Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Urt. v. 21.11.2002, Az.: E6 C 6462/02 (VI)
Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Lebensversicherung; Anspruch auf Leistung hinsichtlich eines Fahrzeugsschadens aus einem Verkehrsunfall ; Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit eines Versicherers
Bibliographie
- Gericht
- AG Oldenburg (Oldenburg)
- Datum
- 21.11.2002
- Aktenzeichen
- E6 C 6462/02 (VI)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 29475
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGOLDBG:2002:1121.E6C6462.02VI.0A
Rechtsgrundlage
- § 61 VVG
Verfahrensgegenstand
Forderung
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Oldenburg Abt. VI
auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2002
durch
den Richter am Amtsgericht Meyer-Schomann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, ihrer Vollkaskoversicherung, Leistung hinsichtlich ihres Fahrzeugsschadens aus einem Verkehrsunfall vom 05.03.2002. Die Klägerin ist querschnittsgelähnt und schwer gehbehindert. Sie ist ständig auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesen. In ihrer gesamten Freizeit kümmert sie sich um soziale Einrichtungen, u.a. ist sie Mitarbeiterin der Sozialeinrichtung "Aktion Stefanie" und des "Weißen Ring". In dieser sozizal engagierten Position hatte sie am Unfalltag, den 05.03.2002 gegen 08.40 Uhr einen 20 Jahre alten geistig behinderten Jungen, für den sie die Pflegschaft als amtlich bestellte Betreuerin hatte, als Beifahrer in ihrem Fahrzeug. Sie befuhr die Hauptstrasse in Oldenburg in Richtung stadteinwärts. Der Junge musste zur Krankengymnastik bzw. zum Arzt in die Praxis Dr. Heider und Rüppel. Bei dem Fahrzeug der Klägerin handelt es sich um ein vollständig behindertengerecht umgerüstetes Fahrzeug. Die Klägerin bedient ihr Fahrzeug ausschliesslich mit den Händen. Sie befuhr die mittlere Fahrspur der Hauptstrasse, also die Geradeausspur in Richtung Innenstadt. Rechts neben ihr befand sich ein Lkw. Plötzlich griff ihr der geistig behinderte Junge vom Beifahrersitz in das Lenkrad. Dies hatte er zuvor noch nie getan. Da die Klägerin mit den Händen nicht nur lenkt, sondern auch Gas gibt und brermst, sie auf der anderen Seite den Jungen mit der Hand wieder vom Lenkrad wegreissen musste, konnte sie das Fahrzeug kurzfristig nicht beherrschen.
Konsequenz des Geschehens war, dass sie bei "Rot" in die Ampelkreuzung einfuhr und es zu einem Verkehrsunfall kam.
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung des der Klägerin entstandenen Schadens.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.668,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 08.06.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
wie erkannt.
Wegen des Sach- und Streitgegenstands im übrigen wird auf die Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist aufgrund grob fahrlässigen Verhaltens der Klägerin gemäss § 61 VVG leistungsfrei. Schwere körperliche Behinderungen und soziales Engagement sind hier keine Umstände, den krassen Rotlichtverstoss der Klägerin zu bagatellisieren. Gerade aufgrund ihrer Behinderung wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, schon im Vorwege potentielle Gefährdungen auszuschliessen. Gerade weil sie im geschilderten Umfang behindert ist, hätte sie eine geistig behinderte Person nicht auf dem Beifahrersitz lassen dürfen, da bei solchen Personen unkontrolliertes Verhalten - wie hier dargelegt - immer in Rechnung stellen ist und entsprechende Vorsorge hätte getroffen werden müssen. Das ist nicht geschehen. Die Tatsache, dass die geistig behinderte Person in der Vergangenheit keine unkontrollierten Bewegungen vollzogen hat, ändert an der erkennbaren potentiellen Gefahr nichts. Das Gericht teilt hier den Rechtstandpunkt der Beklagten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 350,- EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.