Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 12.06.2017, Az.: 9 W 15/17

Ansetzen einer einfachen Gerichtsgebühr bei Beendigung des Rechtstreits der Parteien durch Vergleich

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
12.06.2017
Aktenzeichen
9 W 15/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 23813
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 12.05.2017 - AZ: 4 O 1640/16
LG Osnabrück - 20.03.2017

Fundstelle

  • JurBüro 2017, 468-469

In der Beschwerdesache
Kläger und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
gegen
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
Beteiligte:
Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Osnabrück, Neumarkt 2, 49074 Osnabrück,
Geschäftszeichen: 5600 E III (30/17 B)
Beschwerdeführerin,
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts ...... und die Richter am Oberlandesgericht .... und .......
am 12. Juni 2017
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 12.05.2017 wird berichtigt und wie folgt gefasst:

    Auf die Erinnerung des Klägers vom 05.04.2017 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Osnabrück vom 20.03.2017 dahingehend geändert, dass dem Kläger zu Lasten der Landeskasse 330,- € zu erstatten sind und die dem Kläger vom Beklagten zu erstattenden Kosten auf 82,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15.02.2017 festgesetzt werden.

  2. 2.

    Die Beschwerde der Landeskasse vom 22.05.2017 gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 12.05.2017 in der Form des obigen Änderungsbeschlusses wird zurückgewiesen.

  3. 3

    Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Parteien haben in der Hauptsache um Ansprüche aus dem Verkauf einer Immobilie gestritten. Mit Verfügung vom 12.08.2016 hatte der Einzelrichter der Beklagten eine Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft von 2 Wochen sowie eine Frist zur Erwiderung auf die Klage von weiteren 3 Wochen gesetzt. Nachdem eine Verteidigungsanzeige zunächst nicht eingegangen war, verfasste er am 05.09.2016 ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte. Dieses gelangte am 06.09.2016 um 8:37 Uhr zur Geschäftsstelle. Bereits um 8:10 Uhr am selben Tag war die Verteidigungsanzeige der Beklagten der Geschäftsstelle zugegangen. Von der Zustellung des Versäumnisurteils sah das Gericht daraufhin ab. Am 10.02.2017 beendeten die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich, wonach die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben werden sollten. Unter dem 20.03.2017 erließ der Rechtspfleger einen Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem er die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 247,50 € zuzüglich Zinsen festsetzte. Dabei ging er davon aus, dass für das Verfahren drei Gerichtsgebühren in Höhe von insgesamt 495,- € angefallen seien, die vom Kläger verauslagt, jedoch von den Parteien je zur Hälfte zu tragen seien.

Gegen diesen Beschluss wandte sich der Kläger mit seiner Erinnerung vom 05.04.2017. Zur Begründung führte er aus, die Verfahrenskosten hätten sich aufgrund des Vergleichs auf eine Gerichtsgebühr in Höhe von 165,- € ermäßigt. Ihm seien deshalb 330,- € zu erstatten. Darüber hinaus habe die Beklagte ihm 82,50 € zu erstatten.

Zu dieser Erinnerung nahm die Bezirksrevisorin beim Landgericht Osnabrück Stellung. Sie beantragte, die Erinnerung zurück zu weisen. Zur Begründung führte sie aus, eine Ermäßigung der Gerichtsgebühren komme nur in Betracht, soweit vor der Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich kein Urteil ergangen sei. Tatsächlich sei jedoch nach einer Schlüssigkeitsprüfung das Versäumnisurteil durch das Landgericht erlassen worden. Mithin seien die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung gemäß Nr. 1211 der Anlage I zum GKG nicht erfüllt.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 12.05.2017 ordnete der Einzelrichter der 4. Zivilkammer an, dass dem Kläger 330,- € zu erstatten seien. Zur Begründung führte er aus, das Versäumnisurteil sei nicht wirksam geworden, da eine Verteidigungsanzeige der Beklagten vorgelegen habe, bevor das Urteil zur Geschäftsstelle gelangt sei. Ein unwirksames Urteil könne auch auf die Kosten keine Auswirkungen haben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Landeskasse vom 22.05.2017.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 12.5.2017 bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Für das gerichtliche Verfahren war eine einfache Gerichtsgebühr gemäß Nr. 1211 Nr. 3 der Anlage 1 zum GKG anzusetzen. Nach dieser Regelung ermäßigen sich die Gerichtskosten auf eine Gebühr, wenn die Parteien den Rechtstreit durch Vergleich beenden. Das ist geschehen. Die Rückausnahme, wonach eine Reduzierung der Gerichtsgebühren unterbleibt, wenn vor dem Vergleich ein Urteil ergangen ist, das eine Reduzierung der Gerichtsgebühren nicht zulässt, namentlich also ein Versäumnisurteil, greift dagegen nicht.

Gemäß § 331 Abs. 3 ZPO trifft das Gericht auf Antrag des Klägers die Entscheidung in der Hauptsache ohne mündliche Verhandlung, wenn der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO seine Verteidigungsbereitschaft nicht rechtzeitig angezeigt hat. Das gilt allerdings nicht, wenn die Verteidigungsanzeige noch bei der Geschäftsstelle eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil dort vorliegt, § 331 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass eine Entscheidung des Rechtsstreits durch Versäumnisurteil nicht bereits mit Unterschriftsleistung der Richter unter dem Urteilsentwurf getroffen ist. Die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, dass selbst dann, wenn ein von allen beteiligten Richtern unterzeichnetes Versäumnisurteil zur Geschäftsstelle gelangt, nicht stets eine Entscheidung in der Sache getroffen ist. Damit korrespondiert die Regelung mit der Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO, wonach bei einem im schriftlichen Verfahren erlassenen Versäumnisurteil die Zustellung des Urteils die ansonsten erforderliche Verkündung der Entscheidung ersetzt. Bis zur Verkündung oder ersatzweisen Zustellung ist das Urteil rechtlich nicht existent (vergleiche Zöller, Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 310, Rn. 1). Erst die Kundgabe gegenüber den Parteien stellt den Erlass des Urteils dar. Insoweit ist zwischen der inhaltlichen Festlegung der Entscheidung, dem Fällen des Urteils, und deren Erlass im Rechtssinne zu differenzieren (a.a.O.). Wie vom Landgericht in der angegriffenen Entscheidung vom 12.05.2017 zutreffend ausgeführt, kann das nicht wirksam gewordene Versäumnisurteil daher auch kostenrechtlich keine Konsequenzen haben.

Dass das Gericht bereits Arbeit geleistet hat, indem es die Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens geprüft hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Das Versäumnisurteil ist bis zu seiner Zustellung nicht existent. Gemäß der Regelung des § 331 Abs. 3 Satz 1 ZPO darf es auch nicht mehr zugestellt werden, sofern eine Verteidigungsanzeige vorher der Geschäftsstelle zugeht. Will das Gericht diese Konsequenzen vermeiden, so bleibt es ihm unbenommen, die gefällte Entscheidung umgehend der Geschäftsstelle zuzuleiten. Mit dem Landgericht ist auch der Senat daher der Auffassung, dass sich die Gerichtskosten auf eine Gerichtsgebühr ermäßigen, weshalb dem Kläger zwei Gerichtsgebühren in Höhe von insgesamt 330,- € aus der Staatskasse zu erstatten sind. Insoweit ist der angegriffene Beschluss in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO klarstellend dahingehend ergänzt worden, dass die Erstattung zu Lasten der Landeskasse zu erfolgen hat. Ebenfalls in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO ist der Ausspruch dahingehend ergänzt worden, dass sich zwingend der von der Beklagten dem Kläger zu erstattende Betrag auf die Hälfte einer Gerichtsgebühr, mithin den Betrag von 82,50 € ermäßigt.

Die Nebenentscheidungen im Beschwerdeverfahren beruhen auf § 66 Abs. 8 GKG.