Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Beschl. v. 13.02.2002, Az.: 60 IK 40/00

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Erstellung eines Schuldenbereinigungsplans

Bibliographie

Gericht
AG Oldenburg (Oldenburg)
Datum
13.02.2002
Aktenzeichen
60 IK 40/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28906
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOLDBG:2002:0213.60IK40.00.0A

Fundstellen

  • NZI 2002, 327-328
  • ZInsO 2002, 389-391
  • ZVI 2002, 220-222

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Versagungstatbestände der §§ 290 und 295 InsO konkretisieren die in § 1 S. 2 InsO festgelegten Redlichkeitsanforderungen an den Schuldner als Voraussetzung für die Restschuldbefreiung. Sie beziehen sich aber auf die unterschiedlichen Zeiträume der bis zum Zeitpunkt des Schlusstermins vorliegenden Unredlichkeiten (§ 290 InsO) und der Obliegenheitsverstöße während der Wohlverhaltensperiode (§ 295 InsO).

  2. 2.

    Ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO kann nur bis zum Schlusstermin gestellt werden. Auch wenn die diesbezüglich behaupteten Versagungsgründe erst später bekannt werden, sind die Gläubiger mit den Versagungsgründen des § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO präkludiert. Eine gesetzliche Ausnahme besteht nur in den Fällen des § 297 InsO.

Gründe

1

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 10.08.2000 auf ihren Antrag das Insolvenzverfahren in Form des Verbraucherinsolvenzverfahrens eröffnet, nachdem zuvor das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren erfolglos geblieben war. Die Schuldnerin hat zwei Gläubiger, die ...Bank AG und die ...Sparkasse, deren Forderungen im Insolvenzverfahren festgestellt worden sind. Wesentliches Vermögen der Schuldnerin wurde im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht festgestellt. Sie bezieht eine Altersrente und Sozialhilfe in nicht pfändbarer Höhe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht des Treuhänders v. ... Bezug genommen.

2

Der Schlusstermin fand am 28.05.2001 statt. In diesem Termin waren die Schuldnerin und die Gläubiger nicht anwesend. Auf das Protokoll des Termins wird Bezug genommen. Das Gericht kündigte daraufhin entsprechend dem Antrag der Schuldnerin mit Beschl. v. 28.05.2001 gem. §§ 289, 291 InsO die Restschuldbefreiung an. Der Beschluss ist rechtskräftig. Mit weiterem Beschl. v. 05.07.2001 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

3

Am 12.11.2002 erschien die Schuldnerin in den Räumlichkeiten der Filiale der Gläubigerin in ... und begehrte die Öffnung eines Schließfaches, das sie seit 1997 dort angemietet hatte. Hierdurch erhielt die Gläubigerin erstmals Kenntnis von diesem Schließfach. Im Insolvenzverfahren hatte die Schuldnerin hierzu keine Angaben gemacht. Auch dem Treuhänder war die Existenz des Schließfaches nicht bekannt. Wie sich später herausstellte, befanden sich in dem Fach 56 Goldmünzen mit einem Wert von ca. 15.000 Euro. Die Schuldnerin behauptet, die Münzen ständen nicht in ihrem Eigentum. Sie habe zwar das Schließfach angemietet, die Nutzung aber sogleich Herrn ... und Herrn Rechtsanwalt ... aus der Kanzlei der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten überlassen.

4

Die Gläubigerin meint, die Münzen seien Eigentum der Schuldnerin, das sie im Insolvenzverfahren verschwiegen habe. Mit Antrag v. 18.12.2001 beantragt sie deshalb, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen.

5

Der Treuhänder ist zu dem Antrag gehört worden. Er hält den Versagungsantrag für begründet.

6

Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist, soweit er sich auf Versagungsgründe gem. § 290 InsO stützt, unzulässig, i.Ü. unbegründet.

7

Die Versagungsgründe für die Restschuldbefreiung nach §§ 290 und 295 InsO konkretisieren das Verfahrensziel des § 1 Satz 2 InsO, wonach dem redlichen, und nur dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben wird, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Dabei erfolgt die Prüfung dieser Redlichkeitsanforderungen - auf entsprechenden Antrag eines Gläubigers - in zwei Stufen. In der ersten Stufe wird die Redlichkeit des Schuldners gleichsam als Zulassungsprüfung zu dem eigentlichen Restschuldbefreiungsverfahren, der sog. "Wohlverhaltensperiode", geprüft. Diese Prüfung erfolgt anhand der Anforderungen des § 290 InsO zum Abschluss des eröffneten Insolvenzverfahrens. Die Versagungstatbestände des § 290 InsO beziehen die Redlichkeitsanforderungen auf das Verhalten des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und im gerichtlichen Verfahren. Sie reichen teilweise weit in die Zeit vor dem Insolvenzverfahren hinein. So ist einem Schuldner die Restschuldbefreiung beispielsweise zu versagen, wenn er wegen bestimmter Straftaten rechtskräftig verurteilt worden ist, wenn er unrichtige Angaben zur Krediterlangung gemacht hat, wenn er innerhalb von zehn Jahren schon einmal Restschuldbefreiung erlangt hat oder sie ihm versagt worden ist, wenn er unangemessene Verbindlichkeiten begründet hat oder wenn er im Insolvenzverfahren seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.

8

Wird von den Gläubigern keine Restschuldbefreiungsversagung beantragt oder liegen keine derartigen Versagungsgründe vor, wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt. Dem Gericht steht in diesem Fall kein Ermessensspielraum zu. Nach Rechtskraft des entsprechenden Beschlusses und Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt das eigentliche Restschuldbefreiungsverfahren. Dieses ist gekennzeichnet durch die von dem Schuldner zu erfüllenden Obliegenheiten gem. § 295 InsO, die zusammen mit der Abtretung des pfändbaren Einkommens nach § 297 Abs. 2 InsO sicherstellen sollen, dass vor der Erteilung der Restschuldbefreiung doch noch eine Befriedigung der Gläubiger nach allen dem Schuldner zumutbaren Anstrengungen versucht wird.

9

Die Versagungsgründe nach § 290 InsO und § 295 InsO kennzeichnen auf diese Weise aber unterschiedliche und in sich abgeschlossene Prüfungsmaßstäbe für die Redlichkeitsanforderungen, nämlich die bis zum Schlusstermin vorliegenden Pflichtverletzungen und die danach in der Wohlverhaltensperiode zu erfüllenden Obliegenheiten. Deshalb muss eine Versagung der Restschuldbefreiung wegen der Pflichtverletzungen vor oder während des Insolvenzverfahrens nach § 290 Abs. 1 InsO auch bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens, genauer gesagt in dem Schlusstermin beantragt werden. Danach beginnt mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Obliegenheitsphase des § 295 InsO. Das Gesetz lässt nur eine Ausnahme zu für den Fall einer Verurteilung des Schuldners wegen einer Straftat nach §§ 283-283c StGB, die an sich bereits nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO einen Versagungstatbestand darstellt. Wenn diese strafrechtliche Verurteilung erst später rechtskräftig wird, kann nach § 297 Abs. 1 InsO auch noch in der Wohlverhaltensperiode eine Versagung der Restschuldbefreiung erfolgen, wobei aber davon auszugehen ist, dass dies dann ex nunc erfolgt und nicht nachträglich der Ankündigungsbeschluss wieder aufgehoben wird.

10

In allen anderen Fällen muss aus dieser gesetzlichen Systematik dieser besonders geregelten Einzelfalls aber geschlossen werden, dass die Frist des § 290 Abs. 1 InsO insofern tatsächlich abschließend und verbindlich ist, ohne dass es im Rahmen des § 290 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Gläubiger von der Pflichtverletzung ankommt. Dass dies zu materiell unerträglichen Ergebnissen führen kann, wenn Gläubiger erst nach Ankündigung der Restschuldbefreiung und Aufhebung des Verfahrens von einer Pflichtverletzung des Schuldners aus dem Pflichtenkreis des § 290 InsO erfahren, kann nicht mit Mitteln der Auslegung des Gesetzes oder der Analogie behoben werden. Dies wäre Aufgabe des Gesetzgebers. Dass insofern ein Prüfungsbedarf besteht, ist offensichtlich, denn die geltende Regelung verhindert eine Restschuldbefreiungsversagung dann, wenn der Schuldner im eröffneten Verfahren Vermögen so erfolgreich verschweigt, dass es erst nach Aufhebung des Verfahrens offenbar wird und dann keinen Versagungsgrund im Rahmen der Wohlverhaltensperiode gem. § 295 InsO mehr darstellt. Von einer Redlichkeit des Schuldners i.S.d. mit § 1 Satz 2 InsO angestrebten Sinn wird man in diesen Fällen wohl kaum ausgehen können.

11

Aus diesen dargelegten rechtsgrundsätzlichen Gründen ist aber auch der Versagungsantrag in vorliegender Sache letztlich erfolglos, ohne dass geklärt werden kann, ob die Schuldnerin Eigentümerin des jetzt festgestellten Vermögens ist oder nicht.

12

Selbst wenn die Schuldnerin Eigentümerin der Münzen wäre, die sie in dem Insolvenzverfahren nicht angegeben hätte, wäre dies eine Pflichtverletzung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO, mit deren Geltendmachung die Gläubigerin aus den dargelegten Gründen jetzt präkludiert ist. Wäre ihr eine Pflichtverletzung in der jetzt vorgetragenen Art noch innerhalb der Rechtsmittelfrist gegen den Beschl. v. 28.05.2001 bekannt geworden, hätte sie diesen innerhalb dieser Frist noch anfechten können. Der Beschluss ist jedoch rechtskräftig geworden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragspflicht verbietet sich aus dogmatischen Gründen, weil sie das Verfahren im Falle der Gewährung in den Stand vor Versäumung der Frist zurückversetzen würde, d.h. in den Stand z.Zt. des Schlusstermins, während sich aus der dargelegten Regelung des § 297 InsO ergibt, dass selbst in diesen Fällen nur eine Versagung ex nunc erfolgt und das Verfahren nicht ex tunc auf den Zeitpunkt des Schlusstermins zurückabgewickelt würde. Dies wäre angesichts der zwischenzeitlich eventuell aufgrund der durch die Abtretung vereinnahmten Mittel auch nicht praktikabel.

13

Ein Versagungsgrund gem. § 295 InsO liegt aufgrund des von der Gläubigerin dargestellten Sachverhalts selbst bei Unterstellung der Richtigkeit ihrer Auffassung zu dem Eigentum an den Münzen nicht vor. Insofern wäre ein hierauf gestützter Antrag zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Schuldner hat nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Obliegenheit, "keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge und kein von Nummer 2" - d.h. aus Erbschaften - "erfasstes Vermögen zu verheimlichen". Diese Obliegenheit bezieht sich auf die Zeit der Wohlverhaltensperiode und erfasst bereits vom Wortlaut her den vorliegenden Fall nicht.

14

Eine Versagung der Restschuldbefreiung kommt deshalb vorliegend nicht in Betracht.

15

Sollte das streitige Vermögen tatsächlich im Eigentum der Schuldnerin stehen, bliebe es den Gläubigern unbenommen, eine Nachtragsverteilung gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu beantragen. Ob daneben, falls das Vermögen, wie die Gläubigerin meint, im Eigentum der Schuldnerin stehen sollte, ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen könnte, kann an dieser Stelle nicht geprüft werden.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG. Die Wertfestsetzung erfolgt unter Berücksichtigung des vermeintlichen Interesses der Gläubigerin an einer Verteilung des aufgefundenen Vermögens unter Berücksichtigung der entstehenden Kosten und eines nur hälftigen Wertansatzes wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse.