Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.01.2019, Az.: 7 B 4420/18
Information; Lebensmittel; Öffentlichkeit; Verstoß
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 18.01.2019
- Aktenzeichen
- 7 B 4420/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 70128
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs 1a LFGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur verfassungskonformen Anwendung des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2018 (1 BvF 1/13).
§ 40 Abs. 1a LFGB ist mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen im Bereich der Fleischverarbeitung und Fleischwarenherstellung. Am 18. September 2018 wurde die Betriebsstätte in ... einer planmäßigen Betriebskontrolle unterzogen, bei der umfangreiche Reinigungs- und Desinfektionsmängel festgestellt wurden. Im Nachfolgenden fanden zahlreiche Nach- bzw. Schwerpunktkontrollen statt. Aufgrund der festgestellten Mängel wurde gegen die Geschäftsführer des Betriebes der Antragstellerin mit Bescheid des Antragsgegners vom 12. Dezember 2018 ein Bußgeld in Höhe von 10.000 Euro verhängt. Bereits mit Schreiben des Antragsgegners vom 6. November 2018 wurde die Antragstellerin zu einer beabsichtigten Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB angehört und mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 informiert, dass eine Veröffentlichung zum 17. Dezember 2018 erfolge.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
II.
Der statthafte und zulässige Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzugeben, die mit der Mitteilung vom 6. November 2018 bzw. 12. Dezember 2018 angekündigte Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 1a LFGB vorläufig - d.h. bis zum Abschluss eines Klageverfahrens - zu unterlassen, ist unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Antragstellerin begehrt hier eine solche Sicherungsanordnung, da sie eine drohende Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition verhindern will. Die begehrte einstweilige Anordnung würde zudem – jedenfalls teil- bzw. zeitweise – die Hauptsache vorwegnehmen. Auch eine solche eingeschränkte Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 123 Abs. 1 VwGO nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären und eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache besteht (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 17. Auf. 2011, § 123 R.z. 13 f m. w. N.).
Letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Antragstellerin in der Hauptsache nach gegenwärtigem Erkenntnisstand des Gerichtes voraussichtlich nicht obsiegen wird. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch, den materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung, nicht glaubhaft gemacht. Es ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner Informationen zu folgenden Parametern auf dem Internetportal „www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachen.de“ einstellen will, wobei die Informationen ausweislich des Anhörungsschreibens vom 6. November 2018 sechs Monate nach der Veröffentlichung entfernt werden sollen:
- Produktbezeichnung
- Betriebsbezeichnung
- Anschrift
- Betreiber
- Datum der Feststellung des Verstoßes
- Sachverhalt
- Rechtsgrundlage
- Verstoß behoben (ja/nein)
- Falls ja: Datum der Behebung des Verstoßes.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs. 1a Nr. 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Nach dieser Vorschrift informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 LFGB auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Art. 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 Euro zu erwarten ist.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB sind im Hinblick auf die Kontrollen des Betriebes der Antragstellerin durch den Antragsgegner erfüllt:
Die Antragstellerin ist ein Lebensmittelunternehmen, unter dessen Namen Lebensmittel hergestellt oder behandelt werden oder in den Verkehr gelangen (s. die Definition in Art. 3 Nrn. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002).
In der beabsichtigen Veröffentlichung sollen ferner die von dem Vorgang betroffenen Lebensmittelprodukte bezeichnet werden (hier voraussichtlich eine abstrakte Bezeichnung, etwa „im Betrieb verarbeitete und hergestellte Fleischwaren“).
Es besteht ferner ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen worden ist. Zutreffend führt die Antragstellerin insoweit aus, dass an die Tatsachengrundlage des Verdachts von Verfassungs wegen hohe Anforderungen zu stellen sind, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 21. März 2018, 1 BvF 1/13, juris). Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift muss der Verdacht durch Tatsachen hinreichend begründet sein. Nach der vorzitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dies im Fall von Proben im Gesetz dahingehend konkretisiert, dass sich der Verdacht auf mindestens zwei unabhängige Untersuchungen gründen muss; der Gesetzgeber hat die Behörde insoweit praktisch zu einer abschließenden Ermittlung der Tatsachen verpflichtet. Hieran hat sich auch das Maß der erforderlichen Tatsachenaufklärung für den Fall zu orientieren, dass dem Verdacht eines Verstoßes nicht durch Proben, sondern auf andere Weise – etwa durch Betriebskontrollen – nachgegangen wird (vgl. BVerfG, a.a.O.). Auch in diesen Fällen müssen die den Verdacht begründenden Tatsachen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein (vgl. BVerfG, a.a.O.). Hier erscheint nicht zweifelhaft, dass durch die planmäßige Betriebskontrolle am 18. September 2018 sowie im Rahmen der anlassbezogenen Nach- bzw. Schwerpunktkontrollen u.a. am 23. Oktober 2018 und 1. November 2018 Verstöße gegen die Vorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen (Art. 3 VO (EG) 852/2004; Anhang II der VO (EG) 852/2004), festgestellt wurden. Diese wurden umfassend durch die im Verwaltungsvorgang befindlichen Kontrollberichte nebst aussagekräftigen Lichtbildern dokumentiert (vgl. BA001 Bl. 2-14, Bl. 34-72, Bl. 80-100 sowie Kontrollberichte der „Beiakte 1“ und „Beiakte 2“). Die Prüfberichte des Lebensmittel- und Veterinärinstituts Oldenburg vom 24. September 2018 sowie 30. Oktober 2018 dokumentieren ferner im Hinblick auf die im Rahmen der Betriebskontrollen entnommenen Hygieneproben teilweise eine Richtwert-Überschreitung im Hinblick auf die Gesamtkeimzahl sowie die Enterobacteriaceae-Zahlen. Soweit die Antragstellerin einwendet, dass keine Untersuchung der im Rahmen der Kontrollen entnommenen Hygieneproben durch mindestens zwei verschiedene Laboratorien stattgefunden habe, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Die in verschiedenen Produktionsbereichen vorgefundenen Reinigungs- und Desinfektionsmängel wurden hier im Rahmen der amtlichen Betriebskontrollen dokumentiert. Eine starke Verunreinigung einzelner Maschinen und Gerätschaften sowie Räumlichkeiten ist hierbei anhand der Lichtbilder auch für das beschließende Gericht mit „bloßem Auge“ zu erkennen. Auch der Einwand der Antragstellerin, dass die Probenentnahmen vom 19. September 2018 ausweislich des Prüfberichtes des Lebensmittel- und Veterinärinstitut Oldenburg vom 24. September 2018 bei Ankunft eine Temperatur von 7,0 Grad aufgewiesen hätten und das Proben-Ergebnis daher nicht berücksichtigt werden könne, greift nicht. Zwar wurde in dem Prüfbericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Proben bei Ankunft eine Temperatur von 7,0 Grad aufwiesen, Proben jedoch bei einer Temperatur von 1- 4 Grad innerhalb 24 Stunden zu transportieren seien, um eine Beeinflussung des Keimgehaltes auszuschließen. Das Lebensmittel- und Veterinärinstitut führte jedoch ebenfalls aus, dass die Beurteilung unter Berücksichtigung der Eingangstemperatur und der Transportzeit erfolgt sei und interpretierte dennoch, dass die ermittelten Werte auf schwerwiegende Mängel in der Reinigung und Desinfektion hinwiesen. Ferner werden die Mängel in der Reinigung und Desinfektion auch durch die Auswertung der in den nachfolgenden Kontrollen entnommenen Proben durch die labortechnisch festgestellten Keimzahlwerte bestätigt.
Gegen die vorgenannten hygienischen Anforderungen wurde, wie die zahlreichen im Verwaltungsvorgang befindlichen Kontrollberichte und Prüfberichte dokumentieren, seit September 2018 wiederholt verstoßen.
Es ist außerdem die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 Euro zu erwarten. Durch Bescheid des Antragsgegners vom 12. Dezember 2018 (vgl. BA001 Bl. 139) wurde gegen die Geschäftsführer der Antragstellerin wegen Verstoßes gegen die Reinigungs- und Desinfektionspflichten zur Erfüllung des erforderlichen Hygienestandards (Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kap. V Nr. 1a der VO (EG) 852/2004 i.V.m. § 2 Nr. 5 LMRStV) ein Bußgeld in Höhe von 10.000,00 Euro festgesetzt. Selbst wenn der Bußgeldbescheid zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt noch nicht unanfechtbar wäre, so wäre dies unerheblich im Hinblick auf die Prognose, die § 40 Abs. 1a LFGB verlangt. Fest steht durch den vorgenannten Bescheid, dass jedenfalls ein Bußgeld wegen des in Rede stehenden Verstoßes von mehr als 350 Euro erwartet werden muss. Es unterliegt im Übrigen keinen ernsthaften Zweifeln, dass im Hinblick auf den Umfang der Reinigungs- und Hygieneverstöße und des bis zu einem Betrag von 25.000,00 Euro reichenden Bußgeldrahmens eine Bußgeldhöhe von deutlich über 350 Euro auch gerechtfertigt ist.
Die beabsichtigte Veröffentlichung begegnet auch insoweit keinen durchgreifenden Bedenken, als dass die Reinigungs- und Hygienemängel zumindest teilweise beseitigt wurden (vgl. etwa Kontrollbericht zur Schwerpunktkontrolle vom 23. November 2018 in „Beiakte 2“ betreffend Gartunnel und Fritteuse im Betrieb der Antragstellerin) und die Antragstellerin Sofortmaßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Reinigung des Betriebes ergriffen hat. Es ist verfassungsrechtlich unerlässlich, dass die zuständigen Behörden die zu verbreitenden Informationen mit der Mitteilung verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben wurde. Zwar sieht die Ermächtigungsgrundlage eine solche Mitteilung nicht vor, die zuständigen Behörden haben die Regelung jedoch insoweit verfassungskonform anzuwenden (vgl. BVerfG, a.a.O.) Die beabsichtigte Verbraucherinformation soll dementsprechend nach dem Anhörungsschreiben vom 6. November 2018 ausdrücklich darauf hinweisen, ob und ggf. wann eine Mängelbeseitigung bereits erfolgte. Die Veröffentlichung der festgestellten Hygienemängel - einschließlich der ggf. abgestellten - ist hier auch deshalb gerechtfertigt, weil im Betrieb der Antragstellerin seit September 2018 in zahlreichen Kontrollen Verstöße gegen Hygienevorschriften festgestellt wurden und vor diesem Hintergrund zumindest Zweifel bestehen, ob die Antragstellerin sich allein durch die Verhängung eines Bußgeldes zu einer beständigen Einhaltung der Reinigungs- und Hygienevorschriften motivieren ließe. Die Veröffentlichung auch bereits beseitigter Verstöße trägt daher dem generalpräventiven Zweck der Regelung Rechnung, da die Publikation behobener Verstöße die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften erhöht. Daneben dient die Veröffentlichung behobener Verstöße auch dem Ziel der Verbraucherinformation, da auch der Information über ein rechtsverletzendes Verhalten eines Lebensmittelunternehmens in der Vergangenheit für die zukünftigen Konsumentscheidungen des Verbrauchers Relevanz zukommen kann (vgl. BVerfG, a.a.O.). Aus diesen Gründen ist hier ebenfalls nicht maßgeblich, dass im Betrieb der Antragstellerin vom 27. bis 28. November 2018 ein unangekündigtes Folgeaudit des TÜV Nord erfolgte und die Antragstellerin ausweislich eines Schreibens der TÜV Nord vom 20. Dezember 2018 das „IFS Food Audit“ (Nr. 4.10 der Auditanforderungen: „Reinigung und Desinfektion“) voraussichtlich auf Basisniveau bestanden hat.
Im Übrigen wurde die Antragstellerin zu der beabsichtigten Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB mit Schreiben vom 6. November 2018 generell angehört.
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a LFGB vor, so ist die zuständige Behörde zur Veröffentlichung verpflichtet. Ihr steht nach dem eindeutigen Wortlaut der bundesgesetzlichen Norm insoweit kein Ermessen zu.
Der beabsichtigten Veröffentlichung steht ferner nicht § 475 StPO (i.V.m. § 46 OWiG) entgegen. Die vorgenannte Norm betrifft das Auskunftsrecht bzw. Akteneinsichtsrecht von Privatpersonen und sonstigen Stellen in einem repressiv ausgerichteten Straf- oder Bußgeldverfahren. Vorliegend sollen Gegenstand der Veröffentlichung indes nicht Informationen zu Inhalt oder Stand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein, sondern ausschließlich die im Rahmen der behördlichen Kontrolltätigkeiten festgestellten Hygienemängel. Die beabsichtigte Information hat demnach ausschließlich präventiven Charakter, sodass die o.g. Normen keine Anwendung finden. Aus diesen Erwägungen ist auch Art. 6 Abs. 2 EMRK, wonach jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt, nicht einschlägig.
Soweit die Antragstellerin meint, dass im laufenden Verfahren eine Information der Öffentlichkeit nur bei Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr verhältnismäßig sei und im Übrigen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse ihres Unternehmens überwiege, gilt neben dem oben Gesagten, dass es nach der Rechtsprechung des BVerfG angemessen ist, die Interessen des Unternehmens im Falle eines in Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucher zurücktreten zu lassen, wobei diese Verstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sein müssen, weil auch der Schutz vor Täuschung und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Konsumentscheidung legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind (vgl. BVerfG, a.a.O).
Das Vorbringen der Antragstellerin zur Verfassungswidrigkeit der behördlichen Ermächtigungsgrundlage überzeugt im Ergebnis nicht.
§ 40 Abs. 1a LFBG ist zwar materiell verfassungswidrig und verstößt insoweit gegen die Berufsfreiheit, als eine gesetzliche Regelung zur zeitlichen Begrenzung der Informationsverbreitung fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, 1 BvF 1/13, juris). Die materielle Verfassungswidrigkeit der Norm aufgrund Fehlens einer gesetzlichen Befristung der Veröffentlichung führt vorliegend jedoch nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einer Nichtigkeit der einfachgesetzlichen Norm (§ 78 Satz 1 BVerfGG), vielmehr obliegt es dem Gesetzgeber zur Abwendung der Nichtigkeit der Regelung bis zum 30. April 2019 die Dauer der Veröffentlichung zu regeln. § 40 Abs. 1a LFGB ist bis zu einer solchen Neureglung durch den Bundesgesetzgeber, längstens aber bis zum 30. April 2019, anzuwenden (vgl. BVerfG a.a.O.). Aufgrund der bisherigen Behördenpraxis, die Veröffentlichung auf höchstens zwölf Monate zu befristen, ist nach dem Bundesverfassungsgericht zu erwarten, dass die zuständigen Behörden § 40 Abs. 1a LFBG in der Übergangszeit im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen anwenden werden (vgl. BVerfG a.a.O.; BVerfGE 127,88 <132>). Im hiesigen Fall erklärte der Antragsgegner mit Anhörungsschreiben vom 6. November 2018 dementsprechend, dass die beabsichtigte Informationsverbreitung zeitlich auf die Dauer von sechs Monaten ab Veröffentlichung begrenzt werde. Damit hat der Antragsgegner durch verfassungskonforme Anwendung des § 40 Abs. 1a LFGB dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insoweit Genüge getan. Die beabsichtigte Befristung der Veröffentlichung auf sechs Monate steht zur Überzeugung der Kammer auch in Einklang mit den Zwecken der Veröffentlichung, insbesondere der Herstellung von Markttransparenz und der Sicherung informierter Konsumentscheidungen der Verbraucher. Hierbei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer der objektive Informationswert seiner Verbreitung ist, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt. Je länger eine für das Unternehmen negative Information in der Öffentlichkeit verbreitet wird, desto größer ist auf der anderen Seite die Belastung, weil umso mehr Verbraucher in ihrer Konsumentscheidung beeinflusst werden können (vgl. BVerfG, a.a.O.). Vorliegend ist zudem einzubeziehen, dass der beabsichtigten Informationsverbreitung nicht ein einzelner Verstoß der Antragstellerin gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften zugrunde liegt, sondern die Antragstellerin ausweislich des Verwaltungsvorganges über mehrere Monate hinweg die maßgeblichen Reinigungs- und Hygienevorschriften für Lebensmittelunternehmen nicht einhalten konnte und den Antragsgegner hierdurch in erheblichem Ausmaß zu behördlichem Handeln, etwa anlassbezogenen Kontrollen, der Anordnung der zeitweiligen amtlichen Abnahme der Reinigungsmaßnahmen vor Produktionsbeginn sowie zu einer zeitweiligen Nutzungsuntersagung einzelner Produktionsmaschinen, veranlasste. Es ist davon auszugehen, dass für die Konsumentscheidung des Verbrauchers grundsätzlich neben dem bloßen Vorliegen eines Verstoßes ebenfalls von Bedeutung ist, wie schnell ein solcher Verstoß von dem Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmen abgestellt wurde. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer kürzeren Befristung sind weder für das Gericht erkennbar, noch von der Antragstellerin vorgetragen.
Von dem Befristungserfordernis abgesehen können und müssen unverhältnismäßige Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit durch verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift vermieden werden, ohne dass es einer Nachbesserung durch den Gesetzgeber bedarf (vgl. BVerfG, a.a.O). Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts greift daher auch der Einwand, dass der Gesetzgeber verfassungswidrig in § 40 Abs. 1a LFGB der Behörde bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen keinen Ermessensspielraum eingeräumt hat (sog. gebundene Entscheidung), nicht. Dass der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist, das sie betätigen könnte, um die Veröffentlichung auf hinreichend gewichtige Fälle zu beschränken, führt nicht dazu, dass die mit der Veröffentlichung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen gemessen an den Zwecken des Gesetzes unverhältnismäßig sind (vgl. BVerfG, a.a.O.). Indessen können und müssen die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage bereits so angewendet werden, dass nur bei Verstößen von hinreichendem Gewicht überhaupt der Tatbestand erfüllt ist und diesbezüglich auf Rechtsfolgenseite eine Veröffentlichungspflicht entsteht (vgl. BVerfG, a.a.O.). Nach Maßgabe dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung und der damit einhergehenden restriktiven Tatbestandsauslegung aus verfassungsrechtlichen Gründen ist zudem kein Wertungswiderspruch zwischen § 40 Abs. 1 LFGB (sog. „Soll-Vorschrift“) und § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB erkennbar. Dies gilt auch insoweit, als dass nach § 40 Abs. 2 LFGB in den Fällen des Absatzes 1 eine Veröffentlichung durch die zuständige Behörde durch eine Informationsverbreitung durch das Lebens- und Futtermittelunternehmen, d.h. eigene Maßnahmen, abgewendet werden kann, eine solche Regelung in den Fällen des § 40 Abs. 1a LFGB aber nicht vorgesehen ist. Ein Selbsteintrittsrecht des Lebensmittelunternehmens wäre zwar ein milderes Mittel, aber nicht ebenso effektiv, wie eine behördliche Veröffentlichung und birgt zudem die Gefahr lückenhafter Verbraucherinformation (vgl. BVerfG, a.a.O).
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin ist auch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen bei Reinigungs- und Hygienemängeln kein „produktbezogener Verdacht“ bzw. ein konkreter Produktbezug zu fordern. Dies hat zur Folge, dass es – wie hier - genügt, wenn das Umfeld des Verarbeitungsprozesses eines Produktes nicht den erforderlichen hygienischen Anforderungen genügt und eine Verbrauchergefährdung daher nicht auszuschließen ist. Die Veröffentlichungspflicht nach § 40 Abs. 1a LFGB betrifft (alle) Verstöße gegen die dort genannten lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Vorschriften, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Gesundheitsrisiko für den Verbraucher vorliegt. Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung – etwa durch eine stoffliche Auswirkung des Verstoßes auf bestimmte Lebensmittel – verbunden sind, begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil auch der Schutz vor Täuschung und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind (vgl. zu Letzterem BVerfG, a.a.O.).
Die in § 40 Abs. 1a LFGB normierte Tatbestandsvoraussetzung der Erwartung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 Euro verstößt ferner nicht gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) und ist verhältnismäßig im engeren Sinne. So führte das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) bereits aus, dass zwar zum Teil bezweifelt werde, dass die Schwelle mit der zu erwartenden Bußgeldhöhe von mind. 350,00 Euro bestimmt und hoch genug gesetzt ist, um Bagatellfälle zuverlässig ausschließen zu können, es sich bei dieser – verfassungsrechtlich zweifelsfrei hinreichend bestimmten – Schwelle jedoch lediglich um eine von zwei kumulativ geforderten Erheblichkeitsvoraussetzungen handelt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Neben der Bußgelderwartung fordert die Regelung einen wiederholten Verstoß gegen sonstige Vorschriften oder das Vorliegen eines Verstoßes in „nicht nur unerheblichem Ausmaß“. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass mit dem Erfordernis des Verschuldens als Voraussetzung der zu erwartenden Ordnungswidrigkeit ein weiteres Korrektiv eingreift (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Aus Sicht der Kammer ist auch nicht davon auszugehen, dass § 40 Abs. 1a LFGB und die beabsichtigte Veröffentlichung gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoßen.
Diese Frage stellt sich zum einen, weil Artikel 10 der Verordnung EG Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, für eine Information der Öffentlichkeit den hinreichenden Verdacht, dass ein Lebensmittel oder Futtermittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier mit sich bringen kann, voraussetzt. § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB verpflichtet hingegen zur Information der Öffentlichkeit bereits beim hinreichend begründeten Verdacht des Verstoßes gegen Vorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, ohne dass eine konkrete Gesundheitsgefahr vorliegen müsste. Dem Vorbringen der Antragstellerin, das sekundäre Unionsrecht regele Öffentlichkeitsinformation hier abschließend, sodass die Mitgliedstaaten keine Ermächtigung hätten weiterreichende bzw. „überschießende“ Informationsregelungen zu erlassen, folgt das Gericht nicht. So führte der Europäische Gerichtshof bereits zu § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LFGB aus (EuGH, Urteil v. 11. April 2013, C-636/11, juris):
„Somit ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 178/2002 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der eine Information der Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht wurde, zulässig ist, wenn ein Lebensmittel zwar nicht gesundheitsschädlich, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine solche Information der Öffentlichkeit durch die nationalen Behörden zulässig ist; dabei sind die Vorgaben des Art. 7 der Verordnung Nr. 882/2004 zu beachten.“
Dem folgt das Gericht auch für den hier maßgeblichen § 40 Abs. 1a LFGB. Zwar bezieht sich die Entscheidung des EuGH auf Lebensmittelprodukte, die zwar nicht konkret die Gesundheit gefährden, aber für den Verzehr nicht geeignet, insbesondere ekelerregend, sind. Es sind jedoch für das Gericht keine durchgreifenden Gesichtspunkte erkennbar, die hier für die Frage einer Sperrwirkung des Art. 10 der VO EG Nr. 178/2002 eine andere Bewertung rechtfertigen könnten.
Soweit Art. 7 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, eine Geheimhaltungspflicht der Behörde u.a. für Informationen betreffend die Vertraulichkeit von „laufenden rechtlichen Verfahren“ vorsieht, spricht dies ebenfalls nicht gegen die geplante Veröffentlichung.
Artikel 7 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung sieht vor, dass die Öffentlichkeit generell Zugang zu Informationen über Kontrolltätigkeiten der zuständigen Behörde und ihre Wirksamkeit und Informationen gemäß Art. 10 der Verordnung EG Nr. 178/2002 - mithin gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln – hat.
Bei den hier in Rede stehenden Informationen handelt es sich auch unter Berücksichtigung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu dem Bußgeldbescheid vom 12. Dezember 2018 (Az. 01.11.52.800141.8), selbst bei noch nicht maßgeblichem Abschluss, nicht um solche, die die Vertraulichkeit von laufenden rechtlichen Verfahren im Sinne des Art. 7 Abs. 3 der EU-Verordnung Nr. 882/2004 betreffen. Gegenstand der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB sind ausschließlich die im Rahmen der Kontrolltätigkeiten der zuständigen Verwaltungsbehörde festgestellten Tatsachen hinsichtlich eines Verstoßes gegen Vorschriften, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen, Täuschungen oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen. Die beabsichtigte Veröffentlichung hat daher keine Informationen aus oder zu dem vorbezeichneten Ordnungswidrigkeitenverfahren zum Gegenstand.
Auch das Vorbringen der Antragstellerin, dass in Fällen, in denen es an einer konkreten Gesundheitsgefahr (Information nach Art. 10 der VO EG Nr. 178/2002) fehlt und in denen eine Information nicht bereits nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 882/2004 ausgeschlossen ist, jedenfalls Art. 7 Abs. 2 der Verordnung einen grundsätzlichen Vorrang des Geheimhaltungsinteresses des betroffenen Unternehmens gegenüber dem bloßen Informationsinteresse des Verbrauchers vorsieht, überzeugt nicht. So hat die Öffentlichkeit gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 3 a) der Verordnung generell Zugang zu Informationen über Kontrolltätigkeiten der zuständigen Behörde und ihre Wirksamkeit, wobei eine akute Gesundheitsrelevanz für den Verbraucher hiernach nicht erforderlich ist. Ein grundsätzlicher Vorrang des Geheimhaltungsinteresses in diesen Fällen folgt auch nicht aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung. Satz 1 verpflichtet die zuständige Behörde lediglich, entsprechende Maßnahmen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die einzelnen Angehörigen des Personals angehalten sind, keine erworbenen Informationen weiterzugeben, die in begründeten Fällen der Geheimhaltungspflicht unterliegen und betrifft daher die Vermeidung einer von der zuständigen Behörde unbeabsichtigten Informationsverbreitung durch einzelne Angehörige des Personals. Satz 2 regelt indes, dass selbst eine bestehende Geheimhaltungspflicht die zuständigen Behörden nicht daran hindert, Informationen gemäß Art. 7 Abs. 1 b) der Verordnung zu verbreiten. Hieraus folgt lediglich, dass bei Vorliegen einer Geheimhaltungspflicht Informationen über Gesundheitsgefährdungen durch Lebensmittel durch die zuständige Behörde trotz grundsätzlicher Geheimhaltungspflicht verbreitet werden können, sonstige Informationen über behördliche Kontrolltätigkeiten indessen nicht. Eine solche Geheimhaltungspflicht ist hier aber, wie ausgeführt, gerade nicht anzunehmen.