Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 04.03.1994, Az.: 6 B 8/94
Zahlungen von Leistungen in Form von Wertgutscheinen; Kürzung von der Auszahlung von Leistungen; Verpflichtung zur Ausreise; Vorhandensein der erforderlichen Reisedokumente
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 04.03.1994
- Aktenzeichen
- 6 B 8/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 11108
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:1994:0304.6B8.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO
- § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG
- § 3 Abs. 1 S. 4 AsylbLG
- § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG
Fundstellen
- NVwZ 1994, 39-40
- NVwZ (Beilage) 1994, 39-40 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Sozialhilfe
Prozessführer
1. des Herrn ...,
2. der Frau ...,
3. ...,
4. ..., vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2.,
5. ..., vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2.,
6. ..., vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2.,
7. ..., vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2.,
8. ..., vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2.,
9. ..., und ... vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2.,
10. ..., vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2.,
Prozessgegner
Stadt ...
In der Verwaltungsrechtsache
hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg
am 4. März 1994 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragsteller haben die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes.
Die Antragsteller sind libanesische Staatsangehörige. Sie reisten am 9. August 1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 14. August 1990 die Anerkennung als Asylberechtigte. Dabei gaben die Antragsteller zu 1. und 2., die auch für ihre Kinder die Gewährung von Asyl beantragten, vor der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt Braunschweig an, ihre Reisedokumente verloren zu haben. Diese Angaben wiederholten sie bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 15. August 1990. Dort erklärten sie, mit dem eigenen Paß ausgereist zu sein, ihn jedoch entweder kurz vor der deutschen Grenze oder innerhalb Deutschlands verloren zu haben.
Mit Bescheid vom 17. August 1990 wurden die Antragsteller zur Unterbringung in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin zugewiesen.
Die Anträge der Antragsteller auf Anerkennung als Asylberechtigte wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. September 1990 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Diese Bescheide wurden dem Antragsteller zu 1. am 5. Oktober, den Antragstellern zu 3. bis 10. am 6. Oktober und der Antragsteller in zu 2. am 12. Oktober 1990 über die Antragsgegnerin zugestellt. Den Bescheiden war ein Schreiben der Antragsgegnerin beigefügt, in denen darauf hingewiesen wurde, daß die Antragsteller nunmehr zur Ausreise verpflichtet seien, bedingt durch den seinerzeit bestehenden Abschiebestopp für libanesische Staatsangehörige werde jedoch von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorerst abgesehen. Für die Zeit vom 29. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 wurde den Antragstellern zu 1. und 2. eine Duldung erteilt. Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 12. August 1991 wurden die Antragsteller zu 1. und 2. davon unterrichtet, daß der für den Libanon bestehende Abschiebestopp nunmehr ausgelaufen und beabsichtigt sei, sie zur Ausreise aufzufordern, eine Ausreisefrist zu setzen und im Falle nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung anzudrohen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, daß beabsichtigt sei, den Aufenthalt ihrer minderjährigen Kinder ebenfalls zu beenden. Schließlich wurden die Antragsteller zu 1. und 2. mit Bescheid vom 28. August 1991 und der Antragsteller zu 3. mit Bescheid vom 25. September 1991 zur Ausreise aufgefordert. Zur freiwilligen Ausreise wurde den Antragstellern zu 1. bis 3. eine Frist bis zum 31. Oktober 1991 gesetzt. Die Antragsteller zu 4. bis 10. erhielten keine entsprechenden Bescheide.
Nachdem die Versuche der Antragsgegnerin, die Antragsteller dazu zu bewegen, sich mit Nachdruck um die Beschaffung von Reisepapieren zu bemühen, erfolglos geblieben waren, bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern zu 1. und 2. und zu 4. bis 10. mit Bescheid vom 16. Dezember 1993 (vom Antragsteller zu 1. persönlich in Empfang genommen am 17. Dezember 1993) beginnend mit dem 1. Dezember 1993 Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG in Form von Wertgutscheinen und lediglich den in § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG vorgesehenen Anteil als Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens. Die Auszahlung der Leistungen sollte außerdem "in Anlehnung" an § 120 BSHG wöchentlich erfolgen. Gleichzeitig wurde für den Fall, daß bis zum 10. Januar 1994 keine Nachweise über die Bemühungen der Antragsteller um die Beschaffung von Auszügen aus dem Standesregister im Libanon vorlägen, eine Kürzung der Leistungen um 25 % und bei weiterer Weigerung eine Versagung der Leistungen ab dem 1. Februar 1994 angekündigt. Entsprechende Regelungen enthielt ein an den Antragsteller zu 3. gerichteter Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 1993.
Hiergegen erhoben die Antragsteller unter dem 17. Januar 1994 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Am 26. Januar 1994 haben die Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.
Sie machen geltend:
Ihrer Ausreise stünden Gründe entgegen, die sie nicht jeder in eigener Person zu vertreten hätten, weil die libanesische Botschaft ihnen keine zur Rückreise in ihr Heimatland geeigneten Papiere ausstelle. Zudem sei nicht einsichtig, warum die Antragsteller zu 3. bis 10. für ein Verhalten ihrer Eltern einstehen müßten.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, ihnen Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nachdem sie mit Bescheiden vom 9. Februar 1994 die Bewilligungsbescheide vom 16. und 17. Dezember 1993 hinsichtlich der angekündigten Kürzung und wöchentlichen Auszahlung der Leistungen aufgehoben hat, weist sie im übrigen darauf hin, daß die Antragsteller nicht mehr über eine Duldung verfügten.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen oder drohender Gefahr oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt neben einer besonderen Eilbedürfigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) voraus, daß der Rechtsschutzsuchende mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Regelung hat (Anordnungsanspruch).
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn zumindest wahrscheinlich ist, daß der geltend gemachte materielle Anspruch, falls er in einem Hauptsacheverfahren vor Gericht weiterverfolgt wird, durchgesetzt werden könnte. Daran fehlt es hier. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 2 AsylbLG in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes.
Die Antragsteller gehören zu den nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG nach diesem Gesetz Leistungsberechtigten. Die Asylanträge der Antragsteller sind mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. September 1991 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Nach dem Auslaufen der Geltungsdauer des für den Libanon ausgesprochenen Abschiebestopps ist den Antragstellern zu 1. bis 3. gegenüber eine mit der Ausreiseaufforderung verbundene Abschiebungsandrohung ergangen, die auch bestandskräftig geworden ist. Auch die in dem Bescheid eingeräumte Frist zur freiwilligen Ausreise ist erfolglos abgelaufen. Somit ist die Ausreiseverpflichtung der Antragsteller zu 1. bis 3. vollziehbar geworden (§ 42 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 AuslG). Der Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht läßt sich im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nach dem Asylverfahrensgesetz in der Regel nicht der allgemeinen Bestimmung des § 42 Abs. 2 AuslG entnehmen. Diese greift ein, wenn der Ausländer bei Erlaß der Abschiebungsandrohung eine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Denn der Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung schließt das Entstehen der asylverfahrensrechtlichen Ausreisepflicht aus (vgl. dazu Kanein/Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 5. Aufl. 1992, § 11 AsylVfG Rdnr. 12, betreffend das hier anwendbare Asylverfahrensgesetz 1991). Deshalb setzt die Wirksamkeit der Ausreiseverpflichtung, für die vorliegend nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG 1993, § 87 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG 1992 das Asylverfahrensgesetz 1991 maßgeblich ist, die Zustellung des ausländerbehördlichen Bescheides voraus, in dem durch die Ausländerbehörde das Fehlen von Bleiberechten festgestellt worden ist. Das gilt, obwohl sich die Ausreiseverpflichtung bei der Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach § 11 Abs. 1 AsylVfG 1982 bereits aus dem Gesetz ergibt (vgl. dazu Kanein/Renner, a.a.O., § 11 AsylVfG Rdnr. 11 ff.; § 10 AsylVfG Rdnr. 12 ff.).
Gegenüber den Antragstellern zu 4. bis 10. ist keine mit der Ausreiseaufforderung verbundene Abschiebungsandrohung ergangen. Die vollziehbare Verpflichtung zur Ausreise folgt für sie jedoch bereits aus § 42 Abs. 2 Nr. 3 AuslG unmittelbar. Bei der Einreise der Antragsteller zu 4. bis 10 in die Bundesrepublik Deutschland am 9. August 1990 war das Ausländergesetz 1990 gemäß Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I, S. 1354, 1387) noch nicht in Kraft getreten. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1965 bedurften die Antragsteller zu 3. bis 10., die seinerzeit alle das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, keiner Aufenthaltserlaubnis. Nach § 96 Abs. 2 AuslG 1990 wirkte die Befreiung vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung und damit der rechtmäßige Aufenthalt kraft Gesetzes bis zur vorherigen Vollendung des 16. Lebensjahres oder bis zur vorherigen Bescheidung eines Antrags auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1991, fort (vgl. dazu Kanein/Renner, a.a.O., § 97 Rdnr. 4). Somit endete der berechtigte Aufenthalt der Antragsteller zu 4. bis 10. mit Ablauf des 31. Dezember 1991, da sie nicht innerhalb der vorgesehenen Frist die erstmalige Erteilung der erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung beantragt hatten und die gesetzliche Antragsfrist abgelaufen war. Damit waren die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Nr. 3 AuslG unmittelbar gegeben.
Im Falle der Antragsteller, die somit alle vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind, ist nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG abweichend von den §§ 3 bis 7 dieses Gesetzes das Bundessozialhilfegesetz entsprechend anzuwenden. Die Antragsteller werden gegenwärtig nicht abgeschoben, weil sie nicht im Besitz der erforderlichen Reisedokumente sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG werden Leistungen entsprechend den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes an Personen erbracht, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind und eine Duldung erhalten haben, weil ihrer freiwilligen Ausreise und ihrer Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil die Antragsteller nicht im Besitz einer Duldung sind. Auch wenn sie gegenwärtig nicht abgeschoben werden, weil sie nicht über die erforderlichen Reisepapiere verfügen, entspricht das noch nicht einer Duldung im Sinne des § 55 AuslG. Das Erfordernis der "Erteilung" einer Duldung folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut, in dem nicht lediglich auf Leistungsberechtigte abgestellt wird, die geduldet sind, sondern auf solche, die eine Duldung "erhalten" haben. Für diese Auslegung spricht im übrigen folgendes: Obschon die Duldung die Ausreisepflicht gemäß § 56 Abs. 1 AuslG bestehen läßt, sichert sie die ausländerrechtliche Position des Betroffenen insoweit, als er für die Dauer der Duldung nicht mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen muß, weil die Vollziehung der Ausreiseverpflichtung förmlich ausgesetzt ist. Demgegenüber muß derjenige, der nicht über eine derartige förmliche Aussetzung verfügt, grundsätzlich jederzeit mit der Abschiebung rechnen. Wegen der unmittelbar drohenden Abschiebung bedarf dieser Personenkreis nicht der durch § 2 AsylbLG erstrebten Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse.
Zudem ist eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG auf die Antragsteller deshalb ausgeschlossen, weil ihrer Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die sie zu vertreten haben. Dabei kann nach Auffassung der Kammer dahingestellt bleiben, ob die Antragsteller tatsächlich alles ihnen Zumutbare unternommen haben, um Reisepapiere zu erhalten. Von einem Vertretenmüssen der Antragsteller für die Unmöglichkeit ihrer Ausreise bzw. ihrer Abschiebung ist hier schon aus anderen Gründen auszugehen. Die Sonderregelung des § 2 AsylbLG beruht auf dem Gedanken, daß bei einem längeren Zeitraum des Aufenthaltes und der wegen der noch nicht erfolgten Entscheidung über den Asylantrag noch nicht absehbaren weiteren Dauer des Aufenthaltes nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden kann, der bei einem in der Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entsteht. Insbesondere sind in derartigen Fällen die Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet sind (vgl. BT-Drucks. 12/5008 S. 15 f.). Entsprechendes gilt auch gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG für Ausländer, die eine Duldung nach § 55 AuslG erhalten haben. Anderes soll jedoch gelten, wenn die Duldung aus Gründen erteilt worden ist, die der Ausländer selbst zu vertreten hat. Denn die leistungsrechtliche Besserstellung soll nicht erfolgen, wenn die zugrunde liegenden Voraussetzungen in der Verantwortungssphäre des Betroffenen liegen (BT-Drucks., a.a.O.). Anderenfalls hätten es die betroffenen Ausländer in der Hand, sich selbst in den Genuß der dem Bundessozialhilfegesetz angeglichenen Leistungen zu bringen. Der Zweck des Asylbewerberleistungsgesetzes, den Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen zu drosseln, indem der finanzielle Anreiz, aus wirtschaftlichen Gründen in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen bzw. zu bleiben, gemindert wird, würde dadurch unterlaufen. Dementsprechend muß aber auch der Verlust von Ausweispapieren als in der Sphäre der Ausländer liegend angesehen werden, sofern keine besonderen anderweitigen Umstände ersichtlich sind (so auch BT-Drucks., a.a.O.; Runderlaß des Ministeriums für Bundesangelegenheiten vom 15.10.1993, Ziff. V 1.2.). Denn dadurch wird die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht wegen der Notwendigkeit, neue Dokumente zu beschaffen, verzögert oder - wie im vorliegenden Fall - jedenfalls vorübergehend unmöglich gemacht. Das Verhalten des Ausländers würde somit auch in einem derartigen Fall zu der Gewährung von Leistungen entsprechend den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes führen können. Gerade das ist aber vom Gesetzgeber nicht gewollt, zumal die Berufung auf den Verlust der Reisedokumente im Asylverfahren sehr häufig erfolgt, um den wahren Reiseweg und damit eventuell verbundene Nachteile im Zusammenhang mit dem Asylverfahrensgesetz zu verschleiern. Daß die Beschaffung neuer Dokumente mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, fällt nach alledem in die Sphäre der Antragsteller und ist damit von ihnen "zu vertreten".
Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht für die Antragsteller zu 3. bis 10., die bei der Einreise noch minderjährig waren und von ihren Eltern, den Antragstellern zu 1. und 2. gesetzlich vertreten wurden. Auch wenn die Antragsteller zu 3. bis 10. nicht selbst für den Verlust der Reisepapiere und damit die Verzögerung bzw. Unmöglichkeit der Durchsetzung der Ausreisepflicht verantwortlich sind, so handelt es sich doch nicht um humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder aber öffentliche Interessen, die ihrer Ausreise entgegenstehen. Vielmehr handelt es sich um andere tatsächliche Gründe, die einen Übergang in das Leistungsrecht der Sozialhilfe nicht als gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. BT-Drucks. 12/4451 S. 7). Die Antragsteller zu 3. bis 10. wurden alle im Asylverfahren und auch bei der Abgabe sonstiger Erklärungen von ihren Eltern, den Antragstellern zu 1. und 2., gesetzlich vertreten. Ebenso wie diese Erklärungen den Antragstellern zu 3. bis 10. zugerechnet werden und sowohl zu ihren Gunsten als auch zu ihren Ungunsten gelten können, muß ihnen das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter bei der Einreise zugerechnet werden. Diese Wertung widerspricht auch nicht dem Grundsatz der individuellen Anspruchsberechtigung. Andere sozialrechtliche Bestimmungen sehen die Berücksichtigung des Verhaltens anderer bei der Gewährung von Leistungen ebenfalls vor. So kann nach § 66 Abs. 1 SGB I auch dann die Leistung wegen fehlender Mitwirkung versagt werden, wenn derjenige, der die Sozialhilfe beantragt hat, seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. In einem solchen Fall kann sich trotz des Grundsatzes der individuellen Anspruchsberechtigung ein Fehlverhalten der Eltern auf den Leistungsanspruch des Kindes auswirken. Hinzu kommt, daß nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eine leistungsrechtliche Gleichbehandlung Familienangehöriger erstrebt ist. Diese Gleichbehandlung ist gemäß § 2 Abs. 2 AsylbLG selbst für die Angehörigen des Asylbewerbers vorgesehen, die nicht vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind. Die Regelung entspricht dem Zweck des Asylbewerberleistungsgesetzes, die für Ausländer bestehenden wirtschaftlichen Anreize eines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland zu vermindern. Unter Berücksichtigung dieser Regelung ist auch hinsichtlich des Vertretenmüssens im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG eine Gleichbehandlung von Eltern und Kindern wegen eines Handelns der Eltern, das auch ihren Kindern zugute kommen kann, geboten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.