Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.05.2014, Az.: 4 UF 74/14

Anfechtbarkeit der Herausgabe eines Kindes an den Ergänzungspfleger

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
26.05.2014
Aktenzeichen
4 UF 74/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 24860
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2014:0526.4UF74.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Cloppenburg - AZ: 11 F 299/14 EAHK

Fundstellen

  • FamRZ 2014, 1929
  • FuR 2015, 116-117
  • MDR 2014, 1092
  • NJW-RR 2014, 1160

In der Familiensache
betreffend die Herausgabe des Kindes
M .... B .... , geb. am ................,
derzeit: .............., ..... L .......
Beteiligte:
1. Kindesmutter:
D .... S .... -B .... , geb. B .... gesch. B .... , ..................., ..........., .... L .... ,
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte K .... & Partner, ....................., ......
O ....... ,
Geschäftszeichen: ..............
2. Ergänzungspfleger:
Kreis P .... - Jugendamt -, ............................, ...... P .......,
Geschäftszeichen: ...................
Antragsteller und Beschwerdegegner,
3. Verfahrensbeistand:
Rechtsanwalt B .... K .... , .........................., ..... C ...... ,
hat der 4. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den ................................., die .......................................
und die .................................. ohne erneute Anhörung nach § 68 Abs. 3 FamFG
am 26. Mai 2014
einstimmig
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

  2. II.

    Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

  3. III.

    Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 € festgesetzt.

  4. IV.

    Der Beschwerdeführerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt.

Gründe

I.

Durch Beschluss des Amtsgericht Delbrück vom 01.02.2010 (Aktenzeichen: 3 F 20/10) wurde den Kindeseltern aufgrund Kindeswohlgefährdung (auch) für das Kind M .... B ...., geboren am ............., Teilbereiche der elterlichen Sorge, unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen und auf das Kreisjugendamt P ........... als Ergänzungspfleger übertragen. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 13.12.2012 wurde den Kindeseltern bezüglich des Kindes M .... B ..... , geboren am ............... die gesamte elterliche Sorge entzogen und auf einen Vormund übertragen. Für die weiteren Kinder, so auch für M .... , verblieb es bei dem Beschluss des Amtsgericht Delbrück vom 01.02.2010. Das Oberlandesgericht Hamm hat ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass eine Fremdunterbringung aller Kinder erforderlich sei, um eine Gefährdung abzuwenden. M .... müsse in der Pflegefamilie bleiben. Mildere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Versuche, in der Familie eine Familienhilfe zu installieren seien gescheitert. Die Kindesmutter habe eine Zusammenarbeit mit dem Jugendamt immer wieder vollständig verweigert. M .... hatte beginnend mit der Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen ab 13.12.2012 bis März 2014 keinen persönlichen Kontakt zu der Mutter. Ab November 2013 hatte M .... auf eigenen Wunsch zunächst Briefkontakt zur Mutter. Im März 2014 übersandte die Kindesmutter M .... ein Handy, welches in der Einrichtung verboten war und diesem deswegen am 14.03.2014 weggenommen wurde. M .... lief aus der Einrichtung am 14.03.2014 weg und hielt sich im Folgenden bei der Kindesmutter und ihrem Ehemann auf. Das Jugendamt P ............ duldete den Aufenthalt von M .... bei der Kindesmutter bis zum 02.04.2014. Die Kindesmutter gab M .... danach nicht freiwillig an den Pfleger heraus. Auf Antrag des Pflegers hat das Amtsgericht Cloppenburg im Wege einstweiliger Anordnung nach persönlicher Anhörung der Beteiligten und des Kindes am 11.04.2014 beschlossen, dass das Kind M .... B .... .... an das Jugendamt in P ................ herauszugeben ist. Die Herausgabe wurde im Erörterungstermin am 11.04.2014 durch den Gerichtsvollzieher und Polizeibeamte vollzogen. Das Kind M .... wurde in die Obhut des Mitarbeiters des Jugendamtes übergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 11.04.2014 Bezug genommen.

Die Kindesmutter wendet sich mit der Beschwerde gegen den Herausgabebeschluss. Sie begehrt die Aufhebung des Beschlusses unter Zurückweisung des Herausgabeantrags. M .... ist erneut am 13.05.2014 aus der Pflegestelle entwichen und hält sich seither wieder bei der Kindesmutter auf.

II.

Der Beschwerde der Kindesmutter bleibt der Erfolg versagt. Der im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangene Beschluss ist nach § 57 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar. Eine der in § 57 Satz 2 FamFG geregelten Ausnahmen von der grundsätzlichen Unanfechtbarkeit einstweiliger Anordnungen in Familiensachen liegt nicht vor. Das Familiengericht hat vorliegend nämlich nicht über die Herausgabe des Kindes an einen anderen Elternteil sondern über die Herausgabe des Kindes an den Ergänzungspfleger entschieden. Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit nach dem Wortlaut des § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG liegen nicht vor. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist es streitig, ob diese Vorschrift analog anzuwenden ist, wenn die Kindesherausgabe an dritte Personen - also nicht an den anderen Elternteil - vorzunehmen ist (siehe hierzu insbesondere die Entscheidung des OLG Oldenburg, 4. Senat für Familiensachen v. 09.11.2010 - Aktenzeichen 13 UF 90/10, FamRZ 2011, 745 sowie die Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgericht Saarbrücken 1. Senat für Familiensachen v. 21.12.2012 - Aktenzeichen 6 UF 416/12, FamRZ 2013, 1153 m. zahlreichen weiteren Nachweisen). Nach Auffassung des Senats scheidet ein Rechtsmittel aus, wenn eine Entscheidung zur Herausgabe eines Kindes an den Ergänzungspfleger vorliegt. Einer anderweitigen Auslegung steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Gegen das Vorliegen einer gesetzgeberisch planwidrigen Regelungslücke spricht, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer bereits erfolgten Korrektur des § 57 Satz 2 FamFG (BT-Drucks. 17/10490 v. 15.08.2012, S. 11 und S. 18) von Nachbesserungen der in § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG getroffenen Regelung abgesehen hat, obwohl diesem die wortgetreue Auslegung bekannt war (siehe bspw. Keidel/Giers, FamFG 2011, § 57 Rn. 7).

Die insoweit begrenzte Anfechtbarkeit ist auch angemessen. Den Beteiligten steht es nämlich offen, unmittelbar oder über § 52 FamFG ein Hauptsacheverfahren einzuleiten und auf diese Weise die getroffene Entscheidung durch das Gericht und notfalls auch durch das Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen oder auf eine Abänderung hinzuwirken, die in weitgehendem Umfang möglich ist (BT-Drs. 16/6308 v. 07.09.2007, S. 202).

III.

Im Hinblick auf die Meinungsverschiedenheit der obergerichtlichen Rechtsprechung zu der Anfechtbarkeit von einstweiligen Anordnungen in Fällen, in denen die Herausgabe des Kindes von einem Elternteil an einen Ergänzungspfleger angeordnet wurde sowie im Hinblick auf die insoweit ggf. veranlasste aus Sicht des Senats fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts werden Kosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 41, 45 Abs. 1 FamGKG.

Der Kindesmutter war Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren mangels Erfolgsaussicht zu versagen.

Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde nicht statt (§ 70 Abs. 4 FamFG). Die Kindesmutter hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde begehrt. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde entgegen § 70 Abs. 4 FamFG wäre aber unwirksam, da sich das Beschwerdegericht nicht über den gesetzlichen Ausschluss der Rechtsbeschwerde hinwegsetzen kann (Prütting/Abramenko, FamFG, 2014, § 70 Rn. 19). Auch insoweit ist der Senat mithin gebunden.