Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 20.03.1997, Az.: 2 U 141/96

Anforderungen an die Darlegung von Kaufpreisforderungen; Wirksamkeit von Abtretungen trotz vertraglich vereinbarten Abtretungsverbots; Anwendung von § 354a Handelsgesetzbuch (HGB) auf langfristige Vertragsbeziehungen mit einem vertraglich vor dem 01.08.1994 vereinbarten Abtretungsverbot; Ausschluss eines Anspruchs auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages aus einem Kontokorrentsaldo mangels eines Saldoanerkenntnisses

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
20.03.1997
Aktenzeichen
2 U 141/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 25705
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1997:0320.2U141.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 04.06.1996 - AZ: 9 O 126/96

Fundstelle

  • WM 1997, 1214-1215 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 1997
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 04.06.1996 - 9 O 126/96 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin ist mit 36.777,50 DM beschwert.

Tatbestand:

1

Von der Darstellung des

2

Tatbestandes

3

wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist unbegründet.

5

Die Klägerin hat ihre auf §§ 433 Abs. 2, 398 BGB gestützten, wirksam abgetretenen Kaufpreisforderungen nicht hinreichend vereinzelt dargelegt.

6

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Wirksamkeit der Abtretungen stehen weder das vertraglich vereinbarte Abtretungsverbot noch sonstige Gründe entgegen.

7

a)

Das in Ziff. 10 des Einkaufsvertrages vom 01.06.1994 zwischen der Firma ... und der ... GmbH vertraglich vereinbarte, auch im Verhältnis zur Beklagten geltende Abtretungsverbot führt nicht zur Unwirksamkeit der gleichwohl erfolgten Abtretungen gem. § 399 2, Fall BGB. Denn die Klägerin kann sich vorliegend auf § 354 a HGB berufen, wonach die Abtretung einer Forderung trotz Vereinbarung eines Abtretungsverbotes wirksam ist, wenn das Rechtsgeschäft, das diese Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. Dem steht nicht die Vereinbarung des Abtretungsverbotes vor Inkrafttreten der genannten Vorschrift zum 01.08.1994 entgegen. Denn die Einzelforderungen, auf die die Klägerin im Ergebnis die Klage stützen will, sollen erst nach dem genannten Zeitpunkt entstanden sein und auf einen solchen Fall ist § 354 a HGB anwendbar (so z.B. Wagner, NJW 1995, 180; derselbe in WM 1994, 2093, Fußnote 1 a; Ensthaler-Schmidt, GK-HGB, § 354 a, Rdnr. 9). Die gegenteilige Auffassung, wonach § 354 a HGB bei vor dem 30.07.1994 vereinbarten Abtretungsverboten auch für solche Forderungen nicht gelten soll, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind (Roth/Koller, HGB, § 354 a, Rdnr. 5; Henseler, BB 1995, 5 (9); vgl. auch LG Bonn, WM 1996, 930 (931)), berücksichtigt nicht, daß nach den Gesetzesmaterialien Abtretungsverbote, die vor dem Inkrafttreten der Norm vereinbart wurden, bei nach dem 01.08.1994 entstandenen Geldforderungen nur dazu führen sollten, daß die Abtretung dem Schuldner gegenüber unwirksam ist, er also weiterhin an den Zedenten mit befreiender Wirkung leisten kann (vgl. BT-Drucksache 12/7912, S. 25 f. zu An, 5). Dies wird auch von Teilen der Gegenmeinung erkannt (vgl. Roth/Koller, a.a.O.). Nach dieser Auffassung würde sich zudem eine Anwendung der Norm auf langfristige Vertragsbeziehungen mit einem vertraglich vor dem 01.08.1994 vereinbarten Abtretungsverbot verbieten. Dies Hefe der Gesetzesintention zuwider, durch die Schaffung der Vorschrift sicherzustellen, daß kaufmännische Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen sowohl zur Kreditsicherung gegenüber Kreditinstituten oder Vorbehaltslieferanten als auch zur Finanzierung durch Verkauf an Factoring-Institute verwendet werden können und damit wirtschaftlich nicht gewollte Finanzierungsengpässe bei den Lieferanten von Großunternehmen zu vermeiden, deren Einkaufsbedingungen neben den regelmäßig enthaltenen Abtretungsverboten zugleich im Verhältnis zu ihren Lieferanten längere Zahlungsziele enthalten haben (vgl. BT-Drucksache, a.a.O., S. 24 zu Nr. 11, Ziff. 1 und 2; Ensthaler-Schmidt, a.a.O., Rdnr. 1). Schließlich ist auf den Streitfall bezogen nicht zu verkennen, daß die Klage im Ergebnis auf Einzelforderungen gestützt ist, die erst nach dem 01.08,1994 entstanden sein sollen. Nach allgemeinen Grundsätzen kann aber eine Abtretung künftiger Forderungen erst zu dem Zeitpunkt wirksam werden, zu dem die jeweilige fragliche Forderung auch entstanden ist. Dies soll nach dem Vortrag der Klägerin aber erst nach dem 01.08.1994 der Fall gewesen sein.

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b)

Entgegen der Auffassung der Beklagten läßt sich eine Unwirksamkeit der Abtretungen auch nicht aus anderen Gesichtspunkten herleiten.

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Zum einen ist die Globalzession zwischen der Firma ... und der Kreissparkasse ... vom 21.07.1994 nicht wegen einer Übersicherung nach § 138 BGB unwirksam. Die Sparkasse war nach Ziff. 7 dieses Abtretungsvertrages auf Verlangen zur Freigabe von Forderungen verpflichtet, wenn und soweit deren realisierbarer Wert sowie der Wert aller sonstigen Sicherheiten den Gesamtbetrag aller gesicherten Forderungen zuzüglich eines Zuschlages von 20 % für Verzugs- und Nebenkosten nicht nur kurzfristig überstieg, wobei der realisierbare Wert der abgetretenen Forderungen mit 75 von 100 ihres Nennwertes festgelegt war. Darin könnte allenfalls eine Übersicherung von insgesamt 45 % gesehen werden, die die in der früheren Rechtsprechung angenommene Grenze von 50 % nicht überschreitet (vgl. z.B. BGHZ 98, 303 ff,; ferner zur jüngeren Rechtsprechung Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 9 AGBG, Rdnr. 129 ff.). Zum anderen war es der Kreissparkasse nicht vertraglich verwehrt, die ihr abgetretenen Forderungen an Dritte, vorliegend also an die Klägerin, abzutreten. Ziff. 6.2 der Globalzessionsvereinbarung vom 21.07.1994 gibt entgegen der Auffassung der Beklagten hierfür nichts her. Denn danach war die Sparkasse lediglich im Verhältnis zur Zedentin verpflichtet, vor einer Offenlegung und Verwertung der Sicherheiten vertragliche Nebenpflichten wie eine vorherige Androhung mit angemessener Nachfrist pp. zu erfüllen. Die Wirksamkeit der Abtretung an die Klägerin blieb hierdurch unberührt.

10

2.

Das Verlangen der Klägerin auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages aus einem Kontokorrentsaldo ist indes nicht hinreichend vereinzelt. Denn mangels eines Saldoanerkenntnisses der Beklagten läßt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen, welche Einzelforderungen unter Berücksichtigung welcher Zahlungen der Beklagten die Klagforderung ergeben sollen.

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Bei dem unstreitig zwischen den Parteien bestehenden Kontokorrentverhältnis (§ 355 HGB) hätte sich die Klägerin zwar darauf beschränken können, das Anerkenntnis eines letzten Saldos (und etwaige danach eingetretene Änderungen des Saldos) substantiiert darzutun. Ein solches Anerkenntnis trägt sie aber gerade nicht vor und dies kann auch nicht dem Vortrag der Beklagten entnommen werden, sie habe Zahlungen von insgesamt 1.265.040,50 DM geleistet und damit einen höheren als den von der Klägerin für die Lieferungen der Firma ... errechneten Gesamtbetrag von 1.259.536,10 DM. Denn damit bestreitet die Beklagte auch den von der Klägerin zugrunde gelegten Saldo, für dessen Richtigkeit letztere darlegungs- und beweispflichtig ist. Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin auf die in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen zurückgreifen und zu diesen vortragen müssen, wozu die Darlegung allein von Aktivposten - oder, wie vorliegend, der Aktivseite - nicht ausreicht Vielmehr muß der Anspruchsteller unter Einschluß aller von ihm akzeptierten Passivposten so vortragen, daß auch für das Gericht die eingeklagte Saldoforderung rechnerisch nachvollziehbar und zu prüfen ist (vgl. BGH NJW 1991, 2908 [BGH 28.05.1991 - XI ZR 214/90] und WM 1983, 704 (705), ferner OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 1074 (1075) und Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl., § 781 BGB, Rdnr. 10 f.). Denn andernfalls bliebe im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten der Vortrag der Klägerin zum Saldo unklar und ließe den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Anspruchs nicht mehr zu.

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Dem hat die Klägerin trotz gerichtlicher Hinweise und entsprechendem Vortrag der Beklagten nicht hinreichend Rechnung getragen. Die bloße Vorlage des Anlagenkonvolutes mit den DATEV-Kontenblättern dürfte angesichts deren Umfangs schon unzureichend sein, weil diese insgesamt durchgearbeitet werden müßten, um die Schlüssigkeit der Klage zu ermitteln (vgl. OLG Oldenburg a.a.O.). Jedenfalls aber bleibt nach dem Vortrag der Klägerin unklar, welche einzelnen Forderungen Gegenstand der Klage sein sollen. Denn die Klägerin hat ausgeführt, daß nur nach dem 01.08.1994 entstandene Forderungen Gegenstand der Klage sein sollen, dazu jedoch nicht vorgetragen, welche der in ihren Kontounterlagen genannten Aktivpositionen und welche von ihr anerkannten und auf welche Einzelforderungen von ihr verrechneten Zahlungen der Beklagten den der Klage zugrunde gelegten Saldo ausmachen, aus dem zudem nur ein Teilbetrag geltend gemacht werden soll (vgl. z.B. Klagbegründung, S. 3 f.). Steht dies aber zur Darlegungslast der Klägerin, kann es nicht zunächst Sache der Beklagten sein vorzutragen, welche Einzelpositionen sie ihrerseits angreifen will bzw. welche Zahlungen sie behaupten will. Denn es ist - wie dargelegt - offengeblieben, aufweiche Einzelforderungen die Klage nun gestützt werden soll Deshalb ist es prozessual auch unerheblich, daß die Beklagte dem Verlangen der Klägerin auf vollständige Vorlage ihrer Buchungsunterlagen nicht nachgekommen ist, selbst wenn im Ergebnis wegen der in den Buchungsunterlagen der Parteien übereinstimmend verwendeten Belegnummern ("Belegfeld 1" bei der Klägerin und "externe Belegnummer" bei der Beklagten) ein Abgleich der Positionen möglich sein sollte.

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Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus dem Vortrag der Beklagten, sie habe Lieferungen und Leistungen der Klägerin im Wert von 1.265.040,50 DM bezahlt. Wenn sich die Klägerin dies hilfsweise zu eigen gemacht hat, enthob sie dieser Umstand gleichwohl nicht der Verpflichtung, ihre sich daraus ergebenden Einzelforderungen darzulegen, die den Gegenstand der Klage bilden sollten. Denn ein Saldoanerkenntnis war mit diesem Vortrag der Beklagten nicht verbunden, wie dies bereits dargelegt worden ist.

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3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 Satz, 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Klägerin ist mit 36.777,50 DM beschwert.