Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 12.05.2005, Az.: 1 W 36/05
Befreiung eines Kommanditisten von seiner (Haft-)Einlageverpflichtung nach dem Prinzip effektiver Kapitalaufbringung; Aufrechnung mit einer Kaufpreisforderung; Gründung einer Kommanditgesellschaft (KG); Haftung des Kommanditisten; Antrag auf Prozesskostenhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 12.05.2005
- Aktenzeichen
- 1 W 36/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 31650
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2005:0512.1W36.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 18.03.2005 - AZ. 3 O 305/05
Rechtsgrundlagen
- § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO
- § 171 HGB
- § 176 HGB
- § 94 InsO
- § 116 ZPO
Fundstellen
- KSI 2005, 76
- OLGReport Gerichtsort 2006, 493-495
- ZInsO 2005, 826-827 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die Aufrechnung mit einer Kaufpreisforderung befreit den Kommanditisten von seiner (Haft-)Einlageverpflichtung nach dem Prinzip effektiver Kapitalaufbringung nur, soweit die Gegenforderung des Kommanditisten (zumindest) dem objektiven Wert der Kaufsache entspricht und die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung auch noch im Zeitpunkt der Aufrechnung werthaltig ist. Letzteres ist anhand der im Aufrechnungszeitpunkt aktuellen Vermögenslage der Gesellschaft festzustellen.
In der Beschwerdesache
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter
am 12. Mai 2005
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 18.3.2005 geändert.
Dem Kläger wird unter eigener Beiordnung als Rechtsanwalt Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D ... GmbH & Co. KG Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er gegen den Antragsgegner ausstehende Kommanditeinlage in Höhe eines Betrages von 10.000 EUR geltend machen will. Der Antragsgegner hat nach Insolvenzantragstellung mit Gegenansprüchen in Höhe von 41.377,47 EUR aus Schlachtschweinelieferungen die Aufrechnung erklärt und meint, durch die Aufrechnung sei er von seiner Einlageverpflichtung befreit worden.
Das Landgericht hat dem Antragsteller die begehrte Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung verweigert.
Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde; das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverfolgung kann nicht von vornherein die Erfolgsaussicht abgesprochen werden.
Der Antragsteller hat den geltend gemachten Zahlungsanspruch gegen den Antragsgegner aus einer noch offenen, restlichen Hafteinlage nach § 171 Abs. 1 HGB schlüssig dargelegt, wobei er nach § 171 Abs. 2 HGB als Insolvenzverwalter befugt ist, diesen Anspruch für die Gesellschaftsgläubiger geltend zu machen.
Unabhängig von einem nicht vorliegenden, eventuell nicht vorhandenen schriftlichen Gesellschaftsvertrag ist eine KG jedenfalls von der persönlich haftenden Gesellschafterin und zumindest einem Teil der ursprünglich vorgesehenen Kommanditisten durch entsprechende Vereinbarung gegründet und ihre Eintragung ins Handelsregister bewirkt worden; die KG hat auch die vorgesehene Geschäftstätigkeit aufgenommen. Der als Kommanditist vorgesehene Antragsgegner hat, soweit ersichtlich, seinen Beitritt zur KG durch die vorliegende schriftliche Beitrittserklärung vom 17.3.2004 wirksam erklärt. Dass der Antragsgegner nicht als Kommanditist ins Handelsregister eingetragen worden ist, dürfte für die hier relevante Haftung des Antragsgegners keine Auswirkung haben. Die fehlende Eintragung könnte allenfalls nach § 176 HGB eine unbeschränkte Haftung des Antragsgegners zur Folge haben. Eine solche Haftung des Kommanditisten wird jedoch von der ganz h. M. wegen der Erkennbarkeit der Haftungsbeschränkung bei einer GmbH und Co KG, wie sie hier vorliegt, verneint (vgl. statt vieler Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., Anh. § 177a, Rdnr.19).
Die gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft maßgebende Hafteinlage, die sich bei einer trotz fehlender Handelsregistereintragung anzunehmenden beschränkten Haftung des Kommanditisten nach der Haftsumme im Gesellschaftsvertrag bestimmt (vgl. BGH DB 1977, 1250; Baumbach/Hopt, § 176 HGB, Rdnr.4), hat der Antragsgegner nach dem bisher ersichtlichen Sachverhalt nur teilweise in effektiver, werthaltiger Weise geleistet, und zwar lediglich in Höhe seiner unstreitig erbrachten Einlagezahlung von 15.000 EUR. Es bleibt danach von der übernommenen Kommanditeinlage von 25.000 EUR ein Restbetrag von 10.000 EUR.
Soweit nach der vorliegenden schriftlichen Beitrittserklärung vom 17.3.2004 vorgesehen war, dass die restliche Hafteinlage durch einen Abzug von jeweils 5 EUR für jedes vom Antragsgegner gelieferte Mastschwein und eine entsprechende Verbuchung dieses Betrages auf dem Kapitalkonto des Antragsgegners erbracht werden sollte, hätte eine entsprechende haftungsbefreiende Wirkung für den Antragsgegner allenfalls bei tatsächlicher Vornahme des vereinbarten Abzugs mit einer entsprechenden Verbuchung eintreten können. Ein solcher verbuchter Abzug ist jedoch nicht ersichtlich und insbesondere auch nicht vom Antragsgegner dargelegt worden. Auch die vorgelegten Gutschriften über die von ihm vorgetragenen Schweinelieferungen lassen einen entsprechenden Abzug nebst Verbuchung nicht erkennen. Es käme insoweit allein noch eine Verrechnung bzw. Aufrechnung seitens des Antragsgegners in Betracht, die dieser - allerdings in einem noch weitergehenden Umfang - auch geltend gemacht hat.
Die vom Antragsgegner mit Schreiben vom 26.11.2004 erklärte Aufrechnung mit Kaufpreisansprüchen aus Schlachtschweinelieferungen in voller Höhe von 41.377,47 EUR hat - soweit bisher ersichtlich - jedoch keine haftungsbefreiende Wirkung.
Zwar liegen - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - die Voraussetzungen einer Aufrechnung nach§ 387 BGB und ihrer insolvenzrechtlichen Wirksamkeit nach § 94 InsO vor. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Aufrechnung, die nach dem in der gutachterlichen Stellungnahme vom 8.12.2004 dargestellten Verfahrensablauf offensichtlich erst nach Insolvenzantragstellung erfolgte, eine gesellschaftsrechtlich wirksame Aufbringung der restlichen Hafteinlage darstellte. Nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 8.7.1985 (BGHZ 95, 188, 194 ff.) geht die Rechtsprechung und h.M. davon aus, dass im Verhältnis zu den Gläubigern für die Erfüllung der Hafteinlage seitens des Kommanditisten das Prinzip effektiver Kapitalaufbringung gilt und eine tatsächliche Wertzuführung erforderlich ist (vgl. OLG Köln NJWRR 1994, 869; Baumbach/Hopt, 171 HGB, Rdnr.6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 171, Rdnr. 48; Koller/Roth/Morck, HGB, 3. Aufl. §§ 171, 172, Rdnr. 15; MKHGB/K.Schmidt, § 171, Rdnr. 59; Röhricht/v.Westphalen/v.Gerkan, HGB, 2. Aufl., § 171, Rdnr. 49, jeweils m.w.N.). Hierauf weist der Antragsteller zutreffend hin.
Die für die Haftungsbefreiung des Kommanditisten erforderliche tatsächliche Wertzuführung durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegen die Gesellschaft setzt zunächst voraus, dass der Gegenforderung des Kommanditisten aus einer werthaltigen Leistung resultiert; die Aufrechnung mit einer Kaufpreisforderung ist danach nur in Höhe des objektiven Wertes der Kaufsache mit haftungsbefreiender Wirkung möglich. Zum anderen muss die zur Aufrechnung gestellte Forderung auch noch im Zeitpunkt der Aufrechnung werthaltig sein, was anhand der zu diesem Zeitpunkt aktuellen Vermögenslage der Gesellschaft festzustellen ist (vgl. BGH, a.a.O.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O.). Dabei ist es Sache des Kommanditisten, die Werthaltigkeit seiner Leistung bzw. hier seiner zur Aufrechnung gestellten Forderung (für den entscheidenden Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung) darzulegen und zu beweisen (vgl. BGHZ 109, 334, 343; Baumbach/Hopt, a.a.O., Rdnr. 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O., Rdnr. 49).
Nach den Feststellungen in der gutachterlichen Stellungnahme vom 8.12.2004, die der Antragsteller gegenüber dem Insolvenzgericht abgegeben hat und die die Vermögenslage der KG nur wenige Tage nach der Aufrechnungserklärung beschreibt, war die KG zum damaligen Zeitpunkt zahlungsunfähig und überschuldet. Nach der dargestellten Vermögenslage konnte der Antragsgegner auf seine Kaufpreisforderungen allenfalls noch eine marginale Insolvenzquote erwarten. Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen waren danach nicht oder allenfalls noch zu einem sehr geringen Teil werthaltig. Dass insoweit etwas anderes gilt, hat der Antragsgegner nicht dargelegt und erst recht nicht unter Beweis gestellt; es ist bisher auch nicht erkennbar, dass ihm der Beweis der Werthaltigkeit der Forderung gelingen könnte.
Nach bisherigem Sachstand kann danach von einer wertzuführenden und damit haftungsbefreienden Aufrechnung des Antragsgegners nicht ausgegangen werden. Gegenüber den Gläubigern der KG dürfte danach die Kommanditistenhaftung des Antragsgegners in Höhe des Restbetrags von 10.000 EUR fortbestehen.
Die beabsichtigte Klage des Antragstellers bietet mithin hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Auch die vermögensmäßigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antragsteller als Insolvenzverwalter nach § 116 ZPO liegen vor.
Der Antragsteller hat hinreichend dargetan, dass die Kosten der Prozessführung aus dem zur Zeit zur Verfügung stehenden Barbestand und dem in absehbarer Zeit zu realisierenden Vermögen der Insolvenzmasse - jedenfalls unter Berücksichtigung der abzuziehenden Verfahrenskosten - nicht aufgebracht werden können.
Auch eine zumutbare Aufbringung der Prozesskosten durch die wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubiger ist im vorliegenden Fall zu verneinen. Die Heranziehung von Arbeitnehmern, Trägern der Sozialverwaltung und von hierüberwiegend vorhandenen Kleingläubigern (mit Ansprüchen von bis ca. 5.000 EUR) scheidet nach der Rechtsprechung grundsätzlich aus (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 116, Rdnr.7 ff.). Den verbleibenden Gläubigern ist im Hinblick auf eine nur zu erwartende geringfügige Quotenverbesserung eine Finanzierung des Prozesses ebenfalls nicht zuzumuten.
Die Beschwerde des Antragstellers hat nach alledem Erfolg.
Der Ausspruch über den Ausschluss der Kostenerstattung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.