Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 29.03.1985, Az.: 1 UH 1/85

Rechtmäßigkeit eines Staffelmietvertrages bei Angabe der Steigerungsbeiträge; Auslegung von § 10 MHG

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
29.03.1985
Aktenzeichen
1 UH 1/85
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1985, 15687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1985:0329.1UH1.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AZ: 6 S 359/84
AZ: 117 C 2671/84

Fundstellen

  • NJW-RR 1986, 91 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuM 1985, 213 (Volltext mit amtl. LS)

Beschluß

In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ...
unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts ...
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 29. März 1985
folgenden Rechtsentscheid beschlossen:

Tenor:

Bei einem Staffelmietvertrag ist der Mietzins nicht in Sinne von § 10, Abs. 2 Satz 4 MHG betragsmäßig ausgewiesen, wenn nur der monatliche Anfangsmietzins und die (jährlichen) Erhöhungsbeträge angegeben sind.

Gründe

1

Die Parteien schlossen einen Mietvertrag ab, in dem es u.a. heißt:

2

Der Mietzins gemäß § 4 Ziffer 1 gilt für die ersten zwölf Monate seit Vertragsbeginn. Er erhöht sich nach jeweils frühestens zwölfe Monaten um folgende Beträge zu folgenden Stichtagen:

1. DM 22,-am 1.6.846. DM 27,-am 1.6.89
2. DM 23,-am 1.6.857. DM 28,-am 1.6.90
3. DM 24,-am 1.6.868. DM 29,-am 1.6.91
4. DM 25,-am 1.6.879. DM 30,-am 1.6.92
5. DM 26,-am 1.6.88
3

Der Kläger hat aufgrund dieser Vereinbarung für Juni 1984 zusätzlich 22,- DM Mietzins verlangt, während die Beklagten Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung begehren.

4

Das Landgericht hält die Frage für entscheidungserheblich, ob der jeweilige volle Mietzins im Vertrag auszuweisen ist oder die Angabe der jeweiligen Steigerungsbeträge ausreicht. Mit Rücksicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage hat es mit Vorlagebeschluß vom 22. Januar 1985 dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

5

Ist ein gestaffelter Mietzins betragsmäßig ausgewiesen in Sinne des § 10 Absatz 2 Satz 4 MHG, wenn die schriftlichen Vereinbarungen der Mietparteien den am Anfang des Mietverhältnisses geltenden monatlichen Mietzins und für die Zeit danach diejenigen Beträge nennen, um die sich der Mietzins jeweils zu bestimmten Zeitpunkten erhöhen soll?

6

Die Vorlage ist nach Artikel 3 3. MRÄndG zulässig. Die Vorlagefrage ist zu verneinen.

7

Die Ansichten in der Literatur sind unterschiedlich. Barthelmess (2. WKSchG 3. Aufl. 1984 § 10 MHG Anm. 61) meint, es genüge Angabe des Erhöhungsprozentsatzes. Emmerich/Sonnenschein (Miete 2. Aufl. § 10 MHG Anm. 18) halten Angabe des Steigerungsbetrages oder des insgesamt zu zahlenden Mietzinses für geboten und ausreichend. Sternel (MDR 1983, 361) und Schmidt/Futterer (Mietrecht 5. Aufl. 1984 C 440 c) halten die Angabe des insgesamt zu zahlenden Mietzinses für erforderlich, die Angabe nur der Steigerungsbeträge für unzulänglich. Palandt/Putzo (44. Aufl. 1985 § 10 MHG Anm. 2 g), Gramlich (NJW 1983, 418 [LG Aachen 18.11.1982 - 4 O 599/80]), Robbert (DB 1983, 163) und Landfermann Beilage 9/83 zum Bundesanzeiger Seite 54) erklären nicht ausdrücklich, daß sie eine Angabe der Steigerungsbeträge für unzulänglich halten.

8

Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 10 Abs. 2 S. 4 MHG) muß der "Mietzins ... betragsmäßig ausgewiesen sein". Wenn ein Wert betragsmäßig auszuweisen ist, so heißt das, daß der Betrag des Wertes angegeben sein muß und es nicht genügt, ihn ausrechnen zu können. Da der Gesetzgeber diese Anordnung für den Mietzins getroffen hat, genügt es nicht, irgendwelche anderen Werte, etwa Mieterhöhungsbeträge, anzugeben.

9

Dem steht nicht entgegen, daß das Wort Betrag in § 10 Abs. 1 MHG im Ergebnis mit einer etwas anderen Bedeutung verwandt wird. Es heißt dort:

10

Vereinbarungen ... sind unwirksam, es sei denn, daß der Mieter während des Bestehens des Mietverhältnisses einer Mieterhöhung um einen bestimmten Betrag zugestimmt hat.

11

Hier wird nicht verlangt, daß ein Wert ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen ist, sondern daß sich aus dem Vertrag ein bestimmter Betrag ergibt. Ob dieser ausdrücklich anzugeben ist oder nur aus den Angaben im Vertrag errechenbar sein muß, ist durch die in § 10 Abs. 1 MHG benutzten Worte nicht entschieden.

12

Die sich aus dem Wortlaut von § 10 Abs. 2 MHG ergebende Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte und den Zweck der Regelung bestätigt:

13

Die Möglichkeit einer Staffelmiete war bereits im Gesetzesentwurf der Regierung Schmidt vom 27.5.1981 vorgesehen. Danach (Bundestagsdrucksache 9/791 Seite 5) konnte

14

vereinbart werden, daß sich der Mietzins ... in betragsmäßig festgelegten Stufen, zwischen denen ein Zeitabstand von mindestens 1 Jahr liegen muß, auf einen bestimmten Betrag erhöht.

15

In der Gesetzesbegründung heißt es (a.a.O. Seite 27):

16

... ist so ausgestaltet, daß dem Mieter die jeweils zu zahlenden Beträge und die schließlich zu zahlende "Endmiete" klar vor Augen stehen.

17

...

18

Weiter schreibt der Entwurf vor, daß die in den verschiedenen Stufen anfallenden Mieten betragsmäßig festgelegt werden. Dies ist unter Verbraucherschutzgesichtspunkten veranlaßt. Es wäre für den Mieter recht unübersichtlich, wenn die Steigerung etwa nur in Prozenten ausgedrückt würde.

19

... Letztlich hat die Staffelphase mit einem bestimmten Betrag abzuschließen. Auch dies erscheint aus Gründen des Verbraucherschutzes angezeigt. Dem Mieter muß klar vor Augen geführt werden, wie hoch die "endgültige" Miete sein wird, von der an Mieterhöhungen nur noch im Rahmen des Vergleichsmietensystems in Frage kommen.

20

Der Bundesregierung schwebte also vor, daß die Höhe der jeweils zu zahlenden Miete im Vertrag angegeben ist, nicht etwa nur ausrechenbar ist. Der Entwurf ist zwar nicht Gesetz geworden, sondern ein in vielen Punkten abweichender Entwurf der CDU/CSU und FDP von November 1982. Die hier entscheidenden Fragen wurden von den Entwurfsverfassern jedoch auch nicht anders gesehen, wie aus der Gesetzesbegründung folgt (Bundestagsdrucksache 9/2079 Seite 9 und Seite 17, abgedruckt auch Landfermann Beilage 9/1983 zum Bundesanzeiger Seite 77 und 84:

21

Zum einen ist dem Mieter bei Vertragsschluß die jeweilige Mietbelastung bereits im voraus betragsmäßig bekannt und die Laufzeit der Vereinbarung begrenzt, zum anderen kann er jederzeit kündigen ...

22

Die unterschiedlichen Stufen des Mietzinses müssen jeweils betragsgemäß ausgewiesen sein, um insbesondere dem Mieter die auf ihn zukommende Mietbelastung zu verdeutlichen.

23

Das unveränderte Anliegen hat zu einem noch klareren Wortlaut als der Entwurf im Februar 1981 geführt. Jetzt befaßt sich sogar ein Halbsatz ausschließlich mit dem streitigen Punkt.

24

Auch der Zweck der Regelung erfordert die Angabe der Mietbeträge und nicht nur der Erhöhungsbeträge. Der Mieter soll bei Vertragsabschluß unschwer erkennen können, welche Mietbelastung auf ihn zukommt. Ein Mieter ist zwar im allgemeinen in der Lage, Additionen auszuführen. Wenn nur ein Betrag zu addieren wäre, mag das auch noch recht einfach sein. Zur Addition bis zu 9 Beträgen, die zudem unterschiedlich hoch sein können, im Kopf dürften jedoch nur verhältnismäßig wenige Menschen [XXXXX] sein. Im allgemeinen wird man die jeweils geltende Miete schriftlich oder mit einem Taschenrechner ermitteln oder die Rechnung ganz unterlassen. Eine solche Situation sollte aber gerade vermieden werden. Deshalb ist die Angabe des Mietzinses unverzichtbar.

25

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, welchen vernünftigen Zweck die Angabe lediglich der Steigerungsbeträge statt des Mietzinses haben könnte. Die Kenntnis des Mietzinses ist unentbehrlich, da er sonst nicht richtig bezahlt werden kann.

26

Die Miete muß daher [XXXXX] ausgerechnet werden. Dann kann man ihn aber auch in den Vertrag aufnehmen und [XXXXX] verhindern, daß durch Rechenfehler im weiteren Verlauf Unzuträglichkeiten auftreten.