Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 14.08.2007, Az.: 2 W 148/07 (Lw)

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
14.08.2007
Aktenzeichen
2 W 148/07 (Lw)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 59278
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2007:0814.2W148.07LW.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Northeim - 18.06.2007 - AZ: 4 Lw 48/07

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2008, 527

In der Landwirtschaftssache

...

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht. und den Richter am Oberlandesgericht am 14. August 2007 beschlossen:

Tenor:

  1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts -Landwirtschaftsgericht - Northeim vom 18. Juni 2007 abgeändert. Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin aus Hardegsen bewilligt.

  2. Monatsraten sind nicht zu leisten.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin ist eine Tochter aus erster Ehe des Landwirts. Dieser hat an die Antragstellerin auf Grund Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Northeim vom 8.10.2003 - 2 F 57/03 - einen monatlichen Kindesunterhalt von  269 € zu zahlen. Durch Hofübergabevertrag vom 21.5.2005 übertrug er seinen m Grundbuch von Blatt 706 eingetragenen Hof an seine jetzige Ehefrau und behielt sich ein im Grundbuch eingetragenes lebenslängliches Nießbrauchsrecht vor.

2

Der Antragsgegner hatte landwirtschaftliche Flächen dieses Hofes für eine jeweils am 1.10. fällige Jahrespacht von 1 512 € gepachtet. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Northeim vom 16.10.2006 - 6a M 1117/06 -, dem Antragsgegner zugestellt am 18.10.2006, ließ die Antragstellerin aus vorgenanntem Unterhaltstitel nebst Kostenfestsetzungsbeschluss die angebliche Forderung ihres Vaters gegen den Antragsgegner auf Zahlung von rückständiger, fälliger und künftig fällig werdender Pacht pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Bereits vorher hatte sie dem Antragsgegner ein vorläufiges Zahlungsverbot gemäß § 845 ZPO zustellen lassen. Zeitlich nach dieser Zustellung, nach seinem Vorbringen nämlich am 15.10.2006, zahlte der Antragsgegner die Jahrespacht 2006 an die seit 14. 12. 2005 als Hofeigentümerin im Grundbuch eingetragene, nachdem ihm mit Schreiben vom 10.10.2006 Folgendes mitgeteilt hatte:

Betreff: Pacht und Hofübergabe

Wie schon mündlich im Mai 2005 mitgeteilt, habe ich meinen Hof und Flächen meine Frau geb mit sämtlichen Rechten und Pflichten übergeben habe. Bitte die Zahlungen der Pacht an Frau vorzunehmen...

3

Insoweit traf der genannte Hofübergabevertrag in seinem § 2 (Übergang und Lasten) u.a. folgende Bestimmung:

... Der Annehmer tritt in alle bestehenden Versicherungs-, Miet- und Pachtverträge ab Besitzübergang (1.5.2005) ein...

4

Außerdem sah § 6 (Nießbrauch) im Anschluss an die Bewilligung des Nießbrauchsrechts u.a. Folgendes vor:

Schuldrechtlich vereinbaren die Vertragsparteien:

Der Erschienene zu 1) (Abgeber) ist berechtigt, sämtliche Nutzungen aus dem Vertragsgegenstand zu ziehen und verpflichtet, sämtliche auf dem Vertragsgegenstand drohenden privaten und öffentlichen Lasten ... zu tragen...

5

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass die Pachtzinsforderung trotz des an sich sogar anfechtbaren Hofübergabevertrages noch ihrem Vater aufgrund des für ihn eingetragenen Nießbrauchs zugestanden habe, so dass der Antragsgegner nach Ausbringung des vorläufigen Zahlungsverbotes nicht mehr schuldbefreiend an diesen oder habe leisten können. Sie beabsichtigt eine Klageerhebung mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verurteilen, an sie 1 512 € nebst Zinsen zu zahlen.

6

Der Antragsgegner beabsichtigt, der Klage entgegenzutreten, und macht geltend, dass, wie in § 2 des Übergabevertrages noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, gem. § 593b BGB in den mit ihm bestehenden, anschließend jedoch von ihr gekündigten Pachtvertrag eingetreten und dadurch Forderungsinhaberin geworden sei. Dem stehe das Nießbrauchsrecht nicht entgegen, da spätestens mit seinem Schreiben vom 10.10.2006 auf dessen Ausübung verzichtet habe.

7

Diese Sichtweise hat das Landwirtschaftsgericht im angefochtenen Beschluss geteilt, weil § 2 des Übergabevertrages hinsichtlich der bestehenden Pachtverträge eine Einschränkung des Nießbrauchsrechts i.S.v. § 1030 Absatz 2 BGB enthalte, so dass ab Besitzübergang gem. § 593b BGB in das Pachtverhältnis eingetreten sei und der Antragsgegner die Weisung von habe befolgen müssen, an diese zu zahlen.

8

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Vertragsauslegung des Amtsgerichts beanstandet. Sie meint, § 2 des Übergabevertrages könne in seiner sehr allgemein gehaltenen Formulierung nicht als Einschränkung des Nießbrauchsrechts verstanden werden.

9

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet, weil die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung entgegen der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 48 Absatz 1 LwVG, § 114 ZPO). Aufgrund des genannten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist der Antragstellerin die vom Antragsgegner zu entrichtende Pachtzinsforderung (§§ 581 Absatz 51 Satz 2, 585 Absatz 2 BGB) zur Einziehung zugewiesen worden (§§ 829, 835 f. ZPO). Dass bei Zustellung dieses Beschlusses der Pachtzins bereits an die von benannte bezahlt war, ist ohne Bedeutung, da aufgrund der vor der Pfändung ausgebrachten Vorpfändung die zustehende Pachtzinsforderung mit der in §§ 845 Absatz 2, 930 Absatz 1 ZPO vorgesehenen Arrestwirkung belegt worden ist, die wiederum dem später begründeten Pfändungspfandrecht den Zeitrang gewahrt hat. Im Einzelnen:

10

Der Hofübergabevertrag vom 23.5.2005 hat nicht zur Folge gehabt, dass Ingeborg Küchemann Inhaberin der Pachtzinsforderung gegen den Antragsgegner geworden ist. Es entspricht jedenfalls im Ergebnis allgemeiner Auffassung, dass in Fällen, in denen ein Grundstück unter gleichzeitigem Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen wird und der Nießbraucher zuvor Eigentümer des Grundstücks und Verpächter war, es nicht zu einem Verpächterwechsel nach §§ 593b, 566 BGB kommt (BGH 27.10.1982  NJW 1983, 1780, 1781 [BGH 27.10.1982 - V ZR 177/81]; OLG Frankfurt/M. 6.5.1986  ZMR 1986, 358; 6.5.2003  ZMR 2003, 570). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 des Übergabevertrages. Denn entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann hierin schon deshalb keine wirksame Beschränkung des Nießbrauchsrechts i.S.v. § 1030 Absatz 2 BGB gesehen werden, weil bei einem Grundstücksnießbrauch derartige Einschränkungen in das Grundbuch eingetragen werden müssen, um dingliche Wirkungen auch gegenüber Dritten zu entfalten (Münchener Kommentar/Pohlmann, BGB4, Bd. 6, § 1030 Rz. 71; Soergel/Stürner, BGB13, § 1030 Rz. 10). Bereits daran fehlt es vorliegend. Es kommt zum einen hinzu, dass derartige, auf aktuelle Pachtverhältnisse begrenzte Nießbrauchsbeschränkungen inhaltlich unzulässig wären, soweit es die dingliche Seite anbelangt, weil § 1030 Absatz 2 BGB eine solche Beschränkung auf einzelne, noch dazu zeitlich gebundene Fruchtziehungsgegenstände nicht zulässt (vgl. BayObLG 26.10.1979 Rpfleger 1980,17 f.). Zum anderen wird in derartigen Vertragsbestimmungen allgemein nur ein deklaratorischer Hinweis auf die nach dem Gesetz für bestehende Versicherungs-, Miet- und Pachtverhältnisse eintretenden Rechtsfolgen gesehen (§ 69 VVG, §§ 566, 593b BGB), ihnen jedoch kein darüber hinaus gehender rechtsgeschäftlicher Gehalt beigelegt, zumal es sich dann um eine dreiseitige Vereinbarung handeln würde, die nur mit Zustimmung des Mieters/Pächters wirksam hätte getroffen werden können (OLG Frankfurt/M. 6.5.2003  ZMR 2003, 570; OLG Celle 9.6.1999  NZM 2000, 93; Staudinger/Emmerich, BGB2006, § 566 Rz. 57 f.).

11

Ebenso wenig kann man § 2 des Übergabevertrages schließlich als prioritätsbessere Abtretung fälliger oder künftiger Pachtzinsansprüche an für die Zeit ab Übergabe des Hofes auslegen. Denn dazu hätte es schon eindeutiger, vorliegend aber gerade nicht anzutreffender Auslegungsanhaltspunkte in der Vertragsurkunde bedurft (vgl. Schmidt-Futterer/Gather, Mietrecht 9, § 566 BGB Rz. 64; ferner OLG Düsseldorf 29.10.1992  ZMR 1993,15). Im Gegenteil ist in § 6 des Übergabevertrages zum Nießbrauch u.a. sogar schuldrechtlich vereinbart, dass neben einer umfassenden Lastentragung zugleich berechtigt sein sollte, sämtliche Nutzungen aus dem Vertragsgegenstand zu ziehen. Das spricht unübersehbar dafür, dass die Forderungszuständigkeit für Pachtzinsansprüche bei angesiedelt werden/verbleiben sollte, so dass nach dieser Vertragsbestimmung die Annahme einer - im Verhältnis zwischen der Antragstellerin und dann möglicherweise anfechtbaren - Abtretung noch ferner liegt als sonst.

12

Nichts Abweichendes ergibt sich bei dieser Sachlage schließlich aus dem Schreiben des Klaus Küchemann vom 10.10.2006. Es hätte in entsprechender Anwendung von § 409 BGB allenfalls die dort beschriebenen Schuldnerschutzwirkungen hervorrufen können, wenn dem nicht die Wirkungen der inzwischen ausgebrachten und vom Antragsgegner zu beachtenden Vorpfändung entgegen gestanden hätten. Ebenso wenig kommt es auf die anschließend von ausgesprochene Kündigung des Pachtvertrages an, deren Berechtigung der Antragsgegner nicht ganz zu Unrecht in Abrede nimmt. Das gilt um so mehr, als eine Kündigung nach vorstehenden Überlegungen wohl sogar nur durch als Verpächter hätte ausgesprochen werden können.

13

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Gerichtsgebühren für die erfolgreiche Beschwerde nicht angefallen sind und außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Absatz 4 ZPO).