Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 03.06.1997, Az.: 4 U 43/96

Zulässigkeit von Festpreisvereinbarungen für Versorgungsanschlüsse

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
03.06.1997
Aktenzeichen
4 U 43/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 14047
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1997:0603.4U43.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - AZ: 7 O 26/96

Fundstellen

  • BB 1997, 2017-2019 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 1998, 10 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • NJW-RR 1998, 1313-1315 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

der ... gesetzlich

den Geschäftsführer ...,

Prozessgegner

Herrn ...

In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht... und
den Richter am Oberlandes gericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 1997
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des ... vom 04. Juli 1996 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.228,61 DM zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/5 und der Beklagte 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

2

Die zulässige Berufung ist begründet.

3

Der Anspruch der Klägerin auf Bezahlung der Hausanschlußkosten einschließlich der Kosten für das sog. Kopfloch beruht auf § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung (AVBEltV), für die Gasversorgung (AVBGasV) und § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung (AVBWasserV) i.V.m. den jeweiligen Anträgen auf Herstellung der Hausanschlüsse (§ 10 Abs. 2 AVBV). Danach ist das Energieversorgungsunternehmen berechtigt, vom Anschlußnehmer die Erstattung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung des Hausanschlusses zu verlangen.

4

Zu diesen Hausanschlußkosten, deren Höhe im einzelnen der Beklagte nicht mehr bestreitet, gehören auch die Kosten für das sog. Kopfloch. Hierbei handelt es sich technisch um folgendes: Im Baugebiet waren schon in der sog. Baustraße die Versorgungsleitungen bis zu den anzuschließenden Grundstücken jeweils verlegt worden, um nicht im Zeitpunkt der späteren Anschlußerstellung die dann unter Umständen bereits fertigen Straßen im gesamten Zuleitungsbereich wieder aufreißen zu müssen, um die Anschlußleitungen zu verlegen, Aus Sicherheitsgründen dürfen diese Hausanschlußleitungen noch nicht mit den bereits energieführenden Hauptleitungen im Straßenraum verbunden werden. Erst im Zeitpunkt der jeweiligen Anschlußerstellung wird die Straße dann nur in diesem Anschlußbereich geöffnet, um die Verbindung zwischen den schon verlegten Hausanschlußleitungen und den Hauptleitungen herzustellen. Zu diesem Zweck muß das sog. Kopfloch als Arbeitsraum für die Anschlußarbeiten hergestellt und später wieder geschlossen werden. Bereits daraus folgt, daß das Kopfloch für die Erstellung des Hausanschlusses notwendig i.S.d. o.g. Bestimmungen in den §§ 10 ABV ist, so daß die dadurch entstehenden Kosten erstattungsfähig sind. Der Argumentation, nach der die Abzweigstelle an der Versorgungsleitung nicht zum Hausanschluß gehöre und erst hergestellt werden müsse, wozu das Kopfloch erforderlich sei, trifft nicht zu. Nach der herrschenden Meinung in der vorliegenden Kommentarliteratur, der sich der Senat anschließt, gehören diese Verbindungsstücke, die je nach Leitungsart technisch als Anbohrschellen, Anschlußmuffen oder Aufschweiß-T-Stücke bezeichnet werden, zum Hausanschluß (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, § 10 AVBGasV Rdnr. 1; Ludwig/Cordt/Stech/Odenthal, Das Recht der öffentlichen Wasserversorgung, § 10 AVBWasserV III A Anm. 1; Morell, Ergänzbarer Kommentar zur Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden, § 10 Abs. 1). Um aber diese Teile mit dem Verteilungsnetz des Energieversorgungsunternehmens zu verbinden, muß zur Anschließung des Hausanschlusses das Kopfloch hergestellt werden. Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob nach dem Verordnungstext der Hausanschluß an der Anschlußstelle oder mit der Anschlußstelle beginnt, da der Begriff "Anschlußstelle" nicht eine technische Einrichtung meint, die das Versorgungsunternehmen vorzuhalten hat, sondern nur den Ort bezeichnet, an dem der Hausanschluß mit dem Versorgungsnetz verbunden wird.

5

Da die Höhe der in Rechnung gestellten Hausanschlußkosten in II. Instanz vom Beklagten nicht mehr infrage gestellt worden ist, hat er die Kosten in Höhe von 5.833,34 DM zu tragen. Da er darauf am 03. November 1995 2.000,00 DM und am 11. Dezember 1995 weitere 2.800,00 DM gezahlt hat -insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt-, verbleibt ein Forderungsrest von 1.033,34 DM.

6

Daneben stehen der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 der AVBElt/Gasu. WasserV i.V.m. den Ziffern 1.1 und 1.2 der Ergänzenden Bestimmungen zu der AVBEltu.GasV sowie Ziffer 2.1 und 2.2 der Ergänzenden Bestimmungen zu der AVBWasserV Baukostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 6.195,27 DM zu.

7

Zwischen den Parteien ist ein zivilrechtlicher Anschluß- und Versorgungsvertrag über die Lieferung von Energie und Wasser zustandegekommen. Der Beklagte hat am 10. April 1994 einen entsprechenden Antrag an die Klägerin gerichtet. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 15. April 1994 diesen Antrag angenommen und angekündigt, die Baukostenzuschüsse zu einem Festpreis in Rechnung zu stellen, anstatt die Kosten exakt zu ermitteln und dann auf alle Anlieger nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel umzulegen.

8

Diese zwischen den Parteien getroffene Festpreisvereinbarung war unzulässig, da sie gegen das bindende Preisrecht der AVBV verstieß, was wiederum zur Nichtigkeit der Preisvereinbarung nach § 134 BGB führte. Dies wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Das führt aber nicht dazu, daß der Anspruch der Klägerin dadurch ganz entfällt oder der Höhe nach auf den Betrag des angebotenen Festpreises beschränkt ist. Der Anspruch auf Bezahlung der Baukostenzuschüsse ergibt sich nunmehr aus den zwingenden Regelungen der §§ 9 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 AVBElt/Gas/WasserV i.V.m.d. Regelungen in den jeweiligen ergänzenden Bestimmungen. Nach Letzteren sind 70 % der Baukosten von den Anschlußnehmern als Baukostenzuschuß zu trägen.

9

Die Nichtigkeit der Festpreisvereinbarung führt nicht zur Nichtigkeit des Anschluß- und Versorgungsvertrages im Ganzen. Verstöße gegen Preisbestimmungen führen in der Regel nicht zur Nichtigkeit des Gesamtgeschäftes. Das Geschäft bleibt vielmehr mit den zulässigen Preisen aufrecht erhalten (Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 134 Rdnr. 27).

10

Dieses Ergebnis läßt sich auch mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung linden. Es steht nämlich fest, daß die Parteien den Vertrag bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Pauschalpreisvereinbarung zu anderen -nämlich den gesetzlich zulässigen Bestimmungen- abgeschlossen hätten. Dies ergibt sich aus folgendem: Der Beklagte hatte keinen Anspruch auf einen von den Baukostenzuschüssen befreiten Anschluß an das Energie- und Wasserversorgungsnetz. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Preisbindung darf die Klägerin keinen der Tarifkunden bei der Vertragsgestaltung bevorzugen. Sie ist vielmehr verpflichtet, ihre Preise und Baukostenzuschüsse entsprechend den zwingenden gesetzlichen Regelungen auszugestalten. Es wäre für die Klägerin bei Kenntnis von der Unwirksamkeit der Pauschalpreisabrede also nur die Wahl geblieben, auf Baukostenzuschüsse ganz zu verzichten oder sie nach den §§ 9 AVBV abzurechnen. Ihr Wille, auf die Baukostenzuschüsse nicht zu verzichten, ergibt sich schon daraus, daß sie ein Pauschalpreisangebot machte; im übrigen aus den Ergänzenden Bestimmungen, in denen festgelegt ist, daß 70 % der entstandenen Kosten umgelegt werden sollen. Dem Beklagte hätte keine Wahl- oder Verhandlungsmöglichkeit zur Verfügung gestanden. Wenn er angeschlossen werden wollte, hätte er sich auf die konkrete Berechnung nach AVBV einlassen müssen. Deshalb kann sein Wille auch nur dahingehend ausgelegt werden, daß auch er bei Kenntnis von der Unwirksamkeit der Pauschalpreisabrede zu der gesetzlich vorgeschriebenen Berechnung den Anschluß an das Energie- und Wasserversorgungsnetz begehrt hätte. Dafür, daß der Beklagte bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Festpreisvereinbarung von der Durchführung seines Bauvorhabens ganz abgesehen hätte, ist nichts vorgetragen.

11

Daß die Klägerin verpflichtet ist, die Baukostenzuschüsse nach einem einheitlichen Verteilungsschlüsse auf alle Anschlußnehmer in dem fraglichen Baugebiet umzulegen, ergibt sich aus folgendem: Die AVBV sind Rechtsverordnungen i.S.d. § 27 AGB-Gesetz und § 7 Abs. 2 Energiewirtschaftsgesetz i.V.m. § 26 AGB-Gesetz, die für alle Energieversorgungsunternehmen verbindlich sind. Sinn der Einführung der Regelungen der §§ 9 Abs. 1 u. 2 AVBV im Jahre 1980 war die Herbeiführung einer einheitlichen Handhabung bei der Erhebung von Baukostenzuschüssen durch die verschiedenen Versorgungsunternehmen. Um zu verhindern, daß die einzelnen Unternehmen teils nach Festpreisen, teils nach umgelegten tatsächlich entstandenen Kosten, aber nach unterschiedlichen Umlegungsschlüsseln abrechneten, hat der Verordnungsgeber durch § 9 AVBV eine Vereinheitlichung geschaffen. Es steht danach den Versorgungsunternehmen nur noch frei zu entscheiden, ob sie 70 % der entstandenen Kosten oder weniger, ggf. gar nichts, auf die Anlieger umlegen wollen. Den sich danach ergebenden Betrag muß das Versorgungsunternehmen aber nach den in den jeweiligen §§ 9 Abs. 2 genannten Verteilungsschlüsseln auf die einzelnen Bauherren umlegen. Andere Verteilungsschlüssel dürfen nicht angewandt werden (Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser, § 9 Rdnr. 105). Danach ist der Baukostenzuschuß ausschließlich nach dem Verhältnis, nach dem die am einzelnen Hausanschluß vorzuhaltende Leistung zu der Summe der Leistungen steht, die in den im betreffenden Versorgungsbereich erstellten Verteilungsanlagen insgesamt vorgehalten werden können, zu berechnen, während Umlegungsmaßstab für die Wasserversorgung im Regelfall die Straßenfrontlänge des jeweiligen Grundstückes und die Gesamtstraßenfrontlänge im Baugebiet sind.

12

Solche zulässigen Umlegungsschlüssel enthielten die zur Zeit des Vertragsschlusses gültigen Ergänzenden Bestimmungen der Klägerin (gültig ab 01. Mai 1993 in der zweiten Fassung) nicht. Danach sollte der Baukostenzuschuß zur Elektrizitätsversorgung mit 1.260,00 DM für die erste und zweite Wohneinheit und 630,00 DM für jede weitere Wohneinheit ermittelt werden (Ziffer 1.5), der zur Gasversorgung mit 17,20 DM je Kilowatt der zu erstellenden Nennwärmeleistungen. Für den Baukostenzuschuß zur Wasserversorgung enthielten die ergänzenden Bestimmungen überhaupt keine Regelung. Soweit Verteilungsschlüssel genannt sind, verstoßen sie auch deshalb gegen § 9 Abs. 2 AVBV, weil ein "Festpreis" pro Bemessungseinheit festgelegt worden ist, obwohl dieser doch für jedes Versorgungsgebiet neu ermittelt werden müßte, da er von der Höhe der Gesamtherstellungskosten der Versorgungsanlage abhängt.

13

Die Festlegung unzulässiger Umlegungsschlüssel hat hier nicht zur Folge, daß eine Umlegung der Kosten unterbleiben müßte, denn die AVBV geben einen verbindlichen Umlegungsmaßstab vor (s. oben), so daß es der Bestimmung eines solchen Maßstabes in ergänzenden Bestimmungen nicht bedarf. Eine solche Festlegung wäre -soweit sie sich an die Vorgaben der §§ 9 Abs. 2 AVBV hält- keine Ergänzung, sondern lediglich eine überflüssige Wiederholung. Nach der amtlichen Begründung zu § 9 AVBGasV regelt Abs. 2 die Bemessung des Baukostenzuschusses. Nach der übereinstimmenden Meinung aller Kommentatoren der AVBV ist eine Regelung über die Bemessung der Baukostenzuschüsse in ergänzenden Bestimmungen nicht erforderlich, da sich die Berechnungsgrundlagen unmittelbar und zwingend aus §§ 9 AVBV ergeben (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, a.a.O., Rdnr. 6; Hermann/Recknangel/Schmidt-Salzer, a.a.O., § 9 Rdnr. 105, jew.m.w.N.). Dieser Ansicht folgt auch die überwiegende Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 100, 299; OLG Köln, RdE 1995, 77).

14

Soweit der Beklagte meint, in ergänzenden Bestimmungen müsse der vorgeschriebene Umlegungsschlüssel erläutert oder in Form einer mathematischen Formel ausgedrückt werden, läßt sich dies weder aus den Verordnungen selbst noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herleiten. Ein solches Bedürfnis ist auch im konkreten Fall nicht ersichtlich, da die Verordnung eindeutig und klar ist. Insbesondere bedarf es zur "Verdeutlichung" nicht einer mathematischen Formel, da dieser eher geeignet wäre, zu verwirren als aufzuklären. Tatsächlich ist nur die am Hausanschluß vorzuhaltende Leistung zur Summe der Leistungen, die im Versorgungsbereich vorgehalten werden können, ins Verhältnis zu setzen. Entsprechend dem sich danach ergebenden Anteil/Prozentsatz ist der einzelne Anschlußnehmer an 70 % der notwendigen Erstellungskosten -insoweit ist eine "ergänzende Bestimmung" getroffen worden- zu beteiligen. Für den Wasseranschluß ist dieselbe Rechnung mit Frontmetern statt vorzuhaltenden Leistungen vorzunehmen.

15

Soweit der Beklagte meint, ohne eine Erläuterung durch eine mathematische Formel fehle es der Abrechnung an Transparenz, verkennt er, daß die von der Rechtsprechung geforderte Transparenz in Abrechnungen erst bei der Beurteilung der Abrechnungen selbst Bedeutung erlangt, nicht aber bei der Festlegung der Abrechnungsmaßstäbe und daß diese Transparenz die Darlegung der tatsächlich entstandenen Kosten betrifft, nicht aber die Abrechnungsmaßstäbe, wenn sie wie hier aus sich heraus verständlich sind und keiner Erläuterung bedürfen.

16

Dieser ergänzenden Vertragsauslegung, die zu einer neuen Abrechnung nach tatsächlich entstandenen Kosten und vorzuhaltenden Leistungen oder Frontmetern führt, stehen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht entgegen.

17

Diese Grundsätze können hier schon deshalb nicht eingreifen, weil sonst die zwingende Wirkung der §§ 9 ABVB untergraben würde. Sie sollen zu nach einheitlichen Maßstäben ermittelten Beiträgen der einzelnen Anschlußnehmer führen (s. oben), weshalb abweichende individualvertragliche Regelungen keine Wirksamkeit erlangen. Würde man denjenigen, der eine unzulässige Vereinbarung über zu zahlende Baukostenzuschüsse mit einem Versorgungsunternehmen getroffen hat, mittels des Grundsatzes des Vertrauensschutzes von jeglicher Beitragspflicht befreien, würde die gesetzliche Intention des zwingenden Charakters der AVBV in ihr Gegenteil verkehrt.

18

Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen kann der Beklagte im vorliegenden Fall Vertrauensschutz aber auch deshalb nicht beanspruchen, weil er selbst auf ihn verzichtet hat. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 02. Juni und 11. Juli 1995 darauf hingewiesen hatte, daß er keine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Baukostenzuschüsse sehe und insoweit sogar negative Feststellungsklage angedroht hatte (02. Juni 1995, Bl. 295 d.A.), hat er auf die Androhung der Klägerin, ggf. "spitz" abzurechnen, zunächst geschwiegen. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß er darauf vertraut hat, daß es bei der Pauschalabrechnung bleiben würde. Es trifft zwar zu, daß die Klägerin die bereits gezahlte Pauschale von 2.914,60 DM Anfang Dezember ohne konkret vom Beklagten geschaffenen Anlaß zurückgezahlt hat. Das anschließende Verhalten des Beklagten läßt aber erkennen, daß er selbst auf die Gültigkeit der Pauschalabrechnung nicht vertraut hat. Anderenfalls hätte nichts näher gelegen, als der von der Klägerin gleichzeitig vorgenommenen Abrechnung nach § 9 Abs. 1 u. 2 AVBV unter Hinweis auf die für verbindlich gehaltene Festpreisvereinbarung zu widersprechen und der Klägerin die 2.914,60 DM sofort zurückzuüberweisen oder das Geld zumindest zu hinterlegen. Spätestens im Prozeß, als die Klägerin die vollen Baukostenzuschüsse eingeklagt hat, hätte der Beklagte im Hinblick auf die unaufgeforderte Rückzahlung und die Pauschalpreisvereinbarung den geltend gemachten Anspruch in dieser Höhe anerkennen müssen. Dies hat er aber nicht getan, sondern sofort Klagabweisung im vollen Umfang beantragt. Allein dies zeigt, daß er einen Anspruch der Klägerin nicht für gegeben hielt und seiner Ansicht nach die Festpreisvereinbarung als Grundlage für eine Forderung der Klägerin ausschied, er also nicht davon ausging, daß diese Vereinbarung Rechte und Pflichten schaffen konnte.

19

Soweit der Beklagte einen Teil des zurückgezahlten Geldes dazu verwandt hat, die Rechnung über die Hausanschlußkosten zum Teil zu begleichen und er dies damit begründet hat, er habe befürchtet, bei einer Zahlung auf die Baukostenzuschüsse das Geld postwendend zurückzubekommen, überzeugt das nicht. Wenn es ihm darum gegangen wäre, sein Vertrauen auf die Wirksamkeit der Festpreisvereinbarung zu dokumentieren, hätte die Reaktion der Klägerin auf sein Verhalten keine maßgebliche Bedeutung mehr gehabt.

20

Dem nach dem Eindruck aus der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erkennbar rede- und schreibgewandten Beklagten wäre es ohne weiteres möglich gewesen, sein Vertrauen auf die Festpreisvereinbarung zu dokumentieren und deutlich zu machen; wenn es denn wirklich bestanden hätte. Angesichts des vorprozessualen Schriftwechsels scheint dem Beklagten dagegen die Rückzahlung der Baukostenzuschüsse eher gelegen gekommen zu sein, da er sich nun in der Lage sah, seine bereits frühzeitig vertretene Position (keine Rechtsgrundlage/Gleichbehandlungsgrundsatz) der Forderung der Klägerin entgegenzuhalten.

21

Aus bloßen Absichtserklärungen städtischer Gremien, die nie Rechtsverbindlichkeit erlangt haben, kann der Beklagte ebenfalls keinen Vertrauensschutz herleiten.

22

Der Neuberechnung der vom Beklagten zu leistenden Baukostenzuschüsse steht auch der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht entgegen. Soweit der Beklagte geltend macht, es seien noch nicht allen Anschlußnehmern neue sog. Spitzabrechnungen erteilt worden, hat die Klägerin dazu nachvollziehbar vorgetragen, daß zunächst der Ausgang der vor dem Senat anhängigen Prozesse abgewartet werden solle, bevor weiter spitz abgerechnet werde.

23

Soweit der Klägerin durch rechtskräftige Entscheidungen eine Neuberechnung der Baukostenzuschüsse untersagt worden ist, kann daraus nicht hergeleitet werden, daß nunmehr auch alle anderen Abnehmer i. S. dieser Entscheidungen behandelt werden müßten. Die Rechtskraft dieser Entscheidungen erfaßt ausschließlich die am Rechtsstreit beteiligten Parteien und hat keinerlei Ausstrahlungswirkung auf die übrigen Rechtsverhältnisse. Darin, daß die Klägerin nunmehr nach Kenntnis von der Unzulässigkeit der Pauschalierung der Baukostenzuschüsse sämtliche Abnehmer des Versorgungsgebietes zu korrekt berechneten Baukostenzuschüssen heranziehen will, liegt ersichtlich kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es ist allgemein anerkannt, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz keine Gleichbehandlung im Unrecht verlangt (BVerfGE 25, 229 [BVerfG 12.02.1969 - 1 BvR 687/62];  50, 166) [BVerfG 17.01.1979 - 1 BvL 25/77]. Eine Selbstbindung im Unrecht gibt es nicht; schon gar nicht eine Verpflichtung, an erkannten Gesetzwidrigkeiten festzuhalten und sie zu wiederholen (Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 3 Rdnr. 185 ff.). Dazu würde es aber führen, wenn eine Neuberechnung unterbliebe, da dann nicht sämtliche Abnehmer der Klägerin entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu Baukostenzuschüssen herangezogen werden könnten.

24

Gegen die Höhe der Baukostenzuschüsse wendet der Beklagte sich nicht, so daß Klage und Berufung der Klägerin begründet sind.

25

Wegen des Zinsanspruches hat die Klägerin die Klage zurückgenommen.

26

Bei der Kostenentscheidung, die auf den §§ 91, 92 Abs. 2 i.V.m. § 269 Abs. 3 und § 91 a ZPO beruht, war zu berücksichtigen, daß die Klage hinsichtlich der Hausanschlußkosten in Höhe von weiteren, am 11. Dezember 1995 gezahlten 2.800,00 DM schon in I. Instanz hätte für erledigt erklärt werden müssen. Nachdem die Klägerin diesen Betrag nicht zurückgezahlt, sondern behalten hatte, konnte sie sich nicht mehr darauf berufen, der Beklagte sei zu Teilleistungen nicht berechtigt. Die gebotene Erledigungserklärung hätte zu einer Streitwertreduzierung bereits in I. Instanz bzgl. der Verhandlungs- und Urteilsgebühren geführt. Dies rechtfertigt es, die Klägerin mit 1/5 an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen.

27

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.