Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.10.1987, Az.: 1 U 69/86

Einschränkung des Rechts des Mitgliedes eines Vereins ohne Ermächtigung der Mitgliederversammlung durch die Satzung; Widerspruch des Betroffenen gegen den unwirksamen Vereinsbeschluss; Überprüfung eines Beschlusses im Hinblick auf die Satzung durch das Gericht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.10.1987
Aktenzeichen
1 U 69/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 18124
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1987:1005.1U69.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 14.08.1986 - AZ: 7 O 334/86

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 1987
unter Mitwirkung
des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. August 1986 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden geändert.

Es wird festgestellt, daß der auf der Jahreshauptversammlung der Tennisabteilung des Beklagten vom 7. März 1986 gefaßte Beschluß

"An den jährlich durchzuführenden Clubmeisterschaften sind alle Mitglieder teilnahmeberechtigt, die in der laufenden Saison (1.10. bis 30.9) nicht für einen anderen Tennisverein für den Punktspielbetrieb gemeldet sind oder waren"

nichtig ist.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500 DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische, unbedingte unbefristete und unwiderrufliche/Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Gründe

1

Die Berufung ist begründet. Der angegriffene Vereinsbeschluß ist unwirksam, weil die Mitgliederversammlung der Tennisabteilung ein in der Satzung des beklagten Vereins verankertes Mitgliedschaftsrecht des Klägers eingeschränkt hat, ohne hierzu durch die Satzung ermächtigt zu sein.

2

I.

Die ordentlichen Gerichte sind befugt, den Beschluß vom 7.3.1986 auf seine Vereinbarkeit mit der Satzung zu überprüfen.

3

1.

Nach § 5 Satz 2 der Vereinssatzung ist

"für Streitigkeiten, die aus der Mitgliedschaft zum Verein ... entstehen, der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen, soweit nicht von den satzungsgemäß hierfür zuständigen Stellen eine Sondergenehmigung erteilt wird."

4

Diese Bestimmung steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Eine "Streitigkeit aus der Mitgliedschaft zum Verein" liegt zwar vor. Die Satzungsvorschrift ist jedoch nicht zwingend, weil sie eine "Sondergenehmigung" zuläßt. Im Streitfall muß angenommen werden, daß der Beklagte auf die Einhaltung der Regel verzichtet hat, weil er sich im. Prozeß nicht auf sie berufen hat. Damit ist spätestens in diesem Verfahren eine "Sondergenehmigung" stillschweigend erteilt worden. Ob schon das Schreiben des Vorstands der Tennisabteilung des Beklagten vom 2.5.1986 eine derartige Genehmigung enthält und ob insbesondere der Abteilungsvorstand sie wirksam erteilen konnte, bedarf hiernach keiner Prüfung.

5

Im übrigen steht die gerichtliche Überprüfung von Beschlüssen, die die Rechte eines Mitglieds gegenüber dem Verein berühren, grundsätzlich nicht zur Disposition des Vereins. Es ist beispielsweise anerkannt, daß die Kontrolle von Vereinsstrafen durch die ordentlichen Gerichte nicht gänzlich im Wege einer Satzungsbestimmung ausgeschlossen werden darf (vgl. BGHZ 21, Seite 375; BGHZ 29, Seite 354; Staudinger-Coing, BGB, 12. Aufl., § 35 Rdn. 56 in.w.N.); welchen Umfang die Kontrolle annehmen darf, ist dabei eine andere Frage. Entsprechendes muß für Fälle der vorliegenden Art gelten. Mit seinem Beitritt zum Verein unterwirft sich das Mitglied zwar der Satzung. Es will damit jedoch regelmäßig nicht darauf verzichten, seine Rechtsbeziehungen zum Verein im Streitfall notfalls auch mit Hilfe der Gerichte klären zu lassen. Da der Vereinsvorstand rechtswidrige Beschlüsse, die ein Mitglied benachteiligen, in der Praxis häufig wird durchsetzen können, würde eine Satzungsbestimmung, die den Rechtsweg strikt ausschließt, ohne zugleich ein Schiedsverfahren vorzusehen, wegen Verstoßes gegen § 242 BGB nichtig sein (vgl. Sauter-Schweyer, Der eingetragene Verein, 13. Aufl., Rdn. 40 und 151).

6

2.

Der Kläger hat dem Beschluß vom 7.3.1986, alsbald widersprochen. Aus dem von ihm vorgelegten Schreiben des Vorstands der Tennisabteilung vom 2.5.1986 ist zu entnehmen, daß der Kläger sich zunächst mit Schreiben vom 13.3.1986 und sodann nochmals unter dem 25.4.1986 gegen den Beschluß gewandt hat. Unter diesen Umständen kann es dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger in zweiter Instanz noch gerügten Verstöße gegen die §§ 6 und 11 c) der Satzung ausschließlich Schutzbestimmungen zugunsten einzelner Mitglieder betreffen und ob auch derartige Verstöße stets zur Nichtigkeit fehlerhafter Vereinsbeschlüsse führen, oder ob solche Beschlußmängel als geheilt zu betrachten sind, wenn sie nicht - ähnlich wie Anfechtungsgründe im Aktien- und Genossenschaftsrecht (vgl. §§ 241 ff Aktiengesetz, 51 Genossenschaftsgesetz) - alsbald von dem betroffenen Mitglied geltend gemacht werden (vgl. BGHZ 59, Seite 369 ff mit Anmerkung Fleck LM Nr. 5 zu § 32 BGB; Sauter-Schweyer, a.a.O., Rdn. 212; Münch. Komm.-Reuter, BGB, 2. Aufl., § 32 Rdn. 33). Diese Voraussetzung ist hier jedenfalls erfüllt.

7

3.

In welchem Umfang der Inhalt des streitigen Beschlusses der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist hier nicht abschließend zu entscheiden. Nachprüfbar ist jedenfalls, ob die Beschränkung von Mitgliedschaftsrechten des Klägers durch einfachen Vereinsbeschluß vorgesehen werden konnte oder ob es dazu - etwa im Hinblick auf die satzungsgemäße Ausgestaltung dieser Rechte - einer Änderung der Satzung bedurfte.

8

II.

Der Beschluß der Mitgliederversammlung der Tennisabteilung steht mit § 11 c) der Satzung nicht in Einklang. Eine Grundlage, auf der die Mitgliederversammlung befugt ist, das in dieser Bestimmung festgelegte weitgehende Recht der Mitglieder zur Teilnahme an allen Vereinsveranstaltungen für einen bestimmten Kreis von Mitgliedern einzuschränken, ist in der Satzung nicht vorhanden.

9

1.

Die Clubmeisterschaften der Tennisabteilung sind eine Veranstaltung des Vereins. Für die in der mündlichen Verhandlung von dem beklagten Verein geäußerte Auffassung, § 11 c) beziehe sich nur auf Veranstaltungen des Gesamtvereins, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten in der Satzung, die in dieser Hinsicht keine Unterscheidung trifft. Da sich das Vereinsleben für das einzelne Mitglied ganz überwiegend innerhalb der Abteilung abspielt, in der er einen Sport betreibt, liegt, die Annahme nahe, daß die Satzung den Mitgliedern Teilnahmerechte nicht nur an den - mutmaßlich verhältnismäßig seltenen - spartenübergreifenden Veranstaltungen, sondern gerade an den Abteilungsveranstaltungen einräumen will.

10

2.

Dem beklagten Verein ist allerdings darin zuzustimmen, daß die Durchführung von sportlichen Wettbewerben in den verschiedenen Abteilungen bestimmte Regelungen erfordert, die das Recht der Mitglieder auf Teilnahme an den Wettkämpfen konkretisieren. Diese Regelungen werden - jedenfalls für Clubmeisterschaften im Tennis - üblicherweise in Gestalt von Ausschreibungen getroffen, durch die der Vorstand oder von ihm beauftragte Vereinsmitglieder die vorgesehenen Konkurrenzen sowie Einzelheiten der technischen Abwicklung (Spielzeiten, Nenngeld, Meldungen für mehrere Wettbewerbe usw.) bekannt geben. Der jeweiligen Abteilung des Beklagten steht es ferner frei zu entscheiden, ob eine Clubmeisterschaft überhaupt stattfinden soll, ob stattdessen oder außerdem andere Sportveranstaltungen wie beispielsweise Ehepaar- oder Anfängerturniere ausgetragen werden, und ob bestimmte Konkurrenzen oder Altersklassen bei den Vereinsmeisterschaften - etwa wegen ungenügender Beteiligung - ganz entfallen.

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Alle diese Gesichtspunkte rechtfertigen jedoch nicht den generellen Ausschluß des Klägers vom Clubturnier. Der beklagte Verein macht nicht geltend, daß eine Konkurrenz, an der der Kläger teilnehmen könnte, bei den Meisterschaften der Tennisabteilung nicht ausgeschrieben werde, oder daß der Kläger die für alle Bewerber in der jeweiligen Konkurrenz gleichermaßen geltenden Teilnahmebedingungen nicht erfülle. Vielmehr zielt der angegriffene Beschluß darauf ab, den Kläger und andere Spieler, die für einen anderen Verein Punktspiele bestreiten, unabhängig von der jeweiligen Ausschreibung auf Dauer von einer Vereinsveranstaltung fern zu halten, die im übrigen grundsätzlich jedem Mitglied offensteht. Es mag ein gerechtfertigtes Anliegen des beklagten Vereins sein, Turnierspielern einen Anreiz dafür zu bieten, sich für die Mannschaften der Tennisabteilung aufstellen zu lassen, und andererseits das Clubturnier nur Spielern zu öffnen, die auch den Mannschaften zur Verfügung stehen und die sich damit für die sportlichen Ziele des Vereins einsetzen. Auf dem von dem Beklagten eingeschlagenen Weg eines einfachen Vereinsbeschlusses ist dieses Ziel jedoch im Hinblick auf die genannte Satzungsbestimmung des § 11 c) nicht zu erreichen.

12

Den Mitgliedern des Vereins ist es nach der Satzung nicht verwehrt, Mitglied in einem anderen Verein zu sein und für diesen auch zu Punktspielen anzutreten. An sportlichen Veranstaltungen des Beklagten müssen seine Mitglieder nur mitwirken, soweit sie sich dazu zu Beginn der Saison verpflichtet haben (§ 12 d) der Satzung). Der Beklagte kann sich deshalb nicht etwa darauf berufen, die Turnierspieler seien kraft ihrer allgemeinen Pflicht, die Ziele des Vereins zu fördern (vgl. Reichert-Dannecker-Kühr, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rdn. 48 ff), gehalten, sich allein den Mannschaften des Beklagten anzuschließen. Dem würde im übrigen schon die Tatsache entgegenstehen, daß die Satzung des Beklagten kein Verbot der Doppelmitgliedschaft enthält; andere Vereine, denen sich ein Mitglied des Beklagten anschließt, könnten nämlich von ihm dieselbe Unterstützung verlangen, obwohl übergeordnetes Verbandsrecht es verbietet, daß ein Spieler in einer Saison für zwei Vereine nominiert wird.

13

Die von dem beklagten Verein getroffene Maßnahme läuft unter diesen Umständen darauf hinaus, die Spieler, die sich für fremde Mannschaften aufstellen lassen, wegen eines Verhaltens mit einer Sanktion zu belegen, das ihnen nach der Satzung des Beklagten und nach allgemeinen vereinsrechtlichen Grundsätzen erlaubt ist und mit dem sie auch keine Treue- und Förderungspflicht gegenüber ihrem Verein verletzen. Eine solche Sanktion, die das satzungsgemäße Recht zur Teilnahme an Vereinsveranstaltungen beschneidet, bedürfte einer Grundlage in der Satzung. Die in § 11 c) enthaltene allgemeine Befugnis, die Veranstaltung und Durchführung vereinsinterner Meisterschaften näher zu regeln, vermag eine solche Grundlage nicht zu ersetzen, weil - wie dargelegt - der Kläger unabhängig von jeder Regelung im Einzelfall von vornherein von der Veranstaltung ausgeschlossen sein soll.

14

3.

Satzungsändernden Charakter hat der Beschluß vom 7.3.1986 nicht gehabt. Die Satzung des (Gesamt-)Vereins konnte und sollte (vgl. das Einladungsschreiben zur Jahreshauptversammlung 1986 der Tennisabteilung) durch die Mitgliederversammlung der Abteilung nicht geändert werden. Eine Satzungsänderung wäre mangels Eintragung auch nicht in Kraft getreten (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 BGB).

15

4.

Nach alledem kann es offenbleiben, ob die Mitgliederversammlung die ihr durch § 6 der Satzung eingeräumte Kompetenz überschritten hat und ob der Ausschluß des Klägers vom Clubturnier im Jahre 1986 (auch) deshalb unwirksam war, weil er dem Kläger ein für 1986 bereits erworbenes Mitgliedschaftsrecht teilweise nahm, ohne daß der Kläger vor Ablauf dieses Jahres noch aus dem Verein austreten konnte (§ 9 a) der Satzung; vgl. BGH NJW 1971, Seite 879, 881).

16

III.

Da der Vereinsbeschluß vom 7.3.1986 unwirksam ist, mußte die vom Kläger begehrte diesbezügliche Feststellung unter Abänderung des angefochtenen Urteils getroffen werden. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 und 709 ZPO.