Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 10.05.2002, Az.: 3 B 36/02
einstweiliger Rechtsschutz; Erziehungsmittel; Freiwilligkeit; Klassenfahrt; Klassenkonferenz; Ordnungsmaßnahme; Pflichtbestandteil; Schule; Schulfahrten; Schulfahrten-Erlass; Schullandheimaufenthalt; Sofortmaßnahme; Sofortvollzug; Sonderleistung; Teilnahme; Unterricht; Unterrichtsausschluss
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 10.05.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 36/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41642
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 61 Abs 3 Nr 4 SchulG ND
- § 80 Abs 2 Nr 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Ausschluss vom Schullandheimaufenthalt stellt einen Unterrichtsausschluss und damit eine schulische Ordnungsmaßnahme dar, denn aufgrund des Schulfahrten-Erlass vom 30.06.1997 ist bei Schullandheimaufenthalten im Gegensatz zu anderen Schulfahrten die Erteilung von "Unterricht in situationsbezogener Form" zwingend.
Gründe
I. Die Antragstellerin zu 3. ist durch Entscheidung des Schulleiters vom 22.03.2002 als Sofortmaßnahme u.a. von der Teilnahme an einer Klassenfahrt ihrer Klasse 8b nach F. ausgeschlossen worden. Diese Entscheidung des Schulleiters wurde von der Klassenkonferenz vom 15.04.2002 bestätigt und den Antragstellerin mit Schreiben des Schulleiters vom 16.04.2002 als endgültige Maßnahme mitgeteilt. Daraufhin haben die Antragsteller unter dem 30.04.2002 Widerspruch erhoben und die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
Die Antragsteller machen unter näherer Darlegung im Einzelnen insbesondere geltend, aufgrund eines besonderen Vorfalls bezüglich der Versorgung eines unfallverletzten Mitschülers sei die seitens der Antragstellerin zu 3. in der Schule geäußerte Kritik von ihrer Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt und es sei jedenfalls nicht verhältnismäßig, an dieses Verhalten einen so weitgehenden Eingriff zu knüpfen. Weitere Umstände seien den Antragstellern nicht benannt worden.
Die Antragsteller beantragen,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Antragstellerin zu 3. von der Teilnahme an der Klassenfahrt der Klasse 8b nach Borkum auszuschließen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, ausweislich des Protokolls der Klassenkonferenz sowie beigefügter schriftlicher Äußerungen wie auch des Schreibens des Schulleiters vom 16.04.2002 seien die Maßnahmen aufgrund einer Summe von Ereignissen erfolgt. Bei dem Ausschluss von der Klassenfahrt handele es sich um ein Erziehungsmittel. Das beleidigende und verunglimpfende Verhalten der Antragstellerin zu 3. habe nicht hingenommen werden können; deren Beaufsichtigung während des Schullandheimaufenthalts auf F. sei den begleitenden Lehrkräften nicht zuzumuten. Die Schilderung der Betreuung des verletzten Schülers seitens der Antragstellerin zu 3. entspreche ausweislich vorgelegter schriftlicher Stellungnahme seitens der Lehrkräfte nicht den Tatsachen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II. Der Antrag ist entsprechend dem Rechtsschutzziel der Antragsteller in einen Antrag auf - vorläufige - Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs umzudeuten. Als solcher ist er zulässig und begründet.
Vorliegend handelt es sich um einen Ausschluss der Antragsstellerin zu 3. von einem sog. Schullandheimaufenthalt. Bei einem solchen Ausschluss handelt es sich - im Gegensatz zu anderen Klassenfahrten - nicht um ein bloßes Erziehungsmittel, sondern um eine Ordnungsmaßnahme, die als Verwaltungsakt Gegenstand eines Verfahrens nach § 80 VwGO ist (§ 123 Abs. 5 VwGO). Der Ausschluss vom Unterricht von bis zu drei Monaten ist gemäß § 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG eine Ordnungsmaßnahme. Bei dem Ausschluss von einem Schullandheimaufenthalt handelt es sich um einen Unterrichtsausschluss in diesem Sinn. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Schulfahrten-Erlass vom 30.06.1997. Der Erlass unterscheidet zwischen Klassenfahrten (Ziffer 2) und Klassenfahrten mit besonderer Prägung (Ziffer 3), zu denen insbesondere die Schullandheimaufenthalte (Ziffer 3.1) gehören. Letztere sind ausweislich dieser Regelung zusätzlich neben Klassenfahrten im geregelten Umfang statthaft, doch ist die Erteilung von "Unterricht in situationsbezogener Form" Pflichtbestandteil eines solchen Schullandheimaufenthalts. Die aufgrund des Charakters besondere Ausprägung der Unterrichtserteilung nimmt diesem Unterricht nicht den rechtlichen Charakter des Schulunterrichts und damit des Unterrichts im Sinn des § 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG. Auch die Freiwilligkeit der Teilnahme (Schulfahrten mit Übernachtung, Ziffer 4.2 des Erlasses) ist ausweislich des Gegensatzes zu Schulfahrten ohne Übernachtung (Ziffer 4.1) in den äußeren Umständen (Übernachtungen, Abwesenheit vom Elternhaus) begründet, nicht aber in einem fehlenden Unterrichtscharakter. Vielmehr wird die grundsätzliche Unterrichtsverpflichtung der Schüler und Schülerinnen auch in diesen Regelungen betont. Aufgrund dieser rechtlichen Voraussetzungen der Durchführung von Schullandheimaufenthalten steht der rechtlichen Bewertung des Schullandheimaufenthalts als "Unterricht" im Rechtssinne auch nicht das im Übrigen von möglicherweise hohem Freizeitwert geprägte "Rahmenprogramm" entgegen, dass dem vorgelegten Buchungsschreiben vom 06.03.2002 zu entnehmen ist; naturgemäß sind in einem solchen nur die vor Ort vom Vertragspartner gebuchten begleitenden Sonderleistungen aufgeführt, nicht jedoch der von den Lehrkräften zu planende und zu gestaltende Unterricht.
Ein Beschluss der zuständigen Klassenkonferenz über die Anordnung einer Ordnungsmaßnahme gemäß § 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG liegt nicht vor. Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO infolge der Einschätzung der Maßnahme als Erziehungsmaßnahme ebenfalls nicht. Aufgrund dessen entfaltet der Widerspruch der Antragsteller aufschiebende Wirkung. Da diese seitens der Antragsgegnerin aufgrund der anderweitigen rechtlichen Bewertung in Abrede gestellt wird, bestand ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller an der - vorläufigen - Feststellung der aufschiebenden Wirkung.
Dem Antrag war deshalb bereits aus diesem Grund stattzugeben, ohne dass Veranlassung bestand, auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen einzugehen, insbesondere das der Antragstellerin zu 3. vorgeworfene Fehlverhalten und die Entscheidungen des Schulleiters wie der Konferenz zu würdigen.