Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.01.2011, Az.: 2 Ws 423/10
Fortdauer der Vollziehung von Sicherungsverwahrung auch nach der Entscheidung des EGMR ("Altfälle")
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.01.2011
- Aktenzeichen
- 2 Ws 423/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 10155
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0117.2WS423.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - AZ: 17 b StVK 48/10
Rechtsgrundlagen
- Art 5 EMRK
- Art 7 EMRK
- § 2 Abs. 6 StGB
- § 67d Abs. 3 S. 1 StGB
Amtlicher Leitsatz
Auch die aktuellen - nicht rechtskräftigen - Entscheidungen des EGMR vom 13.01.2011 (Mautes gegen Deutschland, BeschwerdeNr. 20008/07, und Kallweit gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 17792/07) geben dem Senat keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB zu ändern, wonach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a EMRK und Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK in Form der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 17.12.2009 (Individualbeschwerde Nr. 19359/04) nicht als andere gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB herangezogen werden können und damit der Vollstreckung einer vor dem 31.01.1998 angeordneten ersten Sicherungsverwahrung über die Dauer von 10 Jahren nicht entgegen stehen.
Tenor:
1. Es soll ein Sachverständigengutachten eingeholt werden im Hinblick auf die vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 9. November 2010 - 5 StR 394/10 - aufgestellten Voraussetzungen für die weitere Vollstreckung einer vor dem 31.01.1998 angeordneten ersten Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug.
Der Sachverständige soll dabei insbesondere zu folgenden Fragen Stellung nehmen:
a) Lässt sich aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt oder Sexualverbrechen ableiten, wenn er aus der Sicherungsverwahrung entlassen würde?
b) Haben sich im Rahmen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung positive Anhaltspunkte ergeben, die eine Reduzierung der im Vorleben des Untergebrachten dokumentierten Gefährlichkeit nahelegen?
Der Sachverständige soll bei der Beurteilung der Frage, in welchen Fällen ein drohendes Sexualverbrechen in die Kategorie der "schwersten Sexualverbrechen" einzuordnen ist, nach Auffassung des Senats von folgenden Prämissen ausgehen:
Ob ein Sexualverbrechen als "schwerstes Sexualverbrechen" anzusehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Schwerste Sexualverbrechen sind jedenfalls solche, die die Qualifikationstatbestände der §§ 177 Abs. 3 oder Abs. 4 StGB erfüllen. Aber auch Vergewaltigungen, die allein den Grundtatbestand der Vergewaltigung in § 177 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB erfüllen, können je nach den Umständen des Einzelfalles in diese Kategorie fallen.
Umstände, die im Einzelfall für das Vorliegen eines´schwersten Sexualverbrechens´ sprechen können, sind nach Auffassung des Senates insbesondere die folgenden:
Auswahl von besonders schutzwürdigen Personen als Opfer, insbesondere Kinder, Dauer der Tat und der damit einhergehenden Qualen für das Opfer über einen längeren Zeitraum,
Begehung der Tat in einem aus Opfersicht besonders geschützten Raum, insbesondere der Wohnung des Opfers,
gleichzeitige Anwendung von erheblicher körperlicher Gewalt,
insbesondere wenn dabei neben der Sexualtat weitere Körperverletzungen begangen werden.
2. Mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens wird beauftragt
der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. M. E.
H.L.Straße
B. Z.
3. Der Sachverständige soll auch dazu Stellung nehmen,
ob und in welchem Ausmaß die Gefahr weiterer Straftaten durch die Behandlung mit Androcur oder einem ähnlichen Medikament reduziert werden kann,
sowie
ob der Untergebrachte bei einer Entlassung aus der Sicherungsverwahrung infolge einer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG).
Gründe
I. Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Gegen den Untergebrachten wird aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 1. März 1965 wegen Notzucht, Nötigung zur Unzucht in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen versuchter Nötigung zur Unzucht in einem weiteren Fall und wegen versuchter Nötigung sowie wegen schweren Diebstahls in sieben Fällen die zugleich neben der Freiheitsstrafe von zehn Jahren angeordnete Sicherungsverwahrung vollzogen. Der Untergebrachte hatte die Freiheitsstrafe am 27. März 1976 voll verbüßt, im Anschluss daran wurde die Sicherungsverwahrung vollstreckt. Er ist sowohl im Mai 1982 als auch im Mai 1992 jeweils bedingt aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden. In beiden Fällen ist er wegen weiterer begangener Straftaten zu weiteren, mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden, sodass die bedingte Aussetzung der Sicherungsverwahrung im Anschluss jeweils widerrufen wurde. Zehn Jahre der Maßregel hatte der Untergebrachte am 8. Februar 2001 verbüßt. Die Strafvollstreckungskammer hat es daraufhin mehrfach, zuletzt durch den angefochtenen Beschluss vom 29. Oktober 2010, abgelehnt, die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären.
Im Einzelnen lagen den Verurteilungen u. a. folgende Straftaten zugrunde:
Am 14. Januar 1964 stieg der Verurteilte in die Räume einer Gaststätte ein, schob die Geschädigte, eine 21jährige Angestellte, vor sich her, drückte ihr einen pistolenähnlichen Gegenstand in den Rücken, berührte die Zeugin an den Brüsten und das vom Schlüpfer bedeckte Geschlechtsteil und schlug ihr schließlich mehrfach mit der Faust in das Gesicht, um ihren Widerstand zu brechen. Nachdem die Zeugin um Hilfe gerufen hatte und Geräusche aus den anderen Räumen der Gaststätte hörbar geworden waren, ließ der Untergebrachte von der Zeugin ab.
Noch am selben Tag drang er in eine Wohnung ein und führte, nachdem er der im neunten Monat schwangeren 20jährigen Geschädigten Gewalt angedroht hatte, sein Glied in deren Scheide ein.
Am 30. Januar 1964 folgte er der 24jährigen Geschädigten, die er zuvor beobachtet hatte, wie sie mit ihrem Verlobten in einem Pkw geschlechtlich verkehrte, bedrängte sie und forderte sie auf, sich auf seinen Schoß zu setzen. Er wolle mit ihr nicht den Geschlechtsverkehr ausführen, sondern sie nur am Geschlechtsteil berühren. Die Zeugin konnte dem Angeklagten weglaufen und an der Wohnungstür ihres Verlobten klingeln, wo sie sogleich Einlass fand.
Am 12. März 1964 drang der Untergebrachte über ein Baugerüst in die Wohnung der 30jährigen Geschädigten ein. Er hatte sich maskiert, hielt ihr einen Schlüsselbund entgegen, um eine Pistole vorzutäuschen, drängte sie ins Schlafzimmer, stieß sie aufs Bett und griff ihr unter den Rock. Er sagte zu der Geschädigten:
"Mach die Beine auseinander oder du kriegst ein paar gescheuert", ließ jedoch von seinem Opfer ab, nachdem die Wohnungstür zugeschlagen war.
Am 22. April 1964 schlug er in einer Schrebergartenkolonie der 30jährigen Geschädigten, die er zuvor mit vorgehaltener Pistole aufgefordert hatte, mit ihm zu einer Bank zu gehen, mehrfach mit der Faust ins Gesicht und griff an ihr Geschlechtsteil. Nachdem er zunächst ohne ersichtlichen Grund von ihr abgelassen hatte, kehrte er zurück, stieß sie zu Boden, griff erneut an ihr Geschlechtsteil und rieb selbst an seinem erregten Glied bis zum Samenerguss.
Am Abend des 2. Mai 1964 drang er durch ein Fenster in das Zimmer eines Hotels ein, hielt eine nicht geladene Gaspistole in der Hand und richtete diese auf die 23jährige Geschädigte. Der Untergebrachte setzte sich neben die Geschädigte auf das Bett, drückte ihre Beine auseinander, fasste mit einer Hand an ihr Geschlechtsteil und rieb mit der anderen Hand an seinem entblößten Glied bis zum Samenerguss.
Für diese Taten erhielt der Untergebrachte Einzelfreiheitsstrafen von zweimal einem Jahr, zwei Jahren, drei Jahren, vier Jahren und fünf Jahren. Während einer mehrmonatigen Entweichung des Untergebrachten aus dem Strafvollzug im Jahr 1970 beging er weitere Straftaten (überwiegend Diebstahlsdelikte), für die er zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Aufgrund eines Beschlusses des OLG Celle vom 30. September 1976 (2 Ws 28/76) sollte der Untergebrachte am 30. November 1976 bedingt aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Bereits mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 25. November 1976 erfolgte der Widerruf. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Untergebrachte, der Freigänger war, beobachtete am 9. November 1976 auf der Damentoilette eines Kaufhauses die Geschädigte, die ihn jedoch bemerkte. Während seiner Festnahme und auch am nächsten Tag kam es zu weiteren Straftaten. Der Untergebrachte wurde deshalb am 10. Juli 1977 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
Am 1. Juni 1982 wurde der Untergebrachte schließlich bedingt aus der Sicherungsverwahrung entlassen, jedoch bereits am 1. September 1982 wieder festgenommen. Am 26. Januar 1983 wurde er durch das Landgericht Hannover (46 a 118/82) wegen sexueller Nötigung und wegen versuchten Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der sexuellen Nötigung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Untergebrachte hatte am 9. Juli 1982 der Geschädigten auf deren Gartengrundstück die Brille vom Gesicht geschlagen, sie zu Boden geworfen, sich auf sie gelegt, das TShirt und den BH hochgeschoben, die Brüste betastet, die Shorts der Geschädigten runtergezogen und sein halb erigiertes Geschlechtsteil hervorgeholt, schließlich jedoch von der Geschädigten abgelassen. Die Kammer hat einen strafbefreienden Rücktritt von der versuchten Vergewaltigung angenommen und ihn wegen dieser Tat zu einer Einzelstrafe von vier Jahren verurteilt.
Die bedingte Aussetzung der Sicherungsverwahrung wurde durch Beschluss vom 14. November 1983 widerrufen. Zum 15. Mai 1992 wurde der Untergebrachte erneut bedingt aus der Sicherungsverwahrung entlassen.
In der Folgezeit beging er weitere Straftaten, und zwar wurde er zunächst durch das Jugendschöffengericht am 14. März 1995 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Der Untergebrachte war am 14. Februar 1994 auf zwei Mädchen (geboren am 14. Dezember 1983 bzw. 29. September 1983) zugegangen, hatte dem einen Mädchen an den Intimbereich gefasst und das andere Mädchen gegen ihren Willen auf den Mund geküsst. Am 15. Februar 1994 küsste er ein am 17. September 1983 geborenes Mädchen zweimal gegen dessen Willen auf den Mund und fasste mit der Hand an dessen Scheidenbereich. Am 1. August 1994, als Polizeibeamte den Untergebrachten zu einer Wahlgegenüberstellung ergreifen wollten, ergriff er die Flucht und hielt in deren Verlauf eine Gaspistole in Richtung eines Polizeibeamten.
Am 21. Juli 1995 wurde der Untergebrachte vom Landgericht Hildesheim wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch unter Einbeziehung der durch das vorgenannte Urteil verhängten Strafen unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Untergebrachte hatte am 4. November 1994 die 40jährige Geschädigte, die ihm zuvor auf eine Kontaktanzeige geantwortet hatte, zunächst verfolgt, um herauszubekommen, wo sie wohnt, und sie dann in ihrem Wohnwagen aufgesucht. Er verschaffte sich Einlass, stieß sie auf das Bett und führte über einen Zeitraum von ca. einer Stunde mehrfach sein Glied in ihre Scheide ein, ohne zum Samenerguss zu kommen, und steckte auch seinen Finger in ihren After. Aufgrund ihrer klaren Worte und ihres Verhaltens war dem Untergebrachten bewusst, dass sie nicht bereit war, mit ihm geschlechtlich zu verkehren. Zu der Tat kam es, als die Beziehung des Angeklagten zu seiner Lebensgefährtin in einer Krise steckte.
Diese Strafe wurde vom 2. Mai 1996 bis zum 22. April 2000 vollstreckt. Seitdem wird die 1965 verhängte Sicherungsverwahrung, deren Aussetzung wegen der Nachverurteilung widerrufen wurde, weiter vollstreckt.
Seit 1998 sind mehrere Gutachten zur Person des Untergebrachten eingeholt worden, insbesondere zu Fragen der Lockerungseignung und Behandlungsmöglichkeiten, so im Jahr 1998 durch den Sachverständigen L., in den Jahren 2001 und 2005 durch den Sachverständigen Dr. R., im Jahr 2005 durch den Sachverständigen Dr. Ru. und im Jahr 2007 erneut durch den Sachverständige Dr. R. Im Gutachten vom 13. Oktober 2005 kommt der Sachverständige Dr. Ru. zu der Diagnose des Vorliegens einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und stellt fest, dass bei dem Untergebrachten ein echtes, in die Persönlichkeit eingebundenes Unrechtsbewusstsein nicht bestehe. Er leugne massiv das Ausmaß seiner Tatbeteiligung. Ferner könne nicht festgestellt werden, dass bei dem Untergebrachten eine Therapiemotivation in hinreichendem Ausmaß vorhanden sei. Bei dem Untergebrachten habe im Hinblick auf seine Persönlichkeitsentwicklung keine Nachreifung stattgefunden, obwohl psychotherapeutische Behandlungen durchgeführt worden seien. Trotz seines Alters und leichterer bis mittelgradiger körperlicher Beeinträchtigungen berge der Untergebrachte eine nicht unerhebliche kriminelle Potenz und gehe von ihm ein mittelschweres Risiko für das Wiederauftreten einschlägiger Straftaten aus. Die Neigung des Untergebrachten zu sexuellen Übergriffen/Straftaten, insbesondere auch Kindern gegenüber, bestünden weiterhin fort, da diesbezüglich keinerlei Hinweise auf eine selbstkritische Reflexion festzustellen seien. Lockerungen im bisherigen Umfang (Ausführungen) seien weiterhin durchführbar, darüber hinausgehende Entlassungsvorbereitungen jedoch nicht möglich.
Demgegenüber hielt der Sachverständige Dr. R. in seinem Gutachten vom 20. April 2007 auf der Grundlage der gleichen Diagnose (dissoziale Persönlichkeitsstörung) unbegleitete Ausgänge im näheren Umfeld der JVA, anschließend zu seiner Ehefrau, die der Untergebrachte am 19.12.1995 geheiratet hatte, und in der Folgezeit auch Beurlaubungen für vertretbar. Ohne eine erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahmen bestehe allerdings weiterhin eine keineswegs unerhebliche Gefahr, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erneut schwere Straftaten begehen werde, durch die seine Opfer seelisch und/oder körperlich schwer geschädigt würden. Eine vom Untergebrachten akzeptierte antioandrogene Medikation sollte ihm für die Dauer der Führungsaufsicht auferlegt werden. Der Untergebrachte erhielt sodann seit dem 27. Dezember 2007 Injektionen mit Androcur, die begleitende Einzeltherapie wurde jedoch am 11. August 2008 abgebrochen, da der Untergebrachte den Therapeuten massiv beschimpft hatte. Die Behandlung mit Androcur wurde schließlich beendet, weitergehende Lockerungen sind nicht erfolgt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle hat zuletzt durch Beschluss vom 29.10.2010 den Antrag des Untergebrachten auf Erledigterklärung der Sicherungsverwahrung abgelehnt und beschlossen, dass die Sicherungsverwahrung weiter zu vollziehen ist. Hiergegen wendet der Untergebrachte sich mit seiner sofortigen Beschwerde, in der er sich insbesondere auf die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 (EuGRZ 2010, 25) beruft.
II. 1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonachArt. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a EMRK und Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK in Form der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 17.12.2009 (Individualbeschwerde Nr. 19359/04) nicht als andere gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB herangezogen werden können und damit der Vollstreckung einer vor dem 31.01.1998 angeordneten ersten Sicherungsverwahrung über die Dauer von 10 Jahren nicht entgegen stehen.
2. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 09.11.2010 ausgeführt, dass die Vorschrift des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB im Lichte der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einschränkend auszulegen ist und dafür die im Beschlusstenor unter 1. a) und b) zitierten Kriterien benannt. Der Senat vermag jedoch auf Grundlage des Inhaltes der bisher bei den Vollstreckungsheften befindlichen psychiatrischen Gutachten nicht abschließend zu entscheiden, ob die genannten Kriterien erfüllt sind. Es ist daher erforderlich, das Vorliegen dieser Kriterien durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens abzuklären.
3. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass auch Artikel 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010 (BGBl. I, 2300, Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG)) keinen Anlass dazu gibt, die Vollziehung der Maßregel der Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Entscheidung des Gerichtshofes und der divergierenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dazu keine Änderung seiner ursprünglich getroffenen Entscheidung vorgenommen, der Neuregelung in § 67 d Abs. 3 StGB zur zeitlichen Dauer der Sicherungsverwahrung zeitlich uneingeschränkt Geltung zu verschaffen (hierzu bereits Senatsbeschluss vom 25.05.2010, 2 Ws 169/10 und 2 Ws 170/10). Zudem ist die Subsidiarität der Anwendung des ThUG gegenüber dem Vollzug einer gerichtlich angeordneten Maßregel der Sicherungsverwahrung in § 1 ThUG ausdrücklich normiert.
4. Auch die aktuellen - nicht rechtskräftigen - Entscheidungen des EGMR vom 13.01.2011 (Mautes gegen Deutschland, BeschwerdeNr. 20008/07, und Kallweit gegen Deutschland, BeschwerdeNr. 17792/07), in denen der Gerichtshof wiederum nicht auf die ebenfalls konventionsgeschützten Rechte Dritter zum Schutz vor gefährlichen Gewalttätern eingeht, geben dem Senat keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB zu ändern. Aus der dort zitierten Auffassung der Bundesregierung, dass sich das deutsche Recht in Übereinstimmung mit den Entscheidungen des EGMR auslegen lasse, kann insbesondere kein Wille des deutschen Gesetzgebers abgeleitet werden, dass das deutsche Recht so auszulegen ist. Ein solcher Wille hat nämlich weder im Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu beleitenden Regelungen vom 22.12.2010 (BGBl. I, 2300), noch in den dazu vorliegenden Gesetzgebungsmaterialien seinen Ausdruck gefunden.
Da die aktuellen Entscheidungen des EGMR im Wesentlichen die Argumentation aus der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 wiederholen, ist auch nicht davon auszugehen, dass die vom 5. Strafsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 09.11.2010 aufgestellten Grundsätze durch die neuen Entscheidungen keine Gültigkeit mehr hätten.