Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.01.2012, Az.: 2 A 94/11
Jugendamt; Unterstützungsauftrag; Pflegeeltern; Pflegekind; Herausnahme; Pflegeverhältnis; Rechtsnatur; feststellungsfähiges Rechtsverhältnis
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 12.01.2012
- Aktenzeichen
- 2 A 94/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44505
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1632 Abs 4 BGB
- § 33 S 2 SGB 8
- § 42 SGB 8
- § 8a SGB 8
- § 43 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Herausnahme eines Pflegekindes aus einer Pflegefamilie erfolgt nach zivilrechtlichen
Vorschriften, soweit es sich nicht um eine Inobhutnahme handelt.
2. Die Art und Weise des Vorgehens des Jugendamtes bei dieser Herausnahme ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen.
Tatbestand:
Die Klägerin betrieb gemeinsam mit ihrem Ehemann eine selbständige Pflegestelle zur Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderungsbedarf. Dem lag ein Kooperationsvertrag mit dem Albert-Schweitzer-Familienwerk e.V. Uslar (im folgenden ASF) zugrunde. In diesem Kooperationsvertrag verpflichtete sich das ASF, die kontinuierliche Qualität der Betreuungsleistung des Vertragspartners zu fördern. Weiter heißt es in diesem Vertrag, das Jugendamt vermittele in Zusammenarbeit mit dem Fachdienst des ASF die Aufnahme von Pflegekindern durch den Vertragspartner in dessen Familie. Der Vertragspartner sei in seiner Entscheidung, entsprechende Pflegekinder aufzunehmen frei. Der Vertragspartner nehme im Rahmen dieser Vereinbarung bis zu 3 Pflegekinder auf und verpflichte sich, den aufgenommenen Pflegekindern angemessenen Wohnraum, familiäre Erziehung, Betreuung und Förderung angedeihen zu lassen. Konkrete Vorgaben seien Angelegenheiten der Hilfeplanung. Die Klägerin verpflichtete sich zudem, die Herkunftsfamilie in den Erziehungsprozess situationsgerecht einzubeziehen. Ein Arbeitsverhältnis wurde durch diesen Vertrag ausdrücklich nicht begründet; die Klägerin übernahm ihre Aufgaben aus dieser Vereinbarung selbständig. Aufgaben und Befugnisse der Jugendämter nach dem SGB VIII blieben von dieser Vereinbarung unberührt. Das ASF verpflichtete sich im Gegenzug im Rahmen der Qualitätssicherung zur fachlichen Beratung, Begleitung und Fortbildung der Klägerin gemäß der Konzeption "Konzept Pflegestellen". Die Klägerin ihrerseits verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, eng mit dem Fachdienst des ASF zu kooperieren und die entsprechenden Angebote wahrzunehmen.
Neben diesem Vertrag schloss das ASF mit dem Beklagten Verträge, deren Ziel es nach der Präambel war, geeignete Pflegestellen für die Aufnahme von Pflegekindern und -jugendlichen mit besonderem Förderungsbedarf zu suchen und dem Jugendamt zu vermitteln. In den jeweils für das vermittelte Kind abgeschlossenen Verträgen verpflichtete sich das ASF, die fachliche Begleitung und laufende Fortbildung der Pflegeeltern sicherzustellen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Beklagte, dem ASF für seine Fachdienstleistungen eine monatliche Pauschale für die Dauer der Belegung der Pflegestelle mit einem Pflegekind zu zahlen.
Aufgrund dieses Vertragsgefüges nahm die Klägerin insgesamt 4 Pflegekinder in ihren Haushalt auf. Soweit diese Kinder in die Betreuungszuständigkeit des Beklagten fielen, handelt es sich um J. K., geb. am 16. November 2006 (aufgenommen am 25. Februar 2009), L. H., geb. am 25.01.2005 (aufgenommen am 19.06.2008) und M. N., geb. am 19.09.2003 (aufgenommen am 9. Mai 2008). In dieser Reihenfolge sind die Pflegeverhältnisse Gegenstand der heute von der Kammer entschiedenen Verfahren 2 A 94 - 96/11.
Die elterliche Sorge für J. K. und M. N. lag jeweils bei der leiblichen Mutter. Die elterliche Sorge für L. H. war dem Beklagten durch Beschuss des Amtsgerichts Osterode am Harz vom 20. März 2009 übertragen worden.
Der Beklagte gewährte den sorgeberechtigten Elternteilen bzw. sich selbst als Amtsvormund anlässlich der Betreuung der genannten Kinder durch die Klägerin Hilfe zur Erziehung nach § 33 Satz 2 SGB VIII.
Zunächst verliefen die Pflegeverhältnisse ohne aktenkundige Schwierigkeiten. Vermerke über Treffen der Pflegekinder und ihrer Pflegemutter mit leiblichen Verwandten, die unter Begleitung des ASF und Mitarbeitern des Jugendamtes des Beklagten stattfanden, berichteten vielmehr fast durchgängig, und noch am 12. März 2010, von einer entspannten Atmosphäre.
Aktenkundig sind Probleme mit dem Pflegsystem C. erstmals am 11. März 2010. Unter diesem Datum wies das Jugendamt Hildesheim darauf hin, dass es kein Vertrauen zum Pflegesystem C. habe. Die Klägerin sei nicht qualifiziert genug und lasse insbesondere die für die Pflegekinder wichtige Biografiearbeit vermissen. Unter dem 6. April 2010 berichtete auch das ASF von Problemen mit der Klägerin. Nach der Aufnahme des 3. Kindes habe sich die Zusammenarbeit zunehmend schwierig gestaltet und immer wieder zu Konflikten geführt. Auch hier wird insbesondere beanstandet, dass eine Biografiearbeit mit den Kindern nicht geleistet worden sei und Kontakte zur Herkunftsfamilie nach Möglichkeit reduziert, die Teilnahme anderer Familienmitglieder an solchen Treffen immer wieder boykottiert und Kontakte zu den Geschwistern in anderen Pflegefamilien abgelehnt worden seien. Die Kinder schienen in diesem System aufzuwachsen, ohne das Bewusstsein zu haben, Pflegekinder zu sein. Eine Haltungsänderung der Pflegestelle C. gegenüber den Herkunftsfamilien der Pflegekinder (mit ihrer pädagogischen Konsequenz im Raum der Pflegestelle) habe mit Mitteln der Fachberatung nicht erreicht werden können. Insbesondere könne aber aufgrund der ablehnenden Haltung gegenüber der Herkunftsfamilie der Kinder eine seelische Beeinträchtigung für die Entwicklung der Kinder nicht ausgeschlossen werden.
In enger Abstimmung mit dem ASF nahm daraufhin der Beklagte am 14. April 2010 die vorgenannten Kinder aus der Pflegefamilie der Klägerin heraus. Er holte die Kinder nach vorheriger Absprache mit den Erzieherinnen aus dem Kindergarten ab und brachte sie in anderen Pflegfamilien unter. Sowohl im Kindergarten als auch vor dem Haus der Klägerin war auf Veranlassung des Jugendamtes des Beklagten Polizei begleitend anwesend. Im Kindergarten waren nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin zwei uniformierte Beamte, und vor ihrem Haus stand ein Polizeiwagen bzw. fuhr dort Streife. Zu einem darüber hinaus gehenden Einsatz der Polizei kam es nicht. Zur Begründung der Herausnahme gab ein Mitarbeiter des Beklagten gegenüber der Klägerin an, das Vertrauensverhältnis zwischen der Pflegestelle C., dem ASF und dem Jugendamt sei gestört und die Maßnahme könne aus Sicht des Jugendamtes nicht fortgeführt werden. Zur Begründung bezog er sich auf die vom ASF und vom Jugendamt der Stadt Hildesheim vorgetragenen Bedenken.
Soweit nicht der Beklagte selbst Inhaber des Personensorgerechts ist, erklärten die betroffenen Sorgeberechtigten mit einer offensichtlich rückdatierten Einverständniserklärung vom 13. April 2010 ihr Einverständnis mit der Herausnahme ihres Kindes aus der Pflegefamilie der Klägerin und Verbringung in eine neue Familie.
Gegen die Herausnahme stellte die Klägerin beim Amtsgericht Hildesheim - Familiengericht - Anträge, die sofortige Rückkehr der Pflegekinder anzuordnen. Diese Anträge wies das Amtsgericht Hildesheim mit Beschlüssen vom 26. Mai 2010 zurück. Der Sache nach legte es die Anträge als solche auf Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB aus. Diese seien unbegründet, weil sich nicht feststellen ließe, dass das Kindeswohl durch die jeweilige Herausnahme vom 14. April 2010 gefährdet werde. Die hiergegen gerichtete Beschwerde in den Verfahren L. H. betreffend wies das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 29. Juli 2010 zurück.
Mit Schriftsatz vom 29. September 2010 erhob die Klägerin gegen die Maßnahmen vom 14. April 2010, die sie als Inobhutnahme bezeichnete, Widerspruch. Dieser Widerspruch wurde bis heute nicht beschieden.
Am 13. April 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es habe eine Gefährdung des Kindeswohls nicht bestanden; es sei auch keine Gefahr im Verzug gewesen. Eine nachvollziehbare Begründung für die Herausnahme der Kinder aus ihrer Pflegestelle sei nicht gegeben worden. Vielmehr sei die Begründung hierfür mehrfach ausgetauscht worden. Einerseits solle es sich um eine Inobhutnahme handeln, andererseits um eine Herausnahme aufgrund des entsprechenden Einverständnisses der sorgeberechtigten Eltern. Die entsprechenden Einverständniserklärungen für die Kinder J. K. und M. N. seien jedoch offensichtlich rückdatiert und hätten am Tag der Herausnahme noch nicht vorgelegen. Soweit ihr vorgeworfen werde, Kontakte zur Herkunftsfamilie behindert zu haben, sei dies unzutreffend. Der Beklagte selbst habe eine Beschränkung der Besuchskontakte im Fall J. K. auf alle 8 Wochen für erforderlich gehalten. Die ihr im Übrigen gemachten Vorwürfe seien nicht aktenkundig und unzutreffend. Schließlich sei der Polizeieinsatz völlig überzogen gewesen. Man hätte nur im Vorfeld mit ihr reden müssen. So sei bei den Nachbarn der Eindruck entstanden, sie habe etwas Verbotenes getan.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Herausnahme des Kindes J. K., geb. am 16. November 2006, aus der Pflegefamilie C. durch das Jugendamt des Beklagten am 14. April 2010 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die Herausnahme der Kinder stütze sich auf §§ 27, 33, 8 a SGB VIII. Eine Inobhutnahme habe nicht vorgelegen. Nach Ablauf des ersten Pflegejahres hätten sich deutliche Belastungen und Auffälligkeiten im Pflegesystem der Klägerin gezeigt. Familienkontakte seien schwieriger geworden. Die Klägerin habe sich nicht - mehr - an Vereinbarungen gehalten. Zudem sei ihr Haushalt in der Vergangenheit polizeilich wegen häuslicher Gewalt aufgefallen. Es habe sich eine zunehmende Entwicklung in Richtung auf eine Kindeswohlgefahr abgezeichnet.
Wegen der weitern Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich des Aktes der Herausnahme des Kindes J. K. aus der Pflegefamilie der Klägerin unzulässig. Soweit sich die Klage gegen die Art und Weise dieser Herausnahme wendet, ist ihre Zulässigkeit zweifelhaft; das Gericht lässt diese Frage offen, weil die Klage insoweit jedenfalls unbegründet ist.
Die Zulässigkeit der gegen den Herausnahmeakt selbst gerichteten Klage beurteilt sich nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann durch Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. An der hiermit geregelten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage scheitert die Zulässigkeit nicht. Die Herausnahme stellt keinen Verwaltungsakt dar, gegen den die Anfechtungsklage zulässig wäre; folglich handelt es sich bei dem Klagebegehren auch nicht um ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Insbesondere kann das Handeln des Beklagten nicht als Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII angesehen werden. Einziges Indiz für eine solche ist die Bezeichnung der Herausnahme der Kinder aus dem Pflegeverhältnis mit der Klägerin als Inobhutnahme in einem Schreiben des Beklagten an die betroffene Kindertagesstätte O. in Hildesheim vom 12. April 2010. Diese gegenüber einem nicht am Verfahren beteiligten Dritten abgegebene Erklärung vermag die Rechtsnatur einer Maßnahme jedoch nicht zu begründen. Entscheidend ist, wie der am Verfahren Beteiligte die Maßnahme bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Das schließt eine Inobhutnahme hier aus. Sowohl gegenüber den Personensorgeberechtigten als auch gegenüber der Klägerin berief sich der Beklagte ausschließlich auf §§ 27, 33 in Verbindung mit 8 a SGB VIII und begründete die Handlung mit einem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin, dem ASF und dem Jugendamt des Beklagten. Die Maßnahme der Vollzeitpflege nach § 33 Satz 2 SGB VIII dauerte auch nach der Herausnahme der Kinder aus der Pflegefamilie der Klägerin ohne Unterbrechung an. Von einer Gefährdung des Kindeswohls, die Voraussetzung für eine Inobhutnahme gewesen wäre, war zu keinem Zeitpunkt die Rede.
Gleichwohl ist die Feststellungsklage unzulässig, weil nicht statthaft. Denn als Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO kommen allein Sachverhalte in Betracht, die aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts zu rechtlichen Beziehungen zwischen einer Person oder zu einer anderen Person oder zu einer Sache führen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 43 Rn. 11). Ein derartiges Rechtsverhältnis liegt nicht vor.
Neben der Herausnahme von Pflegekindern aus der Pflegefamilie durch Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII kommt allein die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der sorgeberechtigten Personen als Grund für die Herausnahme in Betracht (vgl. Bayrischer VGH, Beschluss vom 02.07.2003 - 12 CS 03.1017 -, FEVS 55, 254). Die Ausübung dieses Rechtes beruht ausschließlich auf zivilrechtlicher Grundlage.
Zwar erfolgte die Unterbringung der Kinder bei der Klägerin im Rahmen einer Vollzeitpflege für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche nach § 33 S. 2 SGB VIII. Indes ist die Klägerin an dem sich hieraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis nicht beteiligt. Bei der Vollzeitpflege handelt es sich um eine Unterart der Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII. Diese Vorschrift gibt allein den Personensorgeberechtigten einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Anspruchsinhaber ist damit ausschließlich der Personensorgeberechtigte (vgl. Urteil der Kammer vom 24.02.2005 - 2 A 424/03 -). Nur dort, wo dies, wie z.B. in § 37 Abs. 2 SGB VIII, ausdrücklich geregelt ist, haben auch Pflegepersonen bestimmte Ansprüche. Daneben wirken sie naturgemäß bei der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII mit. Die konkrete Ausgestaltung des Pflegeverhältnisses durch einen Pflegevertrag ist demgegenüber ausschließlich zivilrechtlicher Natur (BGH, Urteil vom 06.07.2006 -III ZR 2/06 -, NJW 2006, 2553; OVG Berlin, Urteil vom 21.10.1982 - 6 B 35/81 -, FEVS 32, 251; OVG Münster, Urteil vom 23.01.1986 - 8 A 1600/84 -, FEVS 35, 374; Jans/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, § 33 Rn. 16; Stähr in: Hauck/Haines, § 33 Rn. 22). Die Inpflegegabe ist damit ein allein auf dem Personensorgerecht basierender Akt (Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage, § 33 Rn. 26).
Wie genau das Pflegeverhältnis hier ausgestaltet ist, wird nicht ganz deutlich, fußt jedoch auch auf Bestimmungen des Zivilrechts.
Mit den jeweils Personensorgeberechtigten hat die Klägerin keine Verträge geschlossen. Solche sind in schriftlicher Form auch nicht mit dem Beklagten abgeschlossen worden. Indes hat sich die Klägerin mit dem zwischen ihr und dem ASF geschlossenen Kooperationsvertrag diesem gegenüber bereit erklärt, ggf. Pflegekinder bei sich aufzunehmen. Dieser wiederum hat vertragliche Beziehungen mit dem Beklagten insoweit, als er für den Beklagten bedürftige Kinder und/oder Jugendliche in Pflegefamilien vermittelt und die fachliche Betreuung dieser Familien, hier der Klägerin, übernimmt. Die jeweils sorgeberechtigten Eltern bzw. der Beklagte als Vormund erklären dann zu diesem Vorgehen jeweils ihr Einverständnis. Diese, den praktischen Bedürfnissen der Pflegeeltern, die sicherlich ungern Rechtsbeziehungen zu den Personensorgeberechtigten Eltern der Pflegekinder aufnehmen wollen, Rechnung tragende Vorgehensweise mag man am ehesten als konkludenten Vertragsabschluss zwischen den Personensorgeberechtigten und den Pflegeeltern, die durch den ASF vertreten werden, ansehen (in diesem Sinne wohl auch OLG Hamm, Urteil vom 11.08.1989 - 26 U 54/89 -, FamRZ 1990, 401).
Da Pflegeeltern eigene Rechtspositionen in dem staatlichen Regelungsgefüge der Inpflegegabe nicht haben, vermögen sie Rechtsschutz gegen die Herausnahme von Pflegekindern aus ihrer Betreuung allein nach § 1632 Abs. 4 BGB durch Erlass einer Verbleibensanordnung zu erlangen (vgl. Fischer in: Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Auflage, § 33 Rn. 22). Diesen Rechtsschutz hat die Klägerin erhalten. Ein weitergehender öffentlich-rechtlicher Rechtsschutz steht ihr in Bezug auf den Akt der Herausnahme selbst nicht zu.
Wie in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist, möchte sich die Klägerin nicht nur gegen den Akt der Herausnahme der Kinder wenden, sondern auch gegen die Art und Weise, wie der Beklagte dabei vorgegangen ist. Insbesondere den Umstand, dass durch die Anwesenheit von Polizei bei Nachbarn und Anderen der Eindruck entstanden sein könnte, sie habe mit den Kindern etwas Unrechtes getan, hält sie für diskriminierend. Indes ist der Beklagte für dieses Begehren nicht passiv legitimiert. Zwar hat er die Polizei am 14. April 2010 um Amtshilfe gebeten. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist für die Durchführung der Amtshilfe - und darum ist es der Klägerin mit ihrem Begehren zu tun - jedoch die ersuchte Behörde verantwortlich; das ist hier die Polizei, nicht der Beklagte.
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist das Gericht darauf hin, dass dem Verhalten der Polizei sowohl in dem von den Pflegekindern der Klägerin besuchten Kindergarten als auch vor deren Wohnung nicht der Charakter eines - mit Rechtsbehelfen angreifbaren - Eingriffs zukommen dürfte.
Eine faktische Beeinträchtigung, wie sie hier von der Klägerin durch die Polizeipräsenz gerügt wird, stellt nur dann einen Grundrechtseingriff dar, wenn sie nicht nur geringfügig ist und die Ausübung von Grundrechten beeinträchtigt (vgl. zu dieser insbesondere im Versammlungsrecht auftretenden Problematik (Depenheuer in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8, Rn. 125; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl., Art. 8 Rn. 13 ). Die Beurteilung der Polizeipräsenz muss deshalb von deren Wirkung auf den jeweiligen Grundrechtsträger, hier die Klägerin, ausgehen. Hier war das Auftreten der Polizei unabhängig von der Frage, ob für deren Hinzuziehung Anlass bestand, charakterisiert durch ein nichteingreifendes Begleiten der gesamten Herausnahme der Kinder sowohl im Kindergarten als auch vor dem Haus der Klägerin. Die polizeiliche Präsenz, zu der, wie hier, auch Streifenfahrten und -gänge gehören, ist ein in aller Regel nichteingreifendes Verhalten im Vorfeld von Gefahren und Straftaten, das die Vorbereitung der Aufgabenerfüllung bezweckt bzw. eine wirksame Aufgabenerfüllung erst ermöglicht (Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. F Rn. 15). Sie hat keinen Eingriffsgehalt und dient nur der vorsorglichen Absicherung bestimmter Rechtspositionen, hier des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Personensorgeberechtigten. Wenn überhaupt Grundrechte der Klägerin, etwa aus Art. 2 Abs. 1 GG, berührt sein sollten, sind sie nur geringfügig beeinträchtigt. Die Klägerin war zudem zu keiner Zeit gehindert, ihre Grundrechte auszuüben. Das Verhalten der Polizei hat damit zu einer Beeinträchtigung von Rechten der Klägerin nicht geführt.
Abschließend bemerkt die Kammer, dass der 1. Kreisrat des Beklagten der Klägerin für die Art und Weise des Vorgehens seines Jugendamtes sowohl im Vorfeld der Herausnahme (unterbliebene Anhörung) wie auch bei der Herausnahme selbst (Anforderung von Amtshilfe durch die Polizei) eine förmliche Entschuldigung angeboten hat. Sollte sich die Klägerin durch das Verhalten des Beklagten diskriminiert gefühlt haben, hat sie hierdurch Genugtuung erfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Kammer lässt die Berufung gegen diese Entscheidung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu, weil der Frage, welchen Rechtscharakter die Herausnahme von Kindern aus Pflegefamilien hat, grundsätzliche Bedeutung zukommt.