Amtsgericht Burgwedel
Urt. v. 12.12.2006, Az.: 72 C 417/05

Erhebliches Mitverschulden an Verkehrsunfall bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 40 km/h; Schadensersatzanspruch im Falle eines beiderseitigen Verschuldens

Bibliographie

Gericht
AG Burgwedel
Datum
12.12.2006
Aktenzeichen
72 C 417/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 33698
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGBURGW:2006:1212.72C417.05.0A

Fundstelle

  • zfs 2007, 141-142 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Burgwedel
ohne erneute mündliche Verhandlung
durch
den ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 24.6.2005 im Kreuzungsbereich der Straßen xxx ereignete. Dabei war es zu einem Zusammenstoß zwischen dem von dem Zeugen xxx bevorrechtigte xxx befahrenden Pkw des Klägers xxx und dem von dem xxx nach links in die xxx einbiegenden Pkw xxx - des Beklagten zu 2) gekommen, der von der Beklagten zu 1) gefahren wurde. In dem Kreuzungsbereich bestand für den Fahrverkehr auf der xxx wegen einer größeren Baustelle eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Von dem aufnehmenden Polizeibeamten wurde im Unfallbereich eine Bremsblockierspur von 23 m festgestellt. Der Straßenzustand wurde von dem Polizeibeamten als trocken dokumentiert.

2

Der Kläger behauptet, dass die im Unfallbereich zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten worden sei. Die von dem Polizeibeamten festgestellte Bremsblockierspur stamme nicht von seinem Pkw. Er behauptet weiterhin, dass die Fahrbahn im Unfallbereich durch Splitt- und Sandablagerungen verschmutzt gewesen sei, wodurch die Bremswirkung erheblich eingeschränkt worden sei. Bezüglich der im Einzelnen geltend gemachten Schadensersatzpositionen wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

3

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.245,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2005 zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die xxx 357,16 Euro zur Rechnung vom 05.07.2005, Rechnungs-Nr. xxx nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2005 zu zahlen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, auf die seitens des Klägers verauslagten Gerichtskosten Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der Kostengrundentscheidung zu zahlen.

4

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

5

Sie behaupten, dass der Zeuge xxx des Klägers unmittelbar vor dem Unfall mit weit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Die von der Polizei festgestellte Bremsblockierspur sei dem Pkw des Klägers zuzurechnen. Aufgrund der weit überhöhten Geschwindigkeit habe die Beklagte zu 1) den Pkw des Klägers nicht rechtzeitig wahrnehmen können.

6

Hilfsweise bestreiten die Beklagten mit Ausnahme der geltend gemachten Gutachter- und Abschleppkosten die geltend gemachten weiteren Schadenspositionen.

7

Bezüglich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

8

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuge xxx, xxx und xxx, durch Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Hannover 7231 JS 89256/05 sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen xxx. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28.03.2006, die polizeiliche Unfallanzeige sowie das schriftliche Sachverständigengutachten vom 28.8.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist nicht begründet.

10

Der Kläger kann von den Beklagten im Zusammenhang mit dem Unfallereignis keinen Schadensersatz verlangen.

11

Der Verkehrsunfall war für beide Fahrzeugführer nicht unabwendbar i.S. § 17 II StVG. Dabei ist davon auszugehen, dass der Unfall überwiegend durch das Fehlverhalten des Zeugen xxx des Fahrers des Pkw des Klägers, verursacht worden ist.

12

Zwar hat die Beklagte zu 1) das Vorfahrtrecht des Zeugen verletzt. Sie ist aus der Straße xxx in die bevorrechtigte xxx eingebogen und hat dabei die Vorfahrt des Zeugen xxx nicht beachtet.

13

Andererseits trifft den Zeugen xxx ein erhebliches Mitverschulden an dem Zusammenstoß der Fahrzeuge. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Zeuge xxx, die aufgrund einer Baustelle auf 30 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit mit 70 km/h erheblich überschritten hat. Ausweislich der polizeilichen Unfallanzeige hat der den Unfall aufnehmende Polizeibeamte eine Bremsblockierspur von 23 m ermittelt. Die Polizei hat diese Bremsblockierspur aufgrund ihrer örtlichen Lage dem Pkw des Klägers zugeordnet. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass der mit Unfallaufnahmen vertraute Polizeibeamte die Zuordnung richtig vorgenommen haben. Auch spricht das Ausmaß der Fahrzeugbeschädigungen, insbesondere an dem Pkw des Klägers, dafür, dass der BMW des Klägers im Zeitpunkt des Zusammenstoßes noch eine erhebliche Restgeschwindigkeit hatte. Der Sachverständige xxx hat die Anstoßgeschwindigkeit mit noch ca. 30 km/h und damit in Höhe der im Unfallbereich gerade zulässigen Höchstgeschwindigkeit errechnet. Die Angaben des Zeugen xxx, Sohn des Klägers und Fahrer des Pkw des Klägers, die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 30 km/h allenfalls um 10 km/h überschritten zu haben wie auch die Aussage der Beifahrerin xxx von einer überhöhten Geschwindigkeit nichts bemerkt zu haben, werden durch die Feststellungen des Sachverständigen xxx widerlegt.

14

Das Gericht ist deshalb überzeugt, dass der Pkw des Klägers bei dem Bremsvorgang eine Blockierspur von 23 m hinterlassen hat.

15

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Fahrbahn der xxx durch die seitlich daneben verlaufende Baustelle verschmutzt war. Zwar haben die Zeugen xxx und xxx ausgesagt, dass die Fahrbahn im Unfallbereich mit Sand und Splitt bedeckt gewesen sei, was zu einer Beeinträchtigung der Bremswirkung geführt habe. Ausweislich der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige war die Fahrbahn trocken. Weitere Beschreibungen des Fahrbahnzustandes sind in der Verkehrsunfallanzeige nicht enthalten. Das Gericht geht davon aus, dass die aufnehmenden Polizeibeamten bei der Ausmessung der Bremsblockierspur bemerkt hätten, wenn sich dort Splitt und Sand, die auf den Bremsvorgang Einfluss haben konnten, vorgefunden hätten und dass in der Verkehrsunfallanzeige vermerkt hätten.

16

Auch die weitere Unfallzeugin xxx auf der Straße keinen Sand und keinen Splitt wahrgenommen.

17

Der Sachverständige xxx hat bei Zugrundelegung einer Bremsblockierspur von 20 m und einer unverschmutzten Fahrbahn eine gefahrene Geschwindigkeit von 70,4 km/h ermittelt.

18

Bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gemäß § 17 I StVG, 254 BGB fällt die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 40 km/h und damit um mehr als 100% gravierend ins Gewicht. Nach den Ermittlungen des Sachverständigen xxx es schon nicht zu dem Zusammenstoß der Fahrzeuge gekommen, wenn der Zeuge xxx mit 65 km/h gefahren wäre. Die überhöhte Geschwindigkeit war im Hinblick auf die im Unfallbereich aufgrund einer Straßenkurve für beide Seiten eingeschränkten Sichtverhältnisse zu würdigen.

19

Gegenüber dem gravierenden Verkehrsverstoß des Zeugen xxx tritt das Mitverschulden der Beklagten zu 1) vollständig zurück.

20

Die Klage konnte deshalb keinen Erfolg haben.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

22

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Nr. 11, 711 ZPO.