Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.01.2014, Az.: 7 A 6087/13

Befreiung; besonderer Härtefall; Pflegegeld; Rundfunkbeitrag; Schwerbehinderung; Vertrauensschutz

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.01.2014
Aktenzeichen
7 A 6087/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42371
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Der Klägerin wurde ein Schwerbehindertenausweis mit Gültigkeit seit dem 01. Juni 1999 ausgestellt, wonach eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen „G“, „H“ sowie seit dem 25. Juli 2001 dem Merkzeichen „RF“ festgestellt ist. Die Klägerin, die (mindestens) seit dem Jahre 2001 unter der (nunmehr) Beitragsnummer C. bei dem Beklagten als Rundfunkbeitragsschuldnerin geführt wird, war seit dem 31. Juli 2001 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Mit Bescheid vom 27. September 2010 befreite der Beklagte die Klägerin von der Rundfunkgebührenpflicht ohne Befristung.

Die Klägerin beantragte unter dem 14. Februar 2013 die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht unter Hinweis darauf, dass ihr die Pflegestufe 2 zuerkannt worden sei. Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 31. Mai 2013 lehnte der Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, das der Klägerin gewährte Pflegegeld nach dem SGB XI zähle nicht zu den in § 4 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) aufgeführten Befreiungsgründen. Die Klägerin legte unter dem 06. Juni 2013 hiergegen Widerspruch ein und berief sich zur Begründung auf § 69 SGB IX; hierauf beruhe die seinerzeit ausgesprochene Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht; dies müsse auch für die nunmehr eingeführte Rundfunkbeitragspflicht gelten. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2013, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am 19. August 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführen lässt, die ihr mit Bescheid vom 27. September 2010 gewährte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht sei unbefristet erfolgt und bislang nicht aufgehoben. Darüber hinaus genieße sie aufgrund dieser unbefristeten Gebührenbefreiung Vertrauensschutz. In dem Umstand, dass sie sich seit dem 01. Januar 2013 mit einem Drittel des „vollen“ Rundfunkbeitrages an der Finanzierung des öffentlichen Rundfunks zu beteiligen habe, sehe sie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu den „Vollzahlern“, die keine Erhöhung der Rundfunkabgabe hätten hinnehmen müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 31.05.2013 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30.07.2013 aufzuheben sowie festzustellen, dass die der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 27.09.2010 gewährte unbefristete Rundfunkgebührenbefreiung über den 01. Januar 2013 hinaus als unbefristete vollständige Rundfunkbeitragsbefreiung fort gilt,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin ab dem 01. Januar 2013 vollständig unbefristet von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

1. Die der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 27. September 2010 gewährte unbefristete Rundfunkgebührenbefreiung gilt nicht über den 01. Januar 2013 hinaus als unbefristete vollständige Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht fort.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 03.12.2013 - 7 ZB 13.1817 -, juris) hat hierzu ausgeführt:

„Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag wurde mit dem Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zum 1. Januar 2013 aufgehoben (Art. 2, Art. 7 Abs. 2 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags). Da ab diesem Zeitpunkt keine Rundfunkgebührenpflicht mehr besteht, geht der Befreiungsbescheid vom 10. Januar 2012 ins Leere, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung des Bescheids bedurft hätte. Grundsätzlich würde daher eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht oder eine Ermäßigung derselben einen erneuten Antrag des früheren Gebühren- und jetzigen Beitragsschuldners voraussetzen (§ 4 Abs. 7 RBStV). Insoweit hat allerdings der Gesetzgeber bestimmt, dass bestandskräftige Gebührenbefreiungsbescheide nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 RGebStV bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit als Rundfunkbeitragsbefreiungen nach § 4 Abs. 1 RBStV gelten (§ 14 Abs. 7 RBStV). Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind jedoch Befreiungsbescheide für behinderte Menschen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 RGebStV, deren Beitragspflicht nach neuem Recht nur noch ermäßigt werden kann. Insoweit wird gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 RBStV zur Verfahrenserleichterung unter Verzicht auf das Antragserfordernis (LT-Drs. 16/7001 S. 25) vermutet, dass bisher aufgrund dieser Regelung befreite Beitragsschuldner mit Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags gemäß § 4 Abs. 2 RBStV ein Drittel des Rundfunkbeitrags zu zahlen haben.“

Dem schließt sich der erkennende Einzelrichter an.

Unter diese Regelung fällt auch die Klägerin. Sie hat daher aufgrund ihrer Schwerbehinderung und der zuvor bewilligten Rundfunkgebührenbefreiung nach altem Recht nunmehr nach neuem Recht lediglich einen ermäßigten Rundfunkbeitrag zu entrichten, ohne dass es hierfür eines erneuten Antrags bedürfte. Vollständig befreit von der Beitragspflicht ist sie durch den Befreiungsbescheid nach altem Recht jedoch nicht.

Dem steht auch nicht etwa - wie die Klägerin meint - der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen. Denn mit der Formulierung in dem Bescheid vom 27. September 2010 - mit dem die Klägerin zuletzt von der von der Rundfunkgebührenpflicht befreit worden war -, die Befreiung gelte unbefristet, war nicht geregelt, dass die Klägerin nunmehr für alle Zukunft und unabhängig von jeder Rechtsänderung von der Pflicht, Rundfunkabgaben zu leisten, befreit sein sollte. Vielmehr bezieht sich diese Formulierung inhaltlich auf die nach altem Recht in § 6 Abs. 6 RGebStV geregelte Befristung der Gebührenbefreiung. Danach konnte, wenn der der Befreiung zugrundeliegende Bescheid der Sozialbehörde unbefristet war, die Befreiung auf drei Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich war (Satz 2). Die unbefristete Gebührenbefreiung der Klägerin folgte dem Umstand, dass die Zuerkennung der Schwerbehinderung und die Vergabe des Merkzeichens „RF“ an die Klägerin ebenfalls nicht befristet erfolgt waren. Aus der (weiterhin) nicht befristeten Entscheidung des Versorgungsamtes über den Grad der Schwerbehinderung der Klägerin und der vergebenen Merkzeichen folgt nunmehr nach der neuen Rechtslage eine ebenfalls unbefristete Beitragsermäßigung.

2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf vollständige unbefristete Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab dem 01. Januar 2013 zu.

a. Ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht folgt nicht aus den Befreiungstatbeständen des § 4 Abs. 1 RBStV. Danach werden von der Beitragspflicht auf Antrag natürliche Personen befreit, die die in Nrn. 1 bis 9 dieser Vorschrift aufgeführten Sozialleistungen empfangen bzw. - nach der Nr. 10 - taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII. Die Klägerin zählt unstreitig nicht zu diesem Personenkreis; insbesondere mit der Zuerkennung einer Pflegestufe (allein) sind nicht die Voraussetzungen für eine Betragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV erfüllt.

b. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 6 RBStV geltend machen. Danach hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien (Satz 1). Ein Härtefall liegt insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten (Satz 2). § 4 Abs. 4 RBStV - darin sind Beginn, Befristung und Ende der Befreiung oder Ermäßigung normiert - gilt entsprechend.

Härtefallregelungen wie § 4 Abs. 6 RBStV sollen gewährleisten, dass Fallgestaltungen, die wegen ihrer Atypik von dem Gesetzgeber nicht vorherzusehen sind und daher nicht einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden, wegen ihrer weitgehenden Ähnlichkeit zu den ausdrücklich normierten Fallgestaltungen der gleichen Rechtsfolge unterliegen. Eine solche von dem gesetzlich geregelten Normalfall abweichende Sondersituation ist im Fall der Klägerin jedoch nicht gegeben. Der Normgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages hat die hier vorliegende Fallkonstellation der Schwerbehinderung gerade nicht ungeregelt gelassen; vielmehr sieht er in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RBStV hierfür eine Beitragsermäßigung vor.

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber denjenigen Personen, die den Rundfunkbeitrag in voller Höhe zahlen, ist bereits deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerin lediglich einen - erheblich um zweidrittel - ermäßigten Beitragssatz zu entrichten hat. Eine Ungleichbehandlung liegt also zu Ungunsten der „Vollzahler“ im Verhältnis zur Klägerin vor. Den nachvollziehbaren Grund hierfür sieht der Gesetzgeber in der Schwerbehinderung der Klägerin und ihre hieraus resultierenden Schwierigkeiten, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit bei Verfahren mit dem Gegenstand der Rundfunkbeitragsbefreiung aus sozialen Gründen folgt aus § 188 VwGO.