Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.08.2013, Az.: 2 U 29/13

Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskehrung restlichen Werklohns bei unwirksamer Geltendmachung eines Sicherheitseinbehalts durch den Beklagten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.08.2013
Aktenzeichen
2 U 29/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 45434
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2013:0827.2U29.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 12.03.2013 - AZ: 15 O 3060/12

Fundstellen

  • BauR 2014, 269-271
  • IBR 2014, 84
  • NJW-RR 2013, 1486-1487
  • NZBau 2013, 705-706

In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt D ... H .... , ..................., .... E ..... ,
in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der
L .... F .... GmbH & Co. KG,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte A ..... & Partner, ....................., ..... E ...... ,
Geschäftszeichen: ..........................
gegen
g .... G ... - und P ............ GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Dipl.-Ingenieure R .... E ..... und W ...... G ...... , ................., ...... V .... ,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K .... & Partner, ..................., .... D ..... ,
Geschäftszeichen: ........................
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 20.08.2013
durch
den ..............................
sowie die ..................... und ............
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.03.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg wird folgt abgeändert:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.412,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.03.2010 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

  5. 5.

    Der Streitwert wird auf 10.412,17 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Rechtsstreites sind restliche Werklohnansprüche, welche der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma L .... F .... GmbH & Co. KG gegenüber der Beklagten geltend macht. Die Ansprüche in Höhe von insgesamt 10.412,17 Euro resultieren aus zwei unter Vereinbarung der ...... 2006 zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten geschlossenen Bauverträgen betreffend Arbeiten an einem A ....-Markt sowie einem ....-Markt im Neubau des ... E .... in W ..... Die Höhe des jeweils ausstehenden Werklohns entspricht dem zwischen den damaligen Vertragspartnern in zwei insoweit inhaltlich gleichlautenden Verträgen vereinbarten 5 %igen Sicherheitseinbehalt.

Die Verträge enthalten unter Ziffer 7. - "Zahlungsbedingungen/Bürgschaften, Versicherungen" - u.a. jeweils folgende Regelungen:

"Die Prüfung der Schlussrechnung erfolgt nach Abnahme der gesamten mängelfreien Leistung. Die festgestellte Rechnungssumme einschließlich Mehrwertsteuer wird zu 95 % ausbezahlt. Die Ausbezahlung des 5 %igen Sicherheitseinbehaltes erfolgt nur gegen Vorlage einer unbefristeten Bankbürgschaft einer anerkannten deutschen Bank oder Versicherung und mängelfreier Abnahme der Gesamtbaumaßnahme durch den Bauherrn."

Unter Ziffer 8. - "Abnahmen/Gewährleistung" - findet sich u. a. folgende Regelung:

"Vom AG wird eine förmliche Abnahme gefordert. Sie kann nicht ersetzt werden durch eine andere Art der Abnahme, insbesondere nicht durch Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung oder durch die Benutzung.

Die Abnahme der vollständigen Leistungen des AN durch den AG erfolgen grundsätzlich mit Abnahme und Übergabe des gesamten Bauobjektes durch bzw. an den Bauherrn."

Der Kläger sieht die vertraglichen Vereinbarungen, nach welchen die Auskehrung des Sicherheitseinbehaltes u. a. an eine Abnahme der Gesamtbaumaßnahme durch den Bauherrn geknüpft ist, als unwirksam an und hat deshalb den Kürzungen der jeweiligen Schlussrechnungen durch die Beklagte um den Gewährleistungseinbehalt mit Schreiben vom 15.02.2010 widersprochen. Die Beklagte sieht die vertragliche Vereinbarung als wirksam an. Sie hat mit Schreiben vom 25.03.2010 sämtliche Zahlungen ernsthaft und endgültig verweigert.

Mit am 12.03.2013 verkündetem Urteil hat das Landgericht Oldenburg die Klage abgewiesen.

In seiner Begründung hat es ausgeführt, dass die unter Ziffer 7. der jeweiligen Verträge befindliche Klausel, bei welcher es sich unstreitig um AGB handele, einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB standhalte. Der Auftragnehmer werde durch diese Klauseln nicht unangemessen benachteiligt, da es nach wie vor in seiner Hand liege, die Voraussetzungen für eine Auskehrung des Sicherheitseinbehaltes durch eine Abnahme herbeizuführen. Die Klausel sei im Zusammenspiel mit Ziffer 8. der Verträge dahingehend zu verstehen, dass die Abnahme nur grundsätzlich, nicht jedoch zwingend mit einer Abnahme des Gesamtbauobjektes durch den Bauherrn einhergehe. Es sei der Auftragnehmerin deshalb unbenommen gewesen, eine frühzeitigere förmliche Abnahme herbeizuführen.

Abgesehen davon bestehe der Anspruch auch bei Unwirksamkeit der fraglichen Klauseln nicht. In diesem Falle seien die Abreden im Wege ergänzender Vertragsauslegung nämlich dahingehend umzudeuten, dass der Sicherungseinbehalt jedenfalls nicht vor Ablauf von fünf Jahren ab Fertigstellung und Übergabe des Gewerks an den Auftraggeber gefordert werden könne. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei zulässig, da erkennbar sei, welche Regelung die Parteien getroffen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit bekannt gewesen wäre.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages sowie der landgerichtlichen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er ist der Auffassung, die vertraglichen Regelungen unter Ziffer 7. und 8. seien jeweils getrennt auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Im Übrigen erweise sich die unter Ziffer 7. getroffene Regelung selbst im Falle einer Interpretation unter Hinzuziehung von Ziffer 8. zumindest als intransparent und damit als unwirksam wegen Verstoßes gegen § 305c BGB. Auch sei eine Aufrechterhaltung der Klausel mit angepasstem Inhalt unzulässig, da es sich hierbei um eine geltungserhaltene Reduktion handele.

Er beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an den Kläger 10.412,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.03.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

II.

Die Berufung ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Auskehrung des restlichen Werklohnes zu, da die Beklagte keinen Sicherheitseinbehalt geltend machen kann. Die in den Verträgen getroffene Vereinbarung, nach welcher ein 5 %iger Sicherheitseinbehalt beansprucht werden kann, welcher nur gegen Vorlage einer unbefristeten Bankbürgschaft und nach mängelfreier Abnahme der Gesamtbaumaßnahme wieder auszukehren ist, ist unwirksam. Bei den in Rede stehenden Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Werkunternehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Die Vereinbarung eines Sicherheitseinbehaltes von 5 % in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in einen Vertrag über Bauleistungen einbezogen sind, führt nur dann nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Werkunternehmers, wenn ein fairer Ausgleich dafür vorgesehen ist, dass er den Werklohn nicht sofort ausbezahlt erhält, das Bonitätsrisiko des Bestellers für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen muss und ihm die Verzinsung des Werklohns vorenthalten wird. Ein solcher Ausgleich kann dadurch geschaffen werden, dass dem Werkunternehmer das Recht eingeräumt wird, den Sicherheitseinbehalt durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft abzulösen (vgl. BGHZ 181, 278). Wenn dieses Recht zur Ablösung durch eine Bürgschaft aber wiederum dadurch über einen unter Umständen langen Zeitraum vereitelt wird, dass es an den durch den Werkunternehmer nicht beeinflussbaren Zeitpunkt der Abnahme des Gesamtbauvorhabens durch den Bauherrn geknüpft wird, kann die Möglichkeit einer Bürgschaftsgestellung ihre Ausgleichsfunktion nicht mehr in hinreichendem Maße erfüllen. Der Unternehmer hat auf die Faktoren, welche eine Fertigstellung des Gesamtbauvorhabens und dessen mängelfreie Abnahme verzögern können, keinen ausreichenden Einfluss (vgl. OLG Celle, Urteil vom 13.08.2000, 13 U 86/2000).

So verhält es sich auch im vorliegenden Falle. Nach Ziffer 7. der Vertragsbedingungen ist eine Ablösung des Sicherheitseinbehaltes eindeutig nur gegen Vorlage einer Bürgschaft nach mängelfreier Abnahme der

Gesamtbaumaßnahme durch den Bauherrn möglich. Einschränkungen hinsichtlich Art und Umfang der Abnahme enthält diese Regelung nicht. Solche ergeben sich auch nicht aus der Verwendung des ohnedies uneindeutigen Begriffs "grundsätzlich" in Ziffer 8. des Vertrages. Der Wortlaut von Ziffer 7. ist nicht interpretationsfähig.

Dies hat zur Folge, dass die vertragliche Vereinbarung eines Sicherheitseinbehaltes insgesamt unwirksam ist. Die Klausel ist insoweit nicht teilbar, weil sie als konzeptionelle Einheit zu verstehen ist. Zwischen der Einräumung des Sicherheitseinbehaltes und der Möglichkeit zu dessen Ablösung durch eine Bürgschaft besteht ein unauflösbarer wechselseitiger Bezug (vgl. BGHZ 181, 278).

Die Vereinbarung des Sicherheitseinbehaltes kann auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung teilweise aufrechterhalten werden. Die - zulässige - ergänzende Vertragsauslegung muss von der - unzulässigen -geltungserhaltenen Reduktion unterschieden werden. Die Reduktion führt dazu, dass einer unangemessenen Klausel im Wege der Auslegung ein noch angemessener Inhalt beigelegt wird, die ergänzende Vertragsauslegung soll demgegenüber eine Lücke im Vertragsgefüge schließen, die durch den Wegfall der unwirksamen Klausel entsteht (vgl. BGH VIII ZR 23/12). Schon von daher bestehen Bedenken dagegen, die Vereinbarung insoweit aufrechtzuerhalten, als der Beklagten ein zeitlich begrenzter Sicherheitseinbehalt zugebilligt wird. Mangels Teilbarkeit entfällt nicht nur die Regelung über die Ablösung des Sicherheitseinbehaltes, sondern auch diejenige des Sicherheitseinbehaltes selbst. Die hierdurch entstandene Lücke ist grundsätzlich unter Heranziehung der allgemeinen Vorschriften zu schließen, die einen Sicherungseinbehalt nicht vorsehen. Eine Aufrechterhaltung des Sicherheitseinbehaltes unter modifizierten Bedingungen stellt sich als geltungserhaltene Reduktion, nicht jedoch als ergänzende Vertragsauslegung dar. Abgesehen davon kommt eine ergänzende Vertragsauslegung aber auch nur dann in Betracht, wenn ersichtlich ist, worauf sich die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Klausel geeinigt hätten (vgl. BGH NJW-RR 2005, 458 [BGH 09.12.2004 - VII ZR 265/03]). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach der vertraglichen Regelung war die Auszahlung des Schlussrechnungsbetrages ohnedies von einer vorangegangenen Abnahme, die gemäß Ziffer 8. zumindest grundsätzlich mit der Abnahme durch den Bauherrn zusammenfallen sollte, abhängig. Die Ablösung des Sicherheitseinbehaltes durch Vorlage einer Bürgschaftserklärung wurde an weitere, darüber hinausgehende Voraussetzungen geknüpft. Welche Alternativen insoweit von den Parteien hätten vereinbart werden können, ist nicht ohne weiteres ersichtlich.

Der Kläger hat mithin Anspruch auf Auszahlung des einbehaltenen Restwerklohnes. Mit Rücksicht auf ihre endgültige Zahlungsverweigerung ist die Beklagte am 25.03.2010 gemäß § 286 Abs. 2 Ziffer 3 BGB in Verzug geraten. Gemäß § 288 Abs. 2 BGB ist die Geldschuld mit 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziffer 10, 711 und 713 ZPO.