Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.10.2007, Az.: 8 W 81/07
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 05.10.2007
- Aktenzeichen
- 8 W 81/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 59274
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2007:1005.8W81.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 23.02.2007 - AZ: 4 O 68/06
Fundstellen
- AGS 2008, 299-301 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- NZM 2008, 423 (red. Leitsatz)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 803-804
In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin am 05. Oktober 2007
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Göttingen vom 23. Februar 2007 - 4 O 68/06 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Streitwert des Rechtsstreits einschließlich des Vergleiches wird auf 69 120,00 EUR festgesetzt (Klageantrag zu 1.: 34 560,00 EUR; Klageantrag zu 2.: 34 560,00 EUR).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie eine Heraufsetzung des Streitwertes auf 110 914,56 EUR erstreben, ist zulässig gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG, 32 Abs. 2 Satz 1 RVG und hat in der Sache teilweise Erfolg.
Die Bewertung von (schuldrechtlichen und dinglichen) Wohnrechten ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (zum Meinungsstand vgl. Schneider-Herget, Der Streitwertkommentar, 12. A. 2007, Rdn. 6327 ff.). Bei der Bewertung von Wohnrechten sind mietähnliche Wohnrechte und sonstige Wohnrechte zu unterscheiden. Bei ersteren ist das Wohnrecht von einer Gegenleistung abhängig, bei letzteren erfolgt die Ausübung unentgeltlich. Bei unentgeltlichen Wohnrechten wie dem vorliegendem ist der Gebührenstreitwert nach überwiegender Rechtsauffassung gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen (vgl. BGH, n.v. Beschluss vom 20. Oktober 2005 - V ZR 73/05 -; BGH NJW-RR 1994, 909 [BGH 13.10.1993 - XII ZR 126/93]; BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - XII ZR 33/02 - veröffentlicht in juris; OLG Köln Jur. Büro 2006, 477). Allerdings besteht keine Einigkeit darüber, woran sich die Bewertung nach freiem Ermessen orientieren soll. Der BGH tendiert - entgegen der Zitierung bei Schneider/Herget, a.a.O., Rdn. 6340 - zu einer entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 2 KostO und hält § 9 ZPO entgegen einem Teil der Rechtsprechung und Literatur für nicht anwendbar (vgl. BGH NJW-RR 1994, 909 sowie BGH, Beschluss vom 23.09.1992 - XII ZR 33/92 -, veröffentlicht in juris; ebenso OLG Köln Jur. Büro 2006, 477 und OLG Braunschweig, n.v. Urteil vom 29.04.1999 - 2 U 2/99 - sowie OLG Braunschweig, n.v. Beschluss vom 19.10.1988 - 2 W 139/ 88 -; andere Ansicht OLG Naumburg, Beschluss vom 06.04.2000 - 13 W 14/00 -, OLG Dresden, Beschluss vom 02.04.2003 - 11 W 408/03, veröffentlicht in juris, beide für die Anwendung von § 16 GKG analog sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.2006 - 19 W 16/06 -, veröffentlich in juris, für die Anwendung des § 9 ZPO). Der zuerst genannten Rechtsauffassung ist zu folgen. Beim unentgeltlichen Dauerwohnrecht geht es nicht um ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen im Sinne des § 9 ZPO, sondern um ein dauerndes Recht, welches nicht periodisch strukturiert ist. Im Übrigen fehlt es an der Entgeltlichkeit der Nutzung. Daher finden die §§ 16 GKG a.F., 41 GKG n.F. und § 9 ZPO, die auf Miet-, Pacht- und ähnliche Nutzungsverhältnisse zugeschnitten sind, keine Anwendung (so auch BGH, n.v. Beschluss vom 20.10.2005 - V ZR 73/05 -).
Bei der Bewertung ist damit vom Wert des Wohnrechts auszugehen, welches der Kläger mit 384,00 EUR pro Monat beziffert hat. Zur Ermittlung des Gesamtwertes des Rechts ist sein Jahreswert mit einem Faktor zu vervielfältigen, der aus einer entsprechenden Anwendung der Tabelle in § 24 Abs. 2 KostO zu entnehmen ist. Der Beklagte war zu dem für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Klage (§§ 4 Abs. 1 ZPO, 12 Abs. 1 GKG) 72 Jahre alt. Er ist deshalb in die Stufe 7 des Tabellenrahmens (über 65 Jahre bis zu 75 Jahren) einzuordnen. Der Wert der einjährigen Nutzung (12 × 384,00 EUR = 4 608,00 EUR) ist mit dem Faktor 7,5 (= 34 560,00 EUR) zu multiplizieren. Ein Feststellungsabschlag ist nicht veranlasst, da es sich um eine negative Feststellungsklage handelt (vgl. dazu Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl. § 3 ZPO unter ‚Feststellungsklage‘).
Da der Feststellungsantrag zu 1. und der Räumungsantrag zu 2. nicht denselben Streitgegenstand haben, weil die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils von demjenigen des Räumungsurteils verschieden ist, ist der Streitwert des Räumungsantrages gesondert zu bewerten. Es besteht auch keine wirtschaftliche Identität, denn aufgrund einer stattgebenden Feststellungsklage wäre auch der Anspruch des Beklagten darauf entfallen, aufgrund von § 2 Abschnitt II des notariellen Testamentes vom 09. Dezember 1997 - UR-Nr. 129/1997 - (Anlage 1, Bl. 1 ff. des Anlagenbandes) die Eintragung des Wohnrechts im Grundbuch zu verlangen. Damit verbunden ist eine Befreiung der Immobilie von einer möglichen dinglichen Belastung. Dieser Fall ist von denjenigen Fällen zu unterscheiden, in denen neben einem Räumungsanspruch ein Anspruch auf Nichtbestehen eines Besitzrechtsverhältnisses geltend gemacht wird. Während der Klageantrag zu 2. auf Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung gerichtet ist, besteht die wirtschaftliche Bedeutung des Klageantrag zu 1. in der Beseitigung einer Verfügungsbeschränkung des Klägers. Der Wert beider Anträge ist daher gemäß § 5 ZPO zusammenzurechnen. Den Wert des Klageantrags zu 2. bemisst der Senat gemäß § 3 ZPO mit 34 560,00 EUR, so dass der Gesamtstreitwert 69 120,00 EUR beträgt.
Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG.