Amtsgericht Varel
Urt. v. 13.10.2009, Az.: 5 C 330/09

Bibliographie

Gericht
AG Varel
Datum
13.10.2009
Aktenzeichen
5 C 330/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44916
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGVAREL:2009:1013.5C330.09.0A

Fundstelle

  • ZErb 2010, 152-153

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Varel auf die mündliche Verhandlung vom 15.09.2009

durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 1.261,24 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 837,52 € seit dem 10.01.2009 zu bezahlen.

  2. 2.)

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Verzugskosten aus einer Nachlassangelegenheit nach der am 06.08.2008 verstorbenen Olga Johanne Wehlau-Moll.

2

Erben der Verstorbenen sind die Beklagten. Die Klägerin ist Vermächtnisnehmerin neben vier anderen Vermächtnisnehmern. Mit Testament vom 26. Juli 1993 hatte die Erblasserin ihre Söhne als Erben eingesetzt und fünf Enkelkinder mit einem Vermächtnis von jeweils 20.000,- DM bedacht. Aus einer Testamentsergänzung ergibt sich, dass zwei dieser Vermächtnisse bereits vor dem Versterben der Erblasserin abgegolten sind. Der Beklagte zu 1. wurde zum Testamentsvollstrecker bestimmt.

3

Nach dem Versterben der Erblasserin entwickelte sich zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1. ein unerfreulicher Schriftwechsel, geprägt von wechselseitiger Abneigung. Auf die Wiedergabe der Einzelheiten soll hier verzichtet werden. Die Klägerin hat in dem Schriftwechsel stets die sofortige Auszahlung des Vermächtnisses an sie verlangt, was der Beklagte zu 1. mit der Begründung abgelehnt hat, dass zunächst die Wohnung als wesentliches Erbe verkauft werden müsse, um die Vermächtnisse zu befriedigen. Die Klägerin hatte den Beklagten eine Frist zum 31.10.2008 gesetzt und danach ihre Prozessbevollmächtigten eingeschaltet, die mit Schriftsatz vom 22. Dez. 2008 den Beklagten zu 1. unter Fristsetzung zum 09.01.2009 unter Beiführung ihrer Gebührenrechnung nochmals zur Zahlung aufgefordert haben. Nach dem Verkauf der Wohnung ist das Vermächtnis am 03.06.2009 dem Konto der Bevollmächtigten der Klägerin gutgeschrieben worden. Die Parteien streiten nun noch um Zinsen in Höhe von 423,72 € für die Zeit vom 01.11.2008 bis 03.06.2009 sowie die Anwaltskosten in Höhe von 837,52 €.

4

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten in Verzug gewesen sind, da das Vermächtnis sofort mit dem Erbfall fällig geworden sei und beantragt,

  1. wie erkannt.

5

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Sie vertreten die Auffassung, dass die Vermächtnisse aus dem Verkaufserlös der Wohnung zu bezahlen gewesen seien. Es habe keine andere Entscheidung gegeben, als die Vermächtnisnehmer darauf zu verweisen, dass zunächst die Immobilie verkauft werden müsse. Verzug habe es deshalb nicht gegeben. Das Testament sei so auszulegen, dass die Vermächtnisse erst nach dem Verkauf der Wohnung fällig gewesen seien. Der Beklagte zu 1. habe als Testamentsvollstrecker im Rahmen des ihm gegebenen Ermessens gehandelt. Zur weiteren Begründung verweisen die Beklagten auf eine Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 65, 196 und daran anschließende Kommentierungen.

7

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist aus den §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB begründet, weil die Beklagten als Erben ihre Pflicht zur Auszahlung des Vermächtnisses gemäß § 2174 BGB trotz Fristsetzung verletzt haben. Die Schadenshöhe bedarf keiner weiteren Erörterung, denn sie ist hinreichend dargelegt und unstreitig.

9

Nach § 2176 BGB kommt die Forderung des Vermächtnisnehmers an die Erben mit dem Erbfall zur Entstehung. Damit war der Vermächtnisanspruch gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig, da eine andere Leistungszeit weder nach dem Testament bestimmt, noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Das Testament sieht hierzu keine Regelung vor. Als einzige Konkretisierung käme die Formulierung in Betracht, dass die Vermächtnisse "aus der Erbmasse" gezahlt werden sollen. Eine zeitliche Eingrenzung ist damit allerdings nicht verbunden. Offensichtlich ging die Erblasserin bei der Errichtung des Testaments davon aus, dass die Vermächtnisse aus dem vorhandenen Barvermögen erfüllt werden können, denn in der Folge sind offensichtlich zwei Vermächtnisse bereits ausgezahlt worden. Das ergibt sich aus dem Zusatz zum Testament. Folglich ist nicht davon auszugehen, dass auch zur Zeit der Errichtung des Testaments das wesentliche Vermögen nur aus der Wohnung bzw. der vorher vorhandenen Immobilie bestand. Damit ist aber auch nicht aus den Umständen zu entnehmen, dass die Erblasserin eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Leistungszeit gewollt hat. Es ist vielmehr anzunehmen, dass sich die Erblasserin über diesen Punkt schlicht keine Gedanken gemacht hat. Wenn das aber so ist -und davon geht das Gericht aus- gilt die gesetzliche Regelung. Man mag die Forderung der Klägerin unter moralischen Gesichtspunkten mit guten Argumenten für vorwerfbar halten, sie entspricht aber der Gesetzeslage.

10

Soweit die Beklagten zur Begründung ihres Standpunkts auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Nov. 1916 abstellen, ist zunächst festzuhalten, dass dort eine andere Konstellation zugrunde lag, denn ein hoher Betrag des Nachlasses steckte in einer zahlungsunfähigen Gesellschaft, zudem gab es erhebliche Nachlassschulden. Zudem überzeugt die Begründung der Entscheidung nicht, dass nämlich, wenn das Vermögen beim Tod des Erblassers "zum weitaus größten Teile in kaufmännischen Geschäften angelegt" war, es klar erscheine, dass es nicht Wille des Erblassers gewesen sei, dass die Vermächtnisse sofort nach seinem Tod ausgezahlt werden. Das ist nach Auffassung des Unterzeichners eine unzulässige ergänzende Testamentsauslegung. Die vom Beklagtenvertreter zitierten Kommentare stellen auf diese Entscheidungen ab, ohne ihren Standpunkt näher zu begründen oder auszuführen. Staudinger/Otte § 2174 Rd.ziff. 15 führt unter Bezugnahme auf die diskutierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg sogar aus, dass der Erblasser bestimmen könne, dass die Fälligkeit des Vermächtnisses nicht schon mit dem Anfall des Vermächtnisses eintrete, sondern hinausgeschoben sein soll, wenn keine bereiten Geldmittel vorhanden sind, weil das Vermögen des Erblassers völlig in kaufmännischen Geschäften angelegt sei. Das entspricht aber nicht dem Inhalt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg bei der, wie im vorliegenden Fall, eben keine Bestimmung vorgenommen worden ist. Genau darin liegt aber nach Auffassung des Unterzeichners das Problem für die Beklagten, denn die Erblasserin hat keine Bestimmung darüber getroffen, wann das Vermächtnis fällig sein soll. Damit gilt die gesetzliche Regelung, die von einer sofortigen Fälligkeit ausgeht. Die Klage ist deshalb in vollem Umfang begründet.

11

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.