Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 06.12.2018, Az.: 7 A 1229/18
Asyl; Generalerklärung des Bundesamtes; Homosexualität; Marokko
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 06.12.2018
- Aktenzeichen
- 7 A 1229/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74275
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Steht die Homosexualität eines Marokkaners noch zur Disposition, kommt die grundsätzlich denkbare Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht in Betracht.
Dies gilt erst Recht bei unglaubhaftem Vorbringen.
Die Unglaubhaftigkeit der homosexuellen Orientierung manifestiert sich in der strafrechtlichen Verurteilung wegen sexueller Belästigung einer jungen Frau.
Bestätigung des Gerichtsbescheids vom 13. Februar 2018 - 7 A 119/18 -, juris.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2018 – 7 A 119/18, juris – hat das Gericht die Asylklage des Klägers abgewiesen. Den dagegen gerichteten Antrag auf mündliche Verhandlung (Schriftsatz vom 2. März 2018, Blatt 78 der Gerichtsakte des Verfahrens 7 A 119/18, unterzeichnet von einer angestellten Kraft des bevollmächtigten Einzelanwalts) hat das Gericht für unwirksam und den Gerichtsbescheid für rechtskräftig gehalten. Auf entsprechenden Schriftsatz (nunmehr mit Unterschrift des bevollmächtigten Einzelanwalts des Klägers) vom 8. März 2018 hat das Gericht das vorliegende Verfahren auf Fortführung des Verfahrens 7 A 119/18 mit Blatt 1 der Gerichtsakte eröffnet.
Der Kläger bringt in materieller Hinsicht zu seinen geltend gemachten verschiedenen (Asyl-)Ansprüchen vor, dass er sich unter den liberalen Lebensverhältnissen in Deutschland nicht mehr wegen seiner homosexuellen Orientierung schäme, sondern sich inzwischen offen dazu bekenne. Seit seiner Anhörung im Asylverfahren seien mehr als zwei Jahre verstrichen, in denen er gelernt habe, dass er seine Homosexualität nicht verbergen müsse und jedenfalls von staatlicher Seite keine Diskriminierungen zu befürchten habe. Seine gleichgeschlechtlichen Empfindungen bildeten inzwischen wesentlichen Anteil an seiner Identität und seinem Selbstwertgefühl. Es dürfte ihm daher kaum mehr in zumutbarer Weise möglich sein, im Falle einer Rückkehr nach Marokko seine Sexualität zu verleugnen und wieder den dortigen Verhältnissen unterzuordnen (Schriftsatz vom 29. Juni 2018).
Soweit er zwischenzeitlich wegen sexueller Belästigung verurteilt worden sei, werde die Beiziehung der entsprechenden Strafakte zeigen, dass er das Strafverfahren ohne Verteidiger in passiver Weise über sich habe ergehen lassen und dass in dem Verfahren keine gesicherten Erkenntnisse darüber erhoben worden seien, ob er sich ernsthaft in Widerspruch zu seiner homosexuellen Orientierung verhalten habe - insbesondere werde seine gleichgeschlechtliche Orientierung durch eine Annäherung geringsten Ausmaßes gegenüber einem Mädchen nicht im Mindesten in Frage gestellt. Das strafrechtlich geahndete Verhalten des Klägers habe überhaupt keine sexuelle Komponente enthalten, sondern sei nur so interpretiert worden, wogegen der Kläger sich mangels ausreichender Mittel für die Kosten eines Verteidigers und in Abschätzung der nur geringen Straferwartung nicht aktiv zur Wehr gesetzt habe. Andere einschlägige Verfahren oder gar Verurteilungen gäbe es zudem nicht, und weitere Strafverfahren, die gegen den Kläger geführt worden seien, wären nicht relevant (Schriftsatz vom 4. Dezember 2018).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Verfahren 7 A 119/18 fortzuführen
und sodann wörtlich laut Klageschrift vom 11. Mai 2016 im fortzuführenden Verfahren:
„1. den Bundesamtsbescheid vom 22.04.2016, zugestellt am 27.04.2016, aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft,
hilfsweise,
3. den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
hilfsweise,
4. festzustellen, dass Abschiebungsverbote bestehen.“
Die Beklagte tritt dem entgegen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens insbesondere des Klägers verweist das Gericht auf den Inhalt der Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 25. April 2018 durch den Einzelrichter und im mit Schriftsatz der Klägerseite vom 4. Dezember 2018 ausdrücklich erklärten sowie angesichts der seitens der Beklagten abgegebenen Generalerklärung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, vom 27. Juni 2017 - Geschäftszeichen: … - auch insoweit vorliegenden Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren.
Die Klage bleibt aus den Gründen des Gerichtsbescheides des erkennenden Gerichtes vom 13. Februar 2018 (7 A 119/18, juris) ohne Erfolg.
Sie ist unbegründet. Dabei lässt das Gericht ausdrücklich offen, ob das Verfahren 7 A 119/18 überhaupt fortzuführen wäre, auch wenn allerdings Überwiegendes dagegen spricht, soweit in der Kanzlei des bevollmächtigten Rechtsanwaltes mehrere Angestellte beschäftigt sind, die Schriftsätze unterzeichnen, ohne nach außen zugleich Untervollmacht vorzulegen. Danach war hier der Antrag auf mündliche Verhandlung wahrscheinlich nicht wirksam gestellt. Dies soll hier aber aus den maßgeblichen materiellen Gründen (dazu sogleich) dahinstehen.
Zur Begründung des Urteils bezieht sich das Gericht auf seinen angeführten Gerichtsbescheid, gegen den das weitere Vorbringen des Klägers nicht durchzudringen vermag. Gemäß § 84 Abs. 4 VwGO kann das Gericht in einem solchen Fall in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Hier liegt ein solcher Fall vor.
Die Bekundung des Klägers, doch – insoweit entgegen den Gründen des angegriffenen Gerichtsbescheides – schwul zu sein und dies auch auszuleben, wie der Kläger dies in seinem Schriftsatz vom 29. Juni 2018 (Blatt 25 Gerichtsakte) dartun will, kann nicht durchgreifen, sondern stellt bloß eine schlichte Behauptung ohne jegliche weitergehende Substantiierung und ohne dass sie selber glaubhaft wäre, dar.
Auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags verbleibt es bei dem vorbezeichneten Gerichtsbescheid, insbesondere soweit es dort in den Gründen (Seite 14 bis Seite 15 des Abdrucks) heißt:
„Die Flüchtlingseigenschaft ist hier im Einzelfall deshalb nicht zuzuerkennen, weil sich die Darstellung der Homosexualität durch den Kläger nur auf ein einziges Erleben homosexuellen Kontaktes beschränkt und im Übrigen auch unglaubhaft ist.
Das Geschilderte bewegt sich noch nicht im Bereich einer sexuellen Orientierung, sondern stellt insoweit nur selber eine erste Orientierung dar. Es handelt sich um ein Ausprobieren, eine Experimentierphase, das Erforschen der eigenen Möglichkeiten und Wünsche, nicht um eine gefestigte Präferenz. Derzeit ist und damals war beim Kläger alles disponibel. Schon der Umstand, seit Ausreise keinerlei Kontakt zum angeblichen Freund gehabt zu haben, zeigt deutlich auf, dass von einer Verfestigung hier nicht die Rede sein kann, die aber erforderlich ist. Mehr kann der Kläger auch nicht dartun. Mangels öffentlicher Wahrnehmung in Marokko gibt es auch keine eventuell relevante Zuschreibung des Merkmals der Homosexualität. Daher kann der Kläger unbehelligt in Marokko leben. Dies reicht aber zur Anwendung der aufgezeigten Grundsätze weder für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch für die ansonsten geltend gemachten Ansprüche aus. Das Gericht hält die vorgegebenen Gründe hinsichtlich der sexuellen Orientierung des Klägers mithin nicht für ausreichend und für zu unsubstantiiert, um die geltend gemachten Ansprüche begründen zu können.
Dies gilt erst Recht, weil die dargetanen Gründe insgesamt nicht glaubhaft sind. Der Vortrag des Klägers bleibt vage, detailarm und oberflächlich. Streckenweise wirkt er aufgesetzt. Nur auf Nachfrage(n) wird der Kläger etwas konkreter, verwickelt sich aber zugleich in weitere Unglaubhaftigkeiten, z. B. mit seiner Antwort zu der Frage, warum die Türe nicht abgeschlossen gewesen sei, wenn er Besuch vom angeblichen Freund gehabt haben will. Dementsprechend unglaubhaft ist die Schilderung der angeblichen Betroffenheit durch den Vater, die das Gericht dem Kläger nicht abnimmt. Unterstützt wird die Unglaubhaftigkeit durch die (im Übrigen stereotypen) Legenden über das Verlieren von Papieren und den Aufenthalt in Italien. Das Gericht glaubt dem Kläger nur, dass er nach Deutschland gekommen ist, um zu arbeiten, was allerdings hier rechtlich keine Rolle spielt.
Schließlich hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren keine Gründe vorgetragen und ist die Frist nach § 74 Abs. 2 AsylG fruchtlos verstrichen, obwohl insoweit hinreichend Nachfrist gesetzt worden war und zudem der Kläger Akteneinsicht genommen hat. Daher bezieht sich das Gericht zur weiteren Begründung des vorliegenden Gerichtsbescheides auf die im Übrigen allerdings zutreffenden Gründe des Bescheides, § 77 Abs. 2 AsylG.“
Damit hat es sein Bewenden, auch soweit der Kläger sich noch gegen die Verwertung und Bewertung seiner Übergriffigkeiten gegenüber einem Mädchen / einer Heranwachsenden wenden will (Schriftsatz vom 4. Dezember 2018). Insoweit brauchte das Gericht nicht etwa die Strafverfahrensakte zu dieser Verurteilung des Klägers wegen sexueller Belästigung eines weiblichen (sic) Opfers beizuziehen, zum einen, weil die beigezogene Ausländerstrafakte des Landkreises … (Beiakte 4) insoweit schon aussagekräftig genug ist, und zum anderen, weil das insoweit von Klägerseite Vorgebrachte lediglich eine nachträgliche Schönfärberei der Straftat des Klägers darstellt, der nämlich mit am 19. Mai 2018 rechtskräftig gewordenem Strafbefehl des Amtsgerichtes … (Cs …) verurteilt wurde, weil er eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und belästigt hat, indem er im Frühjahr 2017 die (namentlich benannte) Zeugin, die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war, mehrfach in ihrer Wohnung besuchte, bei mindestens einem dieser Besuche ihr mit der Hand über den Rücken bis zum Po strich, sie am Hals und an der Schläfe küsste, wobei er bereits im Vorfeld immer wieder sexuelle Andeutungen gemacht hatte und wodurch sich diese Zeugin belästigt fühlte, § 184i StGB. Dies dokumentiert zusätzlich und darin manifestiert sich die zuvor schon feststehende Unglaubhaftigkeit der Behauptung des Klägers von seiner homosexuellen Orientierung. Das Gericht kann ihm keinen Glauben schenken. Auf die begehrte Beiziehung der Strafakte kommt es bei Allem nicht an.
Mithin verbleibt es bei den Gründen des o.a. Gerichtsbescheides. Dies stellt das Gericht hiermit fest. Daher verzichtet das Gericht auf eine weitere Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.