Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.05.1998, Az.: 22 U 230/97
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.05.1998
- Aktenzeichen
- 22 U 230/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 34093
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1998:0514.22U230.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 12.09.1997 - AZ: 6 O 271/97
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 1998, 361-362
In dem Rechtsstreit
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ., den Richter am Oberlandesgericht . sowie den Richter am Landgericht . für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. September 1997 verkündete Teil-Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird zurückgewiesen, soweit die Parteien nicht den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 9/10 der Beklagten und zu 1/10 dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: 3. 000 DM.
Gründe
Die Berufung ist, soweit hierüber nach der Teilerledigung des Rechtsstreits noch zu entscheiden war, unbegründet.
1. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen einen Wertermittlungsanspruch des Klägers gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2, § 2325 BGB bezüglich des Grundbesitzes in . bejaht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß der Pflichtteilsberechtigte auch einen Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB im Hinblick auf den sogenannten fiktiven Nachlaßbestand, also die ausgleichungspflichtigen Zuwendungen des Erblassers, besitzt (z. B. BGHZ 89, 24, 26 ff.). Voraussetzung insofern ist, daß der Pflichtteilsberechtigte darlegt und beweist, daß der Gegenstand, dessen Wert ermittelt werden soll, zum fiktiven Nachlaß gehört (BGH a. a. O. S. 30). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
a) Bei der vom Erblasser vor genommenen Übertragung seines hälftigen Grundstücksanteils handelt es sich um eine Schenkung i. S. des § 2325 Abs. 1 BGB. Es ist davon auszugehen, daß der Hausbau auf dem Grundstück zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrages und zum Zeitpunkt der Eintragung der Beklagten ins Grundbuch bereits erheblich fortgeschritten war. Die Beklagte ist insoweit dem substantiierten Vortrag des Klägers in der Klagschrift sowie in der Berufungserwiderung nicht mit Substanz entgegengetreten. Ein einfaches Bestreiten reicht insofern nicht aus, denn die Beklagte, die nach ihrem eigenen Vortrag am Bau beteiligt war, kennt die genauen Daten der Bauarbeiten an dem Haus. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten darüber hinaus eingeräumt, daß mit dem Bau des Hauses bereits 1974 begonnen worden ist.
Ein auch nur mit einem Rohbau eines Hauses versehenes Grundstück ist wesentlich wertvoller als ein unbebautes Grundstück. Insofern kann festgestellt werden, daß der Wert der übertragenen Grundstückshälfte deutlich höher lag als der im Übertragungsvertrag vom 3. Juni 1976 angegebene Wert von 5. 084 DM. Dabei mag dahinstehen, ob die Beklagte tatsächlich als Gegenleistung für den Erwerb der Grundstückshälfte auf eine Forderung in Höhe von ca. 5. 000 DM verzichtet hat. Da der Wert des Grundstücksanteils die angebliche Gegenleistung der Beklagten erheblich überstiegen hat, liegt insofern zumindest eine gemischte Schenkung vor. Hieran ändert sich nichts, auch wenn man den Vortrag der Beklagten zugrundelegt, wonach sie den Bau finanziert und der Erblasser nur seine handwerklichen Fähigkeiten eingesetzt habe. Auch dann läge der -; bereits zuvor von der Beklagten behauptete -; gemeinsame Bau des Hauses durch den Erblasser und die Beklagte vor, denn der eine Teil hätte hierfür sein Geld und der andere Teilseine Arbeitsleistung eingebracht. Der Erwerb des Miteigentums am Haus durch den Erblasser hätte sich danach nicht als möglicherweise später auszugleichende Bereicherung auf Kosten der Beklagten dargestellt. Zudem finden sich im notariellen Übertragungsvertrag hierfür auch keinerlei Anhaltspunkte. Die einzig genannte Gegenleistung der Beklagten ist der Verzicht auf die Zahlungsförderung in Höhe von ca. 5. 000 DM, bei der nicht einmal ausgeschlossen werden kann, daß es sich insofern um Finanzierungskosten des Hausbaus selbst gehandelt hat.
b) Die Schenkung ist gemäß § 2325 Abs. 3 BGB auch zu berücksichtigen. Danach bleibt eine Schenkung zwar unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls 10 Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind; ist die Schenkung aber an den Ehegatten des Erblassers erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe. Auch wenn mehr als 10 Jahre seit der Schenkung verstrichen sind und die Schenkung auch nicht an den Ehegatten des Erblassers erfolgt ist, erscheint im vorliegenden Fall eine entsprechende Anwendung des § 2325 Abs. 3 2. HS BGB geboten. Eine analoge Anwendung der Vorschrift wird zwar von der ganz überwiegenden Auffassung grundsätzlich abgelehnt, (Palandt-Edenhofer, BGB, 57. Aufl. § 2325 Rdnr. 24; Münch.Komm.-Frank, BGB, 3. Aufl. § 2325 Rdnr. 26; OLG Düsseldorf, NJW 1996, 3156 [OLG Düsseldorf 31.05.1996 - 7 U 120/95]; Dieckmann FamRZ 1995, 189; v. Olshausen, FamRZ 1995, 717; Pentz, NJW 1997, 2033 [OLG Düsseldorf 31.05.1996 - 7 U 120/95]; a. A. OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 1492; OLG Köln, Urteil vom 22. Juli 1993, Az. 22 U 26/93, unveröffentlicht); gleichwohl bestehen gegen eine analoge Anwendung in eng begrenzten Ausnahmefällen keine durchgreifenden Bedenken. Der genannten gegenteiligen Auffassung ist zuzugeben, daß eine nahezu grenzenlose Ausdehnung der Vorschrift auf sämtliche Schenkungen an einen späteren Ehegatten nicht gerechtfertigt erscheint (vgl. insofern die überzeugenden Beispiele bei v. Olshausen a. a. O.). Dies schließt jedoch nicht aus, die Bestimmung analog auf solche Fälle anzuwenden, bei denen die Schenkung zeitnah zur Eheschließung erfolgt und die vom Gesetzeszweck mitumfaßt werden. Entgegen der Auffassung von v. Olshausen (a. a. O. S. 719) vermag der Senat nicht zu erkennen, daß aufgrund einer solch differenzierenden Analogie eine zu große Rechtsunsicherheit eintreten könnte. Es liegt im Wesen der Analogie begriffen, daß Gerichte beurteilen müssen, ob eine Vorschrift, die ihr ein Wortlaut nach nicht auf einen bestimmten Sachverhalt paßt, gleichwohl ihrem Sinn nach anzuwenden ist. Daß bei einer analogen Anwendung des § 2325 Abs. 3 2. HS BGB eine größere Unsicherheit eintreten könnte als bei der entsprechenden Anwendung anderer Bestimmungen, leuchtet nicht ein. Auch die grundsätzlichen Vorbehalte der Gegner der Analogie bereits gegen die Gesetzesbestimmung (vgl. z. B. v. Olshausen a, a. O. S. 720; Dieckmann a. a. O. S. 190) steilen kein Argument gegen eine Analogie dar; solange der Gesetzgeber keine Änderung der im übrigen verfassungskonformen Norm vornimmt, sind Gerichte nicht gehindert, diese Norm auch auf vergleichbare Sachverhalte anzuwenden.
Für den Gesetzgeber war bei der Verschiebung des Fristbeginns bei Ehegattenschenkungen ausschlaggebender Gesichtspunkt, daß der verschenkte Gegenstand tatsächlich gemeinschaftliches Vermögen bleibe, der Schenker also wahrend der Ehe auch nach der Schenkung den Genuß des zugewandten Gegenstandes nicht zu entbehren brauche (vgl. v. Olshausen a. a. O. S. 719; Pentz a. a. O. S. 2033 f.). Diese Überlegung kommt auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Der Erblasser und die Beklagte hatten nach dem aus den genannten Gründen zugrundezulegenden Klägervortrag begonnen, ein ihnen gemeinschaftlich gehörendes Grundstück mit einem Haus zu bebauen. Dieses Haus sollte als gemeinsames Familienheim dienen und wurde -; nach dem Beklagtenvortrag -; an die Beklagte nur deshalb übertragen, weil die Zwangsversteigerung des Grundstücks drohte. Auch nach der Übertragung der Grundstückshälfte haben der Erblasser und die Beklagte gemeinschaftlich den Hausbau fortgesetzt; die Schlußabnahme durch den . fand dann am 6. September 1977 statt. Die Heirat des Erblassers und der Beklagten erfolgte knapp drei Monate später am 1. Dezember 1997. Der aufgezeigte zeitliche Ablauf macht deutlich, daß der Erblasser trotz der erfolgten Übertragung seines Grundstücksanteils den Genuß des verschenkten Gegenstandes tatsächlich nicht entbehren müßte. Der "Genuß" eines Hausgrundstücks besteht zwar auch in seinem wirtschaftlichen Wert. Ein Hausgrundstück ist jedoch nicht nur allein unter dem Gesichtspunkt seines in Geld bemessenen Tauschwertes zu sehen. Zum Eigentum gehört rechtlich neben der Möglichkeit, es zu veräußern, auch die Befugnis, es zu nutzen (BGH NJW 1994, 1791). Die Nutzung des Grundstücks hat der Erblasser zu keinem Zeitpunkt entbehrt; er hat es trotz des Eigentumsübergangs weiterhin bebaut und es anschließend mit der Beklagten zusammen genutzt. Es liegt damit ein Sachverhalt vor, der der Überlegung entspricht, die für den Gesetzgeber bei der Schaffung des § 2325 Abs. 3 2. HS BGB entscheidend war. Hinzu kommt die unmittelbare zeitliche Nähe der Schenkung zur Eheschließung. Zwar lag der Zeitpunkt der Umschreibung im Grundbuch, der bei einer Grundstücksschenkung als frühester Leistungszeitpunkt in Betracht kommt (BGHZ 102, 289 ff.), bereits im September 1976, mithin über ein Jahr vor der Eheschließung. Bei einer gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. insofern BGH NJW 1994, 1791) war die Schenkung zum Zeitpunkt der Eintragung der Beklagten ins Grundbuch aber noch nicht vollendet. Da der Erblasser den Hausbau auch in der Folgezeit fortsetzte und das Haus selbst einen erheblichen Anteil an der Zuwendung hatte, vollendete sich die Schenkung wirtschaftlich gesehen erst mit der Fertigstellung des Gebäudes, die zum Zeitpunkt der Schlußabnahme durch die zuständige Baubehörde anzunehmen ist. Da die Eheschließung des Erblassers und der Beklagten nicht einmal drei Monate später erfolgte, ist der für eine Analogie erforderliche enge zeitliche Zusammenhang der Schenkung mit der Eheschließung gegeben.
Eine entsprechende Anwendung des § 2325 Ab s. 32. HS BGB ist nach allem geboten; die Zehnjahresfrist, die mithin erst nach Auflösung der Ehe, d. h. hier mit dem Tode des Erblassers, beginnt, ist noch nicht abgelaufen. Der Kläger ist somit berechtigt, von der Beklagten gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB Wertermittlung bezüglich des übertragenen Grundstücksanteils zu verlangen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 97 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage gilt folgendes:
a) Der Kläger hatte einen Anspruch auf Ergänzung des ursprünglichen notariellen Nachlaßverzeichnisses, denn die Beklagte hatte bestimmte Vermögensteile bei ihren bisherigen Erklärungen völlig ausgelassen (vgl. Palandt-Edehofer, a. a. O. § 2314 Rdnr. 10). Eine Auskunft über den Hausrat und das weitere Inventar hatte die Beklagte nicht gegeben. Die Klage war insoweit begründet, so daß der Beklagten die Kosten dieses erledigten Teiles aufzuerlegen waren.
b) Der Kläger hatte hingegen keinen Anspruch auf Auskunft über die Finanzierung des Pkw Toyota Starlet. Er hätte insoweit lediglich Auskunft darüber verlangen können, ob der Erblasser den Erwerb dieses Pkw mitfinanziert habe, da in diesem Falle eine ausgleichspflichtige Schenkung vorgelegen haben könnte. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer allgemeinen Auskunft über die Finanzierung des Fahrzeuges stand dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insoweit waren ihm gemäß § 91 a ZPO die auf diesen Auskunftsanspruch entfallenden Kosten aufzuerlegen.
3. Die restlichen Nebenentscheidungen folgen aus § 708 Nr. 10, §§ 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.