Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.08.1984, Az.: 1 WF 87/84

Prozesskostenhilfe im Scheidungsverfahren; Verjährung von Gebührenforderungen einer Rechtsanwältin

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
22.08.1984
Aktenzeichen
1 WF 87/84
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1984, 10381
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1984:0822.1WF87.84.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Braunschweig - 12.07.1984 - AZ: 46 F 29/80

Prozessführer

des Herrn ...

Prozessgegner

...

In dem Rechtsstreit hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 22. August 1984
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Rechtsanwältin ... gegen den Beschluß des Amtsgerichts-Familiengerichts-Braunschweig vom 12. Juli 1984 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Parteien haben 1980 das Scheidungsverfahren betrieben. Durch Urteil vom 22.10.1980 ist die Ehe geschieden worden. Das Amtsgericht hatte die Entscheidung über den Versorgungsausgleich abgetrennt.

2

Auch dieses Verfahren ist inzwischen abgeschlossen.

3

Frau Rechtsanwältin ..., die dem Antragsgegner im Rahmen der Prozeßkostenhilfe als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet worden war, hat am 08.12.1983 beantragt, ihre Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse aus dem Scheidungsverfahren festzusetzen. Dies hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am 22.02.1984 abgelehnt mit der Begründung, die Gebührenforderung sei verjährt. Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 12.07.1984 zurückgewiesen.

4

Die nunmehr eingelegte Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO zulässig, jedoch nicht begründet. Denn die Gebührenforderung der Rechtsanwältin Dr. Becker-Döring ist verjährt.

5

Gebührenforderungen eines Rechtsanwalts verjähren gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB innerhalb von zwei Jahren. Dies gilt auch für den Anspruch des im Prozeßkostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse (vgl. Palandt-Heinrichs, BGH, 43. Aufl., § 196 Anm. 11 a). Die Verjährung beginnt gemäß § 198 BGB mit der Fälligkeit des Anspruchs. Nach § 201 Satz 1 BGB gilt zusätzlich, daß die Verjährung mit Schluß des Jahres beginnt, in dem die Forderung fällig wird. Die Fälligkeit des Honoraranspruchs des Rechtsanwalts richtet sich nach § 16 BRAGO, wobei für den Verjährungsbeginn der zuerst verwirklichte Fälligkeitstatbestand maßgebend ist (Riedel-Sußbauer, BRAGO, 4. Aufl. 1978, § 121 Rdnr. 15; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 198 Anm. 2 a bb m.w. Nachw.). Nach § 16 Satz 2 BRAGO wird die Gebührenforderung u. a. fällig, wenn im gerichtlichen Verfahren eine Kostenentscheidung ergangen ist. Diese Kostenentscheidung ist vorliegend im Scheidungsurteil vom 22.10.1980 in der Weise ergangen, daß die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden.

6

Frau Rechtsanwältin ... ist zwar zuzugeben, daß die Angelegenheit wegen der Abtrennung des Versorgungsausgleichs durch jenes Urteil nicht beendet war. Denn Scheidungs- und Folgesachen gelten als eine Angelegenheit (§ 7 Abs. 3 BRAGO). Auch durch die Abtrennung einer Folgesache ändert sich daran nichts. Indessen ist die Beendigung der Angelegenheit für die Fälligkeit der Gebührenforderung im Sinne von § 16 Satz 2 BRAGO keine Voraussetzung. Zwar kann die Angelegenheit noch nicht endgültig abgerechnet werden, da der Streitwert für den Versorgungsausgleich nicht feststeht. Dies kann jedoch dem Gebührenschuldner, also auch der Landeskasse, nicht entgegengehalten werden. Der Gebührenschuldner ist vielmehr berechtigt, sich auf den für ihn günstigsten, also regelmäßig den frühesten Fälligkeitszeitpunkt zu berufen (KG OLGZ 19, 259; Gerold-Schmidt, BRAGO, 8. Aufl. 1984, § 16 Rdnr. 190 Riedel-Sußbauer, a.a.O., § 16 Rdnr. 17). Der Rechtsanwalt wird daher zur Vermeidung des Verjährungseintritts zunächst nach den bisher vorliegenden Gegenstandswerten abrechnen müssen und gegebenenfalls eine Nachberechnung anstellen müssen (Riedel-Sußbauer, a.a.O, § 16 Rdnr. 10, § 128 Rdnr. 13).

7

Der Vergütungsanspruch von Rechtsanwältin Dr. Becker-Döring ist demnach mit der Kostenentscheidung des Scheidungsurteils am 22.10.1980 fällig geworden. Die Verjährungsfrist hat am 31.12.1980 begonnen und ist am 31.12.1982 abgelaufen. Der erst am 08.12.1983 geltend gemachte Vergütungsanspruch ist daher verjährt.

8

Der Verjährungseinrede steht entgegen der Meinung von Frau Rechtsanwältin ... nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Mißbräuchlichkeit der Verjährungseinrede ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, daß die Rechtsanwältin häufig ihre Vergütungsansprüche mit der Landeskasse abrechnet. Es reicht nicht aus, daß der Schuldner weiß, daß die Forderung zu Recht besteht oder daß der Berechtigte wegen des Ansehens oder der Stellung des Schuldners nicht mit der Verjährungseinrede gerechnet hat. Der Schuldner muß dem Berechtigten vielmehr Anlaß gegeben haben, von der Unterbrechung der Verjährung abzusehen (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Anm. 5 a vor § 194). Für ein derartiges Verhalten des Vertreters der Landeskasse liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Umstand, daß ein oder mehrere Rechtspfleger im Jahr 1980 die Ansicht vertreten haben sollen, die Geltendmachung von Gebühren trotz noch nicht erledigten Versorgungsausgleichs könne nur als Antrag auf Vorschußzahlung angesehen werden, ändert daran nichts.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 5 BRAGO.