Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.06.2024, Az.: L 16 KR 261/23

Verjährung eines Beitragsrückerstattungsanspruchs eines Dienstordnungsbeschäftigten i.R.e. Teilkostenversicherung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
17.06.2024
Aktenzeichen
L 16 KR 261/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 18686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2024:0614.16KR261.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 21.04.2023 - AZ: S 88 KR 1497/19

Amtlicher Leitsatz

Zum Anspruch auf Beitragsrückerstattung nach § 26 Abs 2 SGB IV eines teilkostenversicherten Dienstordnungs(DO)-Angestellten mit einem Beihilfeanspruch von 70 vH seit Februar 1998 und zur Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Krankenkasse. Ein Beitragsrückerstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind (§ 27 Abs 2 SGB IV). Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind, auch wenn der Beitragsbescheid erst später aufgehoben wurde oder der Erstattungsanspruch erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entsteht. Der Betroffene hat es selbst in der Hand, ihm nachteilige Beitragsbescheide zeitnah anzugreifen oder sie vor Ablauf der Frist des § 27 Abs 2 SGB IV nach § 44 SGBX überprüfen zu lassen (BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die beklagte Krankenkasse war im konkreten Fall ermessensfehlerfrei, der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung stand nicht entgegen. Der Beklagten war es im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraumes nicht verwehrt, ab 1. Januar 2009 eine pauschale Satzungsregelung bezüglich der Prämienzahlung gemäß § 53 Abs 7 SGB V zu erlassen, in der der Umstand, dass der Kläger einen Beihilfeanspruch von 70 vH hatte, keine prämiensteigernde Berücksichtigung fand (im Anschluss an LSG Nordrhein Westfalen, Urteil vom 30. Januar 2014 L 5 KR 294/12).

In dem Rechtsstreit
B.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte C.
gegen
D.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt E.
hat der 16. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ohne mündliche Verhandlung am 14. Juni 2024 in Celle durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht F. r, die Richterin am Landessozialgericht G. und den Richter am Landessozialgericht H. sowie die ehrenamtliche Richterin I. und den ehrenamtlichen Richter J. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. April 2023 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Beitragsrückerstattungen für den Zeitraum vom 5. Februar 1998 bis zum 31. März 2010 in Höhe des Differenzbetrags zwischen 50 % des Vollbeitrags und 30 % des Vollbeitrags im Rahmen der Teilkostenversicherung.

Der Kläger ist bei der K. Niedersachsen als Dienstordnungsbeschäftigter beschäftigt und hat einen Beihilfeanspruch. Dieser betrug zunächst 50% und im streitigen Zeitraum nach Geburt seines zweiten Kindes am 5. Februar 1998 70 %.

Im streitgegenständlichen Zeitraum war der Kläger als freiwilliger Versicherter im Tarif der Teilkostenversicherung bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Gemäß ihrer Satzung in der jeweiligen Fassung erhob die Beklagte Beiträge in Höhe von 50 % des Beitragssatzes für freiwillige Mitglieder ohne Anspruch auf Krankengeld.

Ab 1. Januar 2009 erhob die Beklagte vom Kläger den gesetzlich festgeschriebenen allgemeinen Beitragssatz. Da nach gesetzlichen Änderungen ab 1. Januar 2009 der gemäß § 16 Abs 5 der Satzung reduzierte Beitragssatz für die Teilkostenerstattung nicht mehr zum Tragen kam, führte die Beklagte, um eine Teilkostenerstattung weiterhin durchführen zu können, zum 1. Januar 2009 in § 14 a der Satzung einen neuen Wahltarif ein, durch den 50 % des Krankenversicherungsbeitrages als Prämienzahlung erstattet werden kann. Sie informierte den Kläger über die Neuregelung mit Schreiben vom 3. Februar 2009 und wies darauf hin, dass das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit die Satzungsregelung genehmigt habe.

Am 12. Oktober 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung zu viel gezahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Rahmen seiner Teilkostenerstattung. In dem "Antrag auf Beitragserstattung" heißt es: "während der diesjährigen Personalversammlung in Hannover habe ich durch einen Vortrag erstmals erfahren, dass in obiger Angelegenheit laufende Gerichtsverfahren anhängig sind, da die Satzungsbestimmungen der AOK Niedersachsen zur Beitragsberechnung in der K. Teilkostenversicherung seit 1989 rechtswidrig sind. Ich beantrage daher die Rückzahlung der von mir zu viel entrichteten Beiträge ab Beginn meines erhöhten Beihilfeanspruchs." Erhöhte Beihilfeansprüche hätten ab Geburt der zweiten Tochter am 5. Februar 1998 bestanden. Seine Kinder seien ab 2001 über ihn familienversichert gewesen.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass geltend gemachte Beitragsrückerstattungsansprüche bezüglich der Beiträge für die Zeit bis 1. Dezember 2009 verjährt seien. Die Erstattungsansprüche verjährten innerhalt von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien, § 27 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Unter Abwägung des Interesses des Klägers an der Beitragserstattung und des Interesses der Beklagten sei die Berufung auf die Verjährung zulässig. Der Kläger habe sich freiwillig und in Kenntnis der Beitragssatzungen für eine Teilkostenversicherung in der Personalkrankenkasse entschieden. Die Beitragshöhe habe er vor seinem Antrag vom 12. Oktober 2014 nicht beanstandet. Die Beklagte habe ihrerseits keinen Anlass gehabt, von der Rechtswidrigkeit der satzungsmäßigen Beitragsfestsetzung auszugehen. Sie habe der allgemeinen Rechtsauffassung über die Beitragshöhe für Teilkostenversicherungen im System der Gesetzlichen Krankenversicherung entsprochen. Sie habe ihre Haushaltsplanung auf dieser Grundlage erstellt und die Beiträge zweckentsprechend verwendet. Gegenüber der Versichertengemeinschaft wäre eine Erstattungsleistung in dieser Situation unbillig, weil die Erstattung aus aktuellen Beiträgen geleistet werden müsste. Zweck der Verjährung sei es, derartige Situationen zu vermeiden. Die Berufung auf die Verjährung sei deshalb zulässig und geboten.

Soweit der Antrag sich auf angebliche Beitragsleistungen aus unverjährter Zeit beziehe, sei er unbegründet. Soweit der Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis 31. März 2010 betroffen sei (ein Betrag in Höhe von 374,14 Euro), bestehe auch hierauf kein Anspruch. Die Beitragssatzungen für die Teilkostenversicherung seien rechtmäßig und wirksam gewesen. Weder § 243 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung noch § 53 Abs 7 SGB V in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung enthielten eine Vorgabe dazu, wie die Beitragssätze in der Teilkostenversicherung zu bemessen seien. Es fehle insbesondere eine Vorgabe, dass diese Beitragssätze die Differenz zwischen dem Beihilfeanspruch des Versicherten und 100 % nicht überstiegen. Nach § 243 SGB V sei der Beitragssatz lediglich entsprechend zu ermäßigen gewesen. Bei dieser Ermäßigung habe nach der Gesetzesbegründung die Höhe der Beihilfe für Leistungen - nicht der Beihilfesätze - Berücksichtigung finden müssen. Die Höhe der Beihilfeleistungen hingen nicht lediglich von der Höhe des Beihilfesatzes ab. Der Beihilfesatz differenziere außerdem regelmäßig zwischen den Beihilfeberechtigten und den berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Unter diesen Umständen habe nur eine pauschale Regelung über die Beitragsermäßigung getroffen werden können, wie es in den Satzungen der K. geschehen sei.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2019 zurück Sie wiederholte ihr Vorbringen aus dem Ausgangsbescheid und legte ausführlich dar, dass die Verjährung eingetreten sei. Insbesondere sei es der Beklagten nicht verwehrt gewesen, sich auf die Verjährungseinrede zu berufen. Es liege kein Fehlverhalten der Beklagten vor. Auch aus der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 24. September 2008 ergebe sich nicht zwingend die Erstattung von Beiträgen, wie der Kläger es fordere. Vielmehr lege das LSG dar, dass eine Neuregelung erforderlich sei unter Berücksichtigung von Grundlohnsummen und Leistungsinanspruchnahmen und Mitgliederdifferenzierung. Diese Tatsachen seien zum Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens im vorliegenden Fall nicht mehr ermittelbar gewesen. Die Beklagte treffe insbesondere keine Verletzung von Beratungsverpflichtungen. Das Urteil des SG Hannover vom 10. Oktober 2013 sei nicht rechtskräftig geworden, weil sich die Parteien sodann in zweiter Instanz verglichen hätten. Im Übrigen verstoße die Satzung in der jeweils geltenden Fassung weder gegen einfaches Recht noch gegen Grundrechte.

Am 28. August 2019 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Unter Berücksichtigung der Entscheidungen des SG Hannover vom 10. Oktober 2013 sowie des LSG Rheinland-Pfalz vom 24. September 2008 ergebe sich die Rechtswidrigkeit der hier betroffenen Beitragsbescheide aufgrund der Rechtswidrigkeit der Satzung. Soweit die in den Beitragsbescheiden vorgenommene Beitragsberechnung eine Beitragslast iHv 50% des Folgebeitrages zum Gegenstand habe, sei sie rechtswidrig und damit auf den Überprüfungsantrag des Klägers aufzuheben. Es komme auf die Frage der Verjährung nicht an, da es um eine reine Aufhebung rechtswidriger Bescheide gehen. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte ermessensfehlerfrei über die Verjährung entschieden habe. Die Beklagte verkenne die Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern. Soweit das LSG Nordrhein-Westfalen in einer Entscheidung vom 30. Januar 2014 zum Az L 5 KR 294/12 die dem LSG Rheinland-Pfalz entgegenstehende Rechtsauffassung vertreten habe, sei zu berücksichtigen, dass diese eine andere Sachverhaltskonstellation betreffe. Im Übrigen sei der Argumentation des LSG Rheinland-Pfalz der Vorzug zu geben.

Die Beklagte hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Forderungen seien zum größten Teil verjährt. Die Verjährungsfrist habe auch begonnen, obwohl die vom Kläger monierten bestandskräftigen Beitragsbescheide noch nicht aufgehoben worden seien. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 31. März 2015 zum Aktenzeichen B 12 AL 4/13 R seine anderslautende Rechtsprechung in der Entscheidung vom 13. September 2006 zum Az B 12 AL 1/05 R aufgegeben. Die Verjährungseinrede habe die Beklagte auch ermessensfehlerfrei erheben können. Eine höchstrichterliche Klärung zur Frage der Rechtmäßigkeit der Satzungsbestimmung stehe bis zum heutigen Tag aus. Das LSG NRW habe in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2014 zum Az L 5 KR 294/12 zu einem Sachverhalt, der die Prämienregelung nach § 53 Abs 7 SGB V betroffen habe, gegenteilig entschieden als das LSG Rheinland-Pfalz. Hiernach sei ein einheitlicher Beitragssatz als zulässige Pauschalierung angesehen worden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Beihilfesatz vom 70 % typischerweise gerade nicht mit einem geringeren Leistungsaufkommen der Krankenversicherung verbunden sei. Dies habe den Grund darin, dass der höhere Beihilfesatz typischerweise an das Vorhandensein einer höheren Zahl von Mitversicherten gebunden sei. Dies mache die Pauschalierung auf 50 % des Vollbeitrages zulässig.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2023 abgewiesen. Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 18. Mai 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen für die Zeit vom 5. Februar 1998 bis 31. März 2010, soweit die Beklagte Beiträge von mehr als 30 % des Vollbeitragssatzes erhoben habe. Prägend für den vorliegenden Fall sei, dass der Kläger als Dienstordnungsbeschäftigter und bei der Beklagten freiwillig Versicherter anders als sonstige freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte keinen Beitrag in Höhe von 100 % aufzubringen gehabt habe, weil er in der sogenannten Teilkostenversicherung versichert gewesen sei. Gemäß § 14 Abs 1 SGB V könne die Satzung für Angestellte der Krankenkasse und ihrer Verbände, für die eine Dienstordnung nach § 51 der Reichsversicherungsordnung gelte, bestimmen, dass an die Stelle der nach diesem Buch vorgesehenen Leistungen ein Anspruch auf Teilkostenerstattung trete. Sie habe die Höhe des Erstattungsanspruchs in vom Hundertsätzen festzulegen und das Nähere über die Durchführung des Erstattungsverfahrens zu regeln. Die Beklagte sehe in ihrer Satzung einen solchen Teilkostenversicherungstarif vor. Bezüglich der Höhe des zu entrichtenden Beitrags in dem Teilkostenversicherungstarif sei für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 § 243 Abs 1 SGB V in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung sowie für die Zeit ab 1. Januar 2009 § 53 Abs 7 SGB V maßgeblich. Der vom Kläger geltend gemachte Beitragsrückerstattungsanspruch für die Zeit vom 5. Februar 1998 bis 30. November 2009 seit unabhängig von seinem Bestehen verjährt, § 27 Abs 2 SGB IV. Dabei beginne die Verjährungsfrist nicht erst mit der Aufhebung des im Ergebnis beanstandeten Beitragsbescheides. Sie beginne nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien (unter Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R Rn 14). Hiernach sei die Verjährung für alle Beiträge einschließlich des für November 2009 gezahlten Beitrags (Zahlungsmonat Dezember 2009) eingetreten. Die anderslautende Rechtsprechung bezüglich des Beginns der Verjährung erst nach Aufhebung des Beitragsbescheids habe das BSG in seinem Urteil vom 31. März 2015 ausdrücklich aufgegeben. Es sei der Beklagten auch nicht verwehrt gewesen, sich auf die Verjährung zu berufen. Es handele sich bei der Berufung auf die Verjährung um eine Ermessensentscheidung, weshalb die Behörde rechtmäßig Ermessen auszuüben habe. Die Ermessensentscheidung der Beklagten sei als solche jedoch nur eingeschränkt, nämlich im Hinblick auf Ermessensfehler, überprüfbar. Solche Ermessensfehler seien hier nicht zu erkennen. Die Beklagte habe durch ihre Ausführung sowohl im Ausgangs- als auch Widerspruchsbescheid zu erkennen gegeben, dass sie selbst von einer Ermessensentscheidung ausgegangen sei. Ein Ermessensausfall liege damit nicht vor. Auch im Übrigen seien Ermessensfehler nicht erkennbar. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte relevante Gesichtspunkte bei der Ermessensausübung außer Acht gelassen habe. Insbesondere sei in der bloßen Entgegennahme von Beitragszahlungen kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln zu sehen (vgl BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R Rn 33). Unzulässig wäre die Rechtsausübung bei Verjährung darüber hinaus nur dann, wenn etwaige Behördenfehler (zB unrichtige Beratung) zu berücksichtigen wären, die zu einer verzögerten Geltendmachung des Leistungsanspruchs bzw des Rückerstattungsanspruchs geführt hätten (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 AL 1/06 R Rn 14). Vorliegend liege in der Tatsache, dass die Beklagte den Kläger nicht darüber aufgeklärt habe, dass die Satzung (nach Auffassung des Klägers) rechtswidrig sei bzw sein könnte, kein Fehler der Beklagten. Wesentlich hierfür sei, dass eine höchstrichterliche Entscheidung (Entscheidung des Bundessozialgerichts) bezüglich der Frage, ob die Gestaltung der Beitragsermäßigung bzw der Prämienzahlung wie im vorliegenden Fall gegen höherrangiges Recht verstoße, ausstehe. Soweit ersichtlich, seien lediglich sich entgegenstehende Entscheidungen des LSG Rheinland-Pfalz (vom 24. September 2008 zum Az L 5 KR 1/08) bzw LSG NRW (vom 30. Januar 2014 zum Az L 5 KR 294/12) erkennbar gewesen. Auch das erstinstanzliche Urteil des SG Hannover vom 10. Oktober 2013 habe keinen Bestand gehabt, weil in der zweiten Instanz ein Vergleich zwischen den Beteiligten erzielt worden sei. Die Beklagte habe deshalb weder zum Zeitpunkt der Erhebung der Beiträge noch zum Zeitpunkt des Stellens des Antrags auf Rückerstattung durch den Kläger im Oktober 2014 davon ausgehen müssen, dass ihre Satzung rechtswidrig gewesen sei. Soweit der Kläger im Übrigen auf die Fristen des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verweise, sei zu berücksichtigen, dass die Fristenregelungen des § 44 SGB X nicht eingreife. Die Voraussetzungen der Verjährung seien für den Erstattungsanspruch in § 27 SGB IV speziell geregelt. Jedenfalls insofern sei nach der Rechtsprechung des BSG ein Rückgriff auf § 44 Abs 4 SGB X weder als allgemeiner Rechtsgrundsatz noch im Wege einer analogen Anwendung eröffnet (mit Verweis auf BSG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 AL 1/06 R Rn 12). Hiernach sei der vom Kläger geltend gemachte Beitragsrückerstattungsanspruch unabhängig von seinem Bestehen zum größten Teil bereits verjährt und sei es der Beklagten auch nicht verwehrt, sich auf diese Verjährung zu berufen.

Bezüglich des Zeitraums der Beiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 31. März 2010 liege keine Verjährung vor. Gleichwohl habe der Kläger keinen Erstattungsanspruch. Die Erhebung der Beiträge in der hier geschilderten Form sei rechtmäßig. Im hier betroffenen Zeitraum (1. Dezember 2009 bis 31. März 2010) sei es der Beklagten wegen des einheitlich zu berücksichtigen Beitragssatzes verwehrt, in ihrer Satzung nach § 243 Abs 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung den Beitragssatz entsprechend der Teilkostenversicherung zu ermäßigen. Vielmehr greife § 53 Abs 7 SGB V ein. Hiernach könne die Krankenkasse in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränke, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vornehmen. Aus dieser "Kann"-Vorschrift (anders als § 243 Abs 1 SGB V) ergebe sich, dass der Beklagten ein Gestaltungsspielraum zugestanden habe. Bei der Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes nach Artikel 3 GG im Rahmen der Beitragserhebung habe der Gesetzgeber (und damit im vorliegenden Fall der Satzungsgeber) einen Gestaltungsspielraum, der eine Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen vorsehe (vgl BSG, Urteil vom 30. September 2015 - B 12 KR 13/13 R Rn 18). Jede Norm müsse verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie der Beitragsbemessung seien generalisierende, typisierende und pauschalisierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden; der Gesetzgeber sei dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Die Kammer folge unter Berücksichtigung dieses Maßstabes im Ergebnis der Wertung des LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 30. Januar 2014 - Az L 5 KR 294/12, das ebenfalls eine Prämienregelung, wie im vorliegenden Fall einschlägig, zu entscheiden hatte. Unter Berücksichtigung des Gestaltungspielraums des Satzungsgebers sei es diesem nicht verwehrt gewesen, eine pauschale Regelung bezüglich der Prämienerstattung in Höhe von 50 % unabhängig von der Höhe des Beihilfesatzes zu erlassen. Die Erhöhung des Beihilfesatzes von 50 auf 70 % im Falle des Klägers sei darin begründet gewesen, dass er Vater einer zweiten Tochter geworden sei, womit ein höheres Kostenrisiko bzgl der Krankheitskosten der Familienangehörigen entstanden sei. Angesichts der Tatsache, dass der erhöhte Beihilfesatz (wie beim Kläger) regelhaft mit einem für den Versicherten und die mitversicherten Angehörigen erhöhten Leistungsanspruch (insgesamt) einhergegangen sei, sei es nicht unbillig gewesen, dass die Beklagte diese Folge nicht in der Weise nachvollzogen habe, dass die Beitragslast gesenkt worden sei.

Gegen das am 5. Mai 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Juni 2023 Berufung zum LSG Niedersachen Bremen erhoben. Er verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Ferner hat er Bezug genommen auf ein Urteil des SG Hannover vom 26. April 2023 - S 95 KR 695/21. Die Wertung des SG Hannover im angefochtenen Urteil sei rechtsirrig. Der Unterschied zwischen einem 50% und einem 70 % Beihilfesatz sei so gravierend, dass bereits deshalb ohnehin eine Gleichbehandlung ausscheide. Das LSG Nordrhein-Westfalen habe bei genauerer Betrachtung lediglich über eine Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung durch Satzung bei dem Krankenversicherungszusatzbeitrag zu entscheiden gehabt. Dieser sei wirtschaftlich vergleichsweise unbedeutend, so dass es von Verfassungswegen hinnehmbar erscheine, hier trotz unterschiedlicher Beihilfesätze alle betroffenen Versicherten gleich zu behandeln. Der Wille des Gesetzgebers, Versicherte mit mehreren Kindern durch die Gewährung eines höheren Beihilfeanspruchs finanziell zu entlasten, werde nicht nur konterkariert, sondern ad absurdum geführt. Die Satzungsbestimmungen seien mit übergeordnetem Recht nicht zu vereinbaren. Die Beklagte müsste Satzungsbestimmungen erlassen, die keine Regelungen enthalten dürften, die die Beitragshöhe nicht korrespondierend mit der Höhe des Beihilfesatzes festsetzen würden. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. Bis zur Aufhebung bzw Nichtigkeitserklärung der in Rede stehenden Satzungsbestimmung habe ein Rechtsgrund für die geleisteten Beiträge bestanden, so dass eine Verjährung nicht zu laufen begonnen habe könnte. Das Urteil des BSG vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R habe einen völlig anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt betroffen. Der Einrede der Verjährung stehe unter Berücksichtigung der Umstände der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, da es vorliegend um Satzungen gehe, die sich die Beklagte selbst im Rahmen des autonomen Satzungsrechts gegeben habe, womit sie sich selbst einen unrechtmäßigen vermögenswerten Vorteil, nämlich zu hohe Beiträge, selbst verschafft habe. Allein der Umstand, dass die Beklagte die zu beanstandenden Regelungen selbst geschaffen habe, lasse es treuwidrig erscheinen, sich nun auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 21. April 2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 zu verurteilen, die Beitragsbescheide vom 5. August 1997, 21. Juli 1998, Juni 1999, 20. Dezember 1999, 4. Januar 2002, 2. Dezember 2002, 12. Januar 2004, 22. Februar 2005, August 2005, 30. Januar 2006, 21. Februar 2008, 28. April 2009, 3. Februar 2009, 3. Februar 2010 sowie 22. Februar 2011 insoweit aufzuheben, als wirtschaftlich im Ergebnis mehr als ein Beitrag von 30 % des in Bezug zu nehmenden Beitragssatzes erhoben worden ist,

und die Beklagte zu verurteilen, die sich hieraus ergebenden Beitragsüberzahlungen für den Zeitraum Februar 1998 bis März 2010 an den Kläger zu erstatten.

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 zu verpflichten, für den Zeitraum 1. Februar 1998 bis 31. Dezember 2008 geringere Krankenversicherungsbeiträge und für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2010 höhere Prämienzahlungen festzusetzen.

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den für den Zeitraum 1. Februar 1998 bis 31. Dezember 2008 gültigen Satzungen der Beklagten, wonach für Mitglieder, die im Rahmen des § 14 SGB V einen Anspruch auf Teilkostenerstattung haben, der Beitragssatz mit einem Beihilfeanspruch mit einem Beihilfesatz von 50% genauso hoch ist wie für Mitglieder mit einem Beihilfenanspruch mit einem Beihilfesatz von 70%, nichtig sind.

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. März 2010 gültigen Satzungen der Beklagten, wonach für Mitglieder, die im Rahmen des § 14 SGB V einen Anspruch auf Teilkostenerstattung haben, der Prämienanspruch sowohl für Mitglieder mit einem Beihilfeanspruch mit einem Beihilfesatz von 50% als auch für Mitglieder mit einem Beihilfenanspruch mit einem Beihilfesatz von 70% die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrages beträgt, nichtig sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe zutreffend entschieden, dass die Beiträge aus der Zeit vor dem 1. Dezember 2009 verjährt seien. Die Beklagte habe das für die Erhebung der Verjährungseinrede zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei auch nicht unzulässig gewesen. Die Frage, ob Beitrags- bzw Prämienhöhe für Dienstordnungsangestellte nach der Höhe des Beihilfegrades selbst differenziert werden müsste, sei höchstrichterlich nicht geklärt gewesen. Das LSG Nordrhein-Westfalen habe die Festlegung eines einheitlichen Prämiensatzes als zulässige Pauschalierung angesehen. Eine Satzungsbestimmung der K. Niedersachsen über einen einheitlichen Beitragssatz iHv 50 % eines Vollbeitrags sei bis zum Außerkrafttreten der letzten derartigen Gebührensatzung am 31. März 2010 nicht angegriffen worden. Die Beklagte habe auf die Wirksamkeit ihrer Satzungsregelung vertrauen dürfen und diese Bestimmungen ihren Haushaltsplanungen und Kalkulationen zugrunde gelegt. Müssten Beitragszahlungen in der Teilkostenversicherung erstattet werden, führe dies zu unvorhergesehenen Belastungen der Versichertengemeinschaft, die nur aus laufenden Beiträgen erbracht werden könnten.

Die klageerweiternd in der Berufungsinstanz eingebrachten Hilfsanträge seien bereits unzulässig. Dem Antrag zu 3 Abs 1 fehle das Rechtschutzbedürfnis, den übrigen Anträgen das Feststellungsinteresse. Sie seien auch unbegründet. Wenn die Satzungsbestimmung der Beklagten gleichheitswidrig gewesen wäre, wäre es ihre Sache zu entscheiden, in welcher Weise sie eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende Beitragsregelung treffen wolle. Es wären höhere Beitragslasten denkbar, wenn die Beitragshöhe gruppenspezifisch nach den Gesamtkrankheitskosten von den Dienstordnungsangestellten und ihren Mitversicherten bemessen würde.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte

sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 24. Mai 2024 und 6. Juni 2024 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten schriftsätzlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-)

Die gemäß §§ 143 f SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. April 2023 ist nicht zu beanstanden.

Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl zur Rückerstattung überzahlter Beiträge - BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 2/14 R Rn 11) zulässig.

1. Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 18. Mai 2017 (richtig 2018) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 12. Oktober 2014 ablehnte, zu viel gezahlte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen seiner Teilkostenversicherung zu erstatten. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten enthalten bei verständiger Auslegung (nur) eine die Beitragserstattung ablehnende Regelung. Ausschlaggebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, das objektivierten Empfängerverständnis. Es kommt zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehaltes darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen durften (BSG, aaO Rn 12). Gemessen daran hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 18. Mai 2018 den expliziten Antrag auf Beitragserstattung vermeintlich zu viel gezahlter Beiträge abgelehnt. Ein Überprüfungsantrag früherer Beitragsbescheide nach § 44 SGB X ist demgegenüber nicht streitgegenständlich und war auch nicht Gegenstand der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen eben so wenig wie ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzungen der AOK (so aber SG Hannover Az S 95 KR 695/21, das davon ausgeht, dass Streitgegenstand der Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzung ist).

2. Das SG hat richtig entschieden, dass Erstattungsansprüche für die Zeit von Februar 1998 bis zum 1. Dezember 2009 verjährt sind

a. Nach § 26 Abs 2 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht hat. Der Erstattungsanspruch steht dem zu, der die Beiträge getragen hat (§ 26 Abs 3 Satz 1 SGB IV). Zu Unrecht gezahlt sind Beiträge auch, wenn sie nicht in der richtigen Höhe gezahlt wurden (Kreikebohm, SGB IV, 6. Auflage 2021, § 26 Rn 3), wie es hier der Kläger geltend macht. Die vom Kläger im Berufungsantrag aufgeführten Beitragsbescheide für den streitigen Zeitraum ab Februar 1998 sind jeweils bestandskräftig geworden und von der Beklagten auch nicht aufgehoben worden. Solange eine Überprüfung nicht erfolgreich abgeschlossen wurde, bleibt es bei der Bestandskraft (vgl auch BSGE 50, 129, 133 [BSG 28.05.1980 - 5 RKn 21/79]).

b. Gemäß § 27 Abs 2 SGB IV verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Dabei beginnt die Verjährungsfrist nicht erst mit der Aufhebung des im Ergebnis beanstandeten Beitragsbescheides. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet sind. Dies gilt auch dann, wenn der Beitragsbescheid erst später aufgehoben wurde oder der Erstattungsanspruch erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entsteht (BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R Rn 14 = SozR 4-2400 § 27 Nr 6; Lüdtke/Winkler, LPK, SGB IV, 3. Aufl, 2020, § 27 Rn 8; Bigge/Dahm in, Kopppenfels-Spies/Wenner, SGB IV, 3. Aufl, 2022, § 27 Rn 24; Waßer, juris-PK, 4. Auflage, 2021; Stand: 1. August 2021, § 27 Rn 27; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 2/14 R Rn 17ff; Zieglmeier, Kasseler Kommentar, 125. Aufl, 2024, Stand: November 2023, § 27 SGB IV Rn 18). Das BSG hat dies unter ausdrücklicher Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R Rn 31) aus Wortlaut, Gesetzesmaterialien, Systematik und Sinn und Zweck hergeleitet (Rn 18 ff). Verfassungsrechtliche Bedenken stünden dieser Auslegung nicht entgegen (Rn 26 f), da der Betroffene es selbst in der Hand habe, ihm nachteilige Beitragsbescheide zeitnah anzugreifen bzw vor Ablauf der Frist des 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV nach § 44 SGB X überprüfen zu lassen oder Beiträge nur unter Vorbehalt zu entrichten (Rn 27). Auf den Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs kommt es nicht an. Weshalb die Rechtsprechung des BSG, die auch der in der Literatur vertretenen Auslegung entspricht, hier nicht gelten sollte, erschließt sich nicht. Die Grundsätze im Urteil des BSG sind anwendbar, da es keinen Unterschied macht, ob die Grundentscheidung durch den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ausgesprochen wurde und der später geltend gemachte Erstattungsanspruch sich gegen die Bundesagentur für Arbeit richtet.

Daraus ergibt sich auch, dass die Fristenregelung des § 44 SGB X nicht eingreift, denn die Voraussetzungen für die Verjährung des Erstattungsanspruchs sind in § 27 SGB IV speziell geregelt (BSG, aaO, Rn 27;vgl auch BSG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 AL 1/06 R Rn 12).

Sinn und Zweck des § 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV ist es, im Interesse der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Haushalte der Sozialversicherungsträger und einer geordneten Haushaltsführung Erstattungsansprüche gegen Versicherungsträger nicht für lange, unter Umständen unabsehbare Zeiträume, in der Schwebe zu lassen (BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R Rn 25; Bigge/Dahm, aaO, Rn 24). Das Institut der Verjährung ist geprägt von dem Gedanken des Schuldnerschutzes und der Herstellung von Rechtsfrieden. Ausgeschlossen ist die Verjährung nur unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (Lüdtke/Winkler, aaO, Rn 8). Die Unkenntnis des Berechtigten von seinem Anspruch und die Möglichkeit, diesen rechtzeitig geltend zu machen, ist im Bereich der Beitragserstattung ohne Bedeutung (BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 AL 1/02 R). Die Verjährungsfrist wird auch durch schuldhaftes Verhalten des Versicherungsträgers nicht verlängert (Zieglmeier, aaO, § 27 Rn 19).

c. Das SG hat auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte das ihr für die Erhebung der Verjährungseinrede zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Die Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers ist von den Gerichten nur im beschränkten Rahmen überprüfbar (Waßer, aaO, Rn 51). Die Beklagte hat bereits im Bescheid vom 18. Mai 2018 ihre Pflicht erkannt, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede zu treffen und eine solche tatsächlich getroffen (vgl allgemein BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 ALK 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 1 Rn 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 AL 2/11 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 5 Rn 22). Sie hat die Interessen des Klägers an der Beitragserstattung und ihr Interesse und das der übrigen Beitragszahler abgewogen. Der Kläger habe sich insbesondere freiwillig und in Kenntnis der Beitragssatzung für eine Teilkostenversicherung entschieden und eine Beanstandung der Beiträge nicht vorgenommen. Sie habe ihre Haushaltsplanung entsprechend ausgerichtet und die Interessen der übrigen Beitragszahler zu berücksichtigen.

Ermessensrelevante Gesichtspunkte iS einer unbilligen Härte für den Kläger, die ausnahmsweise hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft, unvorhergesehene Belastungen zu verhindern, hintanzustellen, und von der Erhebung der Verjährungseinrede abzusehen (vgl BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 AL 2/11 R Rn 22 ff = SozR 4- 2400 § 27 Nr 22 ff; BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R Rn 33,34), sind überhaupt nicht erkennbar

d. Die Beklagte durfte sich auch auf die Verjährung berufen, ohne dass dies zu beanstanden wäre. Dies könnte der Fall sein, wenn der Verjährungseinrede der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstünde, der aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben folgt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 AL 1/06 R, BSGE 99, 271, SozR 4- 2400 § 27 Nr 3 Rn 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 AL 2/11 R Rn 22; BSG, Urteil vom 4. März 2021 - B 11 AL 5/20 R Rn 24; BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 - B 5 R 34/21 Rn 24 mwN). Da die Verjährungsvorschriften dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit dienen und einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzbarkeit der Forderung und dem Interesse des Schuldners an einer zeitlichen Begrenzung der möglichen Inanspruchnahme schaffen sollen, sind an den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung strenge Maßstäbe zu stellen. Er kann nur gegenüber einem groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen (BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 - B 5 R 34/21 Rn 24 mwN).

Umstände, wonach die Erhebung der Verjährungseinrede ausnahmsweise unzulässig bzw rechtsmissbräuchlich ist, sind nicht erkennbar. Dies wäre dann der Fall, wenn die unterlassene Geltendmachung auf einem Fehlverhalten der zuständigen Behörde beruht, wenn die fehlerhafte Beitragszahlung durch ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln nachweislich verursacht worden ist (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 AL 2/11 R Rn 22) (zB Falschberatung oder sonstiges Verschulden der Behörde) oder die Behörde den Berechtigten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten hat (BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 - B 5 R 34/21 Rn 24 mwN; Zieglmeier, aaO, Rn 33).

Derartige besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten war die Frage der Beitragshöhe für Dienstordnungsangestellte in der Teilkostenversicherung nach der Höhe des Beihilfegrades des Dienstordnungsangestellten höchstrichterlich nicht geklärt. Vielmehr hat das LSG Nordrhein- Westfalen ausgeführt, dass die Festlegung eines einheitlichen Prämiensatzes eine zulässige Pauschalierung ist. Die entsprechenden Satzungsregelungen der K. sind vom Verwaltungsrat der K. beschlossen und vom Niedersächsischen Sozialministerium genehmigt worden. Umstände dafür, dass ein Ausnahmefall vorliegt, wonach eine Berufung auf die Verjährungseinrede ausnahmsweise unzulässig ist, sind nicht erkennbar.

Zudem muss der Gläubiger nach Wegfall der Umstände, die ihn von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten haben und den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung begründen könnten, binnen einer angemessenen, wiederum nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist, seinen Anspruch geltend machen, um der Verjährungseinrede mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu begegnen (BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 - B 5 R 34/ 21 Rn 31mwN).

Nach dieser Maßgabe steht dem Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit hier auch entgegen, dass nicht erkennbar ist, warum der Kläger seinen Erstattungsanspruch erst im Dezember 2014 geltend gemacht hat. Der Hinweis auf die Personalversammlung im Jahre 2014 reicht dazu nicht. Er hat weder die ihm nachteiligen Beitragsbescheide seit Februar 1998 zeitnah angegriffen oder vor Ablauf der Verjährungsfristen nach § 44 SGB X überprüfen lassen (vgl dazu BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R Rn 27) und sie auch weder nach den Informationen der Beklagten über Satzungsänderungen im Jahr 2004 noch nach dem Hinweis vom 3. Februar 2009 geltend gemacht und auch erst viele Jahre nach dem vom ihm maßgeblich in Bezug genommenen Urteil des LSG Rheinland-Pfalz (vom 24. September 2008 - L 5 KR 1/08 R).

3. Das SG hat auch zurecht die Klage bezüglich des Zeitraumes 1. Dezember 2009 bis 31. März 2010 abgewiesen. Rechtsgrundlage ist § 53 Abs 7 SGB V. Danach kann eine Krankenkasse in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach dem SGB V beschränkt, auch eine der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vornehmen. Abs 7 ist mit Wirkung zum 1. Januar 2009 eingeführt worden (Art 46 Abs 10 GKV-WSG) und ermöglicht Prämienzahlungen für Mitglieder, bei denen die Satzung der Krankenkasse den Leistungsumfang einschränkt. Diese Regelung ist für Mitgliedergruppen eingefügt worden, bei denen die Krankenkasse den Umfang der Leistungen nach den Vorschriften des SGB V beschränkt hat wie Mitglieder, die - wie hier - Teilkostenerstattung nach § 14 SGB V gewählt haben. Durch das GKV-WSG war die Möglichkeit einer Ermäßigung des Beitragssatzes nach § 234 aF entfallen, so dass Abs 7 die Krankenkassen ermächtigt, für diese Personen eine Prämienzahlung vorzusehen (BT Drucks 16/3100 S 109)(vgl zum Ganzen Nolte, Kasseler Kommentar, aaO, § 53 SGB V Rn 45).

Es besteht bereits keine Verpflichtung zur Einführung eines solchen Tarifs ("kann") (Nolte, aaO). Eine exakte Differenzierung nach der Höhe des jeweiligen Beihilfesatzes ist angesichts des Gestaltungsermessen der Krankenkassen nicht erforderlich (vgl LSG NRW, Urteil vom 30. Januar 2014 - L 5 KR 294/12 R Rn 48 ff; Nolte aaO). Unter Berücksichtigung des Gestaltungspielraums des Satzungsgebers ist es der Beklagten nicht verwehrt gewesen, eine pauschale Regelung bezüglich der Prämienerstattung in Höhe von 50 % unabhängig von der Höhe des Beihilfesatzes zu erlassen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Prämienberechnung nicht beanstandet und dazu ausgeführt: "Der Kläger setzt dabei voraus, es handele sich bei der freiwilligen Versicherung um eine Art Quotenversicherung, die lediglich den Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen abdeckt, der nicht vom Beihilfeanspruch umfasst ist. Dies ist indes nicht der Fall, weil die Leistungsansprüche des Klägers nicht in dieser Weise beschränkt ist. Er vermag anstelle der Kostenerstattung auch die volle Sachleistung zu wählen (§ 14 SGB V). In diesem Fall ist der Umfang der Leistungen der Beklagten überhaupt nicht beschränkt. Diesem Umstand, dass der Umfang der Leistungen der Beklagten je nach Wahl des Versicherten im Einzelfall variiert, hat die Beklagte sachgerecht dadurch Rechnung getragen, dass sie pauschal von einer Leistungsbeschränkung von 50 vH ausgegangen ist und deshalb als Faktor für die Prämienberechnung die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes eingestellt hat. Dabei musste die Beklagten auch nicht weiter zwischen DO Angestellten mit niedrigerem Beitragssatz und höherem Beitragssatz differenzieren, weil der Versicherte mit einem höheren Beihilfesatz aufgrund der individuellen Wahlmöglichkeit durchaus in größerem Umfang oder sogar ausschließlich Sachleistungen in Anspruch zu nehmen vermag. Außerdem ist der höhere Beihilfeanspruch an das Vorhandensein eines Ehegatten und/oder unterhaltsberechtigten Kindes geknüpft, die regelmäßig mitversichert und ebenfalls leistungsberechtigt sind." Dem schließt sich der Senat an. Im Übrigen verweist der Senat auf die Ausführungen des SG, § 153 Abs 2 SGG.

Darüber hinaus weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass selbst aus einer Feststellung der Nichtigkeit der Satzungsbestimmungen ab 1. Januar 2009 keinesfalls ein Anspruch auf die begehrte höhere Zahlung herrühren muss. Wenn die Satzung wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz nichtig wäre, müsste die die Beklagte im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums allenfalls eine Neuregelung treffen. Insoweit ist das Urteil des SG Hannover vom 26. April 2023 - S 95 KR 695/21 nicht verständlich, wenn es darin heißt, dass die Beklagte neue Regelungen treffen müsse, wobei die Kammer davon ausgehe, dass das "Ergebnis der Neuregelung für den Kläger höhere Prämienzahlungen seien." Regelmäßig ist dem Satzungsgeber bei der Beitragsgestaltung ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit er innerhalb der gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzt. Ob dabei die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen wurde, ist der gerichtlichen Prüfung entzogen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2020 - B 2 U 10/18 R, SozR 4-2700 § 162 Nr 3; vgl auch BSG B 12 KR 13/13 R Rn 23 zur Befugnis von generalisierenden und typisierenden Regelungen im Sozialrecht). Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass auch andere Lösungen, wie zB die gruppenspezifische Berechnung der Beitragshöhe nach den Gesamtkrankheitskosten der Dienstordnungsangestellten und ihrer Mitversicherten, denkbar gewesen wären.

4. Es kann dahinstehen, ob es sich bei den mit Schriftsatz vom 17. Juli 2023 gestellten Hilfeanträgen um eine gemäß § 99 SGG unzulässige Klageerweiterung handelt, der die Beklagte nicht zugestimmt hat.

Die Hilfsanträge sind bereits nicht zulässig.

a. Für den Hilfsantrag 3 Abs 1 fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, denn das Begehren, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide für den Zeitraum 1. Februar 1998 bis 31.Dezember 2008 geringere Krankenkassenbeiträge festzusetzen bzw für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. März 2020 höhere Prämienzahlungen festzusetzen, ist letztlich schon im Hauptantrag enthalten.

b. Gleiches gilt für den Hilfsantrag zu 3 Abs 3, der ebenfalls unzulässig ist. Die Feststellungsklage ist gegenüber der Anfechtungs- und Leistungsklage subsidiär. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt der Nachranggrundsatz (vgl BSG, Urteil vom 28. März 2013 -11 B 4 AS 42/12 R; Keller, Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl, 2023, § 55 Rn 1, 19 ff). Dem Kläger wäre es möglich, einen bezifferten Leistungsanspruch für einen höheren Prämienanspruch für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2010 nach Maßgabe der von ihm vertretenen Rechtsauffassung zu stellen.

c. Der Hilfsantrag zu 3 Abs 2 ist unzulässig, denn es fehlt das Feststellungsinteresse.

Nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGB V kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Hiervon erfasst werden auch die Feststellung einzelner Beziehungen oder Berechtigungen aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn der Kläger macht eine Erstattungsforderung gegen die Beklagten geltend, die Beklagte bestreitet dies und hält dem Anspruch die fehlende Durchsetzbarkeit wegen Verjährung entgegen.

Ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung ist jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Ein Feststellungsinteresse besteht hier aber nicht, denn die Feststellung der Nichtigkeit der Satzung war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und die Beklagte hat bezüglich der Erstattungsansprüche bis zum 30. November 2009 zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben.

5. Die Kostenentscheidung ergeht gem § 193 Abs 1 SGG.

6. Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG).