Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.05.1998, Az.: 18 UF 236/97
Anspruch des haushaltsführenden Ehegatten auf Überlassung von Wirtschaftsgeld; Taschengeldanspruch; Ausgleichsanspruch in Doppelverdiener-Ehen; Berechnung anhand der Einkommensquote
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.05.1998
- Aktenzeichen
- 18 UF 236/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 11298
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1998:0512.18UF236.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Bremervörde - 04.11.1997 - AZ: 5 F 123/97
Fundstellen
- FamRZ 1999, 162-163 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1998, 227-229
Verfahrensgegenstand
Zahlung von Wirtschaftsgeld
In der Familiensache
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 1998
durch
den Richter am Oberlandesgericht S.,
den Richter am Oberlandesgericht D. und
die Richterin am Oberlandesgericht P.
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - B. vom 4. November 1997 geändert und wie folgt neu gefaßt:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO):
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihrem Ehemann, Haushaltsgeld ab August 1997 in Höhe von monatlich 1.000,00 DM und ab März 1998 in Höhe von 750,00 DM. Der Beklagte ist als Montageschlosser berufstätig. Die Klägerin geht neben der Beschäftigung im Haushalt einer Teilzeittätigkeit nach. Im Haushalt der Parteien lebt außerdem der gemeinsame volljährige Sohn F. der nach Abschluß seiner Lehre seit März 1998 einen Zuschuß zu den Haushaltskosten in Höhe von monatlich 250,00 DM leistet.
Der Beklagte trägt die laufenden Kreditkosten für das von den Parteien bewohnte Haus in Bremervörde sowie die Nebenkosten, die Kosten für Versicherungen, das Kraftfahrzeug und weitere regelmäßig anfallende Kosten. Mit der Klage begehrt die Klägerin von ihm zudem Haushaltsgeld für Lebensmittel und Hygieneartikel.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
Entscheidungsgründe
1.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten über die bereits laufend gezahlten Beträge kein weitergehender Anspruch auf Wirtschaftsgeld zu.
Zwar ergibt sich aus § 1360 a Abs. 2 Satz 2 BGB ein Anspruch des haushaltsführenden Ehegatten auf Überlassung des Wirtschaftsgeldes, das er für die eigenverantwortliche Haushaltsführung benötigt. Die Höhe des Wirtschaftsgeldes bestimmt sich im allgemeinen nach den zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie ohne Taschengeld erforderlichen Geldmitteln unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens beider Ehegatten. In einer Doppelverdiener-Ehe, in der beide Ehegatten zur Haushaltsführung und zu finanziellen Beiträgen verpflichtet und berechtigt sind, sind die Beiträge zum Familienunterhalt einschließlich des Wirtschaftsgeldes im Verhältnis ihrer für gemeinsame Zwecke zur Verfügung stehenden Einkünfte auf die Ehegatten aufzuteilen. Ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts von 1.800,00 DM ist dabei nicht abzusetzen, da beide Eheleute während des Zusammenlebens gemeinsam wirtschaften und es hier auf ihre Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht ankommt. Von den unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Einkünften beider Ehegatten sind allerdings zunächst die Beträge abzusetzen, die ihnen als Taschengeld zur Befriedigung der eigenen persönlichen Bedürfnisse nach eigenem Gutdünken und freier Wahl unabhängig von einer Mitsprache des anderen Ehegatten zur Verfügung stehen sollen. Dieser Vorwegabzug ist schon deswegen geboten, weil jeder selbst verdienende Ehegatte darauf verwiesen ist, seinen Taschengeldanspruch zunächst durch die selbst erzielten Einkünfte abzudecken und ihm insoweit kein Anspruch gegen den anderen Ehegatten zusteht (BGH v. 21. Januar 1998 - XII ZR 140/96). Nur die dann verbleibenden Einkünfte beider Ehegatten stehen für gemeinsame Zwecke zur Verfügung und bilden das Verhältnis, in dem sie zum Familienunterhalt beizutragen haben.
Ein Ehegatte hat nur dann einen Ausgleichsanspruch, wenn er unfreiwillig von seinem Einkommen höhere Zahlungen für den Familienunterhalt leistet, als es seiner anteilmäßigen Haftung entspricht (KG FamRZ 1979, 427; Wendl/Staudigl/Scholz, Unterhaltsrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 37 ff., 52). Soweit einer der Ehegatten bestimmte laufende Haushaltskosten im Einverständnis mit dem anderen Ehegatten von seinem Konto selbst direkt begleicht, wie z. B. Aufwendungen für ein Familienheim, Wohnnebenkosten, Versicherungsprämien oder Telefonkosten, ist dieses mit dem Wirtschaftsgeld zu verrechnen (Wendl/Staudigl, a. a. O., Rn. 49).
2.
Der Beklagte haftet entsprechend der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse für die Beiträge zum Familienunterhalt einschließlich des Wirtschaftsgeldes allenfalls zu 72 %.
Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Verdienstabrechnung für den Monat Dezember 1997 hat er im gesamten Jahr 1997 73.747,08 DM brutto verdient. Darin sind allerdings erhebliche Beträge für Auslösungen aufgrund seiner Montagetätigkeit enthalten, die wegen der mit der Montage einhergehenden zusätzlichen Belastungen nach ständiger Rechtsprechung des Senats dem unterhaltsrechtlich anrechenbaren Einkommen nur zu 1/3 hinzugerechnet werden können. Setzt man von den vom Beklagten in den Monaten Februar, März, Juni, Juli, August, September und Oktober erhaltenen Beträgen für Auslösung in Höhe von insgesamt 10.771,68 DM aus diesen Gründen 2/3, mithin 7.181,12 DM wieder ab, ergibt sich ein anrechenbares Bruttoeinkommen in Höhe von 66.565,96 DM (73.747,08 DM - 7.181,12 DM). Von diesen Einkünften des Beklagten sind entsprechend den Celler Leitlinien die Zuschüsse des Arbeitgebers für vermögenswirksame Leistungen in Höhe von jährlich 624,00 DM abzusetzen. Es verbleiben dann 65.941,96 DM. Diesem Bruttoeinkommen ist das von der AOK erhaltene Krankengeld in Höhe von 2.750,00 DM hinzuzurechnen. Es ergibt sich dann ein zu berücksichtigendes Bruttoeinkommen in Höhe von
68.691,96 DM. | ||
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Abzüglich Lohnsteuer | 15.878,69 DM | |
./. | Kirchensteuer | 1.429,01 DM |
./. | Krankenversicherungsbeiträge | 4.613,86 DM |
./. | Pflegeversicherungsbeiträge | 526,41 DM |
./. | Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung | 6.964,00 DM |
./. | Arbeitnehmerbeiträge zur Arbeitslosenversicherung | 2.229,85 DM |
verbleibt ein Jahresnettoeinkommen des Beklagten in Höhe von | 37.050,14 DM | |
und somit monatlich in Höhe von | 3.087,51 DM. |
Steuerrückerstattungen sind dem Beklagten seit 1997 nicht zugeflossen, zumal der Steuerbescheid für 1995 am 15. Juli 1996 ergangen ist und die Steuererklärungen für die Folgejahre 1996 und 1997 noch nicht einmal eingereicht worden sind.
Setzt man von dem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 3.087,51 DM 5 % berufsbedingte Kosten, mithin 154,38 DM ab, um dem typischerweise mit der Berufstätigkeit verbundenen erhöhten Aufwand Rechnung zu tragen, verbleibt ein unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von ca. 2.933,00 DM.
Dem stehen Einkünfte der Klägerin entgegen, die ebenfalls durch die Dezember-Abrechnung 1997 nachgewiesen worden sind.
Danach hat die Klägerin im Jahre 1997 ein Bruttoeinkommen von | 21.425,36 DM erzielt. | |
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Abzüglich Lohnsteuer | 801,87 DM | |
./. | Solidaritätszuschlag | 29,84 DM |
./. | Kirchensteuer | 71,60 DM |
./. | Krankenversicherungsbeitrag | 1.510,49 DM |
./. | Pflegeversicherungsbeitrag | 182,13 DM |
./. | Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung | 2.174,65 DM |
./. | Arbeitnehmerbeitrag zur Arbeitslosenversicherung | 696,34 DM |
verbleiben Nettoeinkünfte von jährlich | 15.958,44 DM | |
und monatlich von | 1.329,87 DM. |
Abzüglich berufsbedingter Kosten von 66,49 DM (5 %) verbleibt ein unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von monatlich ca. 1.263,00 DM. Von den anrechenbaren Einkünften beider Ehegatten sind zunächst ihre Ansprüche auf Taschengeld abzusetzen. Die Höhe des Taschengeldanspruches wird in der Rechtsprechung üblicherweise mit einer Quote von 5-7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens angenommen (BGH a. a. O.), wobei zuvor berücksichtigungsfähige Schulden abzuziehen sind (Wendl/Staudigl a. a. O. § 3 Rdnr. 60), weil deren Beträge bereits der Disposition der Ehegatten entzogen sind. Von dem Einkommen des Beklagten sind deswegen zunächst die Darlehensraten an die Kreissparkasse in Höhe von 1.245,00 DM abzuziehen. Im Hinblick auf das verbleibende verfügbare Einkommen des Beklagten von 1.688,00 DM und der Klägerin von 1.263,00 DM (zusammen 2.951,00 DM) hält der Senat einen Taschengeldanspruch, der für beide Ehegatten gleich hoch zu bemessen ist (Wendl/Staudigl a. a. O. § 3 Rdnr. 58), i. H. v. 180,00 DM für angemessen und ausreichend.
Setzt man von den anrechenbaren Einkünften der Parteien jeweils ihren vorab zu befriedigenden Taschengeldanspruch ab, verbleiben für gemeinsame Zwecke zur Verfügung stehende Einkünfte des Beklagten in Höhe von 2.753,00 DM (2.933,00 - 180,00) und der Klägerin in Höhe von 1.083,00 DM (1.263,00 - 180,00). Von den gesamten zur gemeinsamen Verfügung vorhandenen Einkünften in Höhe von 3.836,00 DM erzielt also der Beklagte ca. 72 % und die Klägerin ca. 28 %. Entsprechend haften die Parteien auch für die Summe der Beiträge zum Familienunterhalt einschließlich des Wirtschaftsgeldes.
3.
In dem zuvor errechneten Verhältnis haften die Parteien für alle laufenden zum Familienunterhalt notwendigen Beträge, die sich aus dem Betrag des verlangten Wirtschaftsgeldes in Höhe von zunächst 1.000,00 DM (später 750,00 DM) und den vom Beklagten gezahlten laufenden Kosten zusammensetzen. Die ständig wiederkehrenden Kosten belaufen sich monatlich auf mindestens 2.289,00 DM. Dabei handelt es sich um folgende unstreitige oder nachgewiesene Positionen, wobei jeweils der (anteilige) Monatsbetrag errechnet ist:
Darlehen Kreissparkasse | 1.245,00 DM |
---|---|
Beiträge Stadtwerke (550,00 DM ./. Anteil der Mutter des Beklagten von 200,00 DM) | 350,00 DM |
Lebensversicherung VGH | 112,00 DM |
Telekom und Telefonmiete (geschätzt) | 80,00 DM |
Bremervörder Zeitung | 29,00 DM |
Unfallversicherung LVM | 53,00 DM |
Grundsteuer | 32,13 DM |
Rundfunkgebühren | 28,25 DM |
Bild am Sonntag | 18,00 DM |
Kfz.-Haftpflichtversicherung | 99,15 DM |
VGH Wohngebäudeversicherung | 46,29 DM |
VGH Schutzbrief | 5,42 DM |
Sterbekasse H. | 3,20 DM |
ADAC-Beitrag | 6,17 DM |
Kfz.-Steuer | 49,42 DM |
Schornsteinfegerkosten | 8,27 DM |
Abfallentsorgung | 19,60 DM |
Hausratversicherung | 38,81 DM |
Haftpflichtversicherung | 11,68 DM |
Familien- und Verkehrsrechtsschutz | 28,45 DM |
Heizungswartung | 6,90 DM |
Fernseherreparatur | 18,45 DM |
insgesamt somit monatlich ca. | 2.289,00 DM. |
Zuzüglich des verlangten Wirtschaftsgeldes von zunächst 1.000,00 DM waren in den Monaten August 1997 bis Februar 1998 für den Familienunterhalt laufend monatlich 3.289,00 DM aufzuwenden. Bei einer Quote von 72 % hätte der Beklagte dafür ca. 2.368,00 DM aufbringen müssen, während die Klägerin selbst für diesen gemeinsamen Bedarf 921,00 DM beizutragen hätte. Damit hätte der Beklagte in diesen Monaten durch die zuvor aufgeführten laufenden Zahlungen 79,00 DM weniger geleistet, als seiner Einkommensquote entspricht, während die Klägerin bei Aufwendungen für den Haushalt in Höhe von 1.000,00 DM monatlich 79,00 DM mehr beigesteuert hätte. Allerdings sind für die gesamten laufenden Kosten ab März 1998 nur noch monatlich 3.039,00 DM aufzuwenden, zumal sich nunmehr der gemeinsame volljährige Sohn mit 250,00 DM monatlich am Haushaltsgeld beteiligt. Ab dieser Zeit hätte der Beklagte auf den Bedarf nur noch monatlich 2.188,00 DM (72 %) zahlen müssen; er zahlt aber nach wie vor die laufenden Kosten in Höhe von monatlich 2.289,00 DM. Da sich die Klägerin selbst entsprechend ihrer eigenen anrechenbaren Einkünfte zu 28 % und damit in Höhe von 851,00 DM an den Kosten des Familienunterhalts zu beteiligen hat, kann sie ab dieser Zeit jedenfalls das Haushaltsgeld von monatlich 750,00 DM allein aufbringen.
4.
Die abschließende Billigkeitskontrolle führt dazu, der Klägerin einen Anspruch auf Haushaltsgeld auch für die Zeit von August 1997 bis Februar 1998 und somit insgesamt zu versagen.
Selbst wenn die Klägerin in diesen 7 Monaten jeweils 1.000,00 DM für Haushaltsgeld und sonst 79,00 DM mehr als ihrer Einkommensquote entspricht gezahlt hätte, wäre ihr monatlich neben dem Taschengeld in Höhe von 180,00 DM ein weiterer Betrag von 83,00 DM (1.263,00 - 180,00 - 1.000,00) für weiteren persönlichen Bedarf verblieben. Dem Beklagten verblieb in dieser Zeit nach Abzug des Taschengeldes und der laufenden Zahlungen zwar monatlich ein Betrag in Höhe von 464,00 DM (2.933,00 - 180,00 - 2.289,00). Davon hat er allerdings ebenfalls weitere gemeinsame Kosten getragen. So hat der Beklagte in dieser Zeit u. a. einen Fernsehsessel zum Preis von 1.698,30 DM erworben, die Reparaturkosten der Außenleuchte von 74,50 DM getragen, eine Rechnung der Fa. T. über 65,40 DM beglichen sowie diverse Bücher und Eisenwaren gekauft.
Abschließend hat die Klägerin auch nicht im einzelnen dargelegt, daß der geringe Mehrbedarf in dieser Zeit nicht durch entsprechende Einschränkungen (OLG Celle, FamRZ 1978, 589, 590) oder durch die geringere Beteiligung am Familienunterhalt seit März 1998 ausgeglichen werden konnte. Immerhin verbleibt ihr seit dieser Zeit nach Abzug des Taschengeldes und des von ihr getragenen Haushaltsgeldes von nur noch 750,00 DM ein Betrag in Höhe von monatlich 333,00 DM (1.263,00 - 180,00 - 750,00) zur weiteren persönlichen Verwendung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 713 ZPO.