sei. Selbstverständlich könne er jederzeit wieder gehen. O. habe gewusst, dass B. niemals seine Familie, seine Arbeit und seine Verlobte aufgeben würde, um nach Syrien zu gehen. Er habe auch genau gewusst, dass B. als Militanter nicht zu rekrutieren gewesen wäre. Es sei B. zwar klar gewesen, dass sie in das Gebiet des IS kommen würden, O. habe ihm aber immer wieder versichert, die Islamschule sei an der türkisch-syrischen Grenze. Sie würden dort nicht einmal "den Schuss einer Patrone" hören. Nachts könnten sie die Lichter der türkischen Städte sehen, so dicht sei dies an der Grenze. B. könne dort ungestört den Islam verstehen lernen, islamisches Leben im Alltag tatsächlich erleben und im Rahmen seiner Möglichkeiten den dort lebenden Menschen helfen. Wenn es ihm nicht gefalle, könne er jederzeit wieder gehen. Insbesondere dieses Argument habe B. überzeugt.
Er könne heute nicht sagen, was letztendlich ausschlaggebend gewesen sei. Jedenfalls habe er noch im April seinen Leasingvertrag für das Golf Cabrio storniert und Ende April seinen bei VW bereits für August eingereichten Urlaub von vier Wochen auf Ende Mai/Anfang Juni vorgezogen.
Für ihn sei folgendes wichtig gewesen: Er habe nicht in ein unmittelbares Kriegsgebiet gewollt. Er habe nicht in den Krieg ziehen wollen und zwar weder als Kämpfer noch sonst irgendwie in einer anderen Funktion. Er habe mehr über den Islam lernen und sehen wollen, wie islamisches Leben im Alltag tatsächlich aussehe.
Vor allen Dingen habe er sich aber alle Türen offen halten wollen. Falls sich dieses Leben nicht als das herausstellte, was er sich vorgestellt habe, so habe er natürlich zurückkehren wollen. Deswegen sei es für ihn wichtig gewesen, dass er jederzeit wieder gehen könne, was Y. O. ihm versichert habe. Und es sei ihm auch wichtig gewesen, dass er gegebenenfalls nach vier Wochen nach Hause könne, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Aus diesem Grund habe er den Urlaub entsprechend verlegt. Auch sei er in diesem Zusammenhang bewusst nicht auf den Vorschlag eines anderen aus der Gruppe eingegangen, er solle doch statt des VW Cabrio zwei Touareg zu leasen. Sie hätten dann diese Touaregs gewissermaßen als Geschenk mit nach Syrien bringen sollen. Er habe sich aber gerade nicht festlegen wollen. Er habe erst einmal sehen wollen, wie das Leben in einem konsequenten islamischen Staatsgebilde tatsächlich sei und er habe mehr vom Islam verstehen wollen. Dies seien die wesentlichen Beweggründe gewesen.
Er habe aus diesem Grund auch nur ein Hinflugticket geordert, weil er eben nicht habe einschätzen können, ob er eine, zwei, drei oder vier Wochen oder eben vielleicht auch länger ein entsprechendes Leben führen wolle. Die Motivlage bei den W.er "Syrienfahrern" sei sehr unterschiedlich gewesen. Darüber habe er sich damals "keinen Kopf gemacht". Er habe sich gedacht, jeder müsse für sich selbst entscheiden und wissen, was er tue. Heute wisse er, dass diese Haltung zu einfach sei. Er mache sich zum Vorwurf, dass er die Motive der anderen nie hinterfragt habe.
Die Reisedaten habe er bzw. hätten sie mit Y. O. abgesprochen. Heute habe er verstanden, warum er als einer der letzten der Gruppe habe gehen sollen. Es sei O. klar gewesen, dass es mit seinem Weggang zu Schwierigkeiten kommen werde, weil sein Vater seinen Weggang niemals einfach akzeptieren, sondern sicherlich einen "Riesenaufstand" veranstalten werde. So sei es dann ja auch gekommen.
Y. O. habe ihm gesagt, wann sie fliegen sollten. Sie sollten einen Flug über die Türkei buchen und dann nach Sanliurfa weiter. B. habe nur O.s Telefonnummer bzw. seine WhatsApp-Verbindung gehabt. Die Nummer des Kontaktmannes in der Türkei habe B. erst dort von O. erhalten sollen. Sie hätten mit niemandem darüber reden sollen. Das sei auch für B. wichtig gewesen. Hätte er sich vorher verraten und seine Familie mitbekommen, dass er nun tatsächlich nach Syrien gehen wolle, so hätte seine Familie mit Sicherheit einen Weg gefunden, ihn hieran zu hindern. Wie er im Nachhinein erfahren habe, habe seine Familie ja auch bereits einen Monat vor seiner Ausreise Kontakt zum Landeskriminalamt aufgenommen. Dies habe er natürlich damals nicht gewusst. Ihm sei aber schon klar gewesen, dass eine Ausreise nur heimlich habe vonstatten gehen können.
Er sei dann mit E. H. B. am 28. Mai 2014 mit dem Zug nach Hannover gefahren. Dort hätten sie am Flughafen einen Flug nach Samsun/Türkei gebucht. Von dort hätten sie über Ankara weiter nach Antalya fliegen wollen.
Nach seiner Erinnerung seien sie gegen 19:00 Uhr in Samsun angekommen und von dort über Ankara nach Antalya weitergeflogen. Sie hätten dann eine Nacht in Antalya verbracht und vergeblich versucht, Y. O. telefonisch zu erreichen. Am nächsten Morgen seien sie dann mit dem Bus nach Adana weitergefahren. Abfahrt sei etwa gegen 7:00 Uhr morgens gewesen. Alles sei irgendwie bereits außer Plan gewesen. B. sei schon damals mit der Situation etwas überfordert gewesen. Die Fahrt habe etwa 12 Stunden gedauert, sie seien also am Abend des 29. Mai 2014 in Adana angekommen. Dort hätten sie übernachtet. B. habe Y. O. nicht erreichen können. Dieser habe sich nicht gemeldet. Sie hätten jetzt also vor dem Problem gestanden, dass sie keine Kontaktnummer oder -adresse in Sanliurfa gehabt hätten. Es habe ihn dann aber an diesem Morgen ein Anruf von S. H. erreicht, der ihm mitgeteilt habe, dass seine Frau mit den Kindern ebenfalls in Adana sei und nach Syrien wolle. H. habe B. bekniet, dass seine Frau mit den Kindern allein nicht klar komme und er bzw. sie dringend ihre Hilfe benötigten. Zugleich habe H. ihm erklärt, es sei geplant, dass H.s Frau über Gaziantep einreise. Von H. hätten sie dann die Telefonnummer des Kontaktmannes in Gaziantep erhalten. Am Morgen des 30. Mai 2014 hätten sie sich dann Tickets für den Bus nach Gaziantep gekauft. Auf dem Busbahnhof seien sie zu ihrer Überraschung auch auf S. K. getroffen. S. K. habe dann auch ein Ticket nach Gaziantep gelöst und sie seien mit dem Bus etwa zweieinhalb bis drei Stunden dorthin gefahren. Es sei so gegen Mittag gewesen, als sie in Gaziantep angekommen seien. Dort habe B. dann die Nummer des Mittelsmannes aus Gaziantep angerufen, die er von S. H. erhalten habe.
Dieser Türke habe sie etwa eine halbe Stunde später abgeholt. Er habe sie dann mit einem Kleinbus zu einem weißen Haus auf einem Berg gefahren. Mittlerweile sei B. ziemlich "mulmig" gewesen. Sie hätten keinerlei Kontakt nach außen gehabt. Alle Versuche, Y. O. zu erreichen, seien erfolglos gewesen. B. habe die ganze Zeit Angst gehabt, dass sie von diesem Türken (Abu Ali) etwa an Assad-Treue verkauft oder sonst als Geiseln verschwinden würden. Sie seien etwa drei bis vier Stunden in diesem Haus gewesen, dann sei Abu Ali erschienen und habe gesagt: "Jetzt geht's los, schnell, schnell, schnell". Sie seien dann mit mehreren Kleinbussen, insgesamt etwa 25 bis 30 Personen, in Richtung Grenze gefahren. Die Fahrzeit sei eine knappe Stunde gewesen, B. schätze daher, dass sie etwa 60 km zurückgelegt hätten. Plötzlich sei das Licht ausgemacht worden und sie seien dann 10 Minuten lang im Slalom durch Olivenbäume gefahren. Es sei die Tür aufgeflogen und sie hätten sich beeilen müssen. Draußen hätten ungefähr sechs Leute gestanden, die sie über die Grenze gebracht hätten. Es seien unbewaffnete Zivilisten gewesen, die für ihre Schleusertätigkeit wohl vom IS bezahlt würden. Sie hätten schneller laufen und sich alle paar Minuten bücken müssen. Einer sei immer vorgelaufen und habe geschaut, ob die Luft rein sei. Sie hätten dann hinterher laufen müssen. Es habe dann eine Stelle gegeben, wo sie etwa 300 m sprinten sollten. Falls Schüsse fallen sollten, sollten Sie einfach weiter rennen. Die türkische Armee würde immer nur in die Luft schießen, sie bräuchten keine Angst zu haben. Sie seien dann über einen kleinen Abhang durch einen Fluss gewatet. In Syrien hätten sie einen kleinen Pfad hoch auf einen Hügel laufen müssen. Sie hätten den Pfad nicht verlassen dürfen, da die Freie Syrische Armee überall Minen verlegt habe. Als sie über den Hügel gekommen seien, hätten dort schon Autos und Bewaffnete vom IS gestanden. Sie seien herzlich begrüßt worden. Alle seien sehr hilfsbereit und freundlich gewesen und hätten Ihnen zu essen und zu trinken gegeben. Einer der Anwesenden habe sie offiziell im Namen des IS willkommen geheißen. Sie seien dann in die wartenden Kleinbusse gestiegen und losgefahren. Die mitgenommenen Frauen seien separiert worden, sie hätten diese nie wieder gesehen.
Sie seien zu einer großen Villa in der Stadt Jarabulus gefahren. Die von Ihnen getrennten Frauen seien in ein Auffanglager bei ar-Raqqah gebracht worden. In der Villa seien sie auf H. getroffen. Nach ihrer Ankunft hätten sie dann erst einmal geduscht.
Dort sei plötzlich nur noch vom Dschihad geredet worden. Sie hätten das Gebäude auch nicht verlassen dürfen, es habe überall Wachen gegeben. In diesem Moment sei B. das erste Mal skeptisch geworden. Nach dem Duschen hätten sie zunächst gegessen und getrunken, dann sei der verantwortliche Emir namens Abu Dujana erschienen. Dieser habe ihnen erklärt, dass sie ihre Pässe, Handys und alle anderen elektronischen Geräte abgeben müssten. Sie hätten keine elektronischen Geräte bei sich führen dürfen, da sie sonst ein leichtes Ziel bei einem Bomben- bzw. Raketenangriff sein würden. B. habe seinen Pass nicht abgeben wollen und habe den Emir gefragt, ob er ihn nicht behalten könne. Ihm sei gesagt worden: "Dein Pass bleibt hier liegen, den kannst du dir jederzeit abholen, wenn du ihn brauchst".
Anschließend seien sie alle einer intensiven Befragung ausgesetzt worden. Sie seien von Leuten ausgefragt worden, die so eine Art Verfassungsschutz des IS seien. B. sei von einem deutschen Konvertiten aus Dinslaken oder Bonn befragt worden. Es habe sich sofort eine Atmosphäre des Verdachts breitgemacht. Also habe er natürlich alles abgegeben. In der Befragung sei deutlich geworden, dass dieser "IS-Verfassungsschutz" über gute Informationen verfügt habe. Sie seien wohl zu jedem sehr gut vorbereitet gewesen. So hätten sie gewusst, dass sein Vater in der Demokratischen Partei (Nahda) sei und über persönliche Beziehungen zum Regierungsapparat und dem Parlament in Tunesien verfüge. B. sei schnell klar geworden, dass bereits ein Dossier zu seiner Person existiert habe, bevor er überhaupt das Gebiet des islamischen Staates betreten habe. Diese Situation habe ihn damals beeindruckt und auch eingeschüchtert. Vermutlich sei dies auch der Zweck der sehr intensiven Befragung gewesen, ein unterschwelliges Gefühl von Angst zu erzeugen. Es sei hinzugekommen, dass B. als erster befragt worden sei und die Befragung mit Abstand am längsten gedauert habe.
Nach dieser "Verfassungsschutz-Überprüfung" sei jeder einzeln aufgerufen worden und habe in das Büro des Emirs gemusst. Dort habe ein Saudi mit einem Koffer und einem Laptop gesessen, der dann jeden einzelnen mit allen Personaldaten (Namen, Geburtsdatum, Namen der Eltern, Ausbildung, Qualifikation, Bürgen, in welcher Moschee man gebetet habe usw.) aufgenommen habe. Am Schluss sei die entscheidende Frage gekommen. B. habe sich entscheiden müssen, ob er "Mokatel", "Ingeasi" oder "Istaschadi" werden wolle. Mokatel sei ein einfacher normaler Kämpfer. Ingeasi sei eine Mischung aus Kämpfer und Selbstmordattentäter und der Istaschadi ein normaler Selbstmordattentäter. B. sei total schockiert gewesen und auf diese Frage nicht vorbereitet. Er habe dann erwidert, er wolle eigentlich erst einmal seine Religion studieren, weil man ihm gesagt habe, hier könne er die wahre Religion erlernen. Darüber hinaus habe er gegebenenfalls in einem Krankenhaus oder Flüchtlingen bzw. Zivilisten helfen wollen oder etwas ähnliches. B. habe betont, dass er kaum islamisches Wissen habe und dass er dies erst einmal lernen wolle. Außerdem habe er erklärt, dass er sich eigentlich nicht vorstellen könnte, dass er überhaupt kämpfen könne. Der Saudi habe ihm geantwortet, es müssten alle kämpfen. Selbst wenn er Lehrer, Arzt oder irgendetwas anderes wäre, würde dies für ihn gelten. Lehrer und Ärzte hätten sie genug. Eine Diskussion sei nicht zugelassen worden. Er habe sich entscheiden müssen. Da er sich nicht in die Luft habe sprengen wollen, habe er erklärt, er würde sich dann für den Kämpfer entscheiden. Dies sei ihm als das kleinste Übel erschienen und außerdem seine einzige Chance gewesen, zu überleben.
Schließlich sei er gefragt worden, ob er eine Spende für den IS dabei habe. Dies habe er verneint. Er habe sagen müssen, wie viel Geld er bei sich führe und wer es bekommen solle, wenn er sterben sollte. E H. B. und er hätten gemeinsam ungefähr 5000 € dabei gehabt. Davon hätten B. selbst aber nur 500 bis 1000 € gehört. Schließlich habe er nicht vorgehabt, für den IS zu spenden, und sei in der Vorstellung gekommen, er müsste eigentlich nur seinen Rückflug sicherstellen und etwas Taschengeld für den beabsichtigten Aufenthalt von zwei bis drei Wochen haben. Sie hätten jedenfalls das ganze Geld abliefern müssen. Zur Klarstellung wolle er aber darauf hinweisen, dass sie das Geld nach Abschluss der "Ausbildung" wieder erhalten hätten.
Er wolle nicht unerwähnt lassen, dass er im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Deutschland einen Bonus von VW in Höhe von ca. 5600 € erwartet habe. Er habe die Auszahlung dieses Bonus bewusst nicht abgewartet. Er habe nicht vorgehabt, für den IS Geld zu spenden. Wäre dies seine Absicht gewesen, so hätte er nur kurze Zeit zu warten müssen. Der Bonus sei am 30. oder 31. Mai 2014 ausgezahlt worden.
Am ersten Tag nach der "Verfassungsschutz-Überprüfung" habe er darum gebeten, noch einmal seine Eltern anrufen zu dürfen. Er habe dann in Gegenwart der Aufsichtsperson zu Hause anrufen dürfen und habe seiner Mutter gesagt: "Alles ist gut, es geht mir gut". Unmittelbar nachdem er aufgelegt habe, habe das Telefon erneut geklingelt. Es sei sein Onkel Mounir B. gewesen, der ihn gefragt habe, wo er sei. B. habe sofort zurück gefragt: "Wo bist du?". Es habe sich dann herausgestellt, dass sein Onkel gemeinsam mit seinem Vater bereits in der Türkei gewesen sei, um ihn zu suchen. Der Onkel habe angekündigt, nach Syrien zu reisen. Dies habe B. mit Mühe verhindern können. Er habe seinem Onkel erklärt, dass er das nicht überleben würde.
Sie seien in dieser Zeit von der Außenwelt völlig isoliert gewesen, oder hätten es jedenfalls sein sollen. Das Haus sei eingezäunt gewesen und es habe dort bewaffnete Wächter gegeben. B. sei trotzdem nachts - nach seiner Erinnerung - zweimal über die Mauer gesprungen und in ein Internetcafé gelaufen. Unter anderem habe er dabei mit seiner Mutter "geskyped". Er habe ihr aber die Realität verschwiegen und ihr nur gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen. Er mache nur seine vier Wochen Urlaub und komme dann zurück. Er habe fürchterliche Angst gehabt, dass sein Vater sich des Risikos nicht bewusst sei, und gegebenenfalls illegal nach Syrien einreise. B. habe deswegen tagelang nicht schlafen können. Aus diesem Grund sei er das Risiko eingegangen, nachts über die Mauer zu springen. Er habe versuchen wollen, seine Eltern zu beruhigen.
In dieser Zeit habe es noch keine militärische Unterweisung gegeben. Es habe in der Villa zwar zwei oder drei "Kalaschnikows" gegeben und es sei ihnen gezeigt worden, wie man diese auseinander nehme und wieder zusammen baue. Aber alles in allem habe der Tagesablauf nur aus Beten und religiöser Unterweisung, Essen und Schlafen bestanden.
B. sei dann gleichwohl noch einmal zum Emir gegangen und habe gesagt, er könne seine Kontaktperson nicht erreichen. B. habe das klären wollen, er sei schließlich nicht gekommen, um sich an militärischen Auseinandersetzungen zu beteiligen, sondern um den Islam zu studieren und islamisches Leben in der Realität zu erleben. Der Emir habe ihm gesagt, es gebe eine klare Anweisung von Abu Bakr al-Baghdadi. Es gebe keine Ausnahmen. Jeder müsse ins Ausbildungslager. Irgendwie habe B. zu dieser Zeit noch gehofft, er könne der Sache entgehen und das vermeintliche Missverständnis aufklären. Alles in allem seien sie in dieser Zeit aber noch sehr freundlich behandelt worden, wenngleich man sie auch von der Außenwelt möglichst isoliert habe.
Er habe sich zu dieser Zeit nicht getraut, wegzulaufen. Er habe keinen Pass und kein Geld gehabt, sei in einem fremden, ihm völlig unbekannten Land gewesen und habe auch keinerlei Vorstellung darüber gehabt, wo und wie er sich hätte absetzen können.
Nach zwölf Tagen seien sie mit dem Bus in ein Trainingslager in der Nähe von Raqqah gebracht worden. Das Ausbildungslager sei tief in einem Wald gut getarnt gewesen. Als sie dort angekommen seien, sei ihnen erklärt worden, sie seien jetzt in einem ersten militärischen Trainingscamp. Der Ton sei schärfer geworden. Sie sei nur noch angeschrien und gedrillt worden nach dem Motto "hören und umsetzen".
Man habe sie eingeschüchtert und total gedrillt. Nach der Ankunft seien sie erneut befragt worden, ob sie nicht Selbstmordattentäter oder Ähnliches werden wollten. Schlagartig sei ihm klar geworden, dass es kein Entrinnen mehr gebe. Er habe gedacht, er müsse jetzt dort irgendwie durch, wenn er das alles überleben wolle. Neben ihm seien aus der W.er Gruppe noch S. K. und E. H. B. in diesem Lager gewesen. Zwei Tage später seien noch K. M'H. und Mo. M. dazu gekommen.
Der Tag sei in zwei Teile aufgeteilt gewesen. Es habe eine religiöse und eine militärische Ausbildung gegeben. Das, was als religiöse Ausbildung ausgegeben worden sei, sei tatsächlich eine Art Gehirnwäsche gewesen. Es sei ihnen erklärt worden, wer ihr Feind sei, warum sie die anderen töten müssten, und alles sei immer mit Stellen aus dem Koran belegt worden. Es habe nur schwarz oder weiß gegeben. Nur sie seien weiß, alle anderen seien "Kuffar" (Ungläubige) und damit schwarz. Daneben habe es die übliche Propaganda gegeben, also die täglichen Sieges- und Erfolgsmeldungen des IS. Sie hätten sich mit dem IS identifizieren sollen.
In den Nachmittagsstunden habe die militärische Ausbildung stattgefunden. Zunächst sei er in einer Gruppe mit den anderen Deutschen gewesen. In der zweiten Gruppenphase seien die verschiedenen Nationalitäten dann miteinander vermischt worden. Er habe große Probleme mit der Disziplin gehabt. Weil er immer widersprochen habe, sei er dort auch einmal in einem Bunker inhaftiert worden. Es habe eine ständige Kontrolle gegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten des Ablaufs habe er bei der Polizei ausführlich Angaben gemacht. Er wolle diese zunächst nicht wiederholen, nur festhalten, dass sie überhaupt keine Chance hatten, sich dieser Situation zu entziehen. Es habe eine starke soziale Kontrolle innerhalb der Gruppen gegeben, da bei abweichendem Verhalten häufig auch die ganze Gruppe bestraft worden sei. Es habe das Gerücht gegeben, dass unter ihnen auch Leute des IS-Sicherheitsdienstes sein. Eine Flucht sei völlig ausgeschlossen gewesen, zumal er nicht einmal gewusst habe, wo er genau war.
Auch hier habe er wieder versucht, über den Emir eine Entlassung zu erreichen. Er meine, dass er nach wenigen Tagen zu dem größten Emir gegangen sei und gesagt habe, dass er nach Hause wolle, dass er körperlich überfordert sei und dass er eigentlich nur Menschen helfen wolle. Außerdem wolle er nach Hause, um zu heiraten. Der Emir habe dann tagelang so getan, als habe es das Gespräch nie gegeben. B. sei aber besonders beobachtet worden. Nach zwei Tagen habe er den Emir wieder angesprochen und der habe gesagt, dass die Ausbildung noch etwa eine Woche dauere. B. müsse das zweite Ausbildungslager dann nicht absolvieren, sondern könne dann nach Hause gehen. B. habe dann noch einmal nachgehakt, aber ihm sei gesagt worden, er habe keine Wahl. Das Lager müsse er nun durchstehen. Er habe sich dann gedacht, dass er diese Woche auch noch schaffe. Es sei natürlich nicht so gewesen, dass er habe nach Hause gehen können. Er habe offenbar nur beruhigt werden sollen.
Am dritten oder vierten Tag sei ein Fahrzeug ins Lager gekommen mit einem hochrangigen Mann aus dem Irak, der eine Ansprache gehalten habe. Er habe ihnen gesagt: "Wir haben Mossul erobert und ihr habt nun die Ehre, Bagdad zu erstürmen", und dass Leute gebraucht würden, die sich als Selbstmordattentäter meldeten. Sie könnten sofort los und dürften im Ramadan einen Anschlag machen. Nach der Rede hätten über 60 Leute mit den Händen gewunken und hätten unbedingt Selbstmordattentäter werden wollen. Alle hätten "Allahu Akbar" geschrien und seien völlig überdreht gewesen. B. habe gedacht: "Wo bin ich hier, was sind das für krasse Menschen?", und sich dann die Frage gestellt, ob er selbst ein Ungläubiger sei, da er sich nicht in die Luft habe sprengen wollen. E. H. B. und S. K. hätten sich freiwillig gemeldet. S. K. habe noch sein Mobiltelefon und einen Samsung Tablet-PC sowie 2500 € gehabt. All dies habe er B. geschenkt. Er brauche das ja nicht mehr. Von ihm habe auch die SD-Karte gestammt, von der noch die Rede sein werde. S. K. habe seinen Rucksack, in dem sich Geld, der Tablet-PC und das Handy befunden hätten, zurück erhalten. Soweit B. wisse, hätten alle Selbstmordattentäter ihre persönlichen Gegenstände zurück erhalten. Dieses Mobiltelefon habe B. bei seiner Rückkehr mitgeführt und dem LKA übergeben. S. K. habe dieses Mobiltelefon erworben. B. gehe davon aus, dass diese Tatsache überprüft worden sei, auch wenn sie nicht aktenkundig sei.
Am Ende des ersten Ausbildungslagers hätten sie einen Test über die Dinge machen müssen, die Gegenstand des Unterrichts gewesen sein. B. denke, das sei alles "Show" gewesen. Er habe bewusst fast nie die richtige Antwort gegeben. Das sei aber offensichtlich egal gewesen. Sie seien ohnehin alle nur Kanonenfutter und dazu da gewesen, an die Front zu gehen und zu kämpfen bzw. zu sterben. Er habe mit seinem bewussten Falschantworten die Hoffnung verbunden, gegebenenfalls als ungeeignet angesehen zu werden. Natürlich habe er dann gefragt, ob er denn nun nach Hause gehen könne. Ihm sei dann aber erklärt worden, er müsse die Ausbildung insgesamt beenden, also auch noch das zweite militärische Ausbildungslager durchstehen. Zu diesem Zeitpunkt habe er schon gelernt gehabt, dass Widerspruch nichts nütze, man nur bestraft werde und eine Chance wegzulaufen sowieso nicht bestehe.
Festhalten wolle er, dass er sich weder dieser noch der nachfolgenden militärischen "Ausbildung" freiwillig unterworfen habe.
Auch das nächste Camp sei in einem Wald versteckt und gut getarnt gewesen. Sie seien etwa 35 Mann gewesen und es habe drei Trainer gegeben, einen Waffentrainer, einen Sporttrainer und ein "Mädchen für alles". Die Verpflegung sei deutlich besser und auch der Tagesablauf etwas lockerer gewesen. Der Sporttrainer sei ein richtiger "Bastard" gewesen, der sie extrem gedrillt und erniedrigt habe. Als B. sich mit ihm angelegt habe, habe man ihn erneut in den Knast stecken wollen. Es seien dann aber Y. O. und A. T. geholt worden, um den Streit zu schlichten. B. habe einfach nicht mehr gewollt. Auf der anderen Seite habe aber auch nicht in das erste Lager zurückgeschickt werden wollen, was wohl die Alternative gewesen wäre.
Er habe sich heftig mit Y. O. gestritten, der so getan habe, als ob nichts wäre. B. habe ihm vorgeworfen, was er versprochen habe und dass davon nichts stimme. Er habe ihm vorgehalten, dass B. nur zum Islamstudium und gegebenenfalls zu humanitärer Hilfe habe kommen wollen. O. habe dies nicht abgestritten, aber behauptet, er habe ja nur das Beste für sie gewollt, und jetzt sei es wie es sei, und sie könnten nicht einfach zurückgehen. Der IS könne sie nicht rauslassen, da sie nun über Insiderwissen verfügten. O. habe ihm gedroht, wenn offiziell werde, dass er sich absetzen wolle, werde er "geschlachtet werden". B. stehe sowieso schon unter Verdacht. Schließlich sei auch bekannt, dass sein Vater bei der Demokratischen Partei in Tunesien sei usw.. O. habe ihm vorgehalten, er sei ein Unruhestifter und habe die anderen aufgehetzt. Und tatsächlich habe es noch zwei oder drei andere gegeben, die ihre Unzufriedenheit zu äußern gewagt hatten. Im Ergebnis habe man ihn dann aus der Gruppe genommen und für ca. eine Woche in eine andere Gruppe, überwiegend von Turkmenen, gesteckt, mit denen er sich praktisch nicht habe verständigen und also auch nicht habe aufhetzen können. So habe er isoliert werden sollen.
In dieser Zeit sei das Kalifat ausgerufen worden.
Zum Abschluss der Ausbildung hätten sie alle die gleiche Ausrüstung erhalten: eine Kalaschnikow, fünf Magazine und zwei Handgranaten sowie eine Magazinweste. B. selbst habe sich noch einen Sprenggürtel gekauft. Er habe große Angst gehabt. Dieser Sprenggürtel sei für ihn so eine Art Versicherung gewesen. Er habe in keine militärische Auseinandersetzung verstrickt werden wollen. Er habe aber insbesondere nicht gefangen genommen werden wollen, weder vom IS noch von militärischen Gegnern des IS oder von Entführern, die einzelne Kämpfer, wenn sie ihrer habhaft werden konnten, auch gern an die jeweils rivalisierenden Gruppen verkauften. Sie seien ausdrücklich gewarnt worden, sich außerhalb des Ausbildungslagers niemals allein aufzuhalten, weil es immer wieder zu Entführungen komme. Insbesondere Ausländer seien finanziell interessant und würden für etwa 5000 $ an militärische Gegner verkauft. Der Sprenggürtel sei eine Art Rückversicherung gewesen. Er habe gewusst, dass bei einer solchen Gefangennahme Folter das mindeste sei, was man zu erwarten habe. Er habe auch gewusst, dass er eine solche Folter nicht überstehen oder überleben könne. Im Zweifel hätte er sich selbst in die Luft gesprengt, bevor irgendwer seiner hätte habhaft werden können.
Sie seien dann nach Deir ez-Zor gebracht worden, auf ein Ölfeld. Dort seien sie - nach seiner heutigen Erinnerung - eine Nacht geblieben. Von dort sei es weiter in den Irak gegangen.
Im Irak sei er in einer Villa mit etwa 12 bis 15 anderen IS-Mitgliedern untergebracht gewesen. Die anderen seien auf Häuser in derselben Straße verteilt gewesen. Ihr Emir habe Abu Ali geheißen, er sei ein Syrer gewesen. Neben B. seien noch zwei Europäer dort gewesen, mehrere Syrer, Tunesier und Saudis. Sie hätten sich erst etwas ausruhen sollen. B. habe versucht, sich ruhig und unauffällig zu verhalten. Er habe versuchen wollen, irgendeinen Weg zu finden, um sich abzusetzen. Die ersten Tage seien wie Urlaub gewesen. Er habe mit den anderen Fußball gespielt und sei zum Schwimmen gegangen. Er habe hier das erste Mal die Möglichkeit gehabt, auch wenn dies nicht erwünscht gewesen sei, Kontakt zu Zivilisten außerhalb des IS zu knüpfen. Er habe die Chance genutzt, sich mit drei irakischen jungen Männern (Zivilisten) anzufreunden, die große Motorräder gehabt hätten, und habe nach etwa sechs oder sieben Tagen ein Fußballturnier organisiert für IS-Anhänger und Zivilisten. Das habe der große Emir mitbekommen und sei begeistert gewesen. Er habe ihn vor allen gelobt mit der Aussage: "Wir müssen die Herzen des Volkes gewinnen".
Parallel dazu habe B. erlebt, dass der IS in Anah yezidische Frauen als Sklavinnen verkauft habe. Dies habe er abstoßend, menschenverachtend und unter keinem Gesichtspunkt religiös begründbar gefunden.
Einen Tag nach dem Fußballturnier sei B. nicht zum gemeinsamen Essen erschienen. Er sei von den drei Jugendlichen zum Essen bei Ihnen zu Hause eingeladen worden und habe damals K. M'Ha. mitgenommen. Nachdem sie wieder in die Villa gekommen seien, sei er gefragt worden, wo sie gewesen seien. Er habe die Wahrheit gesagt und man habe ihn zusammen mit K. zum Emir gebracht, der sie total "heruntergemacht" habe. Er habe sie angeschrien, dass das Volk nicht am Dschihad teilnehme. Er sei enttäuscht. Er habe B. dann gefragt, was die Zivilisten gefragt hätten und über was sie geredet hätten und ob sie aus der gleichen Schüssel gegessen hätten, und gesagt, dass schon IS-Leute von irakischen Zivilisten gekidnappt worden seien. B. habe alles wahrheitsgemäß beantwortet und versichert, es werde nicht mehr vorkommen, und habe dann versucht, dem Emir seine eigenen Worte vorzuhalten, wonach es doch darum ginge, die Herzen des Volkes zu erobern. Sie hätten dann noch über allgemeine Themen gesprochen, viel über Deutschland und ihre Vergangenheit geredet. Abu Ibrahim (der Vize-Emir) habe B. in Schutz genommen und gesagt, dass sie neu seien und noch nicht so richtig wüssten, wie es laufe, und sie wohl auf die Einladung spontan reagiert hätten. Letztlich habe ihnen der große Emir vergeben und sie nur abgemahnt.
B. habe gedacht, damit sei die Sache erledigt. Zwei Tage später sei er total geschockt gewesen, es sei gegen Mittag gewesen. Er sei in das Wohnzimmer gekommen und habe auf einmal den Mann aus Dinslaken oder Bonn gesehen, der ihn im Aufnahmelager für den internen "Verfassungsschutz" des IS vernommen habe, in Begleitung eines Tunesiers. Er habe sich mit B.s Emir Abu Ali unterhalten. Dann habe er B. nett begrüßt und nach K. M'Ha. gefragt. B. habe K. gerufen und sie hätten gemeinsam Tee getrunken. Der Mann habe natürlich verschwiegen, warum er da gewesen sei, aber B. habe gemerkt, dass etwas "im Busche war". B. habe vermutet, man habe besprochen, dass sein Vater bei der Demokratischen Partei sei und er im Verlauf der beiden Trainingslager mehrfach geäußert habe, nach Hause zu wollen. Der Mann aus Dinslaken oder Bonn habe behauptet, er sei auf dem Weg nach Mossul und nur zufällig bei ihnen vorbeigekommen. Er sei bis zum Abendessen bei ihnen gewesen und habe sich verstellt. B. habe von ihrem Glück berichtet und wie toll es unter den Muslimen sei und wie glücklich er nun sei und dass er nicht mehr nach Hause wolle und wenn, dann nur mit der schwarzen Flagge in der einen und der Kalaschnikow in der anderen Hand. B. wisse nicht, ob der Mann ihm geglaubt habe, aber er habe behauptet, es reiche heute nicht mehr, am Dschihad teilzunehmen, sondern man müsse ihn auch propagieren und weiterverbreiten. Er habe dann lange darüber "gefaselt", dass ein neues Zeitalter angebrochen sei und Propaganda des IS wichtig sei. Er habe B. dann noch gefragt, wie sein Name bei Facebook laute, und habe sich seine Handynummer geben lassen, um mit ihm in Kontakt zu bleiben. B. sei sofort klar gewesen, dass er in jeder Beziehung habe ausspioniert werden sollen.
Hinzu komme, dass B. bis zu diesem Zeitpunkt - entgegen der ausdrücklichen Weisung des IS - nur einen Facebook-Account unterhalten habe. Dies habe er erst später (Anfang August) geändert.
Der Mann habe angekündigt, nach sieben oder zehn Tagen noch einmal aus Mossul zurückzukehren und B. dann noch einmal ansprechen zu wollen. B. habe sich nichts anmerken lassen. Ihm sei aber klar gewesen, dass der IS seine Anhänger gut im Griff habe.
Ab diesem Tag habe er das Wort "Rückkehr" nie wieder in den Mund genommen, nicht einmal vor Kerim M'Hadbhi.
Nach dem Besuch habe B. gemerkt, dass Abu Ali und noch zwei oder drei andere Leute sich ihm gegenüber verändert hätten. Ein Tunesier mit Namen A. H. habe zunehmend Kontakt zu ihm gesucht und ihn vorsichtig über seine Vergangenheit zu befragen versucht: Wie sein Vater über den Dschihad denke, ob B. bei der Bundeswehr gewesen sei, ob seine Mutter Kopftuch trage und derartige Dinge. Ihm sei klar gewesen, dass er verdächtigt worden sei als "unsicherer Kantonist". Er habe sich ab diesem Zeitpunkt immer verstellt. So habe er dem Tunesier gegenüber erklärt, sein Vater sei ein Kuffar (Ungläubiger) und er würde ihn mit eigener Hand töten, wenn er ihn träfe. Das habe dem Tunesier sichtlich gefallen, aber er sei skeptisch geblieben. B. habe sich dann gedacht, dass es am besten sei, wenn er direkt mit Abu Ibrahim (dem Vize-Emir) spreche, er das ganze also offensiv angehe. B. habe dem Vize-Emir erzählt, dass er erst jetzt angefangen habe, den Dschihad zu verstehen und seine Pflichten als Muslim zu begreifen. B. habe ihn gebeten, ihn zu unterstützen. Allah solle ihr Zeuge sein, er habe während der Ausbildung nur nach Hause gewollt, weil er Angst bekommen habe vor den Flugzeugangriffen. B. habe sich gebrüstet mit seiner Bekanntschaft mit E. H. B. und S. K., die sich als Selbstmordattentäter aus W. gemeldet hätten, und dem Vize-Emir gesagt, dass er in Deutschland ein verwöhnter Junge gewesen sei und er Gewalt und Angst nicht gekannt habe und dass der Satan dies ausgenutzt und ihm eingeflüstert habe, er müsse den Dschihad verlassen. Jetzt sei er aber total glücklich, hier zu sein, und Allah solle sein Zeuge sein, dass es ihn schmerze, wenn die Brüder ihn verdächtigten. Er habe mit Zitaten aus dem Koran "um sich geworfen" und gesagt, die Gläubigen seien Brüder und der Prophet habe gesagt: "Seid einfühlsam zueinander und seid hart zu den Ungläubigen". Er habe jedes Argument benutzt. Er habe erklärt, dass er überhaupt keinen Grund gehabt hätte, den IS auszuspionieren, weil er in Deutschland einen Nettoverdienst von 3000 $ gehabt habe, zu Hause gewohnt habe, und es ihm finanziell gut gegangen sei. Er habe gar keinen Grund, ein V-Mann zu sein. Er habe ein tolles Auto gehabt und seine Hochzeit wäre im August gewesen. Trotzdem habe er alles stehen und liegen lassen für den IS usw.. Im Ergebnis habe B. den Vize-Emir jedenfalls beeindruckt. Dieser habe ihn umarmt und bei Allah geschworen, dass er es nicht zulasse, dass B. Unrecht passiere.
Abu Ibrahim sei nicht nur der Vize-Emir gewesen, er sei auch zuständig gewesen für das Waffenarsenal im Haus nebenan und für Finanzen. Er habe über Unmengen von Dollar und Euro verfügt und die Löhne für die IS-Anhänger ausgezahlt. B. habe erfahren, dass er vor etwa zwei Jahren einer der ersten gewesen sei, der von al-Qaida zum islamischen Staat übergelaufen sei, und dabei 130 Saudis mitgebracht habe und er den Titel des Emirs nur deshalb nicht annehme, um nicht im Vordergrund zu stehen, er aber tatsächlich enorm großen Einfluss habe.
B. habe versucht, sich gezielt weiter bei ihm "einzuschleimen". Jedes Mal, wenn Abu Ibrahim in der Nacht aufgestanden sei, um freiwillig zu beten, sei B. mitaufgestanden und habe alles mitgemacht. Er sei es, der B. den Koran und die Zitate des Propheten auf das Handy, dass B. von Sofian erhalten habe, heruntergeladen habe. Schließlich habe B. ihn "Onkel" nennen dürfen.
Parallel hierzu habe B. begonnen, seine Flucht vorzubereiten. Er habe am 26. oder 27. Juli 2014 mit seinen Eltern telefoniert und erfahren, dass sein Vater nach Tunesien reisen wollte. B. habe darum gebeten, vorsorglich seinen Personalausweis mitzunehmen, für den Fall, dass ihm eine Flucht in die Türkei gelingen sollte. So sei dann auch verfahren worden. Sein Vater sei am 29. Juli 2014 nach Tunesien geflogen und habe bereits damals B.s Personalausweis in der Hoffnung und/oder Erwartung auf ein Gelingen seiner Flucht mitgenommen.
Eine Flucht habe ihm natürlich nur gelingen können, wenn er sich entsprechend verstellte. Dies habe er auch nach außen dokumentieren müssen, was sich auch in seinen Chat-Verläufen widerspiegele.
Nach und nach habe er eine besondere Vertrauensstellung erhalten. Der Vize-Emir habe ihm manchmal Tausende von irakischen Dinar gegeben, die er an Witwenhäuser habe auszahlen sollen. B. habe auch oft das Auto gestellt bekommen, und die anderen hätten begonnen, ihn den "Schüler von Abu Ibrahim" zu nennen. B. habe sogar gewusst, wo der Schlüssel für das Zimmer mit den Bargeldvorräten gewesen sei, und er könne sich daran erinnern, dass Abu Ibrahim einmal zu einer Besprechung weg gewesen sei und ein anderer Emir 20.000 $ gebraucht habe und Abu Ibrahim diesem wohl gesagt hatte: "Wende dich an Abu M.". Der Emir sei dann zu ihnen in das Haus gekommen und habe nach B. gefragt und ihm einen Bestätigungsschein für die Auszahlung des Geldes vorgelegt. Alle hätten "Augen gemacht". Der Emir habe gesagt, er komme aus Saudi-Arabien, und gefragt, warum er noch nicht von ihm - B. - gehört habe. B. habe ihm das Geld gegeben, so wie es auf dem Zettel gestanden habe, wobei er sagen müsse, dass er nicht einmal richtig Arabisch lesen könne.
Abu Ibrahim habe ihm erzählt, der IS sei wie ein Körper. Jeder habe seine Aufgabe und B. solle Schritt für Schritt gehen. B. werde es noch zur Führungsperson schaffen, wenn er auf ihn höre, aber B. müsse sich hierzu entsprechendes Wissen aneignen. Gemeint gewesen sei natürlich islamisches Wissen, und B. habe dies ausgenutzt, um ihm zu erklären, dass er noch nicht bereit sei für das Kämpfen, aber lernbegierig. Abu Ibrahim habe ihm befohlen, Arabisch lesen zu lernen, damit er die Scheine lesen und verstehen könne, und habe einen Tunesier gebeten, der ihm dann täglich Arabischunterricht erteilt habe.
Zum Zuckerfest sei er gemeinsam mit Abu Ibrahim zur Moschee gefahren. Während der üblichen gegenseitigen Begrüßung der Brüder habe er B. plötzlich die schwarze Fahne des IS in die Hand gedrückt. Dies müsse zwischen dem 27. und 29. Juli 2014 gewesen sein. Hier sei das Foto von B. mit der IS-Fahne, Kalaschnikow und Sprenggürtel entstanden. Er vermute heute, dass das hierbei entstandene Foto eine abgesprochene Sache gewesen sei. Er habe zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gemerkt, dass er fotografiert werde. Einen Tag später sei Abu Ibrahim lachend zu ihm gekommen und habe ihm das Foto gezeigt und gesagt, es gebe Brüder, die seien schon seit zwei Jahren beim IS und hätten es nicht auf die offizielle Propagandaseite des islamischen Staates geschafft. Er habe gelacht und gesagt, "Dein Vater kriegt einen Schlaganfall, wenn er das sieht". B. habe so getan, als ob er sich freue. Er habe sich natürlich nichts anmerken lassen wollen. Er habe gedacht, dass ihm bei allem Vertrauen vorsorglich der Rückzug habe abgeschnitten werden sollen. Es sei ja bekannt gewesen, wie sein Vater zum IS stehe. B. habe verstoßen werden sollen und ihm habe der Rückzug rein vorsorglich unmöglich gemacht werden sollen.
Abu Ibrahim habe B. erklärt, dass eine Schlacht unmittelbar bevorstehe und ihre Einheit Stück für Stück abrücken werde aus dem Stadtgebiet. Es werde nicht in einer Kolonne gefahren, sonst melde irgendein Spion dem irakischen Geheimdienst, dass ein Angriff bevorstehe. Abu Ibrahim habe ihm auch gesagt, dass er geklärt habe, dass B. in die "Medizinergruppe" komme und einen Krankentransporter fahren solle. B. werde nach der Morgendämmerung abgeholt und dann werde man ihm die Einzelheiten erklären. Das sei am 29. Juli 2014 gewesen. Am 30. Juli 2014 seien dann zwei Leute gekommen und hätten ihn abgeholt. Sie seien "gefühlt" eine Stunde gefahren und man habe ihm einen Krankentransporter anvertraut. Es sei ein weißer Ford mit amerikanischer Lenkradschaltung (Automatik) gewesen. Der Innenraum sei mit Matratzen belegt und umgebaut gewesen. B. sei mehrfach die Strecke probehalber gefahren, für die er vorgesehen gewesen sei. Er habe ein Gefühl für das Auto und auch für die Strecke bekommen sollen, zumal er auch nachts habe fahren sollen.
Es seien insgesamt zwei Transporter mit jeweils einem Fahrer und einem Mediziner gewesen. In B.s Fall ein Mann, der angeblich vier Semester Medizin studiert habe. Die Strecke habe etwa 30 bis 35 km betragen. Man habe das Licht ausschalten müssen. Im Dunkeln habe man sich an den Funktürmen orientieren können, die ein rotes Toplicht gehabt hätten. So sei man von einem Licht zum anderen gefahren. Nach dem Vierten sei es dann einfach rechts gegangen, und dann sei man auch schon nach kurzer Zeit in einer beleuchteten Straße gewesen. Der Strom auf der Strecke sei nachts ausgeschaltet worden.
In dem anzufahrenden Krankenhaus habe es einen Extraeingang gegeben, wo nur der IS Zugang gehabt habe. Vor dem Tor hätten zwei IS-Leute gestanden, die das Rolltor sofort geöffnet hätten, wenn die Krankentransporter angekommen seien. In dem Krankenhaus habe der IS einen eigenen Bereich gehabt, also extra Ärzte, die gewartet hätten. Das Rolltor sei aufgegangen und nur sie seien hineingekommen. Es sei dem IS wichtig gewesen, dass alles "unter uns" bleibe. Das Volk oder Zivilisten hätten nicht sehen sollen und dürfen, wie viele Verletzte oder Tote es gebe. Denn nach außen sei der IS immer nur als erfolgreich, stark und unbesiegbar dargestellt worden. Es sei B. eingebläut worden, dass er niemandem sagen dürfe, wie viel Verletzte sie hätten. Auch aus diesem Grund habe es eine völlig getrennte Abteilung in dem Krankenhaus gegeben. Alles sei wirklich gut organisiert gewesen.
B. meine, dass es am 31. Juli 2014 gegen 17:00 Uhr losgegangen sei. Er habe zusätzlich ein Walkie-Talkie bekommen, was er auf Kanal 2 habe stellen müssen. So sei er verbunden gewesen mit dem Pick-up, auf dem zwei Iraker gesessen hätten, die Verwundete und Verletzte direkt aus dem Kampfgebiet geborgen hätten. Gegen 19:00 Uhr habe B. eine schwarze Rauchwolke gesehen. Das sei Rohöl gewesen. Es habe dazu gedient, eine Rauchdecke zu fabrizieren. Der Himmel sei dunkel geworden. Wenn Flugzeuge oder Drohnen kämen, könnten diese den Boden und die dort fahrenden Einheiten nicht wahrnehmen. B. habe einen lauten Knall gehört, das sei ein Selbstmordattentäter gewesen, und dann sei es losgegangen. Er habe nur noch Geratter, Patronenknallen, Raketen usw. gehört. Es sei sehr, sehr laut gewesen.
Aus Neugier habe er auf Kanal 1 geschaltet und mitgehört, was dort kommuniziert worden sei. Nach etwa 10 bis 15 Minuten habe er "Verletzte hier, Tote da" gehört usw. Er habe wieder zurückgeschaltet und schon sei auch der Pick-up mit den beiden Irakern angefahren gekommen. Auf dem Pick-up seien drei Tote und sechs Verletzte gewesen, die laut geschrien hätten. B. sei völlig überfordert gewesen. Noch nie in seinem Leben habe er eine solche Angst gehabt. Die Leichen hätten "verkokelt" gerochen, und die Verletzten hätten vor Schmerzen geschrien. B. sei völlig überfordert gewesen und nicht mehr "klar gekommen". Er habe hier das erste Mal einen Toten gesehen und sei wie gelähmt gewesen. Er habe sich mehrfach übergeben. Die anderen hätten ihn angeschrien, aber er habe nicht reagieren können. Sie hätten die Verletzten in das Auto geschoben und seien wieder weg gerast. Der Arzt sei zu ihm gekommen und habe ihn angeschrien, er solle sich zusammenreißen. Er habe B. eine Flasche Wasser gebracht und ihm Wasser über den Kopf geschüttet. B. habe getrunken, aber es sei sofort wieder herausgekommen. Sie hätten die Toten zur Seite getragen und abgedeckt. Der eine habe fürchterlich nach Fäkalien "gestunken". Seine ganzen Gedärme seien ihm herausgerissen gewesen.
Kurz danach sei der Pick-up erneut gekommen und es seien drei bis vier Verletzte und ein Kind mit seiner Mutter gewesen. Der Junge habe am Bein geblutet. Sie hätten ihn verarztet und seien dann mit den Verletzten losgerast. Hinten sei es sehr laut gewesen. Sie hätten geschrien "Schneller, schneller!", und gegen die Trennwand gedonnert. B. habe ja nicht einmal gewusst, wie schnell er fahre. Das Armaturenbrett sei mit Pappe abgeklebt gewesen, damit auch dort kein Lichtschein entstehen konnte. Auf dem Weg zum Krankenhaus habe er sich noch einmal erbrechen müssen. Das Armaturenbrett sei voll mit Erbrochenem gewesen. Es habe fürchterlich "gestunken" wie eine Mischung aus Blut, Urin, Kot und Erbrochenem.
Als sie im Krankenhaus angekommen seien, sei er nicht einmal ausgestiegen. Er habe nicht mehr gekonnt, und sei in dem Auto sitzen geblieben. Zehn Minuten später seien sie zurückgefahren. Der angebliche Arzt habe auf ihn eingeredet. Aber er habe nicht zugehört. Er sei völlig "neben der Spur" gewesen. So sei das etwa drei oder vier Stunden gegangen. Er sei ein paarmal gefahren, wisse aber heute nicht mehr wie oft. Drei Stunden nach Beginn habe man Lichter am Himmel gesehen. Die Flieger seien gekommen und hätten Bomben geworfen und/oder Raketen.
Bei der letzten Fahrt habe er - wie immer - das Licht ausgemacht. Er sei frontal mit einem anderen Krankentransporter zusammen "gekracht", der ebenfalls ohne Licht gefahren sei. B. habe den anderen Wagen überhaupt nicht gesehen. Er denke, dass er das nur überlebt habe, weil er angeschnallt gewesen sein. Er habe sich an der Schulter und an der Hand verletzt. Nach wenigen Minuten sei er wieder zu Bewusstsein gekommen. Die Verletzten hätten übereinander gelegen. Zwei seien noch am Leben gewesen. Er habe den Unfall gemeldet und sei dann zusammengebrochen. Das sei alles zu viel für ihn gewesen. 15 Minuten später sei dann ein anderer Pick-up erschienen und habe sie ins Krankenhaus gebracht. Man habe ihn geröntgt und ihn dann mit anderen Verletzten in eine Villa gebracht.
Er habe dann noch in der Nacht K. M'H. eine SMS geschickt zu dem Unfall.
Ihm sei klar gewesen, dass es so nicht habe weitergehen können. Er habe irgendeinen Weg finden müssen, um zunächst aus dem Irak herauszukommen. Dies habe der erste Schritt sein sollen. Er habe sich so etwas wie diese Nacht nicht noch einmal antun wollen. Er sei in der Stadt geblieben und habe festgestellt, dass die IS-Einheiten weitgehend abgezogen seien. Sie alle seien mit der "Schlacht" beschäftigt gewesen. Zugleich sei ihm bewusst gewesen, dass er nur noch wenige Tage gehabt habe, die er sich unter Berufung auf seine Verletzung einem Einsatz würde entziehen können. Gerade weil die Präsenz des IS aktuell durch die Schlacht stark ausgedünnt gewesen sei, sei ihm die Gelegenheit günstig erschienen.
Er habe Kontakt zu seinem Bruder M. aufgenommen, um eine Route herauszusuchen. M. habe versuchen sollen herauszufinden, wo gerade Krieg sei und wo vielleicht der beste Weg sei, den B. nehmen konnte. Am Telefon hätten sie immer gucken müssen, was sie sagen konnten und was sie nicht sagen konnten. Er habe sich bei zwei von den "irakischen Jungs" informiert, die er bereits erwähnt habe. Er habe wissen wollen, welche Transportmöglichkeiten es gebe und wo welche Checkpoints seien. Die Jungs hätten ja Motorräder gehabt und sich ausgekannt. B. sei sehr vorsichtig gewesen. Andauernd sei er gefragt worden, ob es ihm besser gehe und er nun wieder bereit sei, zu kämpfen. B. habe das verneint und versucht, möglichst viel Zeit zu "schinden". Eine Flucht über den Nordirak in die Türkei sei ausgeschieden, da B. dann über die kurdischen Autonomiegebiete in den Nordirak hätte fliehen müssen. Diese Route sei unkalkulierbar gewesen. In dieser Zeit habe er täglich damit gerechnet, zu einem Kampfeinsatz abkommandiert zu werden, zumal ihm der Unfall vorgeworfen worden sei: "Selbst dafür bist du nicht zu gebrauchen!". Dies sei auch der Hintergrund für die seiner Verlobten gegenüber per SMS geäußerten Ängste, in den nächsten Tagen vielleicht zu fallen. Er habe versucht, unter Hinweis auf seine Verletzung möglichst viel Zeit zu gewinnen. Klar sei gewesen, dass er dies nicht unbegrenzt habe tun können. Er habe jetzt also weg gemusst von seiner Einheit und aus dem Irak heraus.
Am 10. August 2014 habe er sich zur Flucht über Syrien entschlossen. Bereits am Vortag habe er mit seinem Bruder, der ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in Tunesien gewesen sei, Kontakt aufgenommen, um sich über die Route abzustimmen. Im Verlauf des 10. August 2014 habe er diverse Male mit seinen Brüdern und seinem Vater telefoniert und diese über die Flucht auf dem Laufenden gehalten. Er habe die Kalaschnikow und alles, was dem IS gehört habe, einschließlich des Sprenggürtels, zurückgelassen, sei zu den Minibussen gegangen und mit einem dieser Busse in Richtung al-Qa'un an der irakisch-syrischen Grenze gefahren. Die Fahrt habe mehrere Stunden gedauert. Dann habe er einen Bus in Richtung al-Mayadin und von dort nach ar-Raqqah genommen.
Er habe diverse Checkpoints passiert. Er habe sich immer möglichst weit hinten ans Fenster gesetzt und mit dem Kopf hinter die dort an den Fenstern vorhandenen Vorhänge gelehnt. Zivilisten hätten keinen Passierschein gebraucht. Sie seien nur auf Sicht kontrolliert worden. An mehreren Checkpoints sei aber auch genauer kontrolliert worden und es hätten alle Gepäckstücke geöffnet werden müssen. B. habe keinen Passierschein gehabt und habe einfach Glück gehabt. Er habe sich herausgeredet, sich Lügen zurechtgelegt. Meist habe er versucht, möglichst offensiv zu sein, nach dem Motto "Du machst dir einen Lauen am Checkpoint und laberst mich voll? Mein Schein ist auf der anderen Seite, ich komme gerade aus der Schlacht, siehst du nicht hier, da und da, ich bin verletzt". Und dann habe er gesagt, er sei bei "der und der Einheit". Er müsse dringend "da und da hin" und sie hätten Verletzte und bräuchten Ärzte und er solle Pflegeleute holen usw.. Im Ergebnis habe er ein "irres Glück" gehabt. Immerhin sei er allein ca. 700 km durch zwei Länder gefahren ohne Passierschein und ohne Waffen. Aber auch mit den Fahrern habe er Glück gehabt. Man habe dort immer damit rechnen müssen, dass auch Busfahrer einen für ein paar Dollar an das Regime von Assad oder das irakische Regime verkauften. Er habe ja nicht einmal wirklich gewusst, wie die genaue Route war. Er habe nur ungefähr die Städte gewusst, wo er lang gemusst habe.
Allerdings habe auch K. M'H. schon im Verlauf des 10. August 2014 während seiner Flucht mit dem Bus gemerkt, dass B. "abgehauen" sei. Er habe ihn angerufen. Auch hier habe B. gedacht, die beste Verteidigung sei Angriff. Er habe also überlegt, dass er direkt zu Y. O. gehe. Er habe keinen Plan für die weitere Flucht von Syrien in die Türkei gehabt. Er habe also nicht gewusst, wie er jetzt habe "durchstarten" sollen. Außerdem habe er damit rechnen müssen, dass sie jetzt dort eine "große Fahndung" starten. Er habe verhindern müssen, dass sein Foto im Internet hochgeladen werde und er als flüchtig gemeldet werde. Jedenfalls habe er Kontakt aufgenommen und sich verabredet und sich dann ca. anderthalb Stunden in einem Internetcafé aufgehalten und gewartet.
M. M. sei gekommen und habe ihn abgeholt. Er sei total verärgert gewesen und habe sinngemäß gesagt: "Komm mit, du Idiot!", es habe auch keine Begrüßung gegeben. B. habe gedacht, jetzt sei er geliefert. Er habe M. gefragt, wo sie hinführen. Und dieser habe ihm geantwortet, zu Y. zum Gericht. "Y. wartet schon auf dich. Du hast jetzt große Probleme". B. habe ihn daraufhin gebeten, noch einmal kurz an einem Internetcafé anzuhalten. Er habe M. erklärt, dass er sich noch bei K. entschuldigen wolle. M. habe gesagt: "Okay, du hast zwei Minuten. Mach schnell, Y. wartet auf dich". B. habe dann zunächst K. M'H.angerufen und dann direkt bei sich Zuhause, ohne dass M. gemerkt habe, dass es zwei Gespräche gewesen sein. Sein Bruder Mohamed sei ans Telefon gegangen und habe sofort begriffen, dass B. Probleme bei seiner Flucht habe. B. habe dann M. gesagt: "Hier, hier will einer mit dir reden". M. habe gedacht, dass es K. M'H.sei, und B.s Bruder habe dann mit ihm in etwa so gesprochen: "Alles klar Bruder, wie geht's dir und deiner Familie, was ist denn passiert? Du weißt schon, ich kenne dich und deine Eltern, mach dir keinen Kopf, ich pass auf deine Eltern auf" und so. Das Ziel dieses Telefonats sei gewesen, dass einerseits B.s Familie habe wissen sollen, dass er jetzt bei "den W.ern" in Syrien sei und dass, wenn ihm etwas passiere, diese verantwortlich seien. Außerdem habe sein Bruder diese Situation genutzt, um M. verdeckt zu drohen, ihm jedenfalls deutlich zu machen, dass die Botschaft auch bei ihm angekommen sei, dass B. jetzt bei "den W.ern" sei.
Dann seien Sie bei Y. O. angekommen. Es sei wie eine Gerichtsverhandlung gewesen, es sei der schlimmste Tag seines Lebens gewesen. Sie seien in das Büro hineingegangen, wo Y. O. gesessen habe. B. habe ihn begrüßen und küssen wollen. O. habe aber den Gruß verweigert und zwei Leute hereingerufen, die B. Handschellen angelegt hätten. Er habe gesagt: "Ich habe jetzt Termine, ich hole dich später ab". Sie hätten B. in einen Raum im dritten Stock gebracht, nicht in den Keller, wo der eigentliche "Knast" gewesen sei. Aber er sei in einem Zimmer oben untergebracht gewesen, aus dem er nicht habe abhauen können. Er habe nicht herunter springen können, die Tür sei abgeschlossen gewesen. Er sei ganz allein gewesen. Man habe ihm auch Handy und Geld abgenommen. In dieser Zeit habe ihm M. bestimmt gesagt, was "abgegangen" sei mit "diesem Telefonat und so". Er habe also damit rechnen müssen, dass wenn B. jetzt etwas passiere, in ganz W. herum gehe, dass "die W.er" verantwortlich für seinen Tod seien.
Nach zwei Stunden sei O. zurückgekommen und sie seien in das Büro gegangen. Er habe sich hingesetzt, einen Stift in die Hand genommen, minutenlang geschwiegen und B. angestarrt. B. habe ihn gefragt: "Was ist los Y.? Wir sind doch Brüder!". O. habe gefragt: "Sind wir das?" Er habe ihn gefragt, ob er wisse, worum es gehe. B. habe mit der Gegenfrage geantwortet, "Nur weil ich vom Irak abgehauen bin?". O. habe gesagt: "Nein, weil der IS dich als Spion verdächtigt und weil du nach islamischem Recht dem Dschihad den Rücken gekehrt hast." B. sei der einzige W.er, der Probleme mache und rebelliere und, als ob das nicht schon schlimm genug sei, mache seine Familie auch noch "Stress" in W.. O. habe B. gesagt: "Weißt du eigentlich, dass du tot besser für den IS bist als lebend? Und bevor wir dich nach Hause lassen, werden wir dich schlachten", und schließlich: "Dass du noch lebst, hast du mir zu verdanken. Ich weiß, dass du kein Spion bist, dafür bist du zu dumm. Aber der IS denkt das und die anderen Brüder aus W. denken das auch." B. habe Tränen in den Augen bekommen und angefangen zu weinen. O. habe gesagt: "Ich kann dich nicht nach Hause lassen und du erzählst dann, was hier abgeht. Außerdem, wenn wir einen gehen lassen, werden die Familien der anderen rebellieren und sagen, wenn einer gehen kann, warum dann die anderen nicht. Es ist besser, wenn wir dich schlachten. Du gehorchst nicht und tust nie, was man dir sagt. Du willst immer deinen Kopf durchsetzen. Was würdest du an meiner Stelle tun?" Darauf habe B. erwidert, dass er das nicht wisse. O. habe in den Raum gerufen und gefragt: "Was machen wir mit ihm?". M. habe dann gesagt: "Gib ihm eine letzte Chance, setz ihn auf Bewährung". B. denke, dass das abgesprochen gewesen sei. Er habe "geheult wie ein Mädchen". O. habe jedenfalls gesagt: "Okay, wir setzen ihn auf Bewährung". M. habe ebenfalls gesagt, er denke, B. werde keine Probleme machen, er werde bei ihnen bleiben. O. habe B. dann unter Überwachung gestellt. Er habe erst bei ihm und dann bei M. schlafen müssen. B. sei dann immer unter Beobachtung gewesen. In der gesamten Folgezeit hätten sie sein Handy kontrolliert. O. habe ihn dann aufgefordert, seinen Namen zu ändern, und ihm auf diesen Namen einen neuen Passierschein ausgestellt. Er habe gesagt: "Das Eis ist sehr dünn", und es sei die letzte Warnung.
Am 13. oder 14. August 2014 sei O. zu ihm gekommen und habe gesagt: "Hör mal zu, du bist quasi illegal nach deinem Weggang aus dem Irak". Bei diesem Gespräch sei S. H. dabei gewesen. B. habe sich bei der Kaukasusgruppe von H. melden und von dieser aufgenommen werden sollen. Dort habe er zwei bis drei Wochen bleiben sollen, und dann werde O. versuchen, B. bei einer anderen Einheit in ar-Raqqah unterzubringen. Die Kaukasusgruppe habe im Wesentlichen aus Tschetschenen und Albanern bestanden. Ihr Lager sei in einem kleinen Ort in dem Dreieck zwischen Aleppo, al- Bab und A'Zaz, dicht an der türkischen Grenze gewesen.
B. habe versuchen müssen, das Vertrauen des IS wiederzugewinnen. Er meine, dass sich dies zum Teil auch in seinen Chats widerspiegele. Namentlich der Chat mit B. H.sei diesem Umstand geschuldet. B. H.sei nicht seinetwegen nach Syrien gegangen. Er sei längst von anderer Seite so weit radikalisiert gewesen, dass er sich dem IS habe anschließen wollen. Für B. sei es eine Möglichkeit gewesen, sich als treuer Gefolgsmann darzustellen. Es sei in den vom IS kontrollierten Gebieten üblich, dass bei Kontrollen, und zwar nicht nur an entsprechenden Checkpoints, sogar die Mobiltelefone von Zivilisten kontrolliert werden auf verräterische Chats oder sonstige Hinweise, die sie verdächtig machen könnten. Selbstverständlich würden nicht nur die Mobiltelefone von Zivilisten kontrolliert, sondern B. habe auch jederzeit damit rechnen müssen, dass sein Telefon kontrolliert werde. Ihm sei gar nichts anderes übrig geblieben, als so zu tun, als sei er ein glühender Anhänger des IS.
Die "Kaukasus-Leute", dies habe er relativ früh gemerkt, seien schlampig mit den Papieren umgegangen. Er habe dann einfach H. gefragt, ob er einen entsprechenden Passierschein bekommen könne, um einen Tag nach Manbij zu fahren. H. habe in seiner Brieftasche einen "ganzen Packen" an Papierscheinen gehabt, einen davon herausgeholt und ihm mit der Erklärung überreicht: "Okay, füll ihn dir aus". B. sei dann auch an einem Tag nach Manbij gefahren und wieder zurück.
Er meine, dass er am 14. August 2014 bereits seinen Vater informiert habe, er solle seine Cousine informieren über einen möglichen Anruf, sie solle mitspielen. Er habe unter dem Vorwand, dass seine Verlobte angeblich in Istanbul sei und nach Syrien kommen wolle, aber nicht allein reisen wolle, einen Passierschein erlangen wollen.
Erst am 15.8.2014 habe man ihm wieder so weit vertraut, dass er auch eine Waffe (Kalaschnikow) erhalten habe.
Am 16. August 2014 habe er dann zu H. gesagt, er müsse bzw. wolle noch einmal in das Auffanglager bei Jarabulus. Dort habe B. den ihm noch aus seiner Einreisezeit bekannten Emir Abu Dujana angesprochen und ihm, nachdem B. sich erst mit verschiedenen angeblichen Geschehnissen gebrüstet habe, darüber informiert, dass seine Verlobte in Istanbul sei und eigentlich nach Syrien kommen wolle, aber Angst habe, allein zu kommen. B. müsse sie abholen. Der Emir habe ihm dann vorgehalten: "Was willst du in der Türkei? Du hast nicht mal einen Pass!" B. habe dann behauptet, seine Frau bringe ihm einen gefälschten Pass mit, sodass er in der Türkei nicht auffallen würde. Nach längerer Diskussion habe sich der Emir schließlich bereit erklärt, ein "Auge zuzudrücken", aber B. müsse eine entsprechende Freigabe durch die Kaukasusgruppe erhalten.
B. sei dann schnell zurückgefahren und habe sich einen entsprechenden Passierschein blanko geholt. Den Taxifahrer, der ihn nach Jarabulus zurückgefahren habe, habe er gebeten, den Schein auszufüllen. B. habe ihm schlicht diktiert, da er nicht fehlerfrei Arabisch habe schreiben können. Er habe sich selbst sieben Tage Urlaub gegeben. Diesen Passierschein habe er dann dem Emir im Auffanglager gezeigt, der dann erklärt habe, dass B. mit zwei anderen, die in die Türkei zurück müssten, einer sei krank gewesen und der andere habe irgendeinen anderen Auftrag gehabt, die Grenze überqueren könne. Wenn am nächsten Tag ein "neuer Schub Leute" gebracht werde, sollten diese zwei in die Türkei mit zurückgenommen werden. B. habe die ganze Nacht wach verbracht. Jetzt sei klar gewesen, dass er jederzeit habe "auffliegen" können. Wenn jemand aus der Kaukasusgruppe oder O. nachgefragt hätte, wo B. geblieben sei, wäre seine Tarnung aufgeflogen. Es habe also nur noch "die Flucht oder den Tod" gegeben.
Hinsichtlich der in dem sichergestellten Mobiltelefon dokumentierten Internetkommunikation, zu der er sich auf Vorhalt noch im Einzelnen äußern werde, müsse man jeweils beachten, in welcher Situation er mit welcher konkreten Person einen "Chat" geführt habe. Bereits hierbei werde man feststellen, dass es deutliche Unterschiede gebe. Die Chats vor seiner Flucht in die Türkei seien aber natürlich auch von folgendem geprägt: er habe sich bereits in der sogenannten Ausbildungsphase verdächtig gemacht gehabt, weil er immer wieder darauf hingewiesen habe, dass er nicht als Kämpfer nach Syrien gegangen sei und mit der Situation unzufrieden sei und nach Hause wolle. Es komme die ausgesprochen schwierige Situation mit einer Flucht in zwei Etappen hinzu, da er nicht direkt aus dem Irak in die Türkei habe flüchten können. Er wolle in diesem Zusammenhang den Spiegel vom 27.06.2015 zitieren. Dieser schreibe über die Situation in Mossul: "In den Straßen der Stadt patrouillieren Mitglieder der Sittenpolizei Hisba. Sie streichen in ihren Autos durch die Viertel, kontrollieren, ob die Geschäfte während der Gebetszeiten geschlossen sind, ob die Männer Bart tragen, die Frauen züchtig bekleidet sind, ob sie in Begleitung eines männlichen Verwandten oder ihres Ehemannes unterwegs sind. Und wie die Bewaffneten an den zahlreichen Checkpoints in der Stadt, kontrollieren sie immer wieder die Handys, wühlen durch Facebook-Einträge, durch SMS-Konversationen." Die Situation sei zutreffend beschrieben. Natürlich kontrolliere die Hisba nicht die Mobiltelefone der IS-Kämpfer. Bei internen Untersuchungen des IS aber auch an Checkpoints sei eine entsprechende Kontrolle allerdings die Regel, nicht die Ausnahme. Gerade weil er unter Verdacht gestanden habe und gerade weil er seine Flucht frühzeitig und langfristig vorbereitet habe, sei es notwendig gewesen, zumindest in den dokumentierten Chat-Verläufen über jeden Verdacht erhaben zu sein und sich als "strammer IS-Gefolgsmann" auszugeben. Alles andere wäre Selbstmord gewesen. Wären die Chats und/oder SMS-Verläufe auch noch verdächtig gewesen, hätte er keine Chance gehabt, sein Vorhaben umzusetzen. Nur mit Verstellung und Täuschung habe er überhaupt eine Chance gehabt.
Auf zwei Chats wolle er gleichwohl eingehen, weil die in exemplarischer Weise deutlich machten, wie die Bundesanwaltschaft bemüht sei, zum Teil gegen den Wortlaut die Chats um zu interpretieren.
Aus dem Chat mit Liberato Fiorentino wolle die Bundesanwaltschaft rückschließen, dass B. am 11.08.2014 an einer militärischen Auseinandersetzung in Abu Kamal beteiligt gewesen sei. Vorweg geschickt sei, dass Liberato Fiorentino ein Bekannter aus Tunesien sei, der mit Y. O. befreundet sei. Richtig sei, dass B. geschrieben habe "wir haben heute Bukamil angegriffen". Dass die Formulierung "wir haben..." nicht bedeute, dass er in personam beteiligt gewesen sei, dürfe eigentlich auch der Bundesanwaltschaft klar sein. Die Formulierung beziehe sich auf den IS. Dass er selbst an dieser Auseinandersetzung beteiligt gewesen sei, sei nach dem Ablauf des Chats aber auszuschließen, wenn man ihn denn vollständig lese: er habe dreimal im Verlaufe des Chats am 11.08.2014, der um 10:28 Uhr begonnen habe und an diesem Tag um 12:03 Uhr geendet habe, ausdrücklich erklärt, dass er sich in ar-Raqqah aufhalte, und zwar unter Nr. 11 "ich bin in Ri..." Und unter Nr. 31 "das Video fing ich an, zu verkaufen hier in Riq..." und unter Nr. 58 "in Raqqa". Abu Kamal und ar-Raqqah seien ca. 300 km voneinander entfernt. Das sei fast eine Tagesreise unter den dortigen Bedingungen. Wenn man also den gesamten Chat wahrnehme, werde deutlich, dass B. in Abu Kamal jedenfalls an diesem Tag mit Sicherheit nicht gewesen sei.
Die unstreitige Tatsache, dass er nach seiner Flucht durch den IS auf eine Todesliste gesetzt worden sei, wolle die Bundesanwaltschaft nicht wahrhaben. Sie behaupte, in einer eigenwilligen Interpretation eines Chats vom 18.08.2014, dass B. die Todesliste bestellt habe. Auch hier sei die Interpretation der Bundesanwaltschaft nur gegen den Wortlaut des Chats möglich: der fragliche Chatverlauf mit M. M. umfasse mehrere Tage. Nach seiner Flucht fange M. M. am 18.08.2014 an, B. zu beschimpfen. Diese Beschimpfungen beende er am 18.08.2014 um 23:19 Uhr mit: "Pussy". Am 19.08.2014 antworte B. hierauf. Bereits in den Beschimpfungen des M. M. werde deutlich, dass B. sich abgesetzt habe und nicht im Einverständnis mit dem IS gegangen sei. Er beschimpfe M. dann am 19.08.2014 ebenfalls. Aus den Beschimpfungen würden dann wechselseitige Bedrohungen, an deren Ende B. ihm einen dritten Weg "Plan C" anbiete, nach dem Motto: "Ihr tut mir nichts, ich tu euch nichts". Konsequenterweise habe B. dann zum Abschluss ihn darum gebeten, ihm einen öffentlichen Gruß zu geben. Wie man einen öffentlichen Gruß als Setzen auf die Todesliste verstehen könne, sei B. unverständlich und bleibe das Geheimnis der Bundesanwaltschaft. Er habe auch nicht erklärt, der öffentliche Gruß diene dazu, ihn als "Aussteiger" darzustellen, sondern er habe um den öffentlichen Gruß gebeten, damit er "aus dem Schneider" sei. Er habe gerade keine öffentliche Abstempelung, sondern möglichst aus der öffentlichen Diskussion heraus gewollt und habe M. angeboten, das dann alles nach seinem oben skizzierten "Plan C" laufe: er werde sich also still verhalten, wenn die andere Seite sich auch still verhalte. B. habe M. ausdrücklich gesagt, er solle schreiben "ich werde dich vermissen, Bruder" als eine Verabschiedung. Auch dies dürfe wohl kaum die Aufforderung sein, ihn auf eine Todesliste zu setzen. Bedrohung und Beleidigung durch Mouhannid M. widerspiegelten sich auch in den Chats mit seinen Brüdern O. und M. am selben Tag, dem 19.08.2014 (SB Auswertung Samsung, Seite 230, 321).
Weitere Angaben werde er im Zusammenhang mit den einzelnen Chats - soweit erforderlich - machen.
Am Morgen des 17. August 2014 habe er dann gemeinsam mit den beiden anderen die Grenze übertreten. Auf türkischer Seite habe ein weißer Volvo gewartet. Dieser habe ihn dann nach Gaziantep gebracht. Aus Sicherheitsgründen habe er sich im Auto rasiert. Er habe sich einen entsprechenden Einmalrasierer besorgt. Die Rasur habe er erst in der Türkei vornehmen können, um nicht aufzufallen.
Er habe etwa zwei Stunden auf einen Bus warten müssen und habe auch da um sein Leben fürchten müssen, da er von mehreren Kurden misstrauisch beäugt worden sei. Er habe da noch in seiner "Aladin-Hose" und mit Gummilatschen aus Syrien und schlecht rasiert gesessen. Er habe den Bus von Gaziantep nach Antalya genommen und sei 12 bis 14 Stunden unterwegs gewesen. Dort sei er dann von Y. B. in Empfang genommen worden. Dieser Empfang sei von seiner Familie organisiert worden. Er habe zuvor - auch dies ergebe sich aus den Chats - Y. B. ein Foto seines Bustickets geschickt.
Sie hätten zunächst nicht einmal in ein Hotel einchecken können, weil B. keinen Ausweis gehabt habe. Sein Bruder habe ihm dann ein Foto seines Personalausweises geschickt.
Für die Ausreise habe es noch das Problem gegeben, dass er mit dem Reisepass eingereist sei. Es habe also einen Stempel in seinem Reisepass gegeben. Den Pass habe er aber aus den genannten Gründen beim IS zurücklassen müssen. Für die Ausreise mit dem Personalausweis, der ihm durch seinen Vater gebracht werden sollte, habe er dann aber einen Einreisebeleg benötigt. Aus diesem Grund habe er den Pass in der Türkei als gestohlen gemeldet.
Sein Vater sei am 19. August 2014 angekommen und sie seien nach vorheriger Ankündigung gegenüber dem Landeskriminalamt am 21. August 2014 in die Bundesrepublik geflogen.
Soweit die Bundesanwaltschaft behauptet habe, er habe aus dem Mobiltelefon von S. K., dass er bei sich geführt habe, die SD-Karte entnommen und in den Schuhen, Socken oder wo auch immer, getrennt eingeführt und nicht den Ermittlungsbeamten ausgehändigt, sei dies falsch. Richtig sei, dass er die SD Karte zunächst habe mitnehmen und auch bei der avisierten Kontrolle durch die Polizei nicht habe aushändigen wollen. Hintergrund dieser Überlegung sei folgender gewesen:
Wie er bereits ausgeführt habe, handele es sich um die SD-Karte von S. K.. Am 16., 17. und 18. August 2014 habe er per Facebook Kontakt zu der Mutter seines verstorbenen Freundes S. K. und zu dessen Vater (M. K.) gehabt. Auf der SD-Karte seien ausschließlich Fotos und Erinnerungen von (und damit auch an) S. K. gewesen, unter anderem habe er Erinnerungsfotos seiner "Lieben" abgespeichert gehabt. B. habe diese seiner Familie geben wollen. Er habe sich mit beiden treffen und ihnen die SD-Karte aushändigen wollen. Er sei der Meinung, dass sich dies auch klar und eindeutig aus seinen Chats mit den beiden ergebe. Er habe sich dann in letzter Sekunde auf dem Flughafen vor dem Abflug anders entschieden und die SD-Karte nicht mitgenommen, sondern vernichtet. Einerseits habe er an den ihn erwartenden Polizeibeamten nichts vorbei schmuggeln wollen und andererseits habe er auch das Andenken von S. K. nicht noch weiter beschmutzen wollen. Es habe ihm nicht zugestanden, die "fotografischen Erinnerungen" des S. K. der Polizei auszuhändigen. Diese hätten seiner Familie gehört.
Die Bundesanwaltschaft halte ihm vor, er habe vor bzw. anlässlich der Einreise nach Deutschland am 21. August 2014 sein bzw. S. K.s Mobiltelefon mit dem Mobiltelefon seines Vaters getauscht, weil er damit gerechnet habe, bei der Einreise am Flughafen kontrolliert und durchsucht zu werden. Er hätte damit bezweckt, dass sein Mobiltelefon nicht hätte aufgefunden werden sollen und damit darin befindliches belastendes Material nicht hätte festgestellt werden sollen. Diese Vermutung sei "Unsinn". Er habe seinem Vater S. K.s Telefon gegeben, weil dieses Telefon keine SIM-Karte gehabt habe, er damit also nicht habe telefonieren können, und er selbst das Telefon seines Vaters bei sich geführt habe, weil er schon in der Türkei bei M. I. H. angerufen habe wegen seiner Ausreise.
All dies wäre mit S. K.s "altem" Telefon mangels SIM-Karte nicht möglich gewesen. Ihm sei klar gewesen, dass er bei der Einreise nach Deutschland festgenommen und durchsucht werde. Ihm sei auch klar gewesen, dass sofort ersichtlich sein würde, welches Telefon seinem Vater und welches ihm gehöre. Hätte er sein bzw. S. K.s Telefon dem polizeilichen Zugriff entziehen wollen, hätte er es schlicht in der Türkei verschwinden lassen können. Aus seiner Sicht ergebe die Argumentation der Strafverfolgungsbehörden überhaupt keinen Sinn. Außerdem habe er sofort mitgeteilt, wem welches Telefon zuzuordnen sei.
Die weitere Unterstellung der Bundesanwaltschaft, er habe am 22. August 2014 seinen Facebook Account gelöscht, um belastende Chats und Datenmaterial den Strafverfolgungsbehörden unzugänglich zu machen, sei ebenfalls "an den Haaren herbeigezogen". Die Facebook-Chats seien zu einem erheblichen Teil über das Mobiltelefon nachvollziehbar. Die Situation sei jedoch nach seiner Ausreise von folgendem gekennzeichnet gewesen: Durch seine Ausreise, die Tatsache, dass er bei der Polizei umfangreich ausgesagt habe und die öffentliche Anprangerung im Internet sei auf Facebook der "Shitstorm" losgegangen. Dies sei der Grund gewesen, den Facebook-Account am zweiten 20. August 2014 zu löschen.
Er habe sich über mehrere Tage der polizeilichen Vernehmung gestellt, bevor seine Familie einen Anwalt beauftragt habe. Auf dessen Rat habe er dann zunächst keine weiteren Erklärungen abgegeben, da ihm der damalige Anwalt erklärt habe, er wolle zunächst Akteneinsicht nehmen.
Er habe in der Folgezeit gedacht, er versuche doch den in dem Chat mit M. M. vom 19. August 2014 erwähnten "dritten Weg" (Plan C) zu gehen, um möglichst unbehelligt sein bisheriges Leben wieder aufzunehmen. Er habe damals auch die Illusion gehabt, vielleicht doch bei VW wieder reinzukommen, und habe alles andere gewollt, als in der Öffentlichkeit zu stehen. Das polizeiliche Angebot des Zeugenschutzes sei ihm nicht verlockend erschienen, sei es doch verknüpft gewesen mit einer Trennung von all seinen Bezugspersonen, die ihm vor und während seiner Flucht, aber auch in seinem bisherigen Leben Halt gegeben hätten. Er habe sich ein Leben ohne seine Familie nicht vorstellen können. Zugleich sei er traumatisiert gewesen durch die vorangegangenen Geschehnisse. Er habe zweieinhalb Monate in ständiger Todesangst gelebt. In Angst, vom IS als Spion gebrandmarkt und gegebenenfalls "geschlachtet" zu werden; in Angst vor dem Krieg, in Angst dort "von wem auch immer" getötet zu werden; in Angst vor Flugzeugen und Drohnen und Raketenbeschuss und in Angst vor Entführung durch eine kriminelle Bande und Verkauf an den militärischen Gegner mit Folterung und Tod.
Er habe "eigentlich bis heute" diese tiefe Todesangst nicht wirklich überwinden können. Er habe nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik noch lange zusammengezuckt bei plötzlichen lauten Geräuschen, bei Flugzeuglärm und auch nur bei Sicht auf einen Kondensstreifen. Er habe mehrere Monate gebraucht, um sich einigermaßen unbefangen außerhalb der eigenen vier Wände zu bewegen.
Schließlich halte ihm die Bundesanwaltschaft vor, er sei im September 2014 nach Paris gefahren, um den Mitangeklagten H. B. davon abzuhalten, nach Deutschland zurückzukehren. Das Gegenteil sei richtig. Zunächst einmal sei er froh und erleichtert gewesen, E. H. B. lebend zu wissen. Er habe sich schlicht darüber gefreut, dass er einen Weg gefunden habe, sich aus Syrien abzusetzen. Dies umso mehr, als ihm bereits damals unverständlich gewesen sei, weshalb H. B. sich als Selbstmordattentäter gemeldet hatte. Auch angesichts des Todes von S. K. sei er einfach glücklich gewesen, dass H. B. noch am Leben gewesen sei. Er habe sich auch ein bisschen verantwortlich gefühlt, schließlich seien sie damals zusammen ausgereist.
Es sei hinzugekommen, dass E. H. B. offenkundig unsicher gewesen sei, wie er sich habe verhalten sollen. Er sei eben nicht nach Deutschland zurückgekehrt, sondern über Umwege (Tunesien) nach Frankreich gekommen. B. sei der Meinung gewesen, dass es keinen Zweck habe, sich irgendwo zu verbergen. Seines Erachtens habe ein derartiges Verhalten keinerlei Perspektive gehabt. Er sei der Meinung gewesen, E. H. B. solle, ebenso wie er, nach Deutschland zurückkommen.
Er wolle daran erinnern, dass er H. B. bereits am 17. August 2014 unmittelbar nachdem er in der Türkei gewesen sei, über seine Flucht informiert habe. Er habe ihn ausdrücklich aufgefordert, auch "abzuhauen". Er habe ihm geschrieben, dass er aus dem Irak nach Syrien geflüchtet sei und Y. O. ihn als Spion verdächtigt habe und dass auch nach der Flucht nach Syrien die ihn hätten "schlachten" wollen und dass er dann in die Türkei geflüchtet sei am 17. August 2014. B. habe H. B. versichert, dass er ihn nicht "hängen lassen" werde und er auf jeden Fall "abhauen" soll und das B. ihm helfe. Die Einzelheiten ergäben sich aus dem entsprechenden Chat-Verlauf.
Dann habe er zunächst keinen Kontakt mehr gehabt, bis ihn schließlich jemand aus W. angerufen habe, der auf der Fähre von Tunesien nach Genua gewesen sei und der B. erzählt habe, H. B. sei auf der Fähre. Auf der Fähre seien zeitgleich mit H. B. ein ganzer Teil anderer W.er, so unter anderem Familienangehörige von M. M. gewesen.
B. wisse heute nicht mehr, wer ihn damals angerufen habe, jedenfalls habe er sich dann E. H: B.s Telefonnummer besorgt und diesen angerufen. Zu diesem Zeitpunkt sei der allerdings nicht in Italien, sondern bereits in Lyon und auf dem Weg nach Paris gewesen. B. habe H. B. nicht davon abgehalten oder abhalten wollen, nach Deutschland zu fahren. Ibrahim H. B. sei unsicher gewesen, wie er sich habe verhalten sollen. Dies ergebe sich bereits aus seiner Reiseroute Türkei-Tunesien-Italien-Frankreich (statt Türkei-Deutschland, wie in B.s Fall). Gerade aus diesem Grund habe B. ihn aufgesucht und ihm erzählt, wie die Situation anlässlich seiner Einreise gewesen sei. B. habe ihm erklärt, dass er sich der Polizei gestellt habe, sich ausführlich habe vernehmen lassen und schlicht und einfach die Wahrheit gesagt habe und gleichwohl auf freiem Fuß sei. Natürlich hätten sie auch über die Tatsache gesprochen, dass B. Angst vor Repressalien gehabt habe bzw. mit derartigen auch zu rechnen sei. B. habe ihm auch erklärt, dass er auf einer Todesliste gestanden habe, und dass er anlässlich der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht nur Angst vor dem IS sondern auch vor Kurden oder anderen Dritten habe, die seine Rückkehr vielleicht zum Anlass nehmen könnten, an ihm ein Exempel zu statuieren. Er sei der Meinung gewesen, dass man hierüber offen reden müsse, weil E. H. B. letztlich die gleichen Gedanken gequält hätten. Ob E H. B. das so verstanden habe oder nicht, könne er nicht abschließend beurteilen. Im Ergebnis sei er aber nach Deutschland gekommen, sodass B. davon überzeugt sei, dass er hieran einen Anteil habe. Keinesfalls habe er H. B. daran hindern wollen, nach Deutschland zu kommen.
Er habe ein zweites öffentliches Facebook Profil mit dem Namen "Abu M. Tunsi" am 2. August 2014 eingerichtet. Hintergrund sei folgender:
Er sei - wie alle ausländischen IS-Kämpfer - bereits während der "Ausbildung" angehalten worden, mehrere, mindestens vier oder fünf Facebook-Accounts zu eröffnen. Hierzu habe es eine klare Anweisung des IS gegeben. Ziel habe sein sollen, die Anzahl der ausländischen Kämpfer für die jeweiligen Polizeibehörden zu verschleiern. Außerdem habe es geheißen, sie hätten möglichst viele Polizeibeamte oder Geheimdienstleute beschäftigen sollen. Je mehr Accounts sie geführt hätten, desto mehr Leute seien mit deren Auswertung beschäftigt. Er habe sich bis Anfang August vor der Umsetzung "gedrückt". Nach seinem "glorreichen" Einsatz als Krankenfahrer am 1. August 2014 habe er diese Linie nicht aufrechterhalten können und habe dann tatsächlich jedenfalls einen weiteren Facebook-Account eröffnet. Die tatsächliche Nutzung habe sich allerdings in Grenzen gehalten. Dies sei der Hintergrund für seine Angaben in dem Facebook-Chat vom 15. August 2014 gegenüber P. P.-G.. Der Vollständigkeit halber wolle er darauf hinweisen, dass er anders als üblich zu keinem dieser beiden Facebook-Profile irgendwelche Propagandabilder oder -videos hochgeladen habe mit Ausnahme des Profilbildes. An die genauen Umstände der Löschung dieses Accounts könne er sich nicht mehr erinnern. Er glaube, er habe zunächst die Zugangscodes "vermasselt".
Nach seiner Flucht habe er sich während des Aufenthalts in Deutschland ein neues Facebook Profil eingerichtet und zwar am 31. August 2014. In der Akte werde "so getan", als wenn der Inhalt seines Facebook-Profils nicht bekannt sei. Er glaube dies nicht. Er halte es schlicht für ausgeschlossen, dass nicht zumindest der Verfassungsschutz, aber wohl sicherlich auch das Landeskriminalamt seinen Facebook-Auftritt in dieser Zeit verfolgt hätten.
Die Löschung habe er in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 2015 veranlasst. Bereits kurz nachdem "der Bildzeitungsartikel" online gewesen sei, sei erneut der "Shitstorm" losgegangen. Er habe dann vor Wut sein Handy an die Wand geworfen und habe seine Verlobte bitten müssen, den Account zu löschen, da sie über die Zugangsdaten verfügt habe. Dass angeblich der Account erst am Morgen des 16. Januar 2015 gelöscht worden sei, habe er den Akten entnommen. Es habe allerdings keinen Zusammenhang mit seiner Festnahme gegeben, sondern allein mit dem sofort einsetzenden "Shitstorm" zu tun gehabt.
Zu seinem Verhalten bei seiner Festnahme hat der Angeklagte angegeben, seine Inhaftierung am 15. Januar 2015 sei für ihn völlig unverständlich gewesen. Im Zeitpunkt seiner Inhaftierung seien ca. fünf Monate seit seiner Rückkehr nach Deutschland vergangen gewesen. Plötzlich seien die Beamten erschienen, die ihm zuvor immer "Honig ums Maul" geschmiert hätten und hätten ihn festgenommen. Dies sei genauso "freundlich" wie bei den vorangegangenen Vernehmungen geschehen. Zudem sei anlässlich der Festnahme die Presse vor Ort gewesen. Die Presse könne nur durch die Sicherheitsbehörden von seiner bevorstehenden Inhaftierung Kenntnis gehabt haben. Er habe sich vorgeführt gefühlt. Er sei aufgewühlt und sauer gewesen und habe anlässlich dieser inszenierten "Terroristeninhaftierung" der Presse gegeben, was sie von ihm erwartet habe, mit dem Ausruf "Allahu Akhbar" und dem Zeigen des Tauhid-Zeichens. Das möge nicht sehr überlegt gewesen sein, aber es sei seinem Bauch und seiner Wut geschuldet gewesen. Mit seinen Auffassungen zum Dschihad oder auch zum IS habe das alles nichts zu tun.
Gleiches gelte für die Verweigerung des Handschlags mit der Polizeibeamtin, die von der Bundesanwaltschaft auch herangezogen worden sei, um ihn als unverbesserlichen Terroristen darzustellen. Er habe es schlicht abwegig gefunden, ihn als "Terroristen" der Presse vorzuführen und ihn anschließend per Handschlag (auf der Wache) begrüßen zu wollen. Das Auftreten der Beamten sei ihm "verlogen" erschienen. Es sei hinzugekommen, dass die fragliche Beamtin sein Zimmer durchsucht habe und ihn dabei so behandelt habe, als sei er ein "Alien". Und deshalb habe er mit der Erklärung, Frauen grundsätzlich nicht die Hand zu geben, den Handschlag gegenüber der Beamtin verweigert. Natürlich vertrete er nicht die Auffassung, Frauen nicht die Hand geben zu können. Möge hierzu sein gesamter Freundes- und Bekanntenkreis in W. gehört werden.
Dazu, dass er am 28. April 2015 in seinem Haftraum lautes Maschinengewehrfeuer imitiert und religiösen Singsang begonnen habe, hat der Angeklagte angegeben: Die Haftzeit und die Haftbedingungen hätten ihn sehr belastet. Er sei auch in dem Zeitpunkt seiner Inhaftierung immer noch "durcheinander" gewesen und habe die Zeit in Syrien bzw. im Irak noch nicht wirklich verarbeitet gehabt. Er sei überdies zuvor noch nie in Haft gewesen. Die besonderen Isolationshaftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Sehnde seien für ihn schwer zu ertragen. Er habe mittlerweile erhebliche Konzentrationsstörungen. Längere Gespräche mit den Anwälten strengten ihn an. Schon nach 20 oder 30 Minuten fange er an, abzuschweifen. Er verliere dann den Faden, müsse sich erst gedanklich sammeln und dann wieder von vorn anfangen. Der stark reduzierte Kontakt zu anderen Menschen belaste ihn. Außerdem habe er sich "gemobbt" und immer wieder provoziert gefühlt. Er sei mehrfach als Taliban beschimpft worden. Auf die weiteren Einzelheiten wolle er nicht eingehen. Außerdem fühle er sich überwacht. Er sei in eine Zelle verlegt worden, in der ein Telefon angebracht sei. Es sei die einzige Zelle mit einem derartigen Telefonapparat. Dieses Telefon werde dann auch noch zwischendurch repariert, weil es angeblich nicht funktioniere. Diese fortlaufenden Provokationen als "Terrorist" und "Taliban" sowie das beständige Gefühl, überwacht und belauscht zu werden, seien der Grund gewesen, weshalb er am 28. April 2015 ausgerastet sei und lauthals Maschinengewehrfeuer imitiert und religiösen Singsang begonnen habe. Er habe gedacht, er könne auch mal zurück provozieren und sehen, was passiere. Prompt habe ein Beamter vor seiner Tür gestanden. Das möge nicht klug gewesen sein, aber er habe das gebraucht nach dem Motto: "Ich bin hier der Terrorist; okay, dann mache ich euch den Terroristen".
Es sei ihm wichtig, folgendes festzuhalten: Er wolle mit dem IS nichts zu tun haben. Er sei weder ein Dschihadist noch ein Salafist. Es möge sein, dass er sich nach seiner Ausreise nicht klar genug positioniert habe. Er habe einfach versuchen wollen, alles zu vergessen und sich irgendwie "durchzumogeln". Am liebsten hätte er einfach die Zeit vergessen machen wollen und wieder dort ansetzen wollen, wo er im Mai 2014 aufgehört habe. Mittlerweile habe er verstanden, dass er nicht einfach in sein altes Leben zurückkehren könne, auch wenn dies sein sehnlichster Wunsch sei.
bb) Nachdem der Angeklagte B. sich die schriftliche Erklärung seines Verteidigers zu Eigen gemacht und ausdrücklich als seine Einlassung bestätigt hatte, hat er auf Nachfragen weitere umfassende Angaben zu Sache gemacht.
O. sei erst in die Moschee gekommen, als B. schon dort gewesen sei. B. habe damals gehört, dass O. gerade aus Syrien zurückgekehrt sei. O. stamme ursprünglich aus Tunesien und sei durch seine Frau, die aus W. stamme, nach W. gekommen. Er habe nicht gut Deutsch gesprochen. Deshalb sei B. in der DITIB-Moschee sein Dolmetscher gewesen. Sie seien in der die DITIB-Moschee immer alle zusammen gewesen und hätten alles zusammen gemacht. Ihn - B. - habe O. wegen seines Vaters, der in W. große Bedeutung habe, mit viel Respekt behandelt und ihn immer bevorzugt. Er sei ein überzeugender Mann gewesen, alle hätten auf ihn gehört, nur B.s Vater nicht. O. sei ein ganz außergewöhnlicher Mann, der alle um den Finger gewickelt habe. Jeder habe ihn gemocht, jeder habe sein Freund sein wollen.
Die Mitarbeiter der DITIB-Moschee hätten nichts vom wahren Charakter der Gruppe um O. gewusst. Ihnen gegenüber hätten sie sich alle sehr unauffällig verhalten. O. habe sehr darauf geachtet, dass nichts nach außen dringe. Wenn Mitglieder der Gruppe etwa beim Grillen laut Nashids - dschihadistsiche Gesänge - abgespielt hätten, habe O. sie sofort angewiesen, das abzustellen. Er habe befürchtet, dass sie in der DITIB-Moschee ebenso Hausverbot erhielten, wie schon im islamischen Kulturzentrum. Sobald der Imam aufgetaucht sei, hätten sie das Gesprächsthema gewechselt. Die Verantwortlichen der Moschee hätten nur ein Interesse gehabt daran gehabt, sie "von der Straße zu bekommen". Zuvor sei ja vieles passiert, sie seien in der Stadt bekannt gewesen.
O. habe zunächst angegeben, dass er bei der Jabat al-Nusra sei. Von der Jabat al-Nusra habe B. damals gewusst, dass die zu al-Qaida gehöre. O. habe nie schlecht über die geredet. Auch nicht, als er sich später als IS-Angehöriger zu erkennen gegeben habe.
Im Unterricht sei eine schleichende Radikalisierung der Teilnehmer erfolgt. Eine dschihadistische Ideologie sei aber schon in der Anfangszeit von einigen in der Gruppe vertreten worden. Sie hätten auch über A. T. gesprochen, der als erster aus W. nach Syrien gegangen sei. B. habe damals "gerüchteweise" gehört, dass T. Kämpfer beim IS gewesen und Ende 2013 verletzt worden sei. In ihrer Gruppe sei der Ausdruck "den A. machen" als Umschreibung für die Auswanderung nach Syrien gebraucht geworden. Schon früh sei auch S. H. nach Syrien ausgewandert; er habe zu einer albanischen Einheit des IS in Syrien gewollt. Von dieser Ausreise sei B. total überrascht gewesen. Bis dahin habe er von Syrien nur gewusst, dass dort Krieg sei. Der IS sei noch nicht so bekannt gewesen. Durch H.s Ausreise sei B. auf den IS aufmerksam geworden und habe sich dann auch im Internet darüber informiert. Z. B. F. und N. I. H. seien im Februar 2014 auch zum IS gegangen. B. habe mitbekommen, dass sich zwischen al-Qaida, der Jabat al-Nusra und dem IS damals viel getan habe. O. habe dann irgendwann zugegeben, dass er nicht bei der Jabat al-Nusra, sondern beim IS sei. Denn nur dort seien "die wahren Muslime". B. habe sich dann ein IS-Video angeschaut, in dem der deutsche Konvertit und IS-Propagandist Dennis Cuspert davon berichtet habe, dass der IS einen neuen Staat aufbaue.
B. habe auch mit seinem Vater über den IS gesprochen, wobei sein Vater gesagt habe, dass seien Terroristen. B. habe aber nicht auf ihn gehört. Er habe sich über den IS informiert. Die Mitglieder der Gruppe, die bereits beim IS in Syrien gewesen seien, hätten bei Facebook nur Gutes darüber berichtet. Er habe mit seinem Vater über Syrien geredet und dann mit O., der alles, was sein Vater ihm gesagt habe, infrage gestellt habe. O. habe gesagt: "Dein Vater ist ein alter Mann. Kennt er den Koran? Was weiß er?"
O. habe über den IS und dessen Feinde gesprochen und alles gelobt, vom "Köpfen und Versklaven" habe er aber nichts gesagt. Über den Dschihad habe er aber offen geredet. Er habe angegeben, dass die Auswanderung nach Syrien ihre Pflicht sei. Im Westen seien die Regierungen nicht muslimisch. Deutschland sei das Land der Ungläubigen und des Unglaubens. O. habe ihnen mitgeteilt, sie würden alle zum ISIG gehen, weil dort die wahren Muslime seien und sich ein ganz neuer Staat aufbaue, der nicht nur Kämpfer, sondern zum Beispiel auch Elektriker brauche.
O. habe viele Kontakte gehabt, auch nach Tunesien. Dadurch habe er erfahren, dass B. in seinem Urlaub sich vom Islam abgekehrt habe, seinen Bart abrasiert und wieder Alkohol getrunken habe. Nach B.s Rückkehr aus Tunesien habe wohl O. K. M'H. zu ihm geschickt, der ihm Vorwürfe gemacht habe. Es habe B. gestört, dass er nun aus der Gruppe ausgeschlossen gewesen sei. Er sei wieder aufgenommen worden, habe aber nicht mehr die Stellung wie vorher gehabt, er sei nur fünfter oder sechster in der Gruppe gewesen. Der Mitangeklagte H. B. habe nicht lange zur Gruppe gehört, nur wenige Wochen oder Monate vor der Ausreise.
Nach B.s Rückkehr aus dem Urlaub in Tunesien sei der Unterricht in der Gruppe schon ziemlich radikal gewesen. Erst habe es geheißen: "Du musst beten!" Dann: "Du musst deine Gewohnheiten ändern!" In den letzten Wochen vor ihrer Ausreise sei es "am radikalsten" gewesen. Eines Tages sei B. mit K.M'H., den B. selbst erst mit in die Gruppe gebracht habe, in W. unterwegs gewesen. M'H. habe ihm mitgeteilt, dass er nach Syrien gehen werde; ebenso würden M. M., O. und weitere Mitglieder der Gruppe dorthin gehen. B. habe daraufhin O. angesprochen; dieser habe ihm gesagt: "Du kannst auch gehen". O. habe ihm versichert, dass er eine Islamschule besuchen könne und nicht zu kämpfen brauche. Recherchen über die von O. erwähnte Islamschule habe B. nicht angestellt; über den IS habe er nur allgemein recherchiert. Er habe O. insoweit vertraut. O. habe ihm gesagt, dass der Gelehrte, der O. in Saudi-Arabien unterrichtet habe, jetzt in Syrien sei und die Islamschule leite. Auf die Frage, warum er gerade eine Islamschule in Syrien - einem Krisengebiet - habe besuchen wollen, hat der Angeklagte angegeben, dass dies an O. gelegen habe. O. habe davon gesprochen, dass sich dort gerade ein islamischer Staat aufbaue. Es sei auch nicht überall Krieg. Die Schule sei an der Grenze.
B. wisse nicht genau, was O. den anderen erzählt habe. O. habe jeden auf die Art angesprochen, die er bei dieser Person für erfolgreich gehalten habe. B. habe er nichts von Frauen oder Autos erzählt. B. habe den Islam lernen sollen. B. habe sich vorgestellt, dort schöner leben zu können, Gerechtigkeit und den Islam kennen zu lernen. Er sei auf einer Veranstaltung in Köln gewesen, bei der auch Pierre Vogel aufgetreten sei. Schon dort habe er Kleidung und auch Geld gegeben, um der Bevölkerung in Syrien zu helfen.
Der Angeklagte B. hat ausdrücklich eingeräumt, ihm sei klar gewesen, dass er "zum IS gehe". Er sei aber unsicher gewesen, ob er dort "klar komme". Sie hätten in der Gruppe nicht darüber gesprochen, was der einzelne in Syrien habe machen wollen, damit ihre Ausreisepläne nicht auffielen. Aber B. habe mitbekommen, dass sich einige am bewaffneten Dschihad beteiligen wollten, andere hätten andere Ziele gehabt wie etwa Scharia-Richter zu werden oder Frauen und Heiraten. S. K. habe kämpfen wollen; er habe auch Kontakt zu Dschihadisten in Berlin gehabt. Ihnen sei klar gewesen, dass die Polizei "hinter ihnen her" gewesen sei. Sie hätten Angst gehabt, dass die Polizei ihre Eltern informiere. B.s Vater hätte dann richtig Ärger gemacht. Sie hätten damals gedacht, dass die Eltern keine Ahnung hätten.
Die Ausreise nach Syrien sei nicht von heute auf morgen erfolgt. Es sei noch Zeit gewesen, sie hätten aber nicht miteinander darüber reden dürfen. Kurz vor seiner Abreise habe ihm O. gesagt, dass er zusammen mit E. H. B. reisen solle. An dem Tag, als B. und H. B. nach Syrien ausgereist seien, habe sich O. schon dort befunden. B.s Vater habe seine Ausreise verhindern wollen.
Er habe vor seiner tatsächlichen Ausreise nie versucht, nach Syrien auszureisen. Weshalb sein Bruder das gegenüber der Polizei so gesagt habe, wisse er nicht.
Wenn er in seiner schriftlichen Erklärung angegeben habe, dass er die Gratifikation von VW vor der Abreise nicht extra habe abwarten wollen, so sei es eher so gewesen, dass sie bei seiner Abreise noch nicht auf seinem Konto gewesen sei.
Die Flugtickets in die Türkei hätten 170 € pro Person gekostet.
Es stimme, dass er kurz vor der Einreise nach Syrien in Gaziantep noch die Frau und drei Kinder von S. H. in einem "Hotel um die Ecke" abgeholt habe. H. habe ihn darum gebeten. Entgegen den Angaben des Mitangeklagten H. B. habe er die Familie nicht vom Flughafen abgeholt.
Das Auffanglager in Jarabulus habe aus mehreren Gebäuden bestanden. Der Eingang zum Auffanghaus sei mit einem Rolltor versehen gewesen. Daneben hätten sich zwei Wachhäuschen und innerhalb des Geländes habe sich ein großes Gebäude nach Art einer Schule befunden. Das Gebäude sei zweistöckig gewesen, es habe mehrere Toiletten gegeben und eine Küche. Am Tor hätten immer zwei bewaffnete IS-Männer Wache gehalten. Auch innerhalb des Gebäudekomplexes habe es Wachen gegeben; diesen Wachdienst hätten auch die Neuankömmlinge versehen müssen.
Er habe im Auffanghaus nach der Aufforderung alles abgegeben: sein Mobiltelefon, seinen Pass und das Geld. Es habe sich aber nicht um eine Spende für den IS gehandelt. Er habe auch wahrheitsgemäß geantwortet, weil er Angst gehabt habe. Er sei nicht durchsucht worden; die Angst davor sei allerdings da gewesen. Andererseits habe er zusammen mit dem Mitangeklagten H. B. trotz des Verbots heimlich geraucht. Einen IS-Ausweis gebe es nicht, er habe so etwas noch nie gesehen.
Sein Name beim IS sei "Abu M." gewesen. Den habe er sich selbst ausgesucht. Normalerweise nenne man sich nach seinem ältesten Sohn. Weil B. selbst noch keinen Sohn gehabt habe, habe er sich nach seinem Lieblingsbruder benannt.
Zum Internetcafé sei er gelangt, weil es auf der Hinterseite des Gebäudes "ein Leck" gegeben habe. Dort sei man "bei der Feuerwehr" herausgekommen und mitten im Stadtzentrum von Jarabulus gewesen. Er habe diese Gelegenheit seinerzeit nicht zur Flucht genutzt, weil er kein Geld gehabt habe, keinen Pass und keinen Plan, wie er die 65 km in einem fremden Land zu Fuß zurücklegen sollte.
An das Gespräch mit dem Zeugen D. könne er sich erinnern. Es sei völlig belanglos gewesen. D.h sei nicht derjenige vom IS-Sicherheitsdienst gewesen, der ihn bei seiner Einreise verhört habe.
Seine zeitlichen Angaben seien nur ungefähr, weil er dort kein Tagebuch geführt habe. Die Ausbildung insgesamt habe 35 Tage gedauert. Sein Aufenthalt im zweiten Ausbildungslager habe davon etwa 20 Tage gedauert. Die Ausrufung des Kalifats sei im zweiten Ausbildungslager erfolgt; es sei etwa der zweite oder dritte Ramadantag gewesen. Es habe deswegen Feiern gegeben. B. sei aber schockiert gewesen, weil sich dadurch die islamischen Gesetze geändert hätten. Alle Muslime seien verpflichtet worden, nach Syrien zu kommen.
Den Treueeid habe er nicht geleistet. Er habe es auf intelligente Art geschafft, ihn nicht leisten zu müssen. Im Ausbildungslager seien die Rekruten in Gruppen aufgerufen worden, um den Treueeid auf den neu ernannten Kalifen zu leisten. B. sei einfach sitzen geblieben und nicht hingegangen. Es habe keiner bemerkt.
Wie oft sie im Ausbildungslager Kampftraining betrieben hätten, könne er nicht mehr genau sagen. Es sei allerdings schon so, dass sie für den Kampf fit gemacht worden seien. Als er zur Gruppe der Turkmenen gekommen sei, hätten sie auch wieder Mobiltelefone benutzen können. Deshalb könne er aus den auf seinem Mobiltelefon gespeicherten Fotos erkennen, wann er zu den Turkmenen gekommen sei. Sie hätten dort das Ausbildungslager auch immer in Gruppen zu je fünf Mann mit einem Ausbilder zusammen verlassen und ein Internetcafé aufsuchen dürfen. Wie oft das geschehen sei, wisse er nicht mehr. Den Sprengstoffgürtel habe er in Manbij für 100 Dollar gekauft. Der Sprengstoffgürtel sei mit einer Reißleine versehen, die man ziehen müsse. Er habe den Gürtel zur Abschreckung erworben. Auch andere Mitglieder seiner Gruppe hätten sich Sprengstoffgürtel gekauft. Kerim M'Hadbhi habe sich allerdings keinen gekauft.
Er habe viele Deutsche getroffen in einer Stadt, deren Namen er aber nicht angeben wolle. Er habe auch Dennis Cuspert in der Provinz ar-Raqqah gesehen, jedoch nicht mit ihm gesprochen.
Als S. K. nach seiner Meldung als Selbstmordattentäter alles zurück erhalten habe, habe auch der Mitangeklagte H. B. seine Habe zurück erhalten. Da das abgegebene Geld unter B.s Namen registriert gewesen sei, sei B. zusammen mit H. B. zum Büro des Emirs gegangen und habe nach seinem Geld gefragt. Dieser habe das Geld aus einer Kiste geholt, davon habe B. dann 500 bis 600 Euro an H. B. übergeben. Den Rest des Geldes habe H. B. ihm überlassen.
Er habe während seiner Zeit beim IS zweimal jeweils 80 Dollar als Sold erhalten, das erste Mal im Ausbildungslager, das zweite Mal im Irak. Er habe das Geld aber nicht gebraucht, weil er genug eigenes Geld gehabt habe. Belohnungen oder Verteilungen von Kriegsbeute habe es nicht gegeben.
Die Schlacht, bei der er als Fahrer des Krankenwagens eingesetzt gewesen sei, habe im Irak stattgefunden. Sein Einsatzort sei ca. eine Wegstunde von Anah entfernt gewesen. Den Namen der Stadt habe er damals nicht erfahren und wisse er auch heute nicht. Abu Ibrahim habe ihm auch nicht das konkrete Angriffsziel genannt. Es sei wohl gegen Einheiten der irakischen Armee gegangen. Er vermute dies, weil der IS im Irak nur gegen die Armee und gegen Kurden gekämpft habe, und Kurden seien es nicht gewesen. Wenn der Zeuge KK R.t in seinem Vermerk über das Vorgespräch festgehalten habe, B. habe berichtet, dass er Verletzte und Tote "vom Schlachtfeld geholt" habe, so sei das nicht ganz richtig. Tatsächlich seien die Verletzten in einem anderen Wagen vom Schlachtfeld geholt und in ca. 2 km Entfernung davon in mehrere wartende Krankenwagen umgeladen worden. Einen davon habe B. gefahren. Bei dem Zusammenstoß habe er Verletzungen an seiner Schulter, seiner Hand und seiner Stirn oben rechts davongetragen. An der Hand habe er noch eine Narbe. Seine Schulter habe er einige Tage lang nicht bewegen können.
Die Frage, ob er auch deutsche IS-Mitglieder als Wachen an Checkpoints getroffen habe, hat der Angeklagte B. verneint.
Auf Vorhalt seiner Einlassung vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs, dass sein Handy auch von anderen Mitgliedern des ISIG verwendet worden sei und dass die für den IS und Dschihad werbenden Nachrichten, auch die an Bilel Harrabi, nicht von B. geschrieben worden seien, hat er eingeräumt, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung gehandelt habe; in Wahrheit habe er alle durch Auswertung des Mobiltelefons gesicherten Mitteilungen über Facebook und SMS selbst verfasst. Diese spiegelten aber nicht seiner tatsächliche Einstellung wider, sondern seien allein zur Täuschung der IS-Verantwortlichen über seine Fluchtabsichten erfolgt.
Auf Vorhalt zweier Passagen aus seiner Facebook-Kommunikation, in denen von der "Festnahme" zweier Syrer berichtet wird, hat der Angeklagte B. den Vorfall so geschildert, wie er festgestellt worden ist (B.IX.).
Auf Vorhalt, dass auf einem Foto vom 13.08.2014 eine Pistole in seinem Hosenbund zu sehen sei, hat der Angeklagte B. eingeräumt, dass er sich diese selbst für 50 Dollar gekauft habe. Da er von der Kaukasusgruppe bis dahin keine Waffe ausgehändigt bekommen habe - dies sei erst am 15. August geschehen - habe er sich selbst die Pistole und auch wieder einen Sprengstoffgürtel gekauft, um nicht ungeschützt zu sein.
b) Die Einlassung des Angeklagten H. B.
aa) Der Angeklagte H. B. hat sich zunächst in einer von seinem Verteidiger Rechtsanwalt N. verlesenen schriftlichen Erklärung wie folgt eingelassen:
Es habe alles damit angefangen, dass er wieder Kontakt zu einer Gruppe von Leuten bekommen habe, die er von früher gekannt habe. Größtenteils seien das alles Schulkameraden gewesen und sie hätten früher schon miteinander "rumgehangen".
Ab dem Jahr 2006 habe er nicht mehr so richtig Kontakt zu denen gehabt, weil er gesehen habe, dass die jeweiligen Interessen auseinandergegangen seien. Einen entsprechenden Ehrgeiz hätten die Leute in seinem Freundeskreis zu dieser Zeit nicht an den Tag gelegt. Er habe damals etwas in seinem Leben erreichen wollen und habe dann erst mal seinen Schulabschluss gemacht; er glaube, das sei im Jahr 2009 gewesen, als er seinen Realschulabschluss erreicht habe.
Nach der Schule habe er seine spätere Verlobte kennengelernt. Er habe gearbeitet und Geld gespart, weil sein Ziel gewesen sei, eine Ausbildung als Massagetherapeut zu machen. Die Ausbildungskosten hierfür lägen in etwa bei 10.000 €. Diese Ausbildung habe er in Braunschweig angefangen und nach zwei Jahren auch erfolgreich abgeschlossen. Er habe dann im Badeland in W. eine Anstellung in seinem Beruf gefunden. Nebenbei habe er noch Pizza ausgefahren, um Geld für die geplante Hochzeit zu sparen.
Etwa 2012 habe er sich dann verlobt, mit der Cousine der Frau seines Bruders, also einer Schwägerin. Sie hätten dann alle möglichen Hochzeitsvorbereitungen getroffen, wie zum Beispiel das Kleid gekauft, Ringe bestellt und auch die Torte ausgesucht. Es habe auch schon einen Termin gegeben und der Vorschuss für den Festsaal sei ebenfalls schon bezahlt gewesen. Der Termin für die standesamtliche Trauung sowie für die Feier sei am 28. August 2014 gewesen. Sie seien ein tolles Paar gewesen und die Verlobte habe ihn bei allem unterstützt.
Im März 2014, als alle Gäste bereits eingeladen gewesen seien, sei er von dem Onkel seiner Verlobten eingeladen worden. Der Onkel habe einen großen Stellenwert gehabt und Einfluss in der Familie, insbesondere da er viele Familienmitglieder in unterschiedlichen Situationen finanziell unterstützt habe. Er habe auch das Jurastudium seiner Verlobten bezahlt. Der Onkel habe sich sehr darüber aufgeregt, dass der Angeklagte H. B. ihn nicht persönlich befragt habe, ob ihm das Hochzeitsdatum passe. Er habe dem Angeklagten gesagt, dass ihm das Datum nicht passe. H. B. habe den Eindruck gehabt, dass der Onkel das nur gesagt habe, weil er nicht gefragt worden sei. Der Onkel habe ihm dann aufgetragen, die Hochzeit um ein Jahr zu verschieben. Hierauf habe H. B. sich nicht einlassen wollen. Der Onkel habe ihm dann gedroht, er werde seinen Bruder anrufen und dann werde H. B. seine Verlobte gar nicht heiraten dürfen. Der Angeklagte habe dann einen Anruf von seinem Schwiegervater erhalten, dass die Hochzeit ausfallen müsse, mit dem Argument, dass sie noch warten müssten, weil sie noch zu jung seien und dementsprechend noch nichts erreicht hätten.
Der Angeklagte H. B. habe sich dadurch total erniedrigt gefühlt. Alle Familienangehörigen, denen er sein Leid geklagt habe, hätten ihm recht gegeben, aber sie hätten auch gesagt, dass man da nichts machen könne, weil man ja nicht den Familienfrieden aufs Spiel setzen möchte. Hinzu sei zu dieser Zeit gekommen, dass sich bei seinem Bruder und dessen Frau schon Nachwuchs angekündigt habe.
Kurze Zeit nach dem Gespräch mit dem Onkel habe sein Bruder L. geheiratet. Da die meisten Gäste auch zur Hochzeit des Angeklagten hätten kommen sollen, habe dementsprechend jeder Gast auch wieder persönlich ausgeladen werden müssen, was dazu geführt habe, dass der Angeklagte von jedem darauf angesprochen worden sei, was da los sei. Das habe ihm sehr wehgetan. Er habe zu der Zeit wenige Freunde gehabt, weil er viel mit seiner Verlobten unternommen habe.
Er sei zu dieser Zeit dann mal wieder zum islamischen Zentrum gegangen. Man habe dort die Möglichkeit gehabt, für fünf Euro im Monat einen Fitnessraum zu benutzen. Der verantwortliche Leiter habe ihm gesagt, dass er dann aber auch mit zum Beten gehen müsse. Sein Freund A. S. habe ihm vorgeschlagen, dass er doch mit zu "DITIB" kommen könne, wo sich auch alle anderen Leute von früher aufhielten und wo man am Wochenende die Sporthalle nutzen könne. Bei "DITIB" handele es sich um einen islamischen Freizeitverein, wo Grillabende veranstaltet werden und man Billard spielen könne.
Als H. B. etwa Anfang April 2014 dorthin gegangen sei, sei ihm recht schnell aufgefallen, dass die Leute, die er von früher gekannt habe, mittlerweile eine ganz andere Einstellung zu vielen Dingen besessen hätten, also andere Gedanken gehabt hätten und bei Ihnen auch andere Gesprächsthemen vorgeherrscht hätten. Der Angeklagte A. B. sei unter anderem auch da gewesen, ebenso A. S., K. M'H., M. M. und ein S. sowie viele andere. Es seien nicht nur Tunesier, sondern Menschen unterschiedlichster Nationalität gewesen.
Die "Jungs" seien auf einer bestimmten "Welle" unterwegs gewesen. Sie hätten sich immer besonders dann versammelt, wenn Y. O. "Vorträge" gehalten habe oder in Gesprächsrunden die Wortführerschaft übernommen habe. Y. O. habe er zum Zeitpunkt seines Hinzukommens zu "DITIB" als jemanden kennengelernt, zu dem die anderen schon großes Vertrauen gehabt hätten und dem sie mit großem Respekt begegnet sein. Es habe sich herausgestellt, dass er ein Landsmann sei, der aus einer Stadt in Tunesien stamme, welche als religiöses Zentrum bekannt sei, und er habe auf alle den Eindruck gemacht, dass er in Gesprächsrunden auf alle Fragen eine Antwort habe, welche zum Thema Religion aufgekommen seien, bzw. auch alle anderen weltlichen Fragen religiös habe beantworten können.
Durch dieses nahezu tägliche Zusammensitzen und die fortlaufenden Gespräche über die Themen, die O. angesprochen habe, habe sich ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Auf der anderen Seite habe der Angeklagte H. B. aber auch das Gefühl gehabt, dass von ihm erwartet werde, sich in die Gruppe einzufügen. Obwohl er zu dieser Zeit weder finanziell noch sonst irgendwelche Probleme gehabt habe, sei er jedoch seelisch sehr niedergeschlagen gewesen. Er sei insbesondere sehr sauer auf seine Eltern gewesen, weil er das Gefühl gehabt habe, sie stünden nicht hinter ihm in Bezug auf die gescheiterte Hochzeit. Da er, egal wo er hingekommen sei, immer wieder auf dieses Thema angesprochen worden sei, habe er einfach nur noch weg gewollt.
Aus der Gruppe hätten dann einige vorgehabt, nach Syrien zu gehen. Dies sei in erster Linie daraus resultiert, dass in der Gruppe besprochen worden sei, dass das Leben in Deutschland nicht das "wahre Leben" sei.
In der Lebenssituation, in der er gewesen sei, habe auch er sich ohne große eigene Pläne schon nach etwa drei Wochen in der Gruppe entschlossen, der Situation in Deutschland zu entfliehen, weil er erst mal aus seiner Umgebung nur weg gewollt habe. Den kompletten Plan mit der Reise und die Kontakte zu den entsprechenden Personen habe O. bzw. "seine rechte Hand" organisiert. O. sei dann vorgefahren in die Türkei, wo er noch eine Augenoperation habe durchführen lassen wollen, um anschließend weiter nach Syrien zu fahren.
A. B. habe zunächst noch auf seinen Bonus von Volkswagen warten wollen. H. B. habe dann einen Dispokredit aufgenommen. Diesbezüglich seien sie bei der Volksbank gewesen, wo er einen Dispokredit aufgenommen habe, einmal 1500 € und einmal 2500 €. Das Geld habe er sodann dem Angeklagten B. gegeben, ebenso wie seinen Pass. Früher sei B. schon mal nach Italien gereist, dafür habe H. B. ihm damals auch das Geld gegeben. B. habe das Geld verwaltet. Einen kleinen Betrag von etwa 300 bis 400 € habe H. B. aber noch für sich zurück gehalten. Das restliche Geld habe nicht nur dazu gedient, den Reiseaufwand zu decken, sondern sei auch als eventueller Grundstock für eine Hochzeit geplant gewesen, weil ihnen gesagt worden sei, dass man, wenn man in Syrien heirate, ca. 1200 € an den Brautvater zahlen müsse.
Sie seien dann nach Hannover gefahren, dort habe H. B. seinen Pass zurück erhalten. Von da aus seien sie in die Türkei geflogen, wo der Angeklagte B. sodann versucht habe, O. anzurufen, diesen aber nicht erreicht habe. Der Angeklagte B. habe dann über einen Albaner, der auch schon länger in Syrien gewesen sei, den Kontakt zu einer weiteren Person hergestellt, von dem sie instruiert worden seien, mit dem Bus weiter nach Gaziantep zu fahren. Dort angekommen habe A. B. einen weiteren Kontaktmann angerufen, der sie mit dem Auto abgeholt und in die Nähe der Grenze gebracht habe, von wo aus sie mit weiteren Personen ein Stück zu Fuß weiter gegangen seien. Auf der anderen Seite der Grenze habe sie dann ein Mittelsmann vom islamischen Staat abgeholt. Er habe sie in ein Haus gebracht, welches zu einem großen Auffanglager gehört habe. Dort hätte H. B. nur gehört, wie hinter ihnen die Schlösser verriegelt worden seien und sie fortan eingesperrt gewesen seien. Man habe nicht mehr raus gedurft, und dort hätten sie dann die erste Nacht verbracht. Am folgenden Tag hätten ihnen die IS-Verantwortlichen vor Ort eröffnet, dass sie ihre Handys und ihre Pässe abgeben müssten, da sonst die Gefahr bestehe, bombardiert zu werden. Sein Handy habe H. B. sofort abgegeben. Bezüglich seines Passes habe er - wahrheitswidrig - gesagt, dass er mit dem Auto gekommen sei und ihn leider verloren habe. Sie seien dann dort bereits gefragt worden, ob sie kämpfen oder Selbstmordattentäter sein wollten. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm völlig klar geworden, dass er in großen Problemen stecke. Er habe sich die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt erst einmal offen gehalten. Er habe gesagt, er überlege, ob er Selbstmordattentäter mache.
Nach ca. zwei bis drei Wochen seien sie vom Auffanglager in ein Trainingslager verbracht worden. Am ersten Abend des Trainingslagers seien auch die anderen W.er dazugekommen. Bevor die anderen ihre Sachen ebenfalls hätten abgeben müssen, habe H. B. mit dem Handy von einem der "Jungs" kurz seine Eltern anrufen können. Wessen Handy das gewesen sei, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sagen. Er habe zu Hause die Situation geschildert, in welche er geraten sei. Sein Vater habe ihm sofort gesagt, er solle versuchen, vom Irak aus nach Deutschland zu fliegen, solange er noch seinen Reisepass habe.
Im Trainingslager sei nach Leuten gefragt worden, die sich als Selbstmordattentäter für Bagdad zur Verfügung stellen. Hierfür habe H. B. sich gemeldet, da er ja ohnehin habe versuchen wollen, über den Irak zu flüchten. Er habe irgendwie versuchen wollen, in Bagdad ein Flugzeug zu bekommen. Er sei dann in den nächsten Tagen in den Irak verbracht worden. Die anderen seien im Trainingslager verblieben. Sie seien dort ca. vier bis fünf Tage in der Wüste unterwegs gewesen Richtung Bagdad. Irgendwann habe sie die Nachricht erreicht, dass ein weiterer Transport "aufgeflogen" sei und alle verhaftet worden sein. Sie hätten dann ihre Route umgehend abgebrochen und sich ein paar Tage auf einem Dachboden in einem Haus verstecken müssen. Von dort aus seien sie mit einem Auto abgeholt und in ein kleines Dorf in der Nähe von Falludscha gebracht worden.
Die Leute, mit denen er unterwegs gewesen sei, seien sehr wütend darüber gewesen, dass sie Bagdad nicht erreicht hätten. Zu dem Zeitpunkt sei plötzlich das Thema aufgekommen, das H. B. SPD-Mitglied sei. Er habe nicht gewusst, woher sie das gewusst hätten, wie so vieles aus seiner Vergangenheit. Zwei Leute hätten ihn verhört und ihm vorgeworfen, dass er wohl an Demokratie glaube, weil er in einer Partei sei. In diesem Moment sei ihm klar geworden, dass er in großer Gefahr sei, weil derartige Vorwürfe schon geeignet hätten sein können, ihn als "Spion" anzusehen.
Er sei sodann mit anderen "Verdächtigen" in ein anderes Haus gebracht worden, dessen Wände gefliest gewesen sein. Dies sei das Haus gewesen, welches er in seinen polizeilichen Vernehmungen und auch in seinem Fernsehinterview als "Schlachthaus" bezeichnet habe. Er habe in diesem Moment erstmals Todesangst gehabt, weil er gewusst habe, dass er entweder gefoltert oder getötet werde.
Zuvor sei er gefragt worden, wer ihn nach Syrien gebracht habe, worauf er den Namen O. genannt habe. Als er nach wenigen Tagen aus dem Haus wieder abgeholt worden sei, habe er erfahren, dass lediglich die Tatsache, dass er über O. gekommen sei, ihm das Leben gerettet habe. Von diesem Moment an habe er "mitgespielt" und versucht, erst einmal keine weiteren Angriffspunkte mehr zu liefern, um keinen weiteren Verdacht gegen sich aufkommen zu lassen.
Sie seien danach für ca. zwei Wochen in eine Schule verbracht worden, wo sie in Klassenräumen geschlafen hätten. Irgendwann sei es weiter nach Falludscha gegangen, wo sie in einem Haus gewohnt hätten. Von hier habe er das erste Mal wieder die Gelegenheit gehabt, Kontakt nach Hause aufzunehmen. Die Kontakte seien aber überwacht worden und man habe von ihnen erwartet, nicht nur keine kritischen Kommentare zu schreiben, sondern auch, dass es dort "schön" sei. Dort habe er auch Fotos gemacht und im Sinne der Verantwortlichen dann Leuten geschrieben, dass sie dorthin kommen sollten, weil dort alles "schön" sei. Insgeheim habe er weiter nach einem Weg gesucht zu flüchten. Er habe es aber nahezu für ausgeschlossen gehalten, dass er es alleine nach Bagdad schaffe. Er sei dann auf die Idee gekommen zu sagen, dass seine Schwester dort hinkommen wolle und er sie abholen müsse, da sie sich an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien verletzt habe und nun völlig überfordert sei, da sie sich sprachlich auch nicht verständigen könne. Hätte ihn einer der Verantwortlichen gefragt, wodurch er davon Kenntnis habe, hätte er ihnen geantwortet, dass einer der W.er ihm diese Information auf Deutsch per Chat geschrieben habe. Grundsätzlich seien die Leute aber begeistert gewesen von der Idee, dass er eine weitere Person für die "gemeinsame Sache" habe gewinnen können, und man habe ihm zugesagt, die bürokratisch erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen.
Ein paar Tage später habe er eine Art Passierschein ausgestellt bekommen und sei mit einem Auto an einen anderen Ort gefahren worden, von wo aus es dann zurück nach Syrien in ein weiteres Auffanglager gegangen sei. Das sei in der Nähe von Jarabulus gewesen. Dort seien einige Verletzte gewesen, die in die Türkei ins Krankenhaus gebracht werden sollten. Man habe ihm zugesagt, mit einem der Transporter für die Verletzten mit in die Türkei fahren zu können, um seine Schwester abzuholen.
Am zweiten Tag sei ein Bus gekommen, der sie zur Grenze verbracht habe, dann seien sie mit Autos ein Stück gefahren, den Rest wieder zu Fuß gegangen. Dann seien sie von türkischen Kontaktleuten abgeholt und zu einem Haus in der Stadt gefahren worden, wo die Kranken hingebracht worden seien. Der Angeklagte H. B. habe von dort ein Taxi genommen und sei zum Flughafen gefahren. Der Flughafen sei ca. 20 Minuten entfernt gewesen. Von dort aus habe er seinen Bruder B. kontaktiert, damit dieser ihm via Western Union Geld schicke. Er habe aber noch genug Geld gehabt, um einen Flug von Gaziantep nach Istanbul buchen zu können. In Istanbul habe er etwa drei bis vier Tage warten müssen. Dann sei er von dort weiter nach Tunesien geflogen, weil seine Eltern dort gerade Urlaub gemacht hätten.
Seine Verlobte habe ihn vom Flughafen abgeholt und ihn zu seinen Eltern gefahren. Weil seine kleine Schwester keine Ferien mehr gehabt habe, seien seine Eltern aber sehr zeitnah wieder zurück nach Deutschland geflogen, er selbst habe sich einem Bekannten angeschlossen, der mit dem Schiff zurück nach Frankreich habe fahren wollen.
In Paris angekommen habe er sich mit dem Angeklagten B. getroffen. Er habe zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass das Landeskriminalamt gegen ihn ermittelte, weil sie seinen Bruder angerufen hätten, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Der Angeklagte B. habe ihm berichtet, dass mit Sicherheit am Flughafen nach ihm gefragt werde, und habe den Kontakt zu Rechtsanwalt Z. hergestellt, für den H. B. auch eine Vollmacht unterschrieben habe. Für ein paar weitere Wochen sei er in Paris geblieben. Mit den Leuten aus Syrien habe er keinen Kontakt mehr haben wollen. Er habe eingesehen, dass alles ein großer Fehler gewesen sei. Von Paris aus sei er dann mit dem Bus zurück nach Braunschweig gefahren und von dort weiter nach W..
Rechtsanwalt Z. habe alles Erforderliche für seine Rückkehr mit dem Landeskriminalamt abklären wollen. Nach seiner Rückkehr habe er wieder seine alte Wohnung bezogen. Kontakt zur islamistischen Szene habe er nicht mehr gehabt.
Mit seiner Verlobten habe er erneut das Ziel zu heiraten wieder ins Auge gefasst. Er habe versucht, schnell wieder Arbeit zu finden. Um seine Jobaussichten weiter zu verbessern, habe er einen Staplerschein gemacht und anschließend auch gleich einen Job bei einer großen Spedition gefunden. Relativ kurz danach sei er aber verhaftet worden.
Wenn er sich die Frage stelle, warum er überhaupt nach Syrien gegangen sei, müsse er sagen, dass es in erster Linie darum gegangen sei, dass alle anderen auch gegangen seien. Dabei sei es ihm in der Situation auch egal gewesen, wohin er gegangen sei. Was er von den anderen gehört habe, sei gewesen, dass es in Syrien einen neuen Staat für Islamisten geben solle, in dem man in Ruhe unter Glaubensbrüdern leben könne. Natürlich sei ihm auch klar gewesen, dass es dort Kampfhandlungen gegeben habe, wobei er aber gehofft habe, nicht darin verwickelt zu werden, sondern in eine Stadt zu kommen, wo man "keinen einzigen Patronenschuss" höre.
bb) Nachdem der Angeklagte H. B. sich die schriftliche Erklärung seines Verteidigers zu Eigen gemacht und ausdrücklich als seine Einlassung bestätigt hatte, hat er auf Nachfragen weitere umfassende Angaben zu Sache gemacht.
Er sei im April 2014, also etwa zwei Monate vor seiner Ausreise nach Syrien, zu der Gruppe um O. in der DITIB-Moschee gestoßen und fortan fast täglich dorthin gegangen. Sein Vater habe nicht gewollt, dass er in die DITIB-Moschee gehe, weil von dort schon vorher welche nach Syrien gegangen seien. H. B. sei aber wegen der Ereignisse um die Hochzeit "sauer" auf seine Familie gewesen.
Was er in der DITIB-Moschee erlebt habe, sei für ihn neu und daher interessant gewesen. O.s Unterricht sei damals schon radikal gewesen. Er habe viel von Syrien geredet. Weil es augenscheinlich für die anderen Gruppenmitglieder nicht erschreckend gewesen sei, sei es auch für ihn nicht erschreckend gewesen. Letztendlich sei es ihm aber nur um die Freizeitgestaltung gegangen; sie hätten Tischfußball und Billard gespielt und zusammen gegrillt.
Auf die Frage, was O. dem Angeklagten H. B. zu seinem Hintergrund berichtet habe, gab der Angeklagte an, dass O. ihm persönlich darüber nichts gesagt habe. Er habe es aber von Freunden gehört. O. habe nicht vom Töten gesprochen, sondern immer nur von Auswanderung. Auf Vorhalt seiner Einlassung gegenüber dem Landeskriminalamt Niedersachsen vom 16. Dezember 2014, dass O. "sich aufgeregt" habe, wenn "wir vom Kämpfen geredet" haben, gab der Angeklagte H. B. an, sie hätten ja gewusst, dass es dort Kämpfe gebe. Seine alten Freunde hätten darüber geredet, er wolle aber "nicht öffentlich sagen", wer genau das gewesen sei. Was im Kopf des Mitangeklagten B. vorgegangen sei, habe er damals nicht gewusst. S. K. habe schon in W. davon gesprochen, dass er ein Selbstmordattentat begehen wolle. Er habe ein "Shahid" (Märtyrer) und ein Vogel im Paradies werden wollen.
O. habe ihn persönlich nie aufgefordert, nach Syrien zu gehen. Vielmehr sei es so gewesen, das H. B. sich an O. gewandt und zur Ausreise gemeldet habe, nachdem er von den Ausreiseplänen anderer aus der Gruppe erfahren habe. Er selbst habe gewusst, dass sie in Syrien "zum IS gehen" würden. Mit dem Thema Syrien habe H. B. sich erst in den letzten zwei bis drei Wochen vor seiner Ausreise näher beschäftigt. Er habe zwar "so ganz allgemein wie jeder das weiß" gewusst, dass dort "Leute sich in die Luft sprengen und Unschuldige mit in den Tod reißen", gezielt habe er sich aber "nur mit positiven Themen" beschäftigt. Er habe erfahren, dass das vom IS beherrschte Gebiet so groß sei wie Portugal, dass der IS eine eigene Polizei und eigene Richter habe. Er habe auch gewusst, dass dort Krieg herrsche. Er habe auch mitbekommen, wie der IS in der Presse dargestellt worden sei. Wenn die Presse geschrieben habe, der IS sei eine terroristische Vereinigung, dann habe O. dazu gesagt, dass die noch nicht dort gewesen seien und dass das nur "Mediengerede" sei.
O. habe zwei bis dreimal mit ihm unter vier Augen gesprochen. Er habe von O. erfahren, dass man in Syrien vier Frauen heiraten und ein großes Auto fahren könne. Deswegen habe er auch dorthin gewollt. Er habe sich vorgestellt, dort zu heiraten und sich weiter "mit den anderen Jungs" zu treffen, zu grillen und ein gutes Leben zu haben. H. B. habe zu einem Freund, der schon in Syrien gewesen sei, Kontakt aufgenommen. Der habe ihm "ein schönes Foto" aus einem Restaurant in Syrien geschickt und geschrieben, dass man, wenn man nicht kämpfen wolle, das auch nicht müsse. Es gebe Städte, wo gekämpft werde, und andere, wo nicht gekämpft werde. Mit seinen Brüdern habe er nicht über seine Ausreisepläne gesprochen. Er habe mit niemandem darüber gesprochen.
Auf die Frage, wovon er dort habe leben wollen, gab der Angeklagte an, dass man ihm erzählt habe, mit einem IS-Ausweis könne man dort umsonst essen und tanken. Wenn man verheiratet sei, erhalte man auch einen Lohn. Es gebe auch Leute dort, die nur arbeiten. Er habe sich vorgestellt, dass er aufgrund seiner Ausbildung zum Massagetherapeuten eine Beschäftigung im medizinischen Bereich erhalten werde.
Von seinem Entschluss zur Ausreise bis zur tatsächlichen Umsetzung habe es nur vier bis fünf Tage gedauert. Er habe Kontakt mit dem Mitangeklagten B. gehabt. Dieser habe ihn um Geld gebeten, weil er selbst seinen Bonus von VW noch nicht erhalten habe. H. B. habe die 4.000 Euro, die er vor der Ausreise bei seiner Bank abgehoben habe, bis auf wenige hundert Euro an B. zur Aufbewahrung gegeben. B. habe das Geld abgegeben und zum Teil verbraucht.
Das Auffanglager sei eingezäunt gewesen. Die Umstände hätten eingeschüchtert. Im Treppenhaus habe ein Plakat gehangen mit der Aufschrift, dass Rauchen bei Todesstrafe verboten sei. Dennoch hätten er und der Mitangeklagte B. heimlich geraucht. B. habe das Auffanglager auch durch einen Sprung von einem Dach verlassen, um in den nahen Ort zu einem Internetcafé zu kommen. H. B. sei nicht vom Dach gesprungen, weil er Angst gehabt habe. Er sei schon immer schnell ängstlich und aufgeregt gewesen.
Er habe sein Handy abgegeben, seinen Pass und etwas Geld habe er behalten. Beides habe er in einem Strumpf versteckt. Er sei nicht durchsucht worden. Er habe bei der Frage nach seinem Pass vorgegeben, ihn verloren zu haben. A. B. habe ihr gemeinsames Geld bei sich getragen, er selbst habe nur 200 oder 300 Euro behalten.
Im Auffanghaus seien sie auch im Umgang mit einer Kalaschnikow unterwiesen worden; dies sei aber ohne Munition geschehen und kein Schießtraining gewesen.
Den Zeugen D. erkenne er wieder, obwohl dieser bei ihrem Treffen maskiert gewesen sei. D. sei damals aber "doppelt so dick" gewesen. Das Gespräch sei wirklich völlig belanglos gewesen.
Im Auffanghaus habe er sich von einem Neuankömmling - er meine K. M'H.- dessen Handy ausgeliehen und seine Familie angerufen. Sein Vater habe ihm geraten, zu versuchen, in den Irak zu kommen und von dort einen Flug nach Deutschland zu nehmen, Der Vater werde ihm von W. aus ein Flugticket buchen. Es sei unmöglich gewesen, aus Syrien wegzukommen. Erst später, als er im Irak gewesen sei und festgestellt habe, dass er unmöglich Bagdad würde erreichen können, habe er sich anders entschieden.
In Syrien sei er nach dem Auffanglager nur noch zwei bis drei Tage im Trainingslager gewesen, nachdem er sich als Selbstmordattentäter gemeldet habe. Die Meldung sei im Anschluss an die Rede eines Emirs erfolgt, der alle aufgefordert habe, Selbstmordattentäter zu werden. Die Selbstmordattentäter sollten in den Irak gebracht werden, um dort eingesetzt zu werden. H. B. habe sich vorgestellt, aus dem Irak leichter flüchten zu können. Er habe nachgefragt und erfahren, dass die Selbstmordattentate erst im Ramadan beginnen sollten und sie außerdem freiwillig seien. Für die Meldung zum Selbstmordattentäter habe man sich in einem Haus anstellen und seine Bereitschaft erklären müssen. Personalien seien nicht aufgenommen worden. Anschließend habe er B. um Geld gebeten und es auch erhalten. Er habe sein Geld nicht dem IS gegeben. Mit B. habe er nicht über seine Fluchtpläne geredet.
Für den Selbstmordanschlag sei er mit mehreren anderen durch die Wüste Richtung Bagdad gefahren worden. Wie der Anschlag stattfinden sollte, habe er nicht gewusst, nur dass es in Bagdad sein sollte. Auf der Fahrt hätten sie an einem Haus mit gefliesten Räumen angehalten, das an ein "Schlachthaus" erinnert habe. Es habe geheißen, dass ihre Pläne verraten worden seien und eine andere Gruppe, die zu ihnen gehört habe und mit einem anderen Auto gefahren sei, festgenommen worden sei. Deshalb sei nach einem Verräter gesucht worden. Er sei gefragt worden, ob er in einer Partei sei - er sei in der SPD - und was er von Demokratie denke. Er habe sich deshalb auf O. berufen, und der habe für ihn gebürgt. H. B. gehe davon aus, dass er nur deshalb nicht als Spion umgebracht worden sei und sei ihm dafür noch heute dankbar. Es sei aber ein anderer umgebracht worden, der vorher als Polizist in Saudi-Arabien gearbeitet habe. H. B. habe im Nachbarzimmer ein Geräusch gehört, das ihn an das Überfahren einer Katze erinnert habe. Danach sei der Leichnam in ihren Raum gebracht worden und dort liegen geblieben. Der Kopf sei abgetrennt gewesen.
Nach Inaugenscheinnahme des kompletten, von Beamten des Landeskriminalamtes Niedersachsen gefertigten Mitschnitts seines Interviews gegenüber Redakteuren des Norddeutschen Rundfunks gab der Angeklagte an, dort die Wahrheit gesagt zu haben. Auf Vorhalt, dass seine dortige Beschreibung der Ereignisse im Schlachthaus insofern von seinen Angaben in der polizeilichen Vernehmung vom 16. Dezember 2014 abweiche, als er dort angegeben habe, der Kopf des Mannes sei nicht dabei gewesen, während er im Interview angegeben habe, der Kopf sei auf die Leiche gelegt worden, erklärte der Angeklagte, dass seine Beschreibung in der polizeilichen Vernehmung richtig gewesen sei. Im Fernsehinterview habe er die Szene so beschrieben, wie sie in den Propagandavideos des IS häufig vorkomme, in denen nach einer Enthauptung der Kopf jeweils auf die Leiche gelegt werde. Er habe dies getan, um die Szene "authentischer" erscheinen zu lassen.
Nachdem der Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten auf die Bedeutung des Gefolgschaftseids hingewiesen hatte, gab der Angeklagte H. B. auf Nachfrage an, dass er den Treueeid zweimal geleistet habe. Er habe das machen müssen. Es habe in der Schule in der Nähe von Falludscha stattgefunden; alle hätten die Hände übereinandergelegt und die Eidesformel gesprochen. Nachdem das Kalifat ausgerufen worden sei, hätten sie etwa zwei Wochen später den Eid erneut leisten müssen. Hierzu sei ein Emir von außerhalb gekommen. Es sei bei beiden Eidesleistungen derselbe Mann gewesen.
In Falludscha habe er zu den Verantwortlichen gesagt, dass er zurück nach Syrien wolle. Er habe dies getan, weil er von dort "zur Not auch zu Fuß" hätte fliehen können. Die Verantwortlichen hätten ihm aber gesagt, er müsse bleiben, bis er sterbe. Sie hätten ihm 75 Dollar gegeben, damit er die anderen Selbstmordattentäter nicht schlecht beeinflusse. Er habe dort dennoch "Stress" gemacht und sei dafür auch in "einen Käfig gesperrt" worden. Um nicht erneut anzuecken, habe er sich für Fotos in Kampfmontur vor der IS-Flagge zur Verfügung gestellt und auch über das Internet Werbung für den IS gemacht. In Falludscha hätten er und S. K. vom IS auch Handys erhalten. Außerdem habe es einen Computerraum gegeben, in dem zahlreiche Laptops gewesen seien, von denen aus alle Bewohner das Hauses "dawa", also Mitgliederwerbung für den IS, hätten betreiben sollen. Das habe er auch gemacht. Auch wenn der Zeuge S. das bei der Polizei bestritten habe, bleibe H. B. dabei, dass er ihn vom Irak aus angeschrieben und zur Ausreise nach Syrien aufgefordert habe. Dass sein Nachrichtenverkehr über das Mobiltelefon oder den Computer kontrolliert worden sei, habe er nicht mitbekommen, er gehe aber davon aus. Sie hätten bei ihm aber "nichts gemerkt".
Schließlich habe er den Mitangeklagten B. bei Facebook erreicht. Er habe jeden Satz zwei bis dreimal geschrieben. Er sei verzweifelt gewesen und habe kein Geld zur Flucht gehabt. Er sei auch eifersüchtig auf B. gewesen, der die Flucht schon geschafft hatte. Er habe versucht, einen beim IS tätigen Fahrer mit 2000 Euro zu bestechen, damit er ihn zur Grenze bringe. Er habe aber nicht über 2000 Euro verfügt, und der Fahrer habe auch Angst gehabt.
Dann habe er sich die Ausrede überlegt, dass seine kleine Schwester auf dem Weg nach Syrien sei, aber in der Türkei fest stecke und er sie abholen müsse. Darüber hätten sich alle gefreut, weil man an neuen Leuten und vor allem jungen Frauen sehr interessiert gewesen sei. Er habe deshalb alle Passierscheine erhalten und ungehindert bis Jarabulus reisen dürfen. Von dort sei er als Begleiter eines am Kopf Verletzten in einem Krankenwagen zu einem Haus in Gaziantep gefahren worden. Er habe dieses Haus aber gar nicht erst betreten, sondern sich auf den Weg zum Flughafen gemacht und sei nach Istanbul geflogen. Dort habe er Kontakt zu seiner Familie aufgenommen, die sich gerade in Tunesien im Urlaub befunden habe.
Nach drei Tagen sei er nach Tunesien geflogen, vorher habe er keinen Flug bekommen. Dort sei er von seiner Verlobten abgeholt worden und habe seine Familie getroffen. Mit ihnen habe er nicht zurückfliegen können und sei deshalb auf dem Schiff eines Bekannten nach Frankreich gefahren. Nach seiner Rückkehr habe er nach Paris gewollt, weil er diese Stadt liebe und dort Familienangehörige habe. Sein Bekannter habe dann einen Anruf von B. erhalten. B. habe gewusst, dass H. B. zurück gewesen sei. In Paris hätten sie sich dann wieder gesehen. B. habe einen Cousin in Paris. H. B. habe zunächst keinem mehr getraut. B. habe ihm gesagt, dass er eventuell mit Kurden Ärger bekomme. H. B. habe aber auch ihm nicht mehr getraut. Er habe gedacht, B. wolle nicht, dass er bei der Polizei aussage. B. habe ihm Rechtsanwalt Zaizaa empfohlen. Diesen habe H. B. kontaktiert und ihm eine Vollmacht ausgeschrieben.
Auf Vorhalt, dass seine Angaben zum Teil von denen bei der Polizei abwichen, gab der Angeklagte an, dass er bei der Polizei teilweise etwas Falsches gesagt habe, um wieder aus der Haft entlassen zu werden. Es sei aber auch so, dass er sich die einzelnen Daten natürlich nicht notiert habe. Er könne nicht im Einzelnen sagen, wie lange er wo gewesen sei. Wenn ihm vorgehalten werde, dass unter Zugrundelegen seiner Zeitangaben insgesamt ca. vier Wochen seines Aufenthalts offen seien, so könne er sich das nicht erklären.
2. Würdigung
Soweit die Einlassungen der Angeklagten von den Feststellungen abweichen, sind sie zur Überzeugung des Senats durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.
a) Schon aus den Angaben, die die Angeklagten zu dem sogenannten Unterricht O.s, den Gesprächen in der Gruppe und den Motiven der anderen Gruppenmitglieder zur Ausreise gemacht haben, ergibt sich, dass auch die Teilnahme am bewaffneten Dschihad und die menschenverachtende Ideologie des IS wie etwa der Hass auf Schiiten und Jesiden sowie die Ablehnung demokratischer und rechtsstaatlicher Ordnung und alleinige Anerkennung der Scharia dort Thema gewesen sind.
aa) So haben beide Angeklagten eingeräumt, dass O. Deutschland als das Land des Unglaubens und der Ungläubigen bezeichnet habe, das man verlassen müsse, um nach Syrien "auszuwandern". O. habe Ihnen die Zielsetzung des ISIG, ein Kalifat zu errichten, erläutert. Er habe auch von den Feinden des ISIG gesprochen. Der Angeklagte B. hat dazu erklärt, O. habe ihnen mitgeteilt, sie würden alle zum ISIG gehen, weil dort die wahren Muslime seien und sich ein ganz neuer Staat aufbaue, der nicht nur Kämpfer, sondern zum Beispiel auch Elektriker brauche. Daraus ergibt sich aber zugleich die Kenntnis, dass auch derjenige, der sich dem ISIG nur als Elektriker zur Verfügung stellt, in die terroristische Organisation eingliedert und ihre Ziele fördert. Auch die Angaben der Angeklagten dazu, was andere Mitglieder in Syrien machen wollten, etwa S. K.s Ziel, Selbstmordattentäter zu werden, oder der Wunsch eines anderen Gruppenmitglieds, Scharia-Richter zu werden, belegen, dass letztendlich alle Gruppenmitglieder - auch die Angeklagten - die Absicht hatten, sich dem ISIG als Mitglieder anzuschließen und dessen Ziel der Schaffung eines Gottesstaates zu fördern.
Aber auch der bewaffnete Dschihad war nach den Einlassungen der Angeklagten Thema. Die Angeklagten haben einerseits behauptet, vom Kämpfen sei nicht die Rede gewesen, andererseits habe O. aber offen über den Dschihad geredet. In der Gruppe sei auch darüber gesprochen worden, dass Alaeddine Taieb bei Kampfhandlungen auf Seiten des ISIG eine Schussverletzung erlitten hatte. Der Angeklagte B. wusste nach seiner Einlassung auch, das S. H. zu einer albanischen Einheit des ISIG in Syrien gehen wollte und dass sich Anfang des Jahres 2014 zwischen al-Qaida, der JaN und dem ISIG viel getan habe. Des Weiteren haben beide Angeklagten angegeben, dass O. eingeschritten sei und es ihnen untersagt habe, wenn in der Gruppe nach außen merkbar vom Kämpfen gesprochen oder dschihadistische Gesänge abgespielt worden seien. Daraus ergibt sich aber zugleich, dass es vor O.s Einschreiten zu solchen Gesprächen über den bewaffneten Kampf und das Abhören von dschihadistischen Gesängen auch gekommen ist und dass die Angeklagten davon Kenntnis hatten. Beide Angeklagte wussten nach ihren Einlassungen auch, dass S. K. Selbstmordattentäter werden wollte. Hiernach erweist sich aber die von beiden Angeklagten behauptete Differenzierung, sie selbst hätten nur die friedlichen Aspekte eines Lebens in einem konsequent islamischen Staat zur Kenntnis genommen, als falsch. Es erscheint auch nicht nachvollziehbar, worin die von beiden Angeklagten bekundete zunehmende Radikalisierung des Unterrichts bestanden haben soll, wenn nicht darin, dass O. auch die Durchsetzung des alleinigen Machtanspruchs des ISIG durch gewaltsamen Umsturz der staatlichen Ordnung in Syrien und im Irak und die Implementierung der Scharia zum Thema seines Unterrichts gemacht hätte. Allein die Verkündung strenger Glaubensregeln oder salafistischer Ansichten kann es nicht gewesen sein; denn diese hatte es schon viel früher gegeben. Es wäre nicht erforderlich gewesen, abrupt das Thema zu wechseln, wenn sich Außenstehende - etwa Vorstandsmitglieder oder der Imam der DITIB-Moschee - der Gruppe näherten.
bb) Diese Feststellungen sind auch gestützt worden durch die Angaben des Zeugen A. B. A., der glaubhaft bekundet hat, dass er bis einige Wochen vor Ausreise der Angeklagten nach Syrien auch gelegentlich die Gruppe um O. in der DITIB-Moschee besucht habe. Grund dafür sei gewesen, dass er seine Freunde, die früher mit ihm zusammen das islamische Kulturzentrum besucht hätten, vermisst habe. Ihm persönlich sei O. unsympathisch gewesen und er habe dessen Unterricht deshalb nur sporadisch besucht. Schließlich habe ihm sein Vater den Besuch der DITIB verboten, weil er O. für radikal gehalten habe und bereits mehrere aus der Gruppe nach Syrien ausgereist waren. In der Gruppe sei auch über Syrien gesprochen worden. Auf Vorhalt seiner von der Polizei protokollierten Aussage, dass er mit angehört habe, wie der Angeklagte B. einmal gesagt habe: "Wer hat die 'Cojones' da runter zu gehen?", hat der Zeuge diese Angabe bestätigt. Die Verwendung des spanischen Vulgärausdrucks für "Eier" habe für ihn bedeutet: "Wer hat den Mut da runter zugehen?". Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage haben sich nicht ergeben.
cc) Beide Angeklagte haben zudem eingeräumt, sich vor ihrer Ausreise auch im Internet über den ISIG informiert zu haben. Der Angeklagte H. B. hat bekundet, durch Internetrecherchen ergänzend erfahren zu haben, dass der ISIG so groß sei wie Portugal und auf seinem Gebiet auch eine "eigene Polizei" und "eigene Gerichte" habe. Der Angeklagte B. hat eingeräumt, sich auch anhand arabischsprachiger Propaganda über den ISIG informiert und auch Propagandavideos des ISIG angesehen zu haben.
Zwar hat der ISIG nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. auch Propagandavideos herausgegeben, die die Zustände unter seiner Herrschaft als eine Art "heile Welt" vorspiegeln. Der Senat hat sich selbst einen Eindruck von solchen Videos verschafft und vier von der Sachverständigen Dr. K. als Beispiele hierfür benannte Videos in Augenschein genommen. Drei der Videos zeigen deutschstämmige IS-Mitglieder, nämlich Philip Bergner und Dennis Cusbert sowie einen nicht namentlich bekannten Mann, die in deutscher Sprache über ihre Motive zur Mitgliedschaft beim IS und zu dessen Zielen, sprechen. Das Video "Wintereinbruch in Sham" zeigt Dennis Cusbert und weitere IS-Mitglieder u.a. bei einer Autofahrt durch eine schneebedeckte Landschaft, bei einer Schneeballschlacht und beim Verteilen von Schokoriegeln an Kinder in einer syrischen Stadt. Dennis Cusbert äußert sich in spaßhaftem Ton, dass so die "bösen Terroristen" aussähen, dass auch das der Dschihad sei und fordert die Zuschauer auf "Kommt zum Dschihad!".
Der Senat schließt es dennoch als lebensfremd und unglaubhaft aus, dass die Angeklagten bei ihrer Internetrecherche selektiv nur solche Informationen erhalten haben, die den ISIG als eine ausschließlich religiöse, friedliche oder humanitäre Organisation erscheinen lassen. In den von der Sachverständigen Dr. K. benannten Videos sind sowohl die Sprecher als auch die Begleiter mit Sturmgewehren bewaffnet, die Gesichter der Begleiter sind zudem maskiert. Nach den übereinstimmenden, plausiblen und nachvollziehbaren Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Dr. K. wurde spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 2013 in allen öffentlichen und vor allem den sozialen Medien verbreitet und diskutiert, dass der ISIG mit Selbstmordattentaten und militärischen Offensiven gegen die syrische und irakische Regierung, andere Rebellengruppen und auch die Bevölkerung vorgeht. Der Sachverständige Dr. S. hat erklärt, dass es angesichts der Berichterstattung in den Medien und der Diskussionen - auch unter Muslimen - im Internet auszuschließen sei, dass im Jahr 2014 noch jemand den IS als humanitäre Organisation angesehen habe. Der Senat hat sich auch insoweit dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. S. angeschlossen.
b) Auch aufgrund ihres Einlassungsverhaltens ist der Senat davon überzeugt, dass die Angeklagten ihr eigenes Wissen und Verhalten zum Teil verharmlost, die konkrete Bedrohung durch den ISIG hingegen übertrieben dargestellt haben.
Beide Angeklagten haben auf Vorhalt der Protokolle ihrer Vernehmungen aus dem Ermittlungsverfahren eingeräumt, dass sie dort zum Teil falsche Angaben gemacht hätten. So hat etwa der Angeklagte B. auf Vorhalt seiner von der Polizei protokollierten Angabe, der Sporttrainer im Ausbildungslager habe sie sogar "ausgepeitscht", in der Hauptverhandlung erklärt, dass das nicht zutreffe und er insoweit übertrieben habe. Der Angeklagte B. hat zudem eingeräumt, dass seine Angabe vor dem Ermittlungsrichter, er habe die ihn belastenden Facebook-Mittelungen nicht selbst verfasst, sondern diese stammten von anderen IS-Mitgliedern, eine Schutzbehauptung gewesen sei. Der Angeklagte H. B. hat eingeräumt, gegenüber der Polizei zunächst wahrheitswidrig angegeben zu haben, vor seiner Ausreise nicht gewusst zu haben, dass er zum Islamischen Staat gehe.
Fragen wurden auch nicht immer spontan beantwortet. Beide Angeklagte haben mehrfach auf Nachfragen - insbesondere der Bundesanwaltschaft - mit Gegenfragen reagiert, auf welche Seite ihrer schriftlichen Einlassungen sich die Frage beziehe. Zudem hat der Angeklagte B. auf die Frage, ob er den Treueid geleistet habe, erklärt, dass er sich dazu "heute" nicht äußern werde, obwohl er zuvor bereits Angaben zur Sache gemacht hatte. Am folgenden Sitzungstag hat er sodann angegeben, den Treueid nicht geleistet zu haben. Bei der Eideszeremonie seien "alle nach vorne gerannt, um den Eid abzulegen" und er sei einfach sitzen geblieben, was niemandem aufgefallen sei.
c) Dafür, dass der Angeklagte B. sein Einlassungsverhalten zweckorientiert gesteuert hat, sprechen auch die Inhalte einiger Facebook-Protokolle.
aa) So fand zwischen dem Angeklagten B. und seinem Bruder M. am 18. August 2014 über Facebook folgender Austausch statt:
M. B.: "Wir müssen das alles klären mit Deutschland"
"Das wir mit.den reden anwalt nehmen und gucken was uns erwartet"
"Du kannst im.endeffekt nichts dafür"
"Du bis dahin geflogen wolltest om.Urlaub humanitäre hilfe leisten"
A. B.: "Ach ixh bin eh am arsch"
M. B.: "Und dann hanem sie dich fest gehalten"
A. B.: "Ich weiss das"
M. B.: "Und du musstest dad Spiel mit spielen"
A. B.: "Ich bin das opfa"
M. B.: "Ja egal was du geamvht hasz"
A. B.: "Ich wurde verascht und soll mit mein kopf zahlen"
M. B.: "Du hattesz angsz um.dein leben"
A. B.: "Hatte die deutsch repoblik ihr arbeit getahen hatten die mich geschutz vor so ne leute"
"Und die armen jugendlich"
M. B.: "Jeder Mensch hätte so gehandelt und du bist zu jeder kooperation bereit"
(...)
A. B.: "i h wollte den kinder helfen so wurde es mir versprochen"
"Alsnixh rein kam nach suryen hat mann uns wie ficha ins auto gesteckt und unterixhtet als ixh gefragt habe ob ich ins krankhaus helfen kann oder den kindrr essen geben kann"
"Haben die gesagt ixh soll trainingscap machen da wurde wir maslos von schiks voll gelabert das wir kampfen mussen"
"Mein pass wurde eingezogen"
M. B.: "Genau"
A. B.: "Und als ich immer wider gefafgt habe hag man gesagg das ixh ein spioun sei und spioun kopf abgeschlagen wird"
"ich wurde auch in knasst gesteckt"
M. B.: "Es ging um dein keben"
A. B.: "Ist aber so"
M. B. "Du hast deine rolle überzeugend"
"Gespielt"
"Deine.rolle.in Syrien mekne ich"
A. B.: "Die haben mich gezungen fotos im net zu machen wo ixh grinse und freund foto mit waffen"
M. B.: "Sonst hätten sie dich geholt"
A. B.: "Doe sahsen nebe uns als wir gesxhrieben haben"
M. B.: "Und getötet"
Diese Konversation lässt sich nicht - wie von Seiten des Angeklagten B. geltend gemacht - damit erklären, dass sein Bruder sich damit nur habe versichern wollen, dass der Angeklagte beim IS keine Verbrechen begangen habe. Es wird vielmehr deutlich, dass sich beide Teilnehmer schon vorher über das Thema ausgetauscht haben und dass der Bruder dem zu diesem Zeitpunkt ersichtlich angespannten Angeklagten B. die Inhalte dieses Austauschs ins Gedächtnis rufen wollte, damit dieser bei seiner Ankunft gegenüber den Ermittlungsbehörden entsprechende entlastende Angaben macht. Diese Feststellung wird gestützt durch den Inhalt der zwischen beiden am 20. August 2014 geführten Facebook-Konversation. Nachdem der Angeklagte B. seinem Bruder M. mitgeteilt hatte, dass er von H. erfahren habe, er werde entgegen der vorherigen Ankündigung auf jeden Fall in den "Knast" kommen, erwiderte M. B.:
"Überlegt euch was ihr sagt"
"Dann wird alles gut"
"Glaub mir"
"Ich hab mir die Rechtsprechung durch gelesen"
"Die haben nichts inchallah"
"Inti du jast nichts gemacht".
bb) Am 18. und 19. August 2014 führte der Angeklagte B. mit dem gesondert Verfolgten M. M. eine Facebook-Konversation, in deren Verlauf es neben gegenseitigen Beleidigungen und Vorwürfen auch zu einer Art Abstimmung des Aussageverhaltens kam:
M.: "Hat dir dein Valer den Ausweis gebracht oder noch nicht?"
"Mach lieber deib handy kaputt"
"Wegen dir werden viele bruder fallen"
"Du hast alle verraten"
"Pussy"
B.: "Du kannst allen was vormachen aber mir nicht rede von pussy und hund aber ich weiss was du da wirklich machst wer fallt entscheidet alah ixh bin schwach geworden und will nachuse ich hab mit niea (gute Absicht) nicht geschafft bitte lieber das alah die taber (Standhaftigkeit) gibt ich losche jetzt den verlauf aus deiber sicher heit ich alls geloscht gruss alle und sag tuht mir leid alah weiss salmu alikum"
"Ausserdem was hab ich dir getahn das du diesen hass raus last wo hab ich ein veraten es ist doch zwischen mir und alah mamtlk chay (ich habe dir nichts getan) und von mir walah (bei Gott) wird nicht einer ein geschicht über die bruder horen und mach was du willst alah weiss salmu alikum"
"Dachet ihr wir haben ihn am sack und er kommt nicht raus"
"Laber was von spioun und wollennmich schlachten"
"Ich mach kein problem"
"Weiss ganicht warum du so abgehst"
"Was stort dich denn so das ich nachuse gegangen bin"
"Ich brauch mich vorkein gut stellen weil es mir eh latze ist aber wenn du rum lugst muss ich mich rechtfertigen"
"Und ich erzahle nur die wahrheit"
"Ich weiss von gar nichts und war im krankenhaus"
"Mibij"
"Und hab krankentranzporter gefahren"
"Und gekocht im krankenhaus"
"Jeser kann komm und fragen was war da los"
"So kann i h sag rede nicht mit mir"
"Aber wenn die denken ich bin verater"
"Sag ich nein leute"
"Ich hab nimans veraten"
M.: "Denkst du die werden dich in ruhe lassen und du wirst nichts sagen?"
"Du weißt noch wwer alles kommt"
B.: "Denkst du ich rese sxhlcht uber mujahdin"
"Ich weis ganichts"
"Ich will mit der saxhe nichts zu tuhen ha en"
"Und was hab ich davon wenn ich sag der kommt"
"Der schitan (Teufel) will uns hetzen jetzt"
"Wqas ist mein vorteil"
"Eins sag dir ich verate kein"
M.: "Und uch werd dein name nicht sagen aber du mach was du willst"
B.: "Alsop du nixhf wusstes das ich geh"
M.: "Du villt nicht aber wenn du musst dann musst wenn du nicht eingesperrt werden willst"
B.: "Hab ixh dir im auto gesagt"
"Eingespeet fur qas"
"Dss i h armen kinder eysen geben habe und mich un kranke gekummert habe"
"Und sobald ich weiss ist die flage nicht verboten"
"Und den gurtel hab ich mir gekauft ja"
"Ich hab angs geisl genommen zu werden"
"Auserdem war da verbands kasten drine"
"Und ein lacken mit den man feuer loscht"
M.: Rabi m3ak (Gott sei mit dir) mach was du willst aber versau es uns nicht"
B.: "Ich hab mit euch nichts zu tuhen"
"Und weiss nich mal wo Ihr steckt"
"Ich hab das bIut und die lag im krankenhause ni ht ausgehalt ich bin deprisif und brauch artzlich hilfe"
"Humanitate hilfe wollte ich leisten"
"Alah soll moch als kaofer (Ungläubigen) sterben iassan wenn ich vor den cafe leute uber ein bruder was erzahle"
M.: "Wallahi (bei Gott) ich verzeihe dir niemals vor Allah wallahi ich verzeihe dir niemals vor Allah wenn du irgendein mist ertzählst über mich oder andere brüder"
B.: "Du wirst es doch eh mitkriegen"
M.: "Nicht nur cafe leute"
"Deine famiele als erstes"
"Und jeder andere egal wem wallahi ich verzeihe dir niemals"
B.: "Junge wie soll ich reden ich hab dich nicht geseheb"
M.: "Ich hab noch fotos von dir"
B.: "Ich hab kein fots"
"Passiert mir was"
"Sind alle am arsch"
"In tunesien und deutschtand"
"Du kennst mich"
"Wur bleiben alle brav"
"Und klaren das"
"Aber es gib plan c"
"Ich weiss das du nichts getahn hast"
"Du bist in drr apotheke"
"Und ordnist die medekament weil du arbich kannst"
"in al bab"
"Oder"
M.: "Ja"
B.: "Hast du den nachub geschikt"
"Zu krankenhaus in minbij"
"Und jassan das klron kind brauch cortison spotzen 40 ml ampulen"
"Vergiss das bitte nicht"
M.: "Ja khier in sha Allah (Ja hoffen wir das beste, so Gott will)"
"Asma3 (Hör mal)"
B.: "Ja"
"Plan c oder was"
"Hhhh"
M.: "Keiner wird was von mir hören obwohl alle fragen was los"
M.: "Salam"
B.: "Kannst du mir"
"Ein gruss offendlich geben"
"Damit ich auscheider bin"
"Dann verleuft als nach paln"
"Ich werde dich vermiss bruder waiah"
M.: "Mefhimtech (Ich habe nicht verstanden)"
B.: "Schreib so"
Diese Konversation zeigt, dass der Angeklagte B. im Vorfeld seiner Rückkehr zumindest Überlegungen angestellt hat, die von ihm als "Plan C" umschriebene verharmlosende Einlassung abzugeben und keine Angaben zu den Taten der anderen W.er IS-Mitglieder zu machen. Es ist aber festzustellen, dass der Angeklagte sich schon am Tag seiner Wiedereinreise nach Deutschland hieran nicht gehalten hat und auch in Bezug auf die anderen W.er belastende Angaben gemacht hat. Dennoch erlauben die ihn selbst betreffenden Äußerungen den Schluss, dass der Angeklagte B. seine eigenen Tätigkeiten beim IS gezielt in ein milderes Licht gestellt hat. Es ist hiernach auch nicht nachvollziehbar, warum der Angeklagte B. am 20. August 2014 auf die Ankündigung B. H.s, auch nach Syrien zu kommen, nicht anders reagiert und Harrabi davon abgeraten hat.
cc) Hinweise zu Verabredungen des Angeklagten B. über sein Einlassungsverhalten haben sich schließlich auch aus seiner Facebook-Konversation mit dem Zeugen M. I. H. ergeben, die am 15. August 2014 u.a. folgende Mitteilungen enthielt:
B.: "Wielange darf ich shicha umsonst rauchen wenn ich komme"
H.: "Bis zum Ende deiner Jahre. Und wenn ich den Laden irgendwann nicht mehr habe dann darfst du j... . Gute Angebot oder?"
B.: "Ja die tuhennuns 10jahrbin knasst wenn wir kommen"
H.: "Ach was redest du? Warum denn? Du hilfst doch da an der Grenze und in Syrien. Das ist nicht strafbar."
B.: "Bestimmt - Hahaha - Inschlah pardis sehen wir uns alle - Ih kann die kinder jicht lassen wallah - das tuht ur weh - die haben kein vater kein mutzer und wissen nicht wo die verwante sind - Haram - Und die surya ja sind hunde"
H.: "Ja Bruder ich verstehe das.. Natürlich Haram - Auf der ganzen Welt ist das so. Trotzdem ist es noch mehr Haram dass immer mehr Menschen sterben Und getötet und abgeschlachtet werden"
B.: "Ja subhsnal (Abkürzung für: Gepriesen sei Gott) traurig - Schweigd minute - Achi (Bruder) Komm - Hhhhhhhhh"
In einer Fortsetzung dieser Konversation am 18. August 2014 fragte der Angeklagte B. den Zeugen H., ob dieser einen "helder" von der Polizei kenne und ob dieser gegen Terrorismus sei. Als H. zurückfragte, ob er "H." - der Zeuge KOK H. ist beim Staatsschutz der Polizeiinspektion W. - meine und dies bestätigte, fragte B. ihn, wann er das letzte Mal mit jenem gesprochen habe. H. erwiderte, dass dies kurz nach der Ausreise seines Bruders Nagi gewesen sei und er danach noch drei bis vier Mal mit ihm telefoniert habe. B. fragte, ob er einmal dabei erwähnt worden sei. H. erwiderte, dass B. zu der Zeit noch in Deutschland gewesen sei. Auf H.s Frage, was denn los sei, erwiderte B., dass er nur wissen wolle, was ihm drohe. Man habe ihnen gesagt, dass sie in Deutschland zehn Jahre "Knast" bekämen, wenn sie zurück gingen. Es folgte weiter:
H.: "Ach wer erzählt diese scheisse"
B.: "Die bruder hier - Abas und so waren eh bei den Bullen und haben erzählt"
H.: "Die einzigen die gefickt sind, sind die Franzosen die da unten kämpfen - Was redest du für ein Mull - Was soll abass bei den Bullen"
B.: "Welch franzosen"
H.: "Das ist Blödsinn du kriegst hier keine Strafe. Das einzige was hier mit dir passieren wird ist das du ... - Der französische Präsident nimmt von jeden der in Frankreich gelebt und nach Syrien kämpfen geh ... - Das heißt die Franzosen die unten kämpfen dürfen nicht wieder zurück nach Frankreich"
B.: "Also droht kein von uns hier was - iich hab das gesagt die habwn mir gesagt ich hab kein ahung"
H.: "Ich kann ja mit deinen Bruder diesen Haedelt fragen"
B.: "Und der scheitan verschonsrt es"
H.: "Außerdem was ist dabei wenn du da unten hilfst"
B.: "Nihts lass mal mein bruser raus bevor er sich hoffung macht und frag mal wer unten ist und was droht - Ich hab die schnautz voll hier - Und die sachen sind heftog"
H.: "Soll ich Ihnen sagen. Das mein Bruder gern zurück will - So ein Auf den oder was"
B.: "Nein die schlachten mich hier wenn Nagi das raus krigt"
H.: "Was ist los Bruder"
B.: "Ich will zuruck und ich hab das gefuhl das es alle wollen - aber kein sich traut"
(...)
"Momo ich hab noch ein gut bei dir"
"Klar mal ob die wissen ob ich hier bin was mir droht"
H.: "Ja hast du - Hör mir zu. - Rede mit niemanden darüber - Erzähl das keinen. Vn welcher Grenze könntest du raus? Ich fliege morgen sofort in die Türkei und hole dich dar aus Wallah"
B.: "Vielleicht wenn ich den sxhrozt (Schritt) mache trauen sich die ander yasin ein falsch hund - Nein das klar ich allein klar du nur deutschland"
H.: "Ich kläre das morgen früh gleich.. - Ok"
B.: "Inschlah mach locker"
H.: "Wo bist du gerade in der Nähe??"
B.: "Sag was droht wie wurden verascht"
H.: "Ok. Ich sage ihr seid runter geflogen weil ihr helfen wolltet und dann wurdet ihr verarscht und wurd..."
B.: "Ja wallah - Ich hau aufj fall ab hier - Ich vertau kein hier - Dein Bruder ist mit diesen abu talah (Denis Cuspert) - Der zeht sich immer mher zuruck von uns - Wenn ich komme erzal ich dir - Iich will aber nicht knasst"
H.: "Nein Bruder. Ich lass nicht zu dass du in Knast kommst weil du verarschst wurdest"
B.: "Sag walah"
H.: "Wallah"
B.: "Yasin so die wollen dich schlacht bist du spioun"
H.: "Bruder ich mach alles dass dir nichts passiert"
B.: "Wenn du das ein erzahlst wallah ich verzei dir nie"
H.: "Was sagt jassin?"
B.: "Ouch meinte halt ich will nachause und so und so war das als niht abgemacht - Er so dein vater ist nahda und dein faili bekannt die sind kufar - Ich sonws laberst du da - Du bist unter verdacht - Du wolltes irak nicht kapfen und bist abgehaun ohne erlaubnis - Und jetzzt bist du hier und willst nachuse - Wenn du gehst wollen alle gehen - Ich so die sachen sind nicht so wie du es erzlht hast"
H.: "Hast du also mit Jasin darüber geredet"
B.: "Ja - Er ist derrRichter der stad hier - Er so du machst unser da3wa (Propaganda) kaput"
(...)
"Klar das mit deutschland und fragt nach anwalt - Wenn haftsrafe ist wallah es ist wichtig das wir es klar so sehen alle das nichts passiert und die luge..."
"Bis morgen"
Am 23. August 2014 schrieb der Angeklagte B. an den Zeugen H.:
"Inschlah abdu dein bruder darf nichts sagen mo mit muhanid mein gedchichte das voll wichtig"
H. antwortete:
"Ja mein Bruder sagt gar nichts. Ich hab ein paar Leuten gesagt das du hier bist".
In diesen Nachrichten finden sich neben Absprachen zum Aussageverhalten allerdings auch Anhaltspunkte für die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten B. zu seiner "Gerichtsverhandlung" vor O..
c) Den getroffenen Feststellungen steht nicht entgegen, dass der Angeklagte B. im Falle eines tatsächlich beabsichtigten Anschlusses an den ISIG keinen Grund gehabt hätte, seinen bereits beantragten Urlaub bei VW zu verschieben und seinem Arbeitgeber im Anschluss daran eine Erkrankung vorzuspiegeln. Soweit es die Vorspiegelung einer Erkrankung und Behandlung in Tunesien betrifft, ist bereits nicht festzustellen, dass dies überhaupt auf die Initiative des Angeklagten B. zurückging. Nach den Ermittlungen, zu denen der Zeugen KOK B. glaubhafte Angaben gemacht hat, hatte der Angeklagte außerhalb der Werksferien für den Zeitraum 2. Juni 2014 bis 27. Juni 2014 - überwiegend unbezahlten - Urlaub beantragt und genehmigt erhalten. Nach einer Abmahnung teilte am 9. Juli 2014 ein Bruder des Angeklagten B. dessen Arbeitgeber Volkswagen mit, dass der Angeklagte während seines Urlaubs in Tunesien einen Unfall erlitten habe und sich in einer Klinik befinde. Der Angeklagte B. hat selbst nicht angegeben, dass dies auf seine Initiative zurückging. Dies findet seine Bestätigung in der am 19. August 2014 zwischen dem Angeklagten B. und seinem Bruder M., der sich damals in Tunesien aufhielt, geführten Facebook-Konversation. Nachdem der Angeklagte B. seinem Bruder mitgeteilt hatte, dass ein LKA-Mann zu "H.", womit der Zeuge M. I. H. gemeint war, gekommen sei und ihm mitgeteilt habe, dass B. nach seiner Rückkehr vernommen und unter Beobachtung gestellt werde, erwiderte M. B.: "Und VW ist der Verhandlung am 28" - "Das geht auch gut inchalla - "Ich besorg hier noch ne krankschreibung".
Abgesehen davon wäre es auch unter Zugrundelegen der Einlassung des Angeklagten, dass er zunächst neun Monate lang in Syrien eine Islamschule des IS habe besuchen wollen, um sich anschließend zu entscheiden, ob er dort bleibe oder nicht, zu einem Abbruch seiner bisherigen Beziehungen und zum Verlust des Arbeitsplatzes gekommen.
Viel naheliegender ist zur Überzeugung des Senats die Erklärung, dass der Angeklagte seinen Urlaub zur Verschleierung seiner Ausreiseabsichten verschoben hat. Das Bestreben, vor der Ausreise keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, entkräftet auch das weiter von der Verteidigung ins Feld geführte Argument, dass der Angeklagte vor seiner Ausreise nicht etwa noch einen Konsumentenkredit über 25.000 € aufgenommen und anstatt eines VW Golf Cabrio einen Pick-up oder Geländewagen geleast hat, um diese dem IS zur Verfügung zu stellen. Der Angeklagte konnte letztendlich nicht sicher sein, dass sein in W. angesehener und gut vernetzter Vater hiervon Kenntnis erlangt und ihn an der Ausreise gehindert hätte.
d) Aus den von den Angeklagten im Rahmen ihrer Einlassungen geschilderten Tätigkeiten für den IS ergibt sich zugleich, dass die Angeklagten sich dem Willen der Organisation für eine gewisse Dauer bewusst untergeordnet haben und auch in dem sicheren Wissen handelten, dass sie durch ihr Verhalten die Ziele der Organisation förderten, beginnend damit, dass sich beide im Auffanghaus dem ISIG als Kämpfer zur Verfügung stellten. Der Angeklagte B. hat dies sowohl in seinen polizeilichen Vernehmungen als auch in der Hauptverhandlung eingeräumt. Der Angeklagte H. B. hat in der Hauptverhandlung bestritten, sich bereits im Auffanghaus bereit erklärt zu haben, als Kämpfer eingesetzt zu werden; er habe sich diese Entscheidung vielmehr offen gehalten. Diese Einlassung ist durch die Beweisaufnahme widerlegt. Die Zeugen POKin N. und KHK S. haben übereinstimmend bekundet, dass der Angeklagte H. B. in seinen polizeilichen Vernehmungen angegeben habe, sich dafür entschieden zu haben, Kämpfer zu werden, weil ihm dies als das kleinere Übel erschienen sei. Dies entspricht der Einlassung des Angeklagten B., nach der sowohl er als auch der Mitangeklagte sich im Auffanghaus entschieden hätten, als Kämpfer eingesetzt zu werden. Er habe sich deshalb im Trainingslager gewundert, dass der Angeklagte H. B. sich nunmehr dafür entschieden habe, Selbstmordattentäter zu werden. Der Zeuge Donath hat schließlich glaubhaft bekundet, dass es nach seiner Erfahrung nicht möglich gewesen sei, bei Aufnahme in den ISIG zunächst offen zu lassen, ob man sich als Kämpfer zur Verfügung stelle.
Hingegen enthalten beide Einlassungen keine Anhaltspunkte dafür, dass einer der Angeklagten zu einer der festgestellten Beteiligungshandlungen unter konkreter Bedrohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder körperliche Bewegungsfreiheit gezwungen worden ist oder dies irrtümlich angenommen hat. Zwar haben beide Angeklagte einen solchen Moment erlebt: der Angeklagte H. B. im sogenannten Schlachthaus, der Angeklagte B. während seiner Gerichtsverhandlung vor O.. Bei beiden war aber die konkrete Gefährdung unmittelbar danach beendet, was beiden auch bewusst war. H. B. erfuhr, dass O. für ihn gebürgte hatte und er nicht mehr verdächtigt wurde. B. erlebte, dass O. ihn in Schutz nahm und unter neuem Namen in einer anderen Einheit unterbrachte, bei der B. schnell erkannte, dass diese es mit den Vorschriften nicht so genau nahm.
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die Angeklagten nach ihrer Ankunft in Syrien von den dort herrschenden Zuständen zunächst überrascht waren. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Angeklagten einer unausgesetzten, lückenlosen Überwachung und fortdauernden konkreten Bedrohung mit Gefängnis, Folter oder Tod durch den IS ausgesetzt waren. Dies ergibt sich schon aus den Einlassungen der beiden Angeklagten, die glaubhaft geschildert haben, dass sie sich während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts immer wieder und in vielfältiger Weise gegen ihre Vorgesetzten aufgelehnt und auch Regeln des IS verletzt hätten, ohne dass dies letztendlich schwerwiegende Konsequenzen für sie gehabt habe. So waren die Angeklagten schon am Beginn ihres Aufenthalts jedenfalls von dem Rauchverbot bei Todesstrafe nicht so beeindruckt, dass sie es nicht gewagt hätten, auf dem Dach des Auffanghauses nachts heimlich zu rauchen, wie sie selbst bekundet haben.
bb) In diesem Zusammehang ist auch von Bedeutung, dass die Angeklagten und die übrigen Neuankömmlinge im Auffanghaus sogar Wachdienst geleistet haben, wie der Angeklagte B. glaubhaft angegeben hat. Der Angeklagte H. B. hat zwar bestritten, Wachdienst geleistet zu haben; dem ist der Senat jedoch nicht gefolgt. Denn es ist nicht erkennbar, warum der Angeklagte B. diese ihn selbst belastende Angabe wahrheitswidrig gemacht haben sollte.
Die Einteilung der Neuankömmlinge zum Wachdienst belegt, dass die Bewachung und Sicherung des Auffanghauses in erster Linie nach außen gerichtet war, also dazu diente, das Auffanghaus vor Angriffen, zumindest aber Entdeckung zu schützen. Wäre sie allein nach innen gegen die Neuankömmlinge gerichtet gewesen, hätte man nicht die Neuankömmlinge mit Wachaufgaben betraut. Es wäre auch nicht nötig gewesen, ein sofort als solches erkennbares IS-Mitglied wie den Zeugen D. vor Betreten des Hauses zu kontrollieren, wie der Zeuge aber glaubhaft bekundet hat. Der Zeuge D. hat zudem ausgesagt, dass er selbst nie erlebt habe, dass an einem Checkpoint oder sonst sein Mobiltelefon oder das eines anderen IS-Mitglieds kontrolliert worden sei. Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, dass der IS erst im Folgejahr, nämlich im Juli 2015 in ar-Raqqah und al-Bukamal durch eine öffentliche Bekanntmachung unter Androhung von Strafe die Schließung von Internetcafés und das Abschalten privater WiFi- bzw. WLAN-Verbindungen angeordnet hat (vgl. B.I.7. und C.II.8).
cc) Dem Angeklagten B. gelang es nach seinen Angaben sogar, unerlaubt seine Einheit im Irak zu verlassen und ohne Passierschein fast 700 km im Bus bis nach Raqqa zurückzulegen, dabei mehrere Checkpoints zu passieren und auch eingehende Kontrollen zu überstehen, ohne festgenommen zu werden. In Raqqa schließlich nahm er von sich aus Kontakt zu O. - einem Scharia-Richter des IS, wie er wusste - auf; die Erklärung, dass er nicht gewusst habe, wie er nun seine Flucht fortsetzen solle, vermag der Senat zwar nicht zu widerlegen. Mit dem Ablauf seiner Reise ist aber nicht vereinbar, dass der Angeklagte B. - wie er ebenfalls behauptet hat - permanent in der Angst gelebt habe, "als Spion geschlachtet" zu werden.
dd) Dafür, dass dies nicht so war, spricht auch der Inhalt des Nachrichtenaustauschs zwischen dem Angeklagten B. und dem gesondert Verfolgten O. vom 18. August 2014. Auch nachdem B. zweimal geschrieben hatte: "Ich will nach Hause", antwortete O. auf B.s Frage: "Denkst du ich bin spion??" mit "Nein".
Zwar finden sich an anderer Stelle in demselben Chat auch folgende Mitteilungen B.s an O.: "Die wollen moch toten alter" - "Und brahim wollen die auch toten" - "Du hast uns nie gesagt wie wirklich ist" - "Nur die gut sachenimmer gesagt" - "Und hier sagg saquet wenn du noch mak abhust die schlaten dich" - "Du hast nur noch ein chonce".
Der Inhalt dieser Mitteilungen spiegelt zum Teil aber nicht die wahren Gegebenheiten wider. Der Angeklagte hat hierzu nämlich angegeben, er habe O. mit seinen Mitteilungen zu Antworten provozieren wollen, die Oussafi belastet hätten, um diese später gegen ihn verwenden zu können. Deshalb habe er auch geschrieben, er wolle nach Hause, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt schon wieder in der Türkei befunden habe. Er sei aber davon ausgegangen, dass O. das damals noch nicht gewusst habe, weil dieser ihn noch vom Ausstieg habe abhalten wollen.
O. hat indes keine Antworten im Sinne des Angeklagten B. gegeben, sondern auf die Frage "Zeigst du mich an wenn die mich lassen" mit "Nein" geantwortet und außerdem erwidert: "Bruder ich habe ab erste Tag gesagt zu hudud (übersetzt: Grenze)" - "Lassen keine nach Hause".
Dieser Nachrichtenaustausch belegt, dass der Angeklagte B. seine Verdächtigung als "Spion" und das konkrete Ausmaß seiner Bedrohung zumindest übertrieben dargestellt hat. Allerdings findet die Einlassung des Angeklagten B. zu seiner inszenierten Gerichtsverhandlung vor O. eine Stützte in den Facebook-Protokollen, so dass der Senat diese auch seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat; danach schrieb nämlich der Angeklagte B. am 17. August 2014 an den Angeklagten H. B.: "Auf einmal hat yasin angfang was zu reden von bist du spioun" - "Und so der bastert". Daraus ist aber nicht zu schließen, dass der Angeklagte B. bereits vor dieser "Verhandlung" als Spion verdächtigt wurde und daher zu seinen Beteiligungshandlungen gezwungen war. Vielmehr stellt sich das Geschehen als Reaktion auf die eigenmächtige Entfernung von seiner Einheit im Irak dar, die der gesondert Verfolgte O. gerade nicht zum Anlass für eine Bestrafung genommen hat. Vielmehr hat er B. unter einem neuen Namen in der Obhut seines früheren Freundes H. bei einer anderen Einheit untergebracht.
Dem steht auch nicht entgegen, dass am 28. September 2014 gegen 12:25 Uhr auf dem Twitter-Konto "teletabiii", welches nach Aussage des Zeugen PK J. dem IS-Propagandisten Denis Cuspert zuzuordnen sei, das beim Fastenbrechen am 28. Juli 2014 in Anah gefertigte Foto des Angeklagten B. mit folgenden Text veröffentlicht wurde: "Der deutsche Dawlasoldat der die Geschwister ausspionierte und nach Deutschland zurückging und sich unter die Schiia mischte. Nun zu wem gehört er nun zum Islamischen Staat, sowie man auf dem Foto erkennt oder zu der shiitischen Gemeinschaft?". Dort ist zwar von "ausspionieren" die Rede; diese Meldung erfolgte allerdings erst, als der Angeklagte B. nach Deutschland zurückgekehrt war. Der Schluss, dass er auch während seiner Zeit beim ISIG/IS als "Spion" verdächtigt wurde, ist daraus nicht zu ziehen.
e) Gegen einen permanenten Zustand der Bedrohung sprechen auch zahlreiche Fotos, die in dem Mobiltelefon des Angeklagten gespeichert waren.
So ist auf den Lichtbildern Blatt 435, 438, 441, 443 und 457 Sonderband "Auswertung Samsung SM-G990F 1.6 Images", die unter dem Datum 8. Juli 2014 gespeichert worden sind, der Angeklagte B. durchweg lachend, auf dem Lichtbild Blatt 435 in geradezu ausgelassener Stimmung mit anderen lachenden jungen Männern, von denen einer ein Sturmgewehr hochreckt, abgebildet; das Lichtbild auf Blatt 443 zeigt den Angeklagten B. lächelnd mit einem Sturmgewehr AK 47 "Kalaschnikow" in den Händen. Die Lichtbilder Blatt 390 bis 396, 398 und 400 Sonderband "Auswertung Samsung SM-G990F 1.6 Images", die unter dem Datum 11. Juli 2014 gespeichert worden sind, zeigen den Angeklagten B. ebenfalls durchweg lachend, zum Teil den Arm auf den Schultern eines anderen oder mit dem nach oben gestreckten Zeigefinger als Erkennungszeichen des IS abgebildet. Auf den Lichtbildern auf Blatt 408, 412, 413, 415, 418, 419 Sonderband "Auswertung Samsung SM-G990F 1.6 Images", die unter dem Datum 12. Juli 2014 gespeichert worden sind, ist der Angeklagte B. wiederum lachend und zum Teil mit anderen lachenden jungen Männern vor einer Wasserfläche zu sehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die genannten Lichtbilder Bezug genommen.
Zweifel an der Authentizität der Bilder haben sich nicht ergeben. Der Angeklagte B. hat deren Anfertigung nach Inaugenscheinnahme eingeräumt und dazu angeben, dass sie im zweiten Ausbildungslager entstanden seien.
f) Die Feststellungen zu den vorgenannten Fotos sowie zum Inhalt des Nachrichtenverkehrs des Angeklagten B. über Facebook und Kurzmittelungen (SMS) beruhen auf den Ergebnissen der Auswertung des Mobiltelefons der Marke Samsung, Model SM-G900F, IMEI 353750/06/093217/.
aa) Zur Sicherstellung dieses Mobiltelefons haben die Zeugen KOK B., PK J. und KK R. übereinstimmend ausgesagt, dass sie sich am 21. August 2014 zum Flughafen Leipzig begeben hätten. Hintergrund sei ein telefonischer Hinweis gewesen. Hierzu hat der Zeuge KHK S. glaubhaft bekundet, dass ihm der Zeuge H. am 20. August 2014 telefonisch mitgeteilt habe, er sei von A. B. beauftragt worden, das Landeskriminalamt darüber zu informieren, dass B. am 21. August 2014, gegen 14:00 Uhr, in Begleitung seines Vaters M. B. aus Istanbul kommend am Flughafen Leipzig eintreffen werde. B. sei bewusst, dass er in Deutschland vermutlich festgenommen werde, und habe darum gebeten, nach seiner Einreise mit Beamten des Landeskriminalamts Niedersachsen sprechen zu dürfen. Er sei kooperativ und habe keinerlei Ambitionen, in Deutschland oder anderswo terroristische Aktivitäten durchzuführen.
Die Zeugen KOK B., PK J. und KK R. haben weiter übereinstimmend ausgesagt, der Flug TK 1337 sei planmäßig um 13:50 Uhr am Flughafen Leipzig gelandet. A. und Mouldi B. hätten sich an Bord der Maschine befunden und seien kurz darauf im Bereich der Einreisekontrolle festgestellt worden. Kräfte der Bundespolizei hätten beide in Empfang genommen und in die Räumlichkeiten der Bundespolizeiinspektion geleitet, wo sie durch KOK B., PK J. und KK R. übernommen worden seien. Beiden sei der Grund des Anhaltens erläutert worden. Der Angeklagte B. habe angegeben, dass er wisse, worum es gehe. A. B. habe auf Nachfrage freiwillig ein weißes Smartphone der Marke Samsung ausgehändigt, welches er in seiner Hosentasche getragen habe. Dazu habe er geäußert, dass dieses seinem Vater gehöre. Mouldi B. seinerseits habe im Rahmen seiner Durchsuchung auf Nachfrage ein schwarzes Smartphone der Marke Samsung, Model SM-G900F Galaxy S5, IMEI 353750/06/093217/8 mit Akku ohne SIM-Karte ausgehändigt, welches nach seinen Angaben seinem Sohn A. gehört habe. Der Angeklagte B. habe dies bestätigt. Dieses Mobiltelefon sei sichergestellt worden.
Der Angeklagte B. hat hierzu angegeben, dass er selbst es gewesen sei, der von vornherein darauf hingewiesen habe, dass sich sein eigenes Mobiltelefon im Besitz seines Vaters befinde, während er selbst dessen Mobiltelefon bei sich führe. Grund dafür sei gewesen, dass das Mobiltelefon, welches er von S. K. erhalten habe, keine SIM-Karte enthalten habe, und er deshalb bereits in der Türkei das Mobiltelefon seines Vaters benutzt habe. Er habe zwar versucht, alle auf seinem Mobiltelefon gespeicherten Daten zu löschen, was ihm aber nicht vollständig gelungen sei; er habe nie den Versuch unternommen, das Mobiltelefon an der Polizei vorbei zu schleusen. Die Zeugen KOK B., PK J. und KK R. haben diese Angaben des Angeklagten B. zwar nicht bestätigt; sie haben aber übereinstimmend ausgesagt, dass der Angeklagte B. auf Nachfrage sofort eingeräumt habe, dass es sein Mobiltelefon sei, und sie nicht den Eindruck gehabt hätten, der Angeklagte habe den Besitz und die Zuordnung dieses Mobiltelefons verschleiern wollen. Er habe ihnen auch bereitwillig das Passwort zur Inbetriebnahme des zum Zeitpunkt der Sicherstellung ausgeschalteten Mobiltelefons mitgeteilt.
bb) Der Zeuge PK J. hat weiterhin glaubhaft bekundet, dass er das sichergestellte Mobiltelefon am 25. August 2014 an die auf kriminaltechnische Datenauswertung spezialisierte KHKin S. übergeben habe, welche sogleich in seiner Anwesenheit die Auslesung vorgenommen habe. Dies hat die Zeugin KHKin S. glaubhaft bestätigt und erläutert, dass sie die Daten aus dem Mobiltelefon sowohl als logische Sicherung als auch als sogenannten FileSystemDump habe auslesen können. Eine Wiederherstellung von gelöschten Bild-und Videodateien sei nicht möglich gewesen. Die ausgelesenen Daten habe sie auf zwei dienstliche DVDs gebrannt. Auf DVD 1 habe sich die Datensicherung des Mobiltelefons befunden; auf DVD 2 habe sie die Reports im ufdr- und pdf-Format gespeichert. Die DVDs und das Mobiltelefon habe sie sodann an den Zeugen PK J. übergeben. Eine erneute Datensicherung mit einer weiterentwickelten Auswertungssoftware sei im August 2015 erfolgt; hierdurch seien einige zusätzliche Daten ausgelesen und auf DVDs gespeichert worden.
Die Zeugen PK J. und POKin N. haben weiterhin glaubhaft ausgesagt, dass die von KHKin S. übergebenen Original DVDs asserviert worden seien und dass die darauf gespeicherten Daten ausgedruckt zu den Akten genommen worden seien.
Zweifel an der Authentizität der ausgelesenen Daten haben sich nicht ergeben. Der Angeklagte B. und - soweit es ihn betraf - der Angeklagte H. B. haben die festgestellten Inhalte der Nachrichten und Kurzmitteilungen nach Verlesung oder auf Vorhalt bestätigt und zum Teil auch die Hintergründe oder den Sinnzusammenhang erläutert. Auch die Zeuginnen S. und H. sowie die Zeugen C., M., B.A. und T.haben auf Vorhalt der jeweils sie betreffenden Facebook-Protokolle bestätigt, dass sie Nachrichten dieses Inhalts von dem Angeklagten B. erhalten hätten.
g) Auch die Aussage des Zeugen D. stützt die getroffenen Feststellungen. Dieser hat zwar bekundet, dass der IS - vor allem nach Ausrufung des Kalifats - Abtrünnige und Aussteiger verfolgt und hart, bis hin zu Folter und Tötung bestraft hat. Er hat aber auch ausgesagt, dass es ihm selbst gelungen sei, seine Mitgliedschaft beim IS einseitig zu beenden und sich aus dessen Einflussgebiet abzusetzen. Er habe auch nie erlebt, dass das Mobiltelefon eines IS-Mitglieds an einem Checkpoint oder sonst kontrolliert worden sei.
Auch die Einlassungen der Angeklagten selbst belegen, dass die Überwachung durch den IS nicht so konsequent und lückenlos war, dass es nicht unter Aufbietung der zumutbaren Kräfte und Anstrengungen möglich gewesen wäre, sich früher als geschehen dem Einfluss des IS wieder zu entziehen. So hat der Angeklagte B. selbst angegeben, trotz der Bewachung und Ummauerung das Auffanghaus zweimal nachts verlassen zu haben und in einem Internetcafé Kontakt zu seiner Familie aufgenommen zu haben. Bedenkt man zudem, dass nach seinen eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt sein Vater und sein Onkel in der Türkei waren, so erscheint es dem Senat keineswegs fernliegend, dass sich bereits hier, in der Nähe zur türkischen Grenze, frühzeitig die Möglichkeit zur Flucht ohne ernsthafte Gefährdung des eigenen Lebens oder desjenigen seines Vaters ergeben hätte. Schließlich bestand das Risiko einer Entdeckung in jedem Fall und es hat den Angeklagten nicht davon abgehalten, das Gelände zu verlassen. Der Angeklagte H. B. hat sich immerhin über das Rauchverbot im Auffanghaus hinweggesetzt, obwohl dies bei Todesstrafe verboten gewesen sei und das entsprechende Plakat an der Wand ihn extrem eingeschüchtert habe. Auch nach den Erlebnissen im sogenannten Schlachthaus will der Angeklagte H. B. in der Villa in Falludscha "Stress" gemacht haben.
Gegen die von ihm behauptete lückenlose Überwachung des Nachrichtenaustauschs spricht auch der Inhalt der Mitteilungen, die der Angeklagte H. B. am 17. August 2014 über Facebook dem Mitangeklagten B. gesandt hat:
"Akhii ich hab alles gegiben habe kein cent mehr keine klamotten nichtss" - "Die sagen kriegst du nur 75000 dinr iraki monatlich reicht nicht fur ejn anruf" - "Ruf mal hossen an sag ihn soll das auto mein bruder giben" - "Damit er mir geld schickt nach bagdad westr union" -"Ich hab mich mit aleen gestritten" - "Ich sag ich will zurück nach chamm (Syrien)" - "Sagen die nein du bleibst hier kampfer" - "Fur chamm brauchst bericht und grund char3i (scharia)" - "Ich bin hier einzige mohajir (Auswanderer) kein bock wallahhh" - "ich bin hier aleine"
Die hier geäußerte Kritik an seinen IS-Vorgesetzten spricht dagegen, dass der Angeklagte H. B. von einer lückenlosen Überwachung seiner Internetkommunikation ausgegangen ist und in beständiger Angst vor Bestrafung gelebt hat. Letztendlich ist hier erkennbar, dass er in erster Linie seine materielle Lage und die Tatsache bemängelt, dass er nach dem Tod K.s der einzige aus dem Ausland zugewanderte IS-Mann vor Ort war.
h) Die Feststellungen zur Teilnahme des Angeklagten B. an einer Veranstaltung des IS zum Ende des Ramadan in der Provinz al-Anbar am 28. Juli 2014 beruhen auf den hiervon gefertigten Lichtbildern.
aa) Zunächst ist hierbei das vom IS selbst gefertigte und veröffentlichte Lichtbild zu nennen, welches nach der glaubhaften Aussage des Zeugen PK J. am 29. Juli 2014 auf der Internetseite "HTTP://hanein.info" veröffentlicht worden ist. Das Bild zeigt den Angeklagten B. in Tarnkleidung mit einer Langwaffe und einem Sprengstoffgürtel vor einem Pick-up stehend, wie er lachend die - mit einem auffällig glänzenden Flaggenstab versehene - IS-Flagge in einer Hand hält und einen Mann umarmt. Von der Ladefläche des Pick-up steigt gerade ein mit einem Sturmgewehr AK 47 bewaffneter Mann herunter; im Hintergrund sind weitere bewaffnete Männer - zum Teil in Tarnkleidung - abgebildet. Das Bild trägt in arabischer Schrift die Einblendung: "Provinz al-Anbar, Anah, Austausch von Glückwünschen zwischen den Muslimen zu Beginn des gesegneten Festes des Fastenbrechens" sowie in lateinischer Schrift die Einblendung "Anbar_News". Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf das Lichtbild Blatt 241 Sachakte B. Band 1 Bezug genommen.
Die Feststellung, dass der Angeklagte B. dieses Bild selbst am 13. August 2014 im Rahmen einer Facebook-Konversation an die Zeugin S. geschickt hat, beruht auf den glaubhaften Angaben der Zeugin. Der Zeuge PK J. hat hierzu bekundet, dass anhand der auf dem sichergestellten Mobiltelefon gespeicherten Daten ermittelt worden sei, dass sich der Angeklagte B. am 13. August 2014 über Facebook bei der Zeugin S. gemeldet und mit ihr in der Zeit von 18:10 Uhr bis 19:21 Uhr Nachrichten ausgetauscht habe. Dies hat die Zeugin auf Vorhalt der Facebook-Protokolle bestätigt. Danach hat der Angeklagte B. ihr im Rahmen der Konversation ein Bild übermittelt und im Anschluss daran geschrieben: "Kuck mal war im fernsehen" - "Hahhaha" - "Ich war im fernsehen". Und auf die Bemerkung der Zeugin S.: "Du bist jetzt ein Star Bruder", erwiderte der Angeklagte: "Ja teroo star". Die Zeugin S. hat nach Angaben des Zeugen PK J. während ihrer Zeugenvernehmung am 19. Februar 2015 in ihrem Mobiltelefon das ihr von B. übersandte Lichtbild aufgerufen und per E-Mail an den dienstlichen Rechner des Zeugen PK J. gesandt. Es sei mit dem auf der Seite "HTTP://hanein.info" veröffentlichten Bild identisch gewesen. Auch in der Hauptverhandlung hat die Zeugin auf Vorhalt das oben beschriebene Lichtbild als das erkannt, das ihr am 13. August 2014 der Angeklagte B. geschickt habe.
Der Angeklagte B. hat das eingeräumt; es habe aber nicht der Werbung für den IS gedient. Es sei vielmehr nur ein Spaß gewesen, wie sich aus seinem "Hahhaha" und der Bermekung "Ja teroo star" ergebe.
Das oben beschriebene Bild wurde außerdem - wie bereits ausgeführt - am 28. September 2014 gegen 12:25 Uhr auf dem Twitter-Konto "teletabiii" des Denis Cuspert veröffentlicht.
bb) Weitere 16 Lichtbilder, die nach den gesicherten Daten am 28. Juli 2014, dem Tag des Fastenbrechens, gefertigt worden sind, wurden nach der glaubhaften Aussage des Zeugen PK J. bei der Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons des Angeklagten B. festgestellt. Es handelt sich um die Lichtbilder auf Blatt 337 bis 341, 345 bis 347 und 473 bis 488 Sonderband "Auswertung Samsung SM-G990F 1.6 Images". Sie zeigen jeweils den Angeklagten B. oder den gesondert Verfolgten K. M'H.in Tarnkleidung mit einer schwarzen Mütze auf dem Kopf, wobei auf den Bildern Blatt 337, 338, 345, 346, 347, 477, 480, 481, 482 und 486 der Angeklagte B. wiederum mit der - an ihrem auffälligen Flaggenstab gut erkennbaren - IS-Flagge und teilweise auch lächelnd abgebildet ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Bezug genommen.
cc) Aus dem Anfertigen von Lichtbildern mit seinem Mobiltelefon, deren Inhalt und dem Inhalt der Konversation mit der Zeugin Schmücker hat der Senat den Schluss gezogen, dass der Angeklagte B. seine Teilnahme an der Propagandaveranstaltung des IS zum Fastenbrechen seinerzeit nicht - wie er es in seiner Einlassung dargestellt hat - als reine Belastung und einen perfiden Winkelzug des Vize-Emirs, um ihm den Rückweg unmöglich zu machen, angesehen hat. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Angeklagte B. seine herausgehobene Stellung als Günstling des Vize-Emirs, die seiner anfänglichen Rolle als Vertrauter O.s in der W.er Gruppe ähnelte, durchaus auch als schmeichelhaft empfunden und insgesamt zum damaligen Zeitpunkt eine ambivalente Haltung mit Schwanken zwischen Ausstiegsplänen und einem Verbleib beim IS gehabt hat.
i) Die Feststellung, dass der Angeklagte H. B. am 15. Juli 2014 ein IS-Propagandafoto im Internet veröffentlicht hat, beruht neben der Einlassung des Angeklagten selbst auf der glaubhaften Aussage des Zeugen PK R. und der Inaugenscheinnahme des Lichtbildes (Blatt 6 Sachakte H. B. Band 1). Das Lichtbild zeigt den Angeklagten H. B. vor der IS Flagge stehend mit einem Maschinengewehr in der Hand und einem umgehängten Patronengurt in einem Raum, in dem noch fünf weitere Kriegswaffen an eine Wand gelehnt stehen und sich eine große Anzahl von Kisten befinden, die offenkundig Munition oder Sprengstoff enthielten. Vor dem Angeklagten auf dem Boden kniend ist eine weitere Person abgebildet, die ein Sturmgewehr zielend an die Schulter gedrückt im Anschlag hält und mit einem Tuch vermummt ist. Wie der Zeuge PK R. weiter glaubhaft bekundet hat, ist dieses Foto am 22. Juli 2014 auf dem Facebook-Konto mit dem Nutzernamen "I. H. B." gesichert worden. Es sei dort am 15. Juli 2014 eingestellt worden mit folgender Überschrift in arabischer Sprache: "Palästina weine nicht! Mohameds Armee wird kommen". Bei der vermummten Person handele es sich um S. K.; ein auf dessen Facebook-Konto veröffentlichtes und von der Polizei gesichertes Foto (Blatt 7 Sachakte H. B. Band 1) zeige ihn unvermummt in identischer Kleidung. Der Angeklagte H. B. hat eingeräumt, dass er das Bild mit der Überschrift auf seinem Facebook-Konto eingestellt habe und dass es sich bei der weiteren Person um S. K. gehandelt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Lichtbilder Bezug genommen.
j) Die Feststellungen zum Einsatz des Angeklagten B. als Fahrer eines Verwundetentransporters am 31. Juli 2014 beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten B..
aa) Es konnte nicht festgestellt werden, dass durch den Angriff des IS vom 31. Juli 2014, bei dem der Angeklagte B. als Fahrer eines Verwundetentransporters eingesetzt war, Nicht-IS-Mitglieder getötet oder verletzt worden sind. Die Beweisaufnahme hat nur Erkenntnisse über Todesopfer und Verletzte auf Seiten der irakischen Sicherheitskräfte durch einen Angriff des IS an diesem Tag auf eine Einrichtung des irakischen Militärs in der Stadt Haditha erbracht. Indes war nicht festzustellen, dass der Angeklagte B. im Rahmen dieser Operation eingesetzt war.
Zwar wurde in einer schriftlichen Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 17. November 2015 ausgeführt, dass der Einsatz des Angeklagten B. aufgrund der von ihm angegebenen Parameter einem Angriff des IS auf eine Einrichtung des irakischen Militärs in der Stadt Haditah zuzuordnen sei, bei der sechs Angehörige des irakischen Militärs getötet und 28 weitere verletzt worden seien. Der hierzu vom Bundesnachrichtendienst benannte Zeuge T., Leiter Auswertung im Referat TED (Internationaler Terrorismus IV), hat indes glaubhaft bekundet, dass die Zuordnung der Angaben des Angeklagten B. zu dem Gefecht in Haditha maßgeblich auf der Erwägung basiere, dass es sich bei diesem Gefecht aufgrund der strategischen Bedeutung des Staudamms von Haditha um das bedeutsamste Gefecht mit dem größten Kräfteeinsatz an diesem Tag gehandelt habe. Nach den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes hätten an diesem Tag in der Provinz al-Anbar drei Gefechte zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften stattgefunden. Die Erkenntnisse zu den Gefechten und zu der Anzahl der Opfer beruhten auf zuverlässigen nachrichtendienstlichen Quellen, nämlich Mitteilungen befreundeter Nachrichtendienste. Nähere Erkenntnisse zu den beiden anderen Gefechten, insbesondere dazu, wo diese genau stattgefunden hätten und ob auch bei diesen Gefechten Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte getötet oder verletzt worden seien, lägen dem Bundesnachrichtendienst nicht vor. Der Zeuge T. hat weiter bekundet, er könne auch nicht ausschließen, dass es zwischen Anah und Haditha an diesem Tag zu weiteren Gefechten gekommen sei. Denn die Provinz al-Anbar sei vor allem entlang des Euphrat in jener Zeit nahezu täglich Schauplatz lokaler Gefechte zwischen dem IS und den irakischen Sicherheitskräften gewesen. Dies hat sich auch aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. K. ergeben, ohne dass die Sachverständige Angaben zu Einzelheiten machen konnte.
Zusätzliche Zweifel haben sich ergeben, nachdem dem Zeugen T. ein von der Sachverständigen Dr. K. vorgelegter Bericht des "Institute for the Study of War (ISW)" mit Sitz in Washington D.C. zur Lage im Irak am 1. August 2014 vorgehalten worden war. Nach diesem Bericht, der insgesamt sechs Gefechte aufführte, haben am 31. Juli 2014 im Raum Haditha zwei Gefechte stattgefunden. Bei dem mit der Nummer 1 bezeichneten Gefecht hätten "bewaffnete Personen" mit schwerer und mittlerer Bewaffnung einen Kontrollpunkt im Gebiet al-Wasta im Norden von Haditha angegriffen, der mit "IP"- nach Aussage des Zeugen T. irakische Polizei - und mit "Sahwa" - nach Aussage des Zeugen T. für die Regierung kämpfende sunnitische Stammeskrieger - besetzt gewesen sei. Bei dem Angriff seien zwei irakische Polizisten getötet und fünf weitere verletzt worden, unter ihnen zwei Sahwa-Mitglieder. Bei dem mit Nummer 6 bezeichneten Gefecht hätten "Bewaffnete" im Umkreis der Haditha-Talsperre zahlreiche Granaten gezündet, wodurch ein Soldat getötet und fünf weitere verletzt worden seien. Militante Anhänger des IS hätten die Stadt Haditha gestürmt, was zu Zusammenstößen zwischen dem IS mit IP-Kräften und Stämmen geführt habe. Dutzende Militante des IS seien in den Kämpfen, die noch immer andauerten, getötet oder verletzt worden. Mehrere bewaffnete Gruppierungen in der Provinz Anbar, unter ihnen auch der IS, Jaysh al-Mujahedeen und andere Gruppierungen hätten Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und Waffen benutzt, derer sie sich von Sicherheitskräften bemächtigt hätten. Der Zeuge T. hat hierzu ausgesagt, aus seiner Sicht handele es sich bei beiden Ereignissen um ein Gefecht. Nähere Angaben dazu, wie der Angriff auf Haditha konkret organisiert gewesen sei und wie die IS-Einheiten geführt worden seien, könne er aber nicht machen.
Diese Erkenntnisse reichten nicht aus, um hierauf eine konkrete Zuordnung des Einsatzes des Angeklagten B. zu stützen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen T., dass die vom Angeklagten B. erwähnten Flugzeuge nur solche der irakischen Luftwaffe gewesen sein könnten, die schlecht ausgerüstet gewesen sei und deshalb nur bei bedeutsamen Gefechten eingegriffen hätte. Es handelt sich hierbei um sehr allgemein gehaltene Erwägungen an der Grenze zur bloßen Vermutung. Abgesehen davon ist auch nicht auszuschließen, dass Flugzeuge der irakischen Luftwaffe gerade aus Anlass ihres Einsatzes beim Gefecht um den Staudamm von Haditha - gleichsam als Nebeneffekt aufgrund der räumlichen Nähe - auch bei anderen in der Provinz stattfindenden Gefechten Hilfestellung geleistet haben.
Auch die Tatsache, dass der Angeklagte B. im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 22. August 2014 gegenüber dem Zeugen PK J. als gegenwärtigen Aufenthaltsort des gesondert Verfolgten K. M'H. die Stadt Haditha angegeben hat, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass sich auch die von ihm beschriebene Operation vom 31. Juli 2014 gegen Haditha richtete. Der Angeklagte B. hat angegeben, dass er auch nach seiner eigenmächtigen Entfernung von der Einheit im Irak noch telefonischen Kontakt zu K. M'H. gehabt habe. Es ist hiernach nicht auszuschließen, dass M'H. erst später nach Haditha verlegt worden ist und der Angeklagte B. dies wusste. Dagegen, dass M'H. am 31. Juli/1. August 2014 seinen Standort in Haditha hatte, spricht auch der festgestellte Inhalt der zwischen ihm und dem Angeklagten B. am 1. August 2014 ausgetauschten Kurzmitteilungen. B. teilt M'H. zunächst mit, dass die Schlacht beendet sei. Schon dies ergäbe keinen Sinn, wenn beide im Rahmen derselben Operation eingesetzt gewesen wären. Zudem fragt B. nach M'H.s Aufenthalt ("Bruder wo srit ihr"), worauf M'H. antwortet: "Ma9ar (übersetzt: Zentrale) bei handara". Ob damit der Ort "Handarat" gemeint war, ist unklar. Zweifel ergeben sich insoweit aus der Entfernung zu Anah; denn Handarat liegt in Syrien in der Provinz Aleppo. Es erscheint eher fernliegend, dass M'H. den Angeklagten B. in diesem Fall darum gebeten hätte, ihm ein Hemd aus ihrem Zimmer mitzubringen, wie er es in einer folgenden Kurzmitteilung getan hat. Jedenfalls konnte hiernach aber nicht aufgeklärt werden, wo genau im Umkreis von Anah der Angeklagte B. eingesetzt war und ob er und M'H. am gleichen Ort eingesetzt waren.
Es ist auch durch kein Beweismittel belegt, dass sich das vom Angeklagten mehrfach angefahrene Krankenhaus in Haditha befunden hat. Dies erscheint vielmehr eher fernliegend, da Haditha an diesem Tag ja gerade der Schauplatz von größeren Kämpfen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften war. Zudem hat der Angeklagte seine Einlassung zu dem Einsatz, insbesondere dass er den Ort des Angriffs und das konkrete Angriffsziel nicht erfahren habe, zu einem frühen Zeitpunkt der Hauptverhandlung abgegeben, als der Vorwurf einer Beihilfe zum Mord oder zum versuchten Mord noch von keinem Verfahrensbeteiligten überhaupt in Erwägung gezogen wurde. Der Name der Stadt Haditha war dem Angeklagten aber schon zum Zeitpunkt seiner Vernehmung vom 22. August 2014 bekannt.
bb) Es war auch nicht festzustellen, dass die Beteiligung des Angeklagten dazu diente, verwundete Kämpfer nach ihrer Versorgung wieder bei den andauernden Kampfhandlungen einzusetzen. Aus der Einlassung des Angeklagten B. ergibt sich nur, dass er Verletzte zum Krankenhaus, nicht aber, dass er Kämpfer in die Kampfzone transportiert hat. Es liegen auch sonst keine Beweisergebnisse vor, die diese Feststellung begründen könten.
cc) Schließlich gibt es auch keine Grundlage für die Annahme, dass die Kämpfer durch das Wissen um Verletztentransporte in ihrem Entschluss zur Tatbegehung bestärkt worden sind.
Feststellungen dazu, welchen genauen Hergang und Umfang die Operation hatte, welche Instruktionen es vorab gab und welchen Kenntnisstand die im Kamp eingesetzten IS-Mitglieder über die Tätigkeit der "Medizinergruppe" hatten, konnten nicht getroffen werden. Der Angeklagte B. hat nach seiner Einlassung von dem Vize-Emir Abu Ibrahim keine näheren Informationen dazu erhalten, ob die "Medizinergruppe", der der Angeklagte B. an diesem Tag zugeteilt war, in einen größeren Kampfverband mit nur einem Angriffsobjekt integriert war, ob es sich um mehrere selbstständig operierende Gruppen mit verschiedenen Angriffszielen handelte, ob aktive Kämpfer im Vorfeld des Angriffs Informationen über die Organisation des Verletztentransports erhalten haben und ob es insoweit mehrere selbstständige, unabhängig voneinander operierende "Sanitätseinheiten" gab. Letzteres vermochte der Senat nicht auszuschließen; denn aufgrund der Aussage des Zeugen T. war davon auszugehen, dass an diesem Tag in der Region um Anah mindestens drei Gefechte des IS mit irakischen Sicherheitskräften stattgefunden haben.
Eine vorherige Zusage seiner späteren Mithilfe beim Abtransport Verletzter durch den Angeklagten B. gegenüber nur einem der bei diesem Angriff aktiven IS-Kämpfer konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig lagen Erkenntnisse darüber vor, dass während der Kampfhandlungen aktive Kämpfer die Handlungen des Angeklagten B. oder anderer Mitglieder der "Sanitätseinheit", deren Beitrag der Angeklagte B. sich zurechnen lassen müsste, wahrgenommen haben.
In diesem Zusammenhang konnte auch nicht auf das Wissen des Vize-Emirs Abu Ibrahim abgestellt werden. Denn die Einlassung des Angeklagten bot keine Grundlage für die Feststellung, dass der Vize-Emir Abu Ibrahim als Mittäter an dem Angriff beteiligt war, aus dem die vom Angeklagten B. transportierten Verletzten herrührten. Der Angeklagte B. hat glaubhaft angegeben, dass Abu Ibrahim ihm am Tag vor dem Angriff mitgeteilt habe, dass er - Abu Ibrahim - "dafür gesorgt" habe, dass B. der "Medizinergruppe" zugeteilt werde. Weder daraus noch aus der Stellung als Vize-Emir noch aus der weiteren Einlassung des Angeklagten B., dass Abu Ibrahim über großen Einfluss beim IS verfügt und auch das Waffenarsenal im Haus neben ihrer Unterkunft in Anah verwaltet habe, vermochte der Senat die Überzeugung zu gewinnen, dass Abu Ibrahim in die Planung und Durchführung gerade dieses besagten Angriffs involviert war. Denn es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Vize-Emir den Angeklagten B. schützen wollte und deshalb dafür gesorgt hat, dass dieser gerade nicht bei dem schwersten Gefecht dieses Tages um den Staudamm von Hadiha eingesetzt wurde. Ebenso konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Vize-Emir an dem Gefecht bei Haditha teilnahm. Dies gibt aber keinen Hinweis darauf, dass auch der Angeklagte B. an diesem Gefecht teilgenommen hätte.
k) Es hat sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht feststellen lassen, dass der Angeklagte B. an Kämpfen um die syrisch-irakische Grenzstadt al-Bukamal beteiligt war. Einziger Hinweis auf eine solche Beteiligung ist eine Mitteilung des Angeklagten B. im Rahmen seiner Facebook-Konversation an den Facebook-Nutzer "Liberato Fiorentino" vom 11. August 2014, die aus dem Arabischen übersetzt lautete: "Wir haben heute Bukamil ergriffen". Wie bereits ausgeführt, hat sich der Angeklagte B. hierzu eingelassen, dass mit der Aussage lediglich der IS als Gesamtheit gemeint gewesen sei, nicht jedoch, dass er selbst an den Kampfhandlungen teilgenommen habe. Er habe sich selbst zum Zeitpunkt dieser Nachricht in der Stadt ar-Raqqa aufgehalten, wie sich aus anderen Mitteilungen im Rahmen derselben Facebook-Konversation ergebe. Die Entfernung zwischen al-Bukamal und ar-Raqqa sei aber zu groß, um sie angesichts der Straßenverhältnisse und der zahlreichen zu passierenden Checkpoints in so kurzer Zeit zurücklegen zu können.
Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. die Stadt al-Bukamal bereits Ende Juni 2014 in die Hände des IS gefallen ist. Der IS habe am 21. und 22. Juni 2014 im Nordwestirak die Städte Rawa und Anah sowie die Grenzstadt al-Qa'im unter seine Kontrolle gebracht. Hierauf habe die JaN, die bis dahin die gegenüber von al-Qa'im auf der syrischen Seite gelegene Stadt al-Bukamal kontrolliert habe, die Stadt kampflos aufgegeben und dem IS überlassen.
Da auch sonst keine Beweisergebnisse vorlagen, die eine Teilnahme des Angeklagten B. an Kämpfen um al-Bukamal gestützt hätten, war die Einlassung des Angeklagten insoweit nicht zu widerlegen.
l) Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit eines der Angeklagten zur Tatzeit aufgehoben oder vermindert gewesen sein könnte, hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Weder aus den Einlassungen der Angeklagten noch aus den Aussagen der Zeugen haben sich Hinweise auf eine psychische Auffälligkeit bei einem der Angeklagten ergeben. Ihren Drogenkonsum hatten beide nach ihren glaubhaften Einlassungen weit vor ihrer Radikalisierung aufgebeben.
m) Schließlich hat die Hauptverhandlung keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass der gesondert Verfolgte O. ein Vertrauensmann oder verdeckter Ermittler der Sicherheitsbehörden gewesen sein und als solcher die Angeklagten in rechtsstaatswidriger Weise zur Tat provoziert haben könnte.
Zwar hat der Zeuge M. I. H. angegeben, er habe Beamte des Landeskriminalamts schon vor der Ausreise der Angeklagten auf Y. O. hingewiesen. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass der Zeuge sich hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Mitteilung geirrt hat. Die Zeugen KHK S. und KOK B. haben glaubhaft bekundet, dass sie am 30. April 2014 ein Gespräch mit dem Zeugen H. und M. A. B. zu der von diesen "vermuteten" Absicht des Angeklagten B., nach Syrien auszureisen, geführt hätten. In dem Gespräch sei als einer der Köpfe der dschihadistsichen Gruppe in der DITIB-Moschee der polizeibekannte Kais Abdelkarim sowie als weitere Mitglieder der Angeklagte B. und ein "Mohamad M'Debi" benannt worden. Der Name Y. O. sei nicht genannt worden. Auch die Zeugen PK J., PK R., KOK H. und POKin N. haben übereinstimmend bekundet, dass ihnen der Name O. erst nach der Ausreise der Angeklagten genannt worden sei. Diese Angaben sind glaubhaft. Die Vernehmung des Zeugen M. I. H. hat nämlich gezeigt, dass dieser erhebliche Schwierigkeiten mit der richtigen zeitlichen Einordnung der Ereignisse im Frühjahr 2014 hatte. So hat er schließlich einräumen müssen, dass er die Ausreise der Angeklagten in seinem Gedächtnis einen Monat später datiert habe, als diese tatsächlich erfolgt sei. Da er zudem nach eigenem Bekunden in der Zeit nach der Ausreise seines Bruders im Februar 2014 sowohl Kontakte zur Polizei in W. als auch zum Landeskriminalamt hatte, erscheint es naheliegend, dass er im Nachhinein nicht mehr sicher angeben konnte, wann er welchem Polizeibeamten gegenüber welche Angaben gemacht hat, auch wenn er sich selbst dessen ganz sicher wähnte.
Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen KHK S. haben sich auch nicht daraus ergeben, dass er bekundet hat, der Angeklagte B. sei nicht observiert worden, während in einem Artikel in der Bildzeitung vom 15. Januar 2015 das Gegenteil behauptet worden ist. Der Zeuge KHK S. hat auf die Frage, ob der Angeklagte B. nach seiner Rückkehr observiert worden sei, angegeben: "Von uns nicht." Er hat dazu erläutert, dass es keine polizeilichen Observationsmaßnahmen gegeben habe, dass er aber Angaben zu etwaigen Aktivitäten des Verfassungsschutzes nicht machen könne, weil er hierfür keine Aussagegenehmigung habe. Es ist daher naheliegend - jedenfalls nicht auszuschließen -, dass die in dem Bildzeitungsartikel erwähnte Observation des Angeklagten B. durch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes erfolgt ist, die sich den Journalisten der Bildzeitung aber nicht als solche zu erkennen gegeben haben.
IV. Die Feststellungen zum Nachtatverhalten
Die Feststellungen zum Nachtatverhalten beruhen in erster Linie auf den glaubhaften Einlassungen der Angeklagten. Die Zeugen KK R.t, KOK B., PK J., PK R., KHK S. und POKin N. haben die Einlassungen der Angeklagten insoweit übereinstimmend bestätigt und ausgesagt, dass die weiteren Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Angeklagten nach ihrer Rückkehr noch für den IS tätig gewesen seien.
a) Der Zeuge Y. B. hat die Angaben des Angeklagten B. zu den Ereignissen unmittelbar nach seiner Rückkehr in die Türkei, insbesondere die durch den fehlenden Pass verursachten Probleme, bestätigt. Die Zeuginnen S. und H. sowie die Zeugen A. B. A., K. A. und H. T. haben übereinstimend angegeben, dass der Angeklagte B. nach seiner Rückkehr nach W. auf sie erschöpft - zum Teil schreckhaft - und erleichtert gewirkt habe. Er habe angegeben, dass alles ganz anders gewesen sei als er es sich vorgestellt habe. Es sei ein Fehler gewesen, dorthin zu gehen. Er habe nur Verletzten geholfen. Weitere Einzelheiten habe er nicht genannt. Sie hätten auch nicht nachgefragt, weil er das Ganze habe vergessen wollen.
Das Verhalten des Angeklagten B. bei seiner Festnahme hat der Senat entsprechend der insoweit glaubhaften Einlassung als unüberlegte Reaktion auf seine unerwartete Festnahme und Trotzhandlung gegenüber der anwesenden Presse gewertet. Diese Erklärung entspricht dem Persönlichkeitsbild, das der Senat aufgrund der Beweisaufnahme von dem Angeklagten gewonnen hat.
b) Soweit die Zeugen S., R. und I. bekundet haben, dass der Angeklagte H. B. in der Untersuchungshaft ihnen gegenüber erklärt habe, dass er IS-Mitglieder nach Deutschland eingeschleust habe und dass er zwar nicht die Handlungen des IS, aber die Prinzipien, für die der IS kämpfe, "in Ordnung" finde, ist der Senat der glaubhaften Einlassung des Angeklagten H. B. gefolgt. Dieser hat angegeben, dass er zunächst verschwiegen habe, weshalb er in Haft genommen worden sei. Dadurch sei aber das Gerücht entstanden, dass er ein "Kinderschänder" sei, und er habe Ärger mit den Mitgefangenen bekommen. Er habe deshalb die Geschichte erfunden, dass er IS-Mitglieder eingeschleust habe. Die Wahrheit habe er nicht sagen wollen, um nicht als IS-Aussteiger zwischen die Fronten der Sympathisanten des IS und seiner Gegner zu geraten.
D. Rechtliche Würdigung
1. Die Angeklagten haben sich durch die festgestellten Tathandlungen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, 129 b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
a) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf den festgestellten Sachverhalt ergibt sich aus § 129 b Abs. 1 Satz 2 2. Alt. StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2009 - StB 34/09, BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 1).
Abgesehen davon ist aufgrund der Internetkommunikation als Tatort auch Deutschland anzusehen, da beide Angeklagte über das Internet Werbung für die terroristische Vereinigung IS gemacht haben, welche auch an eine bzw. mehrere in Deutschland aufhältige Personen gerichtet war und von diesen auch gelesen worden ist.
b) Beim IS handelt es sich um eine im Ausland bestehende terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB.
c) Die nach § 129 b Abs. 1 S. 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz liegt vor.
d) Durch die festgestellten Handlungen haben sich die Angeklagten auch unter Eingliederung in die Organisation deren Willen untergeordnet und Tätigkeiten zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet (BGHSt 54, 69, 112 f.). Die Angeklagten haben sich gezielt von Deutschland aus in das unmittelbare Betätigungsgebiet der Organisation in Syrien begeben, wurden unmittelbar nach ihrer Überschreitung der syrischen Grenze von Mitgliedern des IS willkommen geheißen und beim IS aufgenommen. Die Angeklagten haben sich danach von Beginn an in die Strukturen und die Weisungshierarchie der Vereinigung eingegliedert und über mehr als zwei Monate am Verbandsleben teilgenommen. Sie haben sich bereit erklärt, als Kämpfer bzw. Selbstmordattentäter für die Vereinigung tätig zu werden, und damit den Kreis der Mitglieder und die terroristischen Handlungsoptionen der Organisation erweitert. Sie sind darüber hinaus in sonstiger Weise nach den Vorgaben und Anweisungen der Organisation tätig geworden.
So hat der Angeklagte B. bereits im Auffanghaus Wachdienst geleistet und an Unterweisungen im Umgang mit dem Sturmgewehr AK 47 "Kalaschnikow" teilgenommen, sich anschließend in zwei Trainingslagern einer Kampfausbildung, die auch den Umgang mit Kriegswaffen beinhaltete, unterzogen; er hat sich aus eigenem Antrieb zwei Sprengstoffgürtel und eine Pistole verschafft, er hat an einer Propagandaveranstaltung des IS mitgewirkt und zumindest ein Bild davon an eine in Deutschland lebende Person weitergeleitet, er hat im Irak ein Fußballturnier zwischen IS-Mitgliedern und irakischen Zivilisten organisiert, er hat im Auftrag des Vize-Emirs von Anah Geldzahlungen in nicht unerheblichem Umfang ausgeführt, er hat bei einem Angriff verwundete IS-Kämpfer in ein Krankenhaus transportiert, er hat an der Festnahme zweier syrischer Staatsangehöriger und ihrer Zuführung zur sogenannten "IS-Polizei" mitgewirkt und er hat über das Internet Werbung für den IS gemacht, wobei er sich nicht nur an eine, sondern an mehrere Personen wandte und dies auch nicht nur einmal, sondern mehrfach.
Der Angeklagte H. B. hat ebenfalls im Auffanghaus Wachdienst geleistet, er hat sich zunächst als Kämpfer gemeldet und zumindest kurz - nämlich im Auffanghaus und für mindestens vier Tage im ersten Ausbildungslager - im Umgang mit einer Kalaschnikow, also einer Kriegswaffe, unterweisen lassen, er hat sich dann als Selbstmordattentäter gemeldet und sich zu diesem Zweck in den Irak begeben, er hat ein Bild von sich in Kampfmontur und mit Kriegswaffen vor der IS-Flagge sowie ein Bild des obersten Rädelsführers des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, im Internet veröffentlicht und er hat über das Internet Werbung für den IS gemacht, wobei er sich an zwei Personen, davon eine in Deutschland wandte. Die Betreuung eines verwundeten IS-Kämpfers während des Transports von Jarabulus in die Türkei war hingegen nicht mehr als mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung zu werten, weil sie mit der einseitigen Beendigung der Mitgliedschaft durch den Angeklagten und seine Flucht aus dem Einflussbereich des IS zusammenfiel.
e) Die Angeklagten haben auch vorsätzlich gehandelt.
Sie hatten nach den Feststellungen bei ihrer Ausreise die Absicht (dolus directus 1. Grades), sich der Terrorvereinigung "Islamischer Staat Irak und Großsyrien" anzuschließen, und handelten nach ihrer Ankunft in Syrien fortlaufend zumindest in dem sicheren Wissen (dolus directus 2. Grades), dass sie durch ihr Handeln sowohl nach außen als auch nach innen als Mitglieder der Organisation in Erscheinung traten und die Ziele der Organisation förderten.
f) Ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für das Handeln der Angeklagten liegt nicht vor.
Die Voraussetzungen des hier einzig in Betracht kommenden entschuldigenden Notstands gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB sind nicht erfüllt.
Nach den Feststellungen wurden die Angeklagten weder im Einzelfall durch konkrete Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leben, Leib oder körperliche Bewegungsfreiheit zur Anbindung an den ISIG oder zu einer ihrer festgestellten mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen genötigt noch befanden sich die Angeklagten während ihrer Mitgliedschaft beim ISIG/IS in einer Dauergefahr, die nicht anders als durch die von ihnen begangenen Handlungen abwendbar war. Kurzzeitige Bedrohungen durch den IS mit konkreter Lebensgefahr lagen beim Angeklagten H. B. nur in dem sogenannten Schlachthaus und beim Angeklagten B. nur während der sogenannten Gerichtsverhandlung vor. Davor und danach waren beide keinen gegenwärtigen Gefahren von Seiten des IS ausgesetzt und sich dessen auch bewusst.
Ebenso wenig haben die Angeklagten nach den Feststellungen bei der jeweiligen Begehung ihrer mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen irrig angenommen, dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne von § 35 StGB tun zu müssen.
g) Bei beiden Angeklagten bilden die verschiedenen Tathandlungen jeweils eine einheitliche Tat der mitgliedschaftlich Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland.
2. Der Angeklagte B. hat hingegen nicht den Tatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89 a StGB erfüllt.
Zwar hat der Angeklagte B. sich im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen unterweisen lassen und sich auch Waffen und Sprengstoff verschafft. Dies allein genügt jedoch nicht zur Erfüllung dieses Straftatbestandes.
Die Vorschrift des § 89 a StGB ist zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin einschränkend auszulegen, dass der Täter bei der Vornahme der in § 89 a Abs. 2 StGB normierten Vorbereitungshandlungen zur Begehung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat bereits fest entschlossen sein muss (BGHSt 59, 218). Dies war hier nicht festzustellen. Dem Angeklagten B. war nicht zu widerlegen, dass er während seines Aufenthalts in Syrien und dem Irak nicht gekämpft hat und dies auch möglichst vermeiden wollte sowie dass er sich die beiden Sprengstoffgürtel und die Pistole lediglich zum Zweck der Abschreckung bzw. Selbstverteidigung angeschafft hat, ohne aber entschlossen oder gar fest entschlossen gewesen zu sein, sie anders als zum Zweck der Abschreckung zu verwenden.
3. Schließlich hat der Angeklagte B. sich durch seine Tätigkeit als Fahrer eines Verwundetentransporters nicht wegen Beihilfe zum Mord oder Beihilfe zum versuchten Mord strafbar gemacht.
Zunächst konnte der Senat nicht feststellen, dass die Krankentransportfahrten des Angeklagten B. im Zusammenhang mit einer Kampfhandlung stattgefunden haben, bei der ein anderer Mensch als die IS-Kämpfer getötet wurden.
Zudem macht sich nach § 27 Abs. 1 StGB als Gehilfe nur strafbar, wer (vorsätzlich) einem anderen zu dessen (vorsätzlich begangener) rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung in diesem Sinne grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich. Das bedeutet allerdings nur, dass das Tun des Teilnehmers weder adäquat noch äquivalent kausal (conditio sine qua non) für den isolierten konkreten Taterfolg als solchen sein muss (BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NStZ 2007, 230, 232, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt). Auch das von der Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis der objektiven Förderung oder Erleichterung der Haupttat bedeutet aber eine "Kausalität" in dem Sinne, dass der Beitrag des Gehilfen das konkrete Tatbild, also das zum Taterfolg hinführende Geschehen, zumindest bis in das Versuchsstadium hinein mitgeprägt haben muss (BGH aaO.). Der Teilnehmer muss sich zudem der Förderung oder Erleichterung der - zumindest in ihren wesentlichen Merkmalen umrissenen - Haupttat durch seinen eigenen Beitrag auch bewusst gewesen sein (BGHSt 46, 107, 115; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 9).
Die Erfüllung dieser Voraussetzungen war hier - wie bereits ausgeführt - nicht festzustellen.
Physische Beihilfe zu Tötungshandlungen hat der Angeklagte nach den Feststellungen nicht geleistet. Der Angeklagte hat weder Kämpfer, Waffen, Munition oder Verpflegung in die Kampfzone transportiert noch Nachrichten übermittelt oder sonst den Kampf in irgendeiner Form unterstützt. Es ist auch nicht festgestellt worden, dass verwundete Kämpfer, die der Angeklagte B. ins Krankenhaus gebracht hatte, nach ihrer Behandlung wieder in das andauernde Kampfgeschehen eingegriffen haben. Vielmehr hat der Senat davon auszugehen, dass die Taten derjenigen Kämpfer, die der Angeklagte B. tatsächlich transportiert hat, im Zeitpunkt des Transports beendet waren.
Somit bliebe nur eine Beihilfe, die über die Psyche des Haupttäters wirkt; eine solche setzt jedoch konkrete Feststellungen dazu voraus, wie diese vermittelt worden ist und sich ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264). Auch solche Feststellungen haben sich hier - ebenso wie solche zum erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 586/12, NJW 2013, 2211) - nicht treffen lassen. Denn gerade in Fällen, in denen der Beitrag des Beteiligten zum Gelingen der Tat - wie hier der Abtransport verwundeter Kämpfer für das Töten von Gegnern durch unverwundete Kämpfer - für den Beteiligten erkennbar an sich nicht erforderlich und auch für die Art der Tatausführung ohne Bedeutung ist, steht schon eine objektiven Beihilfe, jedenfalls aber die Annahme eines Gehilfenvorsatzes in Frage (vgl. zu Letzterem BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 4; Schünemann, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. § 27 Rn. 60 mwN).
E. Strafzumessung
I. Strafrahmenbestimmung
1. Angeklagter B.
Hinsichtlich des Angeklagten B. ist der Senat vom Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ausgegangen und hat diesen gemäß § 46 b in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB gemildert.
a) Der Angeklagte B. hat bereits am Tag seiner Rückkehr nach Deutschland, dem 21. August 2014, sowie am 22. und 25. August 2014, und damit vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 46b Abs. 3 StGB) umfangreiche Einlassungen zur Sache abgegeben und dadurch Aufklärungshilfe von Gewicht geleistet.
Er hat sich dabei sowohl zu eigenen konkreten Tathandlungen eingelassen als auch darüber hinaus Angaben zur Struktur der Vereinigung, zu den Schleusungswegen, zur terroristischen Ausbildung und zur Beteiligung weiterer Mitglieder des IS gemacht. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Y. O., M. M., K. M'H. und A. T. sowie der Mitangeklagte H. B. zu nennen. Die Angaben des Angeklagten B. waren für die Ermittlungsbehörden von Bedeutung, weil sie die Strukturen erhellt und neue Erkenntnisse zu den genannten Personen erbracht haben.
Dabei waren insbesondere die Angaben des Angeklagten B. zu dem gesondert verfolgten O. für die Strafverfolgungsbehörden von besonderer Wichtigkeit, weil hierdurch neue Erkenntnisse über die Rekrutierung junger Männer aus Deutschland durch den IS erlangt werden konnten, denen über den konkreten Fall hinaus Bedeutung zukommt. Auch nach den glaubhaften Ausführungen insbesondere der Zeugen KHK S. und KOK H. lagen dem Landeskriminalamt Niedersachsen und der Polizeiinspektion W. bis zur Ausreise von O. aus Deutschland im Mai 2014 keine konkreten Erkenntnisse vor, die die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn oder andere Mitglieder der Gruppe gerechtfertigt hätten.
Bei den Angaben des Angeklagten handelt es sich schließlich auch um Beiträge, die über seine eigene Tatbeteiligung hinausgingen (§ 46b Abs. 2 Satz 3 StGB). Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte B. bei den Vernehmungen im Ermittlungsverfahren einige seiner eigenen Tathandlungen ausgespart und sich dazu erst in der Hauptverhandlung eingelassen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 201).
Auch die Voraussetzungen der Zusammenhangstat sind gegeben. Die mitgliedschaftliche Beteiligung des Angeklagten wäre ohne die Rekrutierung durch das IS-Mitglied Y. O. und ohne die Einbindung in die vom Angeklagten geschilderte Struktur der Vereinigung nicht denkbar gewesen.
Der Senat hat nach Ausübung des ihm durch das Gesetz eingeräumten Ermessens von der Möglichkeit der Strafmilderung Gebrauch gemacht; ein Absehen von Strafe war hingegen nicht veranlasst. Dabei hat der Senat insbesondere die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Angeklagten und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben bezog, sowie das Verhältnis dieser Umstände zur Schwere der Straftat und zur Schuld des Angeklagten berücksichtigt. Zusätzlich hat der Senat auch die erkennbare Motivation des Angeklagten, die konkreten Umstände und Auswirkungen seines Aussageverhaltens sowie die Schwierigkeit der Aufklärung, zu welcher der Angeklagte beigetragen hat, in seine Erwägungen einbezogen. Zwar wiegen die Tat und die Schuld des Angeklagten B. hier nicht gering, da er zahlreiche mitgliedschaftliche Betätigungshandlungen verwirklicht hat. Andererseits betreffen die Taten, zu denen der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet hat, die mitgliedschaftliche Beteiligung von mindestens fünf weitere Personen an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und damit ebenfalls Verbrechenstatbestände. Er hat die Aufklärungshilfe auch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rückkehr nach Deutschland geleistet und dabei auch Angaben zu mehreren ihm bekannten Personen gemacht, die sich ebenfalls dem IS angeschlossen hatten. Seine Angaben zu den den Ermittlungsbehörden bis dahin nicht bekannten Rekrutierungen durch den gesondert verfolgten O. fielen dabei für den Angeklagten positiv ins Gewicht. Außerdem war ihm zugute zu halten, dass die Ermittlungen gegen die von ihm benannten Personen aufgrund deren Aufenthalts im Ausland besonders aufwändig gewesen wären.
b) Eine weitere Verschiebung des Strafrahmens über die Regelung zur tätigen Reue in § 129 Abs. 6, § 129a Abs. 7 StGB kam nicht in Betracht, weil dazu nicht schon die freiwillige Aufgabe der Mitgliedschaft ausreicht, sondern Bemühungen des Täters vorausgesetzt werden, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder die freiwillige und so rechtzeitige Preisgabe seines Wissens, dass geplante Straftaten noch verhindert werden können. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
c) Der Strafrahmen war auch nicht über § 129a Abs. 6 i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB in seinem Mindestmaß herabzusetzen; denn die Voraussetzungen dieser Regelung - Beteiligung von untergeordneter Bedeutung bei gleichzeitig geringer Schuld - sind ebenfalls nicht erfüllt:
Schon die Teilnahme an einer Kampfausbildung des IS ist keine Beteiligung von untergeordneter Bedeutung, weil die Ausbildung neuer Kämpfer unabdingbare Voraussetzung für die Machterhaltung der terroristischen Vereinigung IS und die von ihr propagierte territoriale Ausdehnung ist.
Darüber hinaus ist die Schuld des Angeklagten B. aus den nachstehend unter II.1. und II.2. aufgeführten Gründen nicht als gering anzusehen.
d) Die Strafe war daher in einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten zu finden.
2. Angeklagter H. B.
Beim Angeklagten H. B. war der Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren anzuwenden.
a) Eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46 b in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB kam hier nicht in Betracht, weil der Angeklagte H. B. keine Aufklärungshilfe von Gewicht geleistet hat.
Er hat erstmals am 16. Dezember 2014 Angaben zur Sache gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren den Ermittlungsbehörden die wesentlichen Erkenntnisse zur Tatbeteiligung O.s und der sonstigen Mitglieder seiner Gruppe bereits aufgrund der Angaben des Angeklagten B. vom August 2014 bekannt. Wesentlich darüber hinausgehende Erkenntnisse konnte der Angeklagte H. B. den Ermittlungsbehörden nicht mehr verschaffen. Wer aber ausschließlich Bekanntes oder bereits Gesichertes mitteilt, verwirklicht den Milderungsgrund nicht (vgl. Fischer StGB 62. Aufl. § 46b Rn. 14a).
Durch die Beweisaufnahme haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die wesentlich früher erfolgten Angaben des Angeklagten B., soweit sie die gesondert verfolgten Y. O., M. M., K. M'H. und A. T. betrafen, durch die Ermittlungsbehörden in Zweifel gezogen wurden. Die Zeugin POKin N. hat bekundet, dass sich aus den Angaben des Angeklagten H. B. zu den Gruppenmitgliedern um O. keine weiteren Anhaltspunkte für Ermittlungsansätze ergeben hätten. Der Zeuge KHK S. hat dies bestätigt. Feststellungen dazu, dass gerade erst die Angaben des Angeklagten H. B. den Strafverfolgungsorganen die erforderliche Überzeugung vermittelt haben, dass die bisherigen Erkenntnisse zutreffend sind, konnten nicht getroffen werden.
Dagegen steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Angeklagte H. B. bereits vor dem Beginn seiner Vernehmungen Kenntnis von den Angaben des Angeklagten B. hatte. Denn die Angeklagten hatten sich zuvor in Paris getroffen und über B.s Aussagen bei der Polizei gesprochen. Seine Angaben hat H. B. auch nicht etwa unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Deutschland Ende September 2014, sondern erst ab Mitte Dezember 2014, als er sich bereits nahezu einen Monat in Untersuchungshaft befand, gemacht.
Soweit der Angeklagte H. B. ausgesagt hat, H. H., M. N. und eine "weitere Person aus Hildesheim" seien die "rechten Hände" von O. gewesen und ein S. habe Geld für O. gesammelt, fehlt es sowohl an einem Aufklärungserfolg als auch an der Angabe konkreter Erkenntnisse zu den Tätern und der von diesen verwirklichten Taten oder Tatbeiträge. Diese Angaben genügen für die Annahme eines Aufdeckungserfolgs im Sinne der Vorschrift des § 46b StGB daher nicht.
Da aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ein wesentlicher Aufklärungsbeitrag durch H. B. nicht festgestellt werden konnte und der Zweifelssatz insoweit keine Anwendung findet, musste diesem Angeklagten die Strafmilderung nach § 46b StGB versagt bleiben.
b) Eine Verschiebung des Strafrahmens über die Regelung zur tätigen Reue in § 129 Abs. 6, § 129a Abs. 7 StGB war ebenfalls nicht vorzunehmen, weil dazu nicht schon die freiwillige Aufgabe der Mitgliedschaft ausreicht, sondern Bemühungen des Täters vorausgesetzt werden, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder die freiwillige und so rechtzeitige Preisgabe seines Wissens, dass geplante Straftaten noch verhindert werden können. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
c) Der Strafrahmen war auch nicht über § 129a Abs. 6 i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB in seinem Mindestmaß herabzusetzen, denn die Voraussetzungen dieser Regelung - Beteiligung von untergeordneter Bedeutung bei gleichzeitig geringer Schuld - sind ebenfalls nicht erfüllt:
Die Teilnahme des Angeklagten H. B. an einer Kampfausbildung des IS war zwar nur von kurzer Dauer; in der Zusammenschau mit seiner freiwilligen Meldung als Selbstmordattentäter ist aber auch seine Beteiligung nicht als eine solche von untergeordneter Bedeutung anzusehen; denn sowohl die Ausbildung neuer Kämpfer als auch die Rekrutierung von Selbstmordattentätern sind von elementarer Bedeutung für das Fortbestehen der Vereinigung oder das Erreichen ihrer Ziele.
Darüber hinaus ist die Schuld des Angeklagten H. B. aus den nachstehend unter II.1. und II.3. aufgeführten Gründen nicht als gering anzusehen.
II. Strafzumessung im engeren Sinne
1. Strafzumessungserwägungen bei beiden Angeklagten
Zugunsten beider Angeklagter hat der Senat berücksichtigt, dass ihre Mitgliedschaft im IS nur von kurzer Dauer war, dass keiner von ihnen während dieser Zeit einen anderen Menschen verletzt, gefoltert oder gar getötet hat, dass beide unter Lebensgefahr dem IS den Rücken gekehrt haben und in dem Bewusstsein, dass sie hier ein Strafverfahren erwartet, nach Deutschland zurückgekehrt sind. Weiter hat sich erheblich strafmildernd ausgewirkt, dass beide schon zu Beginn der Ermittlungen und auch in der Hauptverhandlung weitgehend geständige Einlassungen abgegeben haben. Ein Großteil ihrer täterschaftlichen Handlungen wäre Ihnen wahrscheinlich ohne ihre geständigen Einlassungen gar nicht oder jedenfalls nur schwer nachzuweisen gewesen. Beide haben sich zudem in der Hauptverhandlung eindeutig und glaubhaft von der Terrorvereinigung "Islamischer Staat" distanziert. Schließlich wirkte sich strafmildernd aus, dass der Angeklagte H. B. bislang überhaupt nicht und der Angeklagte B. lediglich mit einer geringen Geldstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.
Demgegenüber war zulasten beider Angeklagter zu werten, dass die Terrorvereinigung "Islamischer Staat", der sich die Angeklagten als Mitglieder angeschlossen haben, sowohl hinsichtlich ihrer Größe, Schlagkraft und Gefährlichkeit als auch ihrer Zielsetzung und Vorgehensweise die Voraussetzungen weit übertrifft, die zur Erfüllung des Tatbestands erfüllt sein müssen. Es handelte sich auch bereits im Zeitraum der Mitgliedschaft der Angeklagten um eine Terrorvereinigung, die aus einer menschenverachtenden Gesinnung heraus mit äußerster Brutalität sowohl gegen ihre Gegner als auch unbeteiligte Dritte vorgegangen ist, ganze Städte und Landstriche unter ihre Herrschaft gebracht und mit einer professionalisierten Medienmaschinerie weltweit Propaganda betrieben hat.
2. Weitere Strafzumessungserwägungen beim Angeklagten B.
Zusätzlich strafmildernd hat der Senat beim Angeklagten B. in Rechnung gestellt, dass dieser acht Monate seiner Untersuchungshaft unter erhöhten Sicherheitsbedingungen, insbesondere unausgesetzter Absonderung von anderen Gefangenen, verbringen musste.
Zu seinen Lasten wirkte sich demgegenüber aus, dass er während seiner Mitgliedschaft beim IS nicht nur eine, sondern mehrere konkrete Beteiligungshandlungen verwirklicht hat. So hat er bereits im Auffanghaus Wachdienst geleistet, sich dem IS als Kämpfer zur Verfügung gestellt und anschließend einer Kampfausbildung, die auch den Umgang mit Kriegswaffen beinhaltete, unterzogen, er hat sich aus eigenem Antrieb zwei Sprengstoffgürtel und eine Pistole verschafft, er hat an einer Propagandaveranstaltung des IS mitgewirkt und zumindest ein Bild davon an eine in Deutschland lebende Person weitergeleitet, er hat ein Fußballturnier zwischen IS-Mitgliedern und irakischen Zivilisten organisiert, er hat im Auftrag des Vize-Emirs von Anah Geldzahlungen ausgeführt, er hat bei einem Angriff verwundete IS-Kämpfer in ein Krankenhaus transportiert, er hat an einer Festnahme zweier syrischer Staatsangehöriger und ihrer Zuführung zur sogenannten "IS-Polizei" mitgewirkt und er hat über das Internet Werbung für den IS gemacht, wobei er sich nicht nur an eine, sondern an mehrere Personen wandte und dies auch nicht nur einmal, sondern mehrfach.
Hiernach hat der Senat für den Angeklagten B. eine
Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten
als tat- und schuldangemessen erachtet.
3. Weitere Strafzumessungserwägungen beim Angeklagten H. B.
Bei dem Angeklagten H. B. hat der Senat über die geständige Einlassung hinaus noch einmal ganz erheblich strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte aus der Untersuchungshaft heraus im Rahmen eines Interviews, das anschließend bundesweit im Ersten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, von seinen Erlebnissen beim IS berichtet, sich von diesem distanziert und junge Menschen vor der perfiden Rekrutierungsstrategie und Propaganda des IS gewarnt hat. Dadurch hat der Angeklagte zugleich sich und auch seine Familienangehörigen Anfeindungen sowohl von Seiten des IS und seiner Sympathisanten als auch der Gegner des IS ausgesetzt.
Demgegenüber war auch zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass er während seiner Mitgliedschaft beim IS nicht nur eine, sondern mehrere konkrete Beteiligungshandlungen verwirklicht hat, wenn auch in geringerer Anzahl als der Angeklagte B.. So hat der Angeklagte H. B. ebenfalls im Auffanghaus Wachdienst geleistet, sich zunächst als Kämpfer gemeldet und zumindest kurz - nämlich im Auffanghaus und für mindestens vier Tage im ersten Ausbildungslager - im Umgang mit einer Kalaschnikow, also einer Kriegswaffe, unterweisen lassen, er hat sich dann als Selbstmordattentäter gemeldet und zu diesem Zweck in den Irak begeben, er hat ein Bild von sich in Kampfmontur und mit Kriegswaffen vor der IS-Flagge sowie ein Bild des obersten Rädelsführer des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, im Internet veröffentlicht und er hat über das Internet Werbung für den IS gemacht, wobei er sich an zwei Personen, davon eine in Deutschland wandte. Die Betreuung eines verwundeten IS-Kämpfers während des Transports von Jarabulus in die Türkei war hingegen nicht strafschärfend zu werten, weil sie mit der eigentlichen Flucht des Angeklagten aus dem Einflussbereich des IS zusammenfiel und daher nicht mehr als mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat für den Angeklagten H. B. auf eine
Freiheitsstrafe von drei Jahren
erkannt.
F. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.