Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.12.2017, Az.: 3 A 324/16

BAföG-Nullbescheid; intendiertes Ermessen; Leistung; Meister-BAföG; Null-Bescheid; Rücknahme; Vertrauensschutz

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.12.2017
Aktenzeichen
3 A 324/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54035
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein sog. Null-Bescheid stellt keine Leistung von Ausbildungsförderung dar (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AFBG).
2. Die Aufstiegsfortbildungsförderung gewährende Behörde ist selbst dann nicht gehalten, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 45 SGB X ihre Bewilligungsentscheidung zurückzunehmen (intendiertes Ermessen), wenn das Vertrauen des Förderungsempfängers nicht schutzwürdig im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X ist.

Tenor:

Der Widerspruchsbescheid vom 05.08.2015 wird aufgehoben, soweit die Beklagte ihren Bescheid vom 26.06.2015 zurückgenommen hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Gewährung von Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG).

Der 1988 geborene Kläger schloss im Juni 2008 seine Berufsausbildung zum Konstruktionsmechaniker ab. Vom 11.09.2014 bis 22.06.2016 besuchte er die zweijährige Fachschule - Maschinentechnik - der Berufsbildenden Schule Metalltechnik - F. zur Vorbereitung auf den Fortbildungsabschluss „staatlich geprüfter Techniker“. Hierfür beantragte er eine Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Mit einem sog. Null-Bescheid vom 27.02.2015 lehnte der zuständige Landkreis G. die Bewilligung von Ausbildungsförderung unter Festsetzung eines monatlichen Förderungsbetrages von 0,00 € für den Bewilligungszeitraum von Dezember 2014 bis November 2015 ab, weil der Betrag des anzurechnenden Einkommens bzw. Vermögens dessen Gesamtbedarf übersteige. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger kein Rechtsmittel ein.

Am 31.03.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Förderung seines Fachschulbesuchs nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz. Im Antragsformular kreuzte er unter Punkt 5a „Für die Maßnahme habe ich beantragt oder erhalte zusätzlich zum AFBG“ bei Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz „nein“ an.

Mit Bescheid vom 26.06.2015 bewilligte die Beklagte eine Aufstiegsfortbildungsförderung in Höhe von monatlich 238,00 € als Zuschuss und 459,00 € als Darlehn für den Bewilligungszeitraum von März 2015 bis Juni 2016.

Mit Schreiben vom 06.07.2015, den die Beklagte als Widerspruch wertete, bat der Kläger um Überprüfung, ob ihm rückwirkend für den Zeitraum seit Stellung seines Antrags auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz eine Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz zustehe. Seinem Schreiben fügte er den „Null-Bescheid“ des Landkreises G. bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2015, zugestellt am 07.08.2015, wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 26.06.2015 zurück und nahm den Förderbescheid vom 26.06.2015 zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz habe und die ursprüngliche Bewilligung von Leistungen daher rechtswidrig gewesen sei, da eine Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ausgeschlossen sei, wenn für die Teilnahme an einer Maßnahme Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geleistet werde. Bei dem Bescheid des Landkreises G. handele es sich um einen bezifferten „Null-Bescheid“, der keine Ablehnung darstelle, sondern bei dem mit einer grundsätzlichen Förderung von 0,00 € zu rechnen sei. Gegen den Bescheid vom 26.06.2015 könne innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheids bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig, Am Wendentor 8, 38100 Braunschweig, Klage erhoben werden.

Am 05.08.2016 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Er meint, die Klage sei fristgerecht erhoben, da die Rechtsbehelfsbelehrung irreführend und daher unrichtig sei. Der Bescheid sei zudem rechtswidrig, da es an einer Anhörung und den Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligung fehlen würde. Die Beklagte verkenne den Regelungsgehalt des Bescheides des Landkreises G. vom 27.02.2015, der einer Ablehnung der Förderungsleistung gleichstehe. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BAföG sei nur anwendbar, sofern der Antragsteller Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz tatsächlich gewährt, also ausbezahlt bekomme. Der Gesetzgeber habe lediglich Doppelleistungen verhindern wollen. Die Beklagte habe in der Vergangenheit selbst die Auffassung vertreten, dass auch bei Vorliegen eines sog. „BAföG-Null-Bescheids“ die Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz möglich sei und ein Antrag auf Ausbildungsförderung in einen Antrag auf berufliche Aufstiegsfortbildungsförderung umgedeutet werden könne. Zudem habe die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen verkannt.

Der Kläger beantragt,

den Widerspruchsbescheid vom 05.08.2015 aufzuheben, soweit die Beklagte die Gewährung von Aufstiegsfortbildungsförderung mit Bescheid vom 26.06.2015 zurückgenommen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Klage sei verfristet und im Übrigen unbegründet. Die fehlende Anhörung habe sie mit Schreiben vom 12.09.2016 nachgeholt und diesen formellen Fehler damit geheilt. Ein „Null-Bescheid“ sei nicht mit einer Ablehnung gleichzusetzen, da dieser lediglich bedeute, dass im Moment nicht alle Voraussetzungen für die Bewilligung von Ausbildungsförderung erfüllt seien, eine Förderung aber grundsätzlich möglich sei. Demgegenüber könnten bei einem Ablehnungsbescheid die Förderungsbedingungen nie erfüllt werden und eine Förderung sei generell ausgeschlossen. Auch die Umdeutung eines Antrags auf Ausbildungsförderung in einen Antrag auf Aufstiegsfortbildungsförderung sei nur im Falle eines Ablehnungsbescheids möglich. Sie habe ihr Ermessen erkannt und ausgeübt, wie bereits ihre Auseinandersetzung mit den Vertrauensschutztatbeständen belege. Im Übrigen handele es sich um eine Ermessensentscheidung im Rahmen des intendierten Ermessens. Die Zuwendung sei aufgrund des Gebots der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zurückzunehmen, weshalb sie grundsätzlich von der Darlegung der Aufhebungsgründe absehen dürfe. Dies müsse erst recht geltend, wenn die Rechtswidrigkeit der gewährten Förderung auf falschen Angaben des Zuwendungsempfängers beruhe. Atypische Umstände, die ausnahmsweise eine Darstellung der Ermessenerwägungen notwendig machen können, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger sie erst am 05.08.2016 erhoben hat. Zwar muss die Anfechtungsklage grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Allerdings beginnt die Frist nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist, § 58 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Rechtsmittelbelehrung ist dann fehlerhaft im Sinne der Norm, wenn sie die nach § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, Beschl. v. 31.08.2015, 2 B 61/14, juris, m.w.N.). Ein fehlerhafter Zusatz macht die Rechtsbehelfsbelehrung in diesem Sinne unrichtig, wenn er objektiv geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren. Das ist der Fall, wenn er den Adressaten davon abhalten kann, das Rechtsmittel überhaupt, rechtzeitig oder formgerecht einzulegen (OVG HH, Urt. v. 06.05.2008, 3 Bf 105/05, juris, m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen ist die im Widerspruchsbescheid vom 05.08.2015 erteilte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig. Sie ist geeignet, bei dem betroffenen Kläger einen Irrtum über die Zulässigkeit der Klageerhebung gerade gegen den Widerspruchsbescheid selbst hervorzurufen. Vielmehr erweckt die Formulierung, gegen „den Bescheid vom 26.06.2016“ könne Klage erhoben kann, den Eindruck, dass weitere Rechtsbehelfe nur gegen diesen Ausgangsbescheid, nicht jedoch gegen den Widerspruchsbescheid und damit gegen die hier streitige Rücknahme zulässig wären. Im Übrigen ist der nach § 58 Abs. 1 VwGO nicht zwingend vorgeschriebene Zusatz der postalischen Anschrift des Verwaltungsgerichts unrichtig. Diese lautet seit dem 01.10.2014 und damit bereits im Zeitpunkt der Bescheidung des Widerspruchs „Wilhelmstraße 55“ und nicht mehr - wie in der Rechtsbehelfsbelehrung noch angegeben - „Am Wendentor 7“.

Ist die Belehrung unrichtig, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig. Diese Frist ist gewahrt, denn der Kläger hat am 05.08.2016 gegen den am 07.08.2015 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage erhoben.

2. Die Klage ist auch begründet, denn der streitgegenständliche Bescheid vom 05.08.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die angefochtene Entscheidung der Beklagten kann nicht durch § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), der einzigen ernsthaft in Betracht zu ziehenden und nach § 27a AFBG anwendbaren Rechtsgrundlage, gerechtfertigt werden. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 26.06.2015 ist entgegen ihrer Auffassung nicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1 AFBG in der bis zum Ablauf des 31.07.2016 geltenden Fassung (nachfolgend alte Fassung - a. F.), die gemäß § 30 Abs. 1 AFBG (in der Fassung vom 15.06.2016) anzuwenden ist, rechtswidrig.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AFBG a. F. wird die Teilnahme an einer Maßnahme nach diesem Gesetz nicht gefördert, wenn für sie Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geleistet wird. Der Begriff der Leistung setzt voraus, dass dem Leistungsempfänger aufgrund eines Bewilligungsbescheids tatsächlich etwas - sei es in Form von Geld oder sonstigen Hilfen - auch erbracht wird. Dies folgt für das Ausbildungsförderungsrecht bereits unmittelbar aus dem Gesetz, denn nach § 51 Abs. 4 BAföG werden monatliche Förderungsbeträge unter 10,00 € „nicht geleistet“. Erst recht leistet das Amt für Ausbildungsförderung nicht demjenigen, auf dessen Antrag hin ein „Null-Bescheid“ ergangen ist. Bei einem „Null-Bescheid“ handelt es sich lediglich um eine besondere Art der Ablehnung eines Förderungsantrags jedenfalls der Höhe nach, der den im System der Massenverwaltung einheitlich maschinell erstellten Bescheiden im Ausbildungsförderungsrecht geschuldet ist. Für die Frage, ob Ausbildungsförderung geleistet wird oder nicht, ist es indes völlig unerheblich, aus welchen Gründen die Bewilligung der Leistung abgelehnt worden ist. Die ohnehin rein formaljuristische Unterscheidung zwischen einer Leistungsbewilligung dem Grunde und der Höhe nach ist sowohl für den Empfänger einer Sozialleistung - wie der Ausbildungsförderung - als auch für die Frage, ob sie geleistet wird oder nicht, ohne Belang.

So hat das zuständige Amt für Ausbildungsförderung auch dem Kläger keine Ausbildungsförderung geleistet. Es hat vielmehr im Textfeld des Bescheides ausdrücklich und unmissverständlich festgestellt, dass Ausbildungsförderung „nicht bewilligt“ wird und dementsprechend als Förderungsbetrag „0,00 €“ in dem nach Eingabe der entsprechenden Daten im maschinell erstellten Bescheid ausgewiesen. Hieraus folgt, dass dem Kläger als vermeintlichem Förderungsempfänger nichts zufließt. Nichts ist jedoch keine Leistung, sondern bleibt eine Nicht-Leistung.

Nichts anderes folgt aus dem Sinn und Zweck der Norm, denn die Regelung des § 3 Satz 1 Nr. 1 AFBG a. F. soll eine Doppelförderung nach dem Bundesausbildungsförderungs- und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ausschließen. So heißt es (bereits) in der Gesetzesbegründung zur hier anzuwendenden alten Fassung des § 3 AFBG (BT-Drucks. 13/3698, S. 15): „Diese Regelung schließt den Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz ganz oder teilweise aus, sofern nach anderen Gesetzen für denselben Zweck Leistungen erbracht werden oder beansprucht werden können […]“.

Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung auch ermessensfehlerhaft.

Es liegt bereits ein Ermessensnichtgebrauch vor, denn der angefochtene Widerspruchsbescheid enthält keinerlei Ermessenserwägungen. Soweit die Beklagte meint, aus der Auseinandersetzung mit den Vertrauensschutztatbeständen des § 45 SGB X folge, dass sie sich durchaus bewusst gewesen sei, dass es sich um eine zutreffende Ermessensentscheidung handele, ist dem nicht zu folgen. Zwar hat die Beklagte ausgeführt, dass der Kläger sich aufgrund seiner fehlerhaften Angabe im Förderungsantrag unter Nr. 5a insbesondere nicht auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X berufen kann. Allerdings handelt es sich bei der im Rahmen der Schutzwürdigkeit des Vertrauens zu treffenden Abwägung zwischen dem Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts und dem öffentlichen Rücknahmeinteresse nicht um einen Teil der Ermessensentscheidung, wenngleich die Abgrenzung zwischen dieser Interessenabwägung und der Ermessenausübung verschwimmt (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X  Rn. 68, 70). In der vorliegend bloßen Subsumtion unter § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann eine Ermessensbetätigung der Beklagten jedoch nicht einmal im Ansatz angenommen werden.

Ein Ermessensnichtgebrauch liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar auch dann nicht vor, wenn ein Fall des intendierten Ermessens vorliegt (BVerwG, Urt. v. 16.06.1997, 3 C 22/96, juris). Dies ist entgegen der Ansicht der Beklagten hier jedoch nicht der Fall. Intendiertes Ermessen ist in Fällen anzunehmen, in denen eine ermessenseinräumende Vorschrift dahin auszulegen ist, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, weshalb besondere Gründe vorliegen müssen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst und bedarf insoweit keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung. Allerdings ist ebenfalls nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls die Ermessensbetätigung der Ämter für Ausbildungsförderung nach § 45 Abs. 1 und 4 SGBX auch in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht in dem Sinne vorgezeichnet, dass sie im Regelfall nur durch eine Entscheidung für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides ausgeübt werden kann (BVerwG, Urt. v. 14.03.2013, juris). Es ist auch kein Grund ersichtlich, dass sich aus dem ähnlich gelagerten Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz etwas Anderes ergeben könnte. Vielmehr geht es auch hier um die Rückforderung von Sozialleistungen. In das Ermessen nach § 45 Abs. 1 SGB X sind jedoch - auch in den Fällen, in denen kein Vertrauensschutz besteht - alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls einzustellen, wozu insbesondere auch die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Hilfeempfängers zählen (so auch Nds. OVG, Urt. v. 30.09.2004, 12 LC 201/14, juris).

Im Übrigen wäre selbst bei Annahme eines intendierten Ermessens eine besondere Begründung der Ermessensentscheidung angezeigt gewesen, weil es sich entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend zumindest um eine atypische Fallkonstellation handeln würde, da der mit der Regelung des § 3 AFBG bezweckte Ausschluss von Doppelleistungen auch ohne dessen Anwendung erreicht worden ist.

Selbst wenn die Beklagte ihre Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hätte ergänzen dürfen, wäre die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft. Das Ermessen der Beklagten wäre bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nach Auffassung der Kammer vorliegend sogar dahingehend auf Null reduziert, dass die Bewilligungsentscheidung nicht aufzuheben ist, da der Kläger tatsächlich entsprechend dem Sinn und Zweck des § 3 AFBG keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten hat und der Verwaltungsaufwand für die Rückforderung angesichts dieser Zweckerreichung unverhältnismäßig erscheint. Auch wenn das Vertrauen des Klägers grundsätzlich nicht schutzwürdig ist, was angesichts der auslegungsfähigen Formulierung des Antragsvordrucks allerdings auch nicht völlig zweifelsfrei ist, wäre zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass der von der Beklagten zugrunde gelegte Begriff der Leistung völlig lebensfremd ist. Für den Betroffenen macht es keinen Unterschied, ob die Leistungsgewährung nur der Höhe nach oder auch dem Grunde nach abgelehnt worden ist. Zudem ist der Kläger im Bewilligungszeitraum unstrittig bedürftig im Sinne des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes gewesen und hat die übrigen Förderungsvoraussetzungen erfüllt. Demgegenüber können die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hier keine durchgreifende Beachtung finden, da retroperspektiv kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Dem Kläger hätte die Leistung jedenfalls von Anfang an gewährt werden müssen, wenn er auf die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bzw. eine Überprüfung und Korrektur des „Null-Bescheids“ ausdrücklich verzichtet hätte, was nachträglich faktisch der Fall ist, da er den „Null-Bescheid“ hat bestandskräftig werden lassen.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO (st. Rspr. BVerwG, Beschl. v. 24.07.2014, 5 B 17/17, juris, m. w. N.).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.