Landgericht Hannover
Beschl. v. 06.01.2023, Az.: 71 StVK 134/22
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 06.01.2023
- Aktenzeichen
- 71 StVK 134/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 14885
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2023:0106.71STVK134.22.00
In der Maßregelvollzugssache
des ...
- Antragsteller -
gegen
...
- Antragsgegnerin -
wegen Taschengeld
hat die 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10. Oktober 2022 durch ... am 6. Januar 2023 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 54 Euro.
Gründe
I.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10. Oktober 2022, beim Landgericht Hannover eingegangen am 13. Oktober 2022, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 Abs. 1 StVollzG gestellt. Der Antrag richtet sich gegen die Ablehnung einer Einmalzahlung zu seinem Taschengeld für den Monat Juli 2022. Diese Entscheidung der Antragsgegnerin wurde dem Antragsteller am 5. Oktober 2022 bekannt gegeben.
Der Antragsteller ist im Maßregelvollzug in der Einrichtung der Antragsgegnerin untergebracht. Er erhält ein monatliches Taschengeld gemäß § 11 Nds. MVollzG in Höhe von derzeit 121,23 Euro.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass ihm für den Monat Juli 2022 ein um 54 Euro höheres Taschengeld zusteht. Diese Ansicht stützt er auf eine entsprechende Anwendung von § 144 SGB XII, wonach Leistungsberechtigte nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII für diesen Monat zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Der Antragsteller meint, dass die Berechnungsgrundlage des Taschengeldes § 11 Nds. MVollzG um diese 200 Euro zu erhöhen sei, so dass ihm (mindestens) 27% davon auszuzahlen seien.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG auf die Schreiben des Antragstellers vom 10. Oktober und 14. November 2022 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Oktober 2022 aufzuheben, sie zur Zahlung des Differenzbetrages von 54 Euro zu verpflichten und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, dass der Antragsteller keinen eigenen Anspruch auf Einmalzahlung gemäß § 144 SGB XII habe und die Vorschrift auch nicht zu einer Änderung der Berechnungsgrundlage für den Barbetrag nach § 27b Abs. 2 SGB XII und das danach bemessene Taschengeld gemäß § 11 Nds. MVollzG führe.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Antragsgegnerin wird gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG auf deren Stellungnahme vom 14. Oktober 2022 verwiesen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
Die Regelung des § 144 SGB XII erhöht die Berechnungsgrundlage für das Taschengeld gemäß § 11 Nds. MVollzG nicht. Die Höhe des Taschengeldes richtet sich gemäß § 11 Nds. MVollzG nach dem Barbetrag gemäß 27b Abs. 2 SGB XII, der wiederum nach dem Regelbedarf berechnet wird (§ 27a Abs. 2, § 28 SGB XII). Mit der Einmalzahlung gemäß § 144 SGB XII wurde weder der Barbetrag noch der Regelbedarf erhöht. Die Einmalzahlung stellt nach der Gesetzesbegründung eine "die Regelbedarfe ergänzende Auszahlung" dar (BT-Drs. 20/1411), damit aber eben keine "Erhöhung" der Regelbedarfe. Die Auszahlung erfolgt für Leistungsempfänger nach dem SGB XII auch lediglich "zusammen mit dem Barbetrag" (§ 144 Satz 2 SGB XII), aber eben nicht als Teil des Barbetrages.
Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob § 144 Satz 1 SGB XII eine Anspruchsgrundlage für eine eigenständige einmalige Leistung eigener Art darstellt (so jurisPK-SGB XII /Groth, § 144 Rn. 13) oder keine neue oder zusätzliche Leistung (so BT-Drs. 20/1411, S. 18). Denn in jedem Fall wirkt sie sich nur zu Gunsten der Leistungsempfänger nach dem SGB XII aus. Der Taschengeldanspruch des Antragstellers aus § 11 MVollzG wäre von der Regelung nur dann betroffen, wenn entweder der Barbetrag oder der Regelbedarf erhöht würde. Eine solche Erhöhung ist mit § 144 SGB XII aber gerade nicht angeordnet worden.
Der Antragsteller kann seinen Anspruch auch nicht auf den Gleichheitssatz aus Art. 3 des Grundgesetzes stützen. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Antragsteller als Untergebrachter im Maßregelvollzug in gleicher Weise wie ein Leistungsempfänger nach dem SGB XII auf die Einmalzahlung angewiesen ist, die pandemiebedingte Mehraufwendungen beispielsweise für spezielle Hygieneprodukte und Gesundheitsartikel wie FFP2-Masken ausgleichen soll. Jedenfalls kann er sich als Empfänger des nach niedersächsischem Landesrecht gewährten Taschengeldes nicht auf eine Ungleichbehandlung gegenüber Leistungsempfängern nach dem Bundessozialhilferecht aus dem SGB XII berufen. Denn Art. 3 GG verpflichtet nicht zur Beseitigung einer Ungleichbehandlung durch zwei unterschiedliche Normgeber (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (440), Rn. 83)
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG. Weil der Antrag als unbegründet zurückzuweisen war, hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 60, 52 GKG.