Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.06.2017, Az.: 11 U 7/17

Rechtmäßigkeit der territorialen Beschränkung des Haftpflichtversicherungsschutzes eines in Frankreich ansässigen Herstellers von Brustimplantaten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
01.06.2017
Aktenzeichen
11 U 7/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 34573
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Oldenburg - 29.03.2017 - AZ: 11 U 7/17
LG Osnabrück - 22.12.2016 - AZ: 3 O 1324/16

Fundstelle

  • VersR 2018, 605

Amtlicher Leitsatz

1. Zur Verpflichtung, Rechtsgutachten zur Feststellung ausländischen Rechts einzuholen.

2. Die territoriale Beschränkung des Versicherungsschutzes ist weder nach französischem Recht noch nach Unionsrecht zu beanstanden.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.12.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 95.400 Euro.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Haftpflichtversicherer der Hersteller- und Vertreiberfirma von Brustimplantaten P... I... P... [im Folgenden: PIP] Schmerzensgeld sowie Feststellung ihrer Einstandspflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden. Nach Darstellung der Klägerin kam es bei ihr 1993 und am 23.02.2006 jeweils zum Einsatz neuer Implantate der Firma R... M..., die das Silikon der PIP verwendeten.

Nach dem Untersuchungsbericht der französischen Aufsichtsbehörde, der Agentur für die Sicherheit von Gesundheitsprodukten, vom 01.02.2012 waren die Brustimplantate der PIP nicht mit dem im Rahmen der Marktzulassung spezifizierten und freigegebenen Material "NuSil", sondern mit einem eigenen Gel-Mix gefüllt.

Eine Haftpflichtversicherung der PIP kam zunächst auf Veranlassung des B... C... des T... (BCT) mit der A... g... de France [AGF] - der Rechtsvorgängerin der Beklagten - mit Wirkung vom 17.02.2005 zustande. Das BCT forderte die AGF und die PIP nach den Regelungen der medizinischen Haftpflichtversicherung gemäß der durch das Gesetz Nr. 2002-303 vom 04.02.2002 festgelegten Versicherungspflicht auf, einen Versicherungsvertrag für die Dauer von einem Jahr abzuschließen. Durch Nachträge vom 27.02.2006 und vom 02.03.2007 wurde der Versicherungszeitraum jeweils um ein Jahr verlängert.

Für den Zeitraum ab 17.02.2008 verpflichtete das BCT die Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen Versicherungsvertrag mit der PIP abzuschließen, worauf ein Versicherungsvertrag zustande kam. Der Vertrag wurde durch Nachträge vom 09.03.2009 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten und vom 08.03.2010 mit der Beklagten jeweils für ein Jahr verlängert.

Die Verpflichtung des BCT gab die Prämienhöhe abhängig vom Umsatz auf dem französischen Markt vor Steuern, die Mindestprämie, die Deckungssumme und die Höhe der Selbstbeteiligung pro Schadensfall vor. Der Bewertung lag unter anderem zugrunde, dass es keine Schadensfälle des Unternehmens in den letzten fünf Jahren gab.

Die besonderen Versicherungsbestimmungen enthalten u.a. jeweils eine Klausel, wonach nur Schadensfälle, die im französischen Mutterland und den überseeischen Gebieten auftreten, vom Versicherungsschutz umfasst sind.

In den Vertragsbedingungen heißt es:

"Par dérogation à l'article 4 des Dispositions Générales ACC 8586, la garantie s'applique exclusivement aux sinistres survenus en France métropolitaine et aux DOM-TOM."

Übersetzt: "Abweichend von Artikel 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ACC 8586 erstreckt sich der Versicherungsschutz ausschließlich auf Schadensereignisse, die in Frankreich ("europäischer Teil Frankreichs") sowie in den überseeischen Departements und Territorien eingetreten sind." (Bd. I, Bl. 132 d.A.).

Die Klägerin behauptet, ihr sei am 21.02.2012 in der Klinik mitgeteilt worden, von den bei ihr eingesetzten Implantaten der PIP gehe eine erhebliche Gefahr aus. Dieses Wissen habe bei ihr das Gefühl von erheblichem Stress verursacht, wodurch sie in ihrer gesamten Lebensführung umfassend beeinträchtigt worden sei. Am 03.05.2012 sei ein Austausch der Implantate vorgenommen worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gegen die Beklagte ein Direktanspruch nach französischem Recht (sog. "action directe") zu. Sie behauptet, sie habe bereits seit 2006 ständig an Schmerzen gelitten und in ständiger Sorge gelebt. Sie habe nur noch in Rechtslage schlafen können. Seit Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen der Produktion der PIP Implantate leide sie unter starkem seelischen Stress, depressiven Verstimmungen sowie Schlafmangel. Diese Umstände wirkten sich auf ihr berufliches und soziales Umfeld aus. Vor der Explantation habe sie mit Rücksicht auf die Gefahr einer Ruptur auf jegliche sportliche Betätigung verzichtet. Wegen der erforderlichen Explantation der "Gift-Implantate" habe sie sich den Risiken und Folgewirkungen eines Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit aussetzen müssen. Bei der Explantation sei eine Ruptur des rechten Implantats sowie von Fibromen festgestellt worden, welche entfernt worden seien. Das umliegende Gewebe ihrer rechten Brust sei weitgehend zerstört worden, weswegen es zweifelhaft gewesen sei, ob das neue Implantat überhaupt einheile. Die Diagnose "Kapselfibrose Mamma, beidseitig ruptiertes Implantat" sei festgestellt worden. Seit der Explantation weise ihre rechte Brust in Folge des entnommenen Gewebes eine "dauerhafte Delle" auf.

Nach der Explantation sei sie auf Schmerzmittel angewiesen gewesen und habe für zumindest sechs Wochen keinen Sport- und Freizeitaktivitäten nachgehen können. Sie habe weiterhin Sorge, durch die Implantate an Krebs erkrankt zu sein. Ihr berufliches und soziales Umfeld leide darunter. Sie könne sich auch bei ihrer Arbeit kaum konzentrieren. Das Schreiben mit einer Tastatur sei schmerzhaft. Ihre weitere berufliche Entwicklung sei infolge ihrer gesundheitlichen Probleme sowie des unabsehbaren Auftretens von Folgeerkrankungen ungewiss.

Die Klägerin hat zunächst die Beklagte gesamtschuldnerisch mit dem TÜV ... auf Schmerzensgeld und Feststellung in Anspruch genommen. Das Landgericht beschloss am 08.06.2016, die Ansprüche in getrennten Verfahren zu verhandeln. (Bl. 6 Bd. III).

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte gesamtschuldnerisch mit der TÜV ... zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 45.000,- Euro, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

2. festzustellen, dass die Beklagte gesamtschuldnerisch mit der TÜV ... verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren materiellen und - im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren - immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr anlässlich der Implantation von R... M...-Brustimplantaten mit Silikon aus dem Hause der Firma P... I... P... (PIP) entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Direktanspruch der Klägerin gegen sie sei nicht gegeben, da der Versicherungsschutz ausschließlich auf Schadensfälle innerhalb des französischen Territoriums beschränkt sei. Sie beruft sich auf vorgelegte Rechtsgutachten von Prof. Dr. J... K... sowie von Prof. Dr. C... A... .

Im Übrigen sei die beschränkte Deckungshöchstsumme von 3 Mio. € infolge der ihr gegenüber in Frankreich geltend gemachter Ansprüche von dort operierten Implantat-Trägerinnen bereits ausgeschöpft.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Direktanspruch nach Art. L 124-3 i.V.m. Art. 112-6 des Code des assurances zu. Nach den besonderen Bedingungen des Versicherungsvertrages umfasse der Versicherungsschutz nur solche Schadensfälle, die im französischen Mutterland und den gesonderten überseeischen Gebieten auftreten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die territoriale Haftungsbeschränkung auch nicht aufgrund des Vorliegens einer indirekten Diskriminierung gem. Art. 18 AEUV im Wege der europarechtskonformen Auslegung als unwirksam anzusehen.

Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie wendet sich vor allem dagegen, dass das Landgericht versäumt habe, ein weiteres Rechtsgutachten einzuholen. Auch seien die Ausführungen des Landgerichts hinsichtlich der Wirksamkeit der Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Frankreich rechtsfehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stelle die Haftungsbeschränkung eine nicht durch sachlichen Grund gerechtfertigte indirekte Diskriminierung i.S.d. Art. 18 AEUV dar. Überdies ergebe sich die Unwirksamkeit der Haftungsbeschränkung im Wege der europarechtskonformen Auslegung. Zudem liege auch ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 34 AEUV vor.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 22.12.2016 verkündeten und am 02.01.2017 zugestellten Urteils des Landgerichts Osnabrück unter AZ.: 3 O 1234/16,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und - im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren - immateriellen Schäden zu ersetzen, welche anlässlich der Implantation von Brustimplantaten aus dem Hause der Firma P...I... P... (PIP) entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die erstinstanzliche Entscheidung sowie die Berufungsbegründung Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 29. März 2017 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

1. In diesem Beschluss hat der Senat Folgendes ausgeführt:

"Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug. Die Angriffe der Berufungsbegründung geben keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung.

Das Landgericht war nicht verpflichtet, ein Rechtsgutachten zu der Frage einzuholen, ob vorliegend die territoriale Beschränkung in den Versicherungsbedingungen der Beklagten auf inländische Schadensfälle wirksam ist. Eine solche Verpflichtung kann grundsätzlich aus § 293 ZPO hergeleitet werden (vgl. BGH v. 14.1.2014 - II ZR 192/13, BeckRS 2012, 01018 OLG Düsseldorf v. 02.09.2009 - 18 U 71/05, BeckRS 2012, 01018). Da sich hier jedoch bereits durch eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle eine Rechtsprechung zur der streitgegenständlichen Frage gebildet hatte, war das Landgericht in Ansehung der dort eingeholten, im Ergebnis übereinstimmenden Rechtsgutachten nicht verpflichtet, ein ergänzendes Gutachten einzuholen. Das Gericht kann zur Feststellung ausländischen Rechts alle ihm zugänglichen Erkenntnisquellen nutzen. Aus den Gutachten ergibt sich, dass Schadensfälle, die in Deutschland entstanden sind, nicht von dem Versicherungsvertrag gedeckt sind, da die territoriale Begrenzung nicht gegen das anwendbare Recht verstößt (s. bspw. S. 58 des in dem vor dem Landgericht München I zum Aktenzeichen 9 O 11759/14 eingeholten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h. c. C... W... vom 04.09.2015 - Anlage B 34b).

Das Landgericht hat die Streitigkeit zu Recht nach französischem Recht beurteilt.

Deliktische Ansprüche unterliegen nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der Geschädigte kann auch die Anwendung des Rechts des Staates verlangen, in dem der Erfolg eingetreten ist. Der Verletzte kann nach Art. 40 Abs. 4 EGBGB seinen Anspruch unmittelbar gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen geltend machen, wenn das Recht der unerlaubten Handlung oder das auf den Versicherungsvertrag anzuwendende Recht dies vorsieht.

Art. 40 EGBGB ist (intertemporal) anwendbar. Die anders lautenden Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II") sind erst auf schadensbegründende Ereignisse anwendbar, die ab dem 11. Januar 2009 eingetreten sind, Art. 31 und 32 Rom II. Als schadensbegründendes Ereignis im Anwendungsbereich des Rechts der unerlaubten Handlungen wird darunter die zum Primärschaden führende Handlung des Haftenden verstanden, nicht der Deliktserfolg im Sinne einer Rechtsgutverletzung, so dass es auf den Eintritt von Folgeschäden, mittelbaren Schäden und Spätschäden nicht ankommt (Engel in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8 Auflage 2017, Art. 31 Rom II-VO m.w.N.). Das schadensbegründende Ereignis ist spätestens mit dem streitigen Einsatz von Implantaten mit Silikon der PIP - mithin im Jahr 2006 eingetreten.

Das - bis zur Geltung der Konvention Rom II - weitgehend von richterlicher Rechtsfortbildung geprägte französische Recht anerkennt die Möglichkeit der Rückverweisung. Auch nach dem französischen Internationalen Privatrecht, auf das Art. 40 Abs. 1 EGBGB verweist, ist das französische Recht anwendbar.

Nach französischem Recht ist auf deliktische Ansprüche das am Ort der unerlaubten Handlung geltende Recht (lex loci delicti commissi) anzuwenden. Zur Frage, ob hierbei auf den Ort der schädigenden Handlung oder den Ort des Schadenseintritts abzustellen ist, hat die französische Rechtsprechung ausgeführt, der Ort der unerlaubten Handlung umfasse sowohl den Ort der schädigenden Handlung als auch den Ort des Schadenseintritts. Wenn der Ort des Schadenseintritts zufällig sei, genüge es, auf den Ort der schädigenden Handlung abzustellen. Der Umstand, dass das in Frankreich mit nicht zugelassenem Silikon befüllte Implantat in Deutschland implantiert wurde, ist als eher zufällig anzusehen, so dass das französische nicht auf das deutsche Recht zurückverweist.

Die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom I") sind erst auf (Versicherungs-) Verträge anwendbar, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, Art. 28 Rom I. Es kann vorliegend dahinstehen, ob es bei den Vertragsverlängerungen jeweils zum Abschluss neuer eigenständiger Versicherungsverträge zwischen der PIP und der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) kam. Auch dann, wenn es sich um Verträge handeln sollte, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, ist französisches Recht anwendbar. Ergibt sich die Versicherungspflicht aus dem Recht eines Mitgliedstaates der EU, richtet sich der Vertrag bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Art. 46c EGBGB nach dem Recht des Staates, der diese Pflichtversicherung vorschreibt (vgl. Dörner in: Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2012, Art. 7 Rom I-VO, Rn. 49; Staudinger/Armbrüster (2016) Rom-I-VO Art. 7 Rom I-VO Rn. 28 m.w.N.). Andernfalls käme über Art. 7 Rom I-VO mangels Rechtswahl das französische Recht zur Anwendung.

Da der Ersatzpflichtige - die PIP - in Frankreich gehandelt hat, ist französisches Recht anwendbar. Da das französische Recht einen Direktanspruch ("action directe") gegen die Versicherung des Ersatzpflichtigen vorsieht, kann dieser Anspruch nach französischem Recht geltend gemacht werden (vgl. LG Karlsruhe v. 25.11. 2014 - 2 O 25/12, BeckRS 2015, 7880).

Der Klägerin steht jedoch kein Direktanspruch gem. Art. L 124-3 i.V.m. Art. 112-6 des Code des assurances (vgl. hierzu Seite 23, 56 des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h. c. C... W...) aus dem von PIP bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag zu. Die in den allgemeinen Vertragsbestimmungen geregelte Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Schadensfälle im französischen Mutterland und in den überseeischen Gebieten ist wirksam. Die Versicherungspflicht folgt und entspricht dem französischen Recht, wonach PIP verpflichtet war, eine medizinische Haftpflichtversicherung abzuschließen. Das französische Recht hat mit dem Gesetz 2002-303 vom 04.03.2002 eine Pflichtversicherung hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung der Hersteller von Medizinprodukten geschaffen. Der Kontrahierungszwang wird vom BCT administriert. Das BCT hat die Aufgabe, Deckungsschutz in der Pflichthaftpflichtversicherung herbeizuführen und zumindest teilweise die Bedingungen festzulegen (s. Seite 3ff des vom Landgericht Aschaffenburg zum Aktenzeichen 34 O 73/14 eingeholten rechtsvergleichenden Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. O...B..., LL.M. - Anlage B 34a im gesonderten Anlagenordner).

Die Versicherungsbeschränkung stellt weder nach französischem Recht noch nach Unionsrecht (Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]; Art. 21 Abs. 2 Grundrechte-Charta) eine unzulässige Diskriminierung dar (vgl. S. 20 des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. O...B... a.a.O.; Seite 45 des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h. c. C... W... a.a.O., S. 12 ff des Sachverständigengutachtens des Univ.-Prof. Dr. C... A... - Anlage B 75 im gesonderten Anlagenordner).

Es liegt keine unmittelbare Diskriminierung vor, da weder auf die Herkunft noch die ethnische Zugehörigkeit abgestellt wird. Es fehlt an einer unmittelbaren Diskriminierung, weil Ausländer bei Schadensfällen auf französischem Territorium Inländern gleichgestellt sind (vgl. OLG Karlsruhe v. 20.04.2016 - 7 U 241/14, juris Rn. 41). Es wird auch nicht auf die Herkunft oder die Volkszugehörigkeit, sondern auf den Ort des Schadenseintritts abgestellt (vgl. LG Karlsruhe a.a.O.).

Auch eine indirekte Diskriminierung liegt nicht vor. Eine solche wäre gegeben, wenn es für eine unterschiedliche Behandlung durch Medizinprodukte ausgelöster Schadensfälle in Frankreich und im Ausland keinen sachlichen Grund gäbe und die unterschiedliche Behandlung deshalb als Umgehung einer direkten Diskriminierung erschiene.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt jedoch ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung vor. Nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs ist eine indirekte Diskriminierung gerechtfertigt, wenn das Differenzierungskriterium auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird (EuGH v. 24. 11.1998 - C- 274/96 Slg. 1998, I-7637-7660, Rn. 27 - Bickel und Franz, juris; v. 23.03.2004 - C-138/02, Slg. 2004, I-2703-2757 Rn. 66 - Collins, juris).

Dies ist vorliegend der Fall.

Da der Pflichtversicherungsschutz für Medizinprodukte unionsrechtlich nicht harmonisiert ist und das europäische Sekundärrecht keine solche Pflichtversicherung kennt, durfte die Französische Republik zur Anhebung des Verbraucherschutzniveaus im Gesundheitswesen eine Pflichtversicherung für Medizinprodukte einführen, ohne diese auf in anderen Mitgliedsstaaten der Union ansässige Abnehmer aus Frankreich stammender Medizinprodukte ausdehnen zu müssen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 42 f.).

Würde die Pflichtversicherung hingegen auf alle Abnehmer von aus Frankreich stammenden Medizinprodukten erstreckt werden, geriete die Pflichtversicherung in Konflikt mit der Berufsausübungsfreiheit französischer Hersteller von Medizinprodukten und dem ebenfalls durch Art. 18 AEUV und Art. 34 AEUV geschützten Interesse an dem nicht-diskriminierenden Zirkulieren der Waren als Voraussetzung eines funktionierenden Binnenmarktes (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 43.).

Denn die französischen Hersteller von Medizinprodukten stehen beim Export in andere Länder in Konkurrenz zu den Herstellern aus anderen Ländern. Da mangels Harmonisierung der Pflichtversicherung für Medizinprodukte nicht in allen europäischen Ländern eine gesetzliche Regelung zur Pflichtversicherung besteht, würde die Ausdehnung der Versicherungspflicht für französische Medizinprodukte auf Schadensfälle im Ausland ein Handelshemmnis für französische Hersteller darstellen (vgl. LG Karlsruhe a.a.O.).

Das Bestehen einer möglichen Beeinträchtigung französischer Hersteller durfte die Französische Republik durch die Beschränkung der Pflichtversicherung auf Schadensfälle, die auf französischem Staatsgebiet eintreten, ausräumen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 43).

Überdies wird durch die Möglichkeit der territorialen Beschränkung der Pflichtversicherung die größtmögliche Übereinstimmung mit den Grundfreiheiten aller Beteiligten erreicht. Zum einen weil Unionsbürger, wenn sie in Frankreich einen Schaden erleiden, ebenfalls von der nationalen Pflichtversicherung profitieren. Zum anderen, weil französische Hersteller von Medizinprodukten beim Export in Länder, in denen keine gesetzliche Pflichtversicherung besteht, im Wettbewerb nicht unterliegen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 43 mit Verweis auf: EuGH v. 02.02.1989 - 186/87, Slg. 2010, I-2735, juris Rn. 17; LG Essen v. 09.02.2015 - 1 O 212/13, juris Rn. 61f.).

Zudem rechtfertigen die unterschiedlichen Lebensverhältnisse und medizinischen Standards eine unterschiedliche Bewertung des Risikos in Frankreich im Vergleich zum Ausland. Auch aus Rechtsgründen ist das Haftungsrisiko unterschiedlich zu bewerten. Die außerhalb Frankreichs geltenden Maßstäbe für eine Haftung (z.B. in den USA übliche Schmerzensgelder) sind für eine französische Versicherung schwer zu bewerten und zu kalkulieren (vgl. LG Karlsruhe a.a.O.; Landgericht Essen v. 01.02.2016, 1 O 79/15 S. 8f, Anlage B 49 Bl. 151 Bd. II; Landgericht Essen v. 01.02.2016 - 1 O 70/15, S. 7, Anlage B 48, Bl. 141 Bd. II; Landgericht Karlsruhe v. 30.09.2016 - 5 O 171/15, S. 13, nach Anlage B57 im gesonderten Anlageband).

Die Beschränkung des Versicherungsschutzes ist angesichts dessen nicht im Wege der europarechtskonformen Auslegung dahingehend auszulegen, dass auch Unionsbürger von dem Versicherungsschutz profitieren, bei denen der Schadensfall nicht in Frankreich eingetreten ist.

Die Argumentation der Berufung hinsichtlich der Entscheidung des EuGH im Cowan Urteil vom 02.02.1989 (EuGH v. 02.02.1989 - 186/87, Slg. 2010, I-2735, juris) überzeugt nicht. Die vom EuGH in diesem Fall präjudizierten Voraussetzungen sind vorliegend durch territoriale Beschränkung bereits eingehalten, da alle Unionsbürger gleichermaßen von der Pflichtversicherung profitieren können, wenn das Schadensereignis in Frankreich eingetreten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, kann der Geschädigte Unionsbürger ohne Einhaltung weiterer Bestimmungen von der Pflichtversicherung profitieren. Auch im Fall C...hatte der Kläger nur deswegen einen Anspruch auf staatliche Entschädigung wegen unerlaubter Handlung, weil diese während seines Aufenthaltes in Paris an ihm verübt wurde. Dieser Entschädigungsanspruch setzte voraus, dass der Geschädigte entweder französischer Staatsbürger oder Unionsbürger als Inhaber einer sog. "Fremdenkarte" war. Erst das Erfordernis dieser weiteren Voraussetzung - nämlich die der Inhaberschaft einer Fremdenkarte - begründete aber die Einbeziehung des Klägers C... in den Kreis der Berechtigten durch eine europarechtskonforme Auslegung (EuGH a.a.O. Rn. 20).

Da eine europäische Norm oder Richtlinie über eine Pflichtversicherung für Medizinprodukte nicht existiert, ergeben sich keine Bedenken gegen eine Beschränkung des Versicherungsschutzes einer auf nationalem Recht beruhenden Pflichtversicherung aus einer europarechtskonformen Auslegung. Auch ein Rückgriff auf die Gleichbehandlungsrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht führt, mangels Vorliegens einer unzulässigen Ungleichbehandlung (Diskriminierung), zu keiner anderen Bewertung (vgl. LG Karlsruhe v. 25.11.2014 - 2 O 25/12, BeckRS 2015, 07880; Landgericht Essen v. 01.02.2016, 1 O 79/15 S. 9f., Anlage B 49, Bl. 151 Bd. II; Landgericht Essen v. 01.02. 2016 - 1 O 70/15, S. 7, Anlage B 48, Bl. 141 Bd. II; Landgericht Karlsruhe v.30.09.2016 - 5 O 171/15, S. 14, nach Anlage B57 im gesonderten Anlagenband; Landgericht München I v. 10.10.2016 - 23 O 23538/15, S. 8, Anlage B57 im gesonderten Anlagenband).

Wegen der territorialen Beschränkung kann sich die Klägerin auch weder erfolgreich auf die unionsrechtliche Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) noch die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) berufen. Ein Erwerber wird durch die Beschränkung des Versicherungsschutzes nicht abgehalten. Territoriale Beschränkungen, die an den Eintrittsort des Schadensfalles anknüpfen, wahren die vom EuGH im C...-Fall präjudizierten Voraussetzungen und schaffen größtmögliche Übereinstimmung mit den Grundfreiheiten aller Beteiligten (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 43).

Der Senat sieht keinen Anlass zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.

Soweit die von der Klägerin aufgeworfene Frage letztlich darauf abzielt, dass das nationale französische Recht mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei, steht einer Vorlage bereits entgegen, dass das nationale Recht in keinem Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung nach Artikel 267 AEUV sein kann (vgl. Gaitanides in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage, Art. 267 Rn. 26). Selbst wenn die Frage eine Auslegung des einschlägigen Unionsrecht betreffen sollte, die es dem nationalen Gericht ermöglichen könnte, Folgerungen für die Anwendbarkeit des innerstaatlichen Rechts selbst zu ziehen (a.a.O. Rn. 27) gilt nichts anderes. Nach allgemeinem Verständnis geht es bei der Auslegung im Sinne des Artikels 267 AEUV um die Ermittlung des Inhalts und der Tragweite einer bestimmten Rechtsnorm oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes (a.a.O. Rn. 29). Aus dem Vorrang des Unionsrechts folgt zunächst, dass jedes Gericht die Auslegung des innerstaatlichen Rechts so weit wie möglich unionsrechtskonform auszurichten hat (vgl. Wißmann in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Auflage 2017, Vorbemerkung zum AEUV Rn. 35). Aber es gilt auch, dass dabei der erkennbare Wille des - nationalen - Gesetzgebers nicht verändert werden darf (a.a.O. Rn. 37), was die Klägerin jedoch letztlich erstrebt.

Da der Senat die territoriale Begrenzung von Versicherungen für Schadensfälle mit dem europäischem Gemeinschaftsrecht für vereinbar hält, ist eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Artikel 267 Abs. 2 AEUV nicht geboten. Die europarechtliche Beurteilung weist keine ernstlichen Zweifelsfragen auf. Diese ist auch - soweit ersichtlich - von den bisher mit vergleichbaren Fällen befassten Instanzgerichten nicht abweichend vorgenommen worden.

Der Senat ist auch nicht zur Anrufung des Gerichtshofs gem. Artikel 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet. Eine solche Verpflichtung besteht, wenn eine Frage über die Auslegung der Verträge oder über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt wird, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können (Artikel 267 Abs. 3 AEUV). Für die Frage, ob die Entscheidung selbst mit Rechtsmitteln angefochten werden kann, kommt es nicht auf eine abstrakte sondern auf eine konkrete Betrachtung an (vgl. Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, AEUV Art. 267 Rn. 42f). Bei einer abstrakten Betrachtungsweise könnten mit Art. 267 Abs. 3 AEUV nur diejenigen Gerichte gemeint sein, die unabhängig vom konkreten Rechtsstreit formell die letzte Instanz darstellen. Bei der konkreten Betrachtungsweise ist entscheidend, welches Gericht im konkreten Rechtsstreit die letzte Instanz bildet. Um die Wahrung der Einheitlichkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, erscheint es sinnvoll, dass in jedem Verfahren vor nationalen Gerichten zumindest ein vorlageverpflichtetes Gericht vorhanden ist (EUGH, C-99/00, Slg. 2002, I-4839 Rn. 14 f - Kenny Roland Lyckeskog). Ungeachtet dessen trifft den Senat keine Vorlagepflicht. Kann eine Entscheidung nämlich - wie vorliegend - mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden, ist ein Berufungsgericht kein zur Vorlage verpflichtetes letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfG v. 25.06.2015 - 1 BvR 439/14, BeckRS 2015, 49764).

Vor diesem Hintergrund bleibt der Berufung der Erfolg versagt.

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Auch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Insbesondere bedarf es nicht der Zulassung der Revision, um dem Bundesgerichtshof die ohnedies über die Nichtzulassungsbeschwerde gegebene Vorlagemöglichkeit zu eröffnen."

2. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2017 hat die Klägerin zu diesem Hinweisbeschluss Stellung genommen und insbesondere ausgeführt, eine mündliche Verhandlung sei wegen der existentiellen Bedeutung erforderlich. Die Berufung sei auch nicht offensichtlich aussichtslos. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachten zur französischen Rechtslage ergebe, dass die beschränkende territoriale Begrenzung des Versicherungsschutzes unwirksam sei, wenn es sich um keine primäre Risikobeschreibung (définition du risque) sondern um einen Risikoausschluss (exclusion) handeln würde. Die territoriale Begrenzung führe zu einer mittelbaren Diskriminierung und sei daher mit höherrangigem Recht unvereinbar. Die französische Versicherungspflicht für Medizinprodukte sei mit der EU-Produkthaftungsrichtlinie eng verknüpft und falle bereits deswegen unter den Anwendungsbereich des EU-Rechts. Aus den vom EuGH entschiedene Fällen C..., B...und K... folge, dass die Territorialitätsklausel unwirksam sei und daher als Nicht-Bestandteil des Versicherungsvertrages anzusehen sei.

3. Auch nach erneuter Prüfung und Beratung hält der Senat an seinen Ausführungen fest.

Wie der Senat bereits in dem Hinweisbeschluss ausgeführt hat, hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.

Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, da sich die beabsichtigte Entscheidung einzig auf die Prüfung von Rechtsfragen bezieht, die der Senat nicht abweichend von der landgerichtlichen Entscheidung bewertet.

Richtig ist, dass sich der Rechtsausschuss im Gesetzgebungsverfahren zur Reform des § 522 ZPO dafür ausgesprochen hat, dass auch ohne Ansehung der Erfolgsaussichten und der grundsätzlichen Bedeutung der Sache stets mündlich verhandelt werden sollte, wenn die Rechtsverfolgung für den Berufungsführer existenzielle Bedeutung habe, wie dieses etwa in Arzthaftungssachen der Fall sein könne (BT Drs. 17/6406 S. 9). Der Bundesrat sprach sich gegen die damals diskutierte Fassung aus und sprach sich gegen die konturlose Aufnahme des Merkmals der Angemessenheit einer mündlichen Verhandlung aus, welches insbesondere in Fällen der "existentiellen Bedeutung" greifen sollte, da ansonsten das Berufungsgericht auch bei unbegründeten Berufungen in der Regel eine mündliche Verhandlung durchführen müsse (BT Drs. 1775334, S. 11). Von der damals diskutierten Fassung des § 522 Abs. 1 Nr. 4 ZPO unter Aufnahme des Tatbestandsmerkmals "Angemessenheit" wurde Abstand genommen. Bereits diese im Gesetzgebungsverfahren geführte Diskussion zeigt, dass es bei der Beantwortung der Frage, ob eine mündliche Verhandlung geboten ist, nicht darauf abzustellen ist, ob die Rechtsverfolgung für den Berufungsführer aus seiner subjektiven Sicht eine existentielle Bedeutung hat, da es sich bei diesem Kriterium um ein nichtssagendes und daher für die Abgrenzung ungeeignetes Kriterium handelt (Lemke in Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Auflage, § 522 Rn.34). Berufungsangelegenheiten sind für Berufungsführer subjektiv häufig existentiell bedeutsam. Würde man der Argumentation der Klägerin folgen, hätte es allein der Berufungsführer aufgrund seiner Sichtweise in der Hand, ob eine mündliche Verhandlung stattfinden soll oder nicht.

Maßgeblich ist also die Sichtweise des Berufungsgerichts (Lemke a.a.O.), wonach eine mündliche Verhandlung jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn das Berufungsgericht - wie vorliegend - ausschließlich über Rechtsfragen zu entscheiden hat (Lemke a.a.O.).

Selbst wenn man der Argumentation der Klägerin folgen würde, die sich wiederholend darauf beruft, eine mündliche Verhandlung sei geboten, weil der Rechtsstreit für sie existenzielle Bedeutung habe, fehlt es hierfür weiterhin an einer hinreichenden Darlegung. Die Klägerin hat nämlich keine konkreten Umstände aufgezeigt, die die Annahme rechtfertigen könnten, ihre Existenz hinge vom Ausgang dieses Rechtsstreits ab. Sorgen und Ängste um eventuell später eintretende Folgen sind hierfür jedenfalls nicht ausreichend.

Der Klägerin ist darin zu folgen, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, ein Sachverständigengutachten zur Anwendung und Auslegung von fremdem Recht einzuholen. In § 293 Satz 1 ZPO ist geregelt, dass das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten des Beweises nur insofern bedürfen, als sie dem Gericht unbekannt sind. Das Gericht ist nach § 293 Satz 2 ZPO nicht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise beschränkt. Es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen. § 293 Satz 2 ZPO eröffnet mithin die Möglichkeit des formlosen Verfahrens. In diesem Rahmen können - wie vorliegend - bspw. Gutachten aus anderen Verfahren beigezogen werden (vgl. Laumen a.a.O. § 293 Rn. 8). Der Senat hat bereits in dem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass das Landgericht nicht verpflichtet war, ein Rechtsgutachten zu der Frage einzuholen, ob vorliegend die territoriale Beschränkung in den Versicherungsbedingungen der Beklagten wirksam ist (s.o.). Diese Bewertung gilt auch hinsichtlich der Prüfung, ob es sich bei der Klausel zur territorialen Begrenzung des Versicherungsschutzes um eine primäre Risikobeschreibung (définition du risque) oder um einen Risikoausschluss (exclusion) handelt. Der Klägerin ist darin zu folgen, dass die Gutachter Prof. Dr. A... und Prof. Dr. B... die Prüfung dieser Frage in den vorliegenden Gutachten aufgeworfen haben. Soweit die Klägerin zu ihren Gunsten zu dem Ergebnis kommt, es handele sich um einen unwirksamen Risikoausschluss, stehen dem die gut nachvollziehbaren in sich schlüssigen Ergebnisse der Gutachten entgegen. Der Gutachter Prof. Dr. A...hat in dem vorliegenden Sachverständigengutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei der von der Klägerin beanstandeten Klausel um einen Bestandteil der définition du risque handelt, so dass nicht die qualifizierten Wirksamkeitsvoraussetzungen eingreifen, die einer Wirksamkeit der Klausel entgegenstehen könnten. Der Gutachter führt aus, dass die Klausel klar und unzweideutig formuliert ist, so dass sich keinerlei Anhaltspunkte für die Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel ergeben (siehe Seite 10 des Rechtsgutachtens - Ordner Anlage B 24, ebenso Gutachter Prof. Dr. O...B...zum Verfahren Landgericht Aschaffenburg 34 O 73/14, Ziffer f - Ordner Anlage B 34a). Vor dem Hintergrund der einheitlichen Bewertung der Gutachter und der hierzu ergangenen Rechtsprechung bedarf es keiner Einholung weiterer Rechtsgutachten.

Richtig ist, dass die EU-weite Versicherungspflicht für eine Haftpflichtversicherung für Medizinprodukte diskutiert, aber bislang abgelehnt wurde, da die Versicherungen eine unlimitierte und uneingeschränkte Versicherung eines derartigen Risikos weder beschreiben noch kalkulieren könnten (s. bspw. zum Streitstand die Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages: Zur Frage der Notwendigkeit eines verschärften Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte, WD 9 - 3000/025-13, Ziffer 2.1.2.4., Seite 9f https://www.bundestag.de/blob/408318/a680b3b99889d7a3b7b7557fe495da97/wd-9-025-13-pdf-data.pdf; vgl. hierzu auch das Argumentationspapier der gesetzlichen Krankenversicherungen vom 19.07.2013, welches sich für eine Haftpflichtversicherung für Medizinprodukte ausgesprochen hat).

Die territoriale Begrenzung der Versicherungspflicht ist nicht unwirksam.

Auch aus den von der Klägerin aufgeführten Entscheidungen des EuGH folgt nicht, dass die Territorialitätsklausel unwirksam und daher als Nicht-Bestandteil des Versicherungsvertrages anzusehen ist. Wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss ausgeführt hat, folgt aus der territorialen Haftungsbeschränkung infolge des durch den französischen Staat angeordneten Zwangs zur Haftpflichtversicherung für Medizinprodukte-Hersteller weder eine unmittelbare noch eine unzulässige mittelbare Diskriminierung der Klägerin. Die Regelung unterscheidet nämlich gerade nicht zwischen Herkunft, Staatsangehörigkeit sowie Zugang, sondern beschränkt sich in ihrer Anwendung - zulässig - lediglich auf ein Territorium.

Entgegen der Ausführungen der Klägerin würde ihr auch unter Annahme eines Verstoßes der französischen Maßnahmen zur Schaffung einer Versicherungspflicht für Medizinprodukte kein Anspruch gegen die Beklagte zustehen. Zwar können die europäischen Grundrechte eine mittelbare Drittwirkung entfalten, wobei es hierbei regelmäßig um Fälle geht, in denen die Unvereinbarkeit einer mitgliedstaatlichen Regelung, mit der EU-Recht durchgeführt wird, mit einem EU-Grundrecht in Rede steht. Vorliegend geht es bei den französischen Maßnahmen aber gerade nicht um die Durchführung von EU-Recht, weswegen sich die Klägerin auch nicht gegenüber der Beklagten auf eine horizontale Drittwirkung des in der EU-Charta enthaltenen Gleichheitssatzes berufen kann (s. Seite 36 des Gutachtens des Prof. Dr. C... A...; vgl. T...: Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, NJW 2001, 1010).

Auch aus Artikel 18 AEUV kann die Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagte herleiten, da diese Bestimmung für Privatpersonen bereits keine direkte horizontale Wirkung begründet (vgl. Rn. 18 des Gutachtens der Prof. P... und K...; vgl. S..., Jung: Horizontale Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit? NVwZ 2013, 607).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.