Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.04.1990, Az.: 1 Ws 75/90
Beschwerde gegen Beschluss über die Belastung mit den notwendigen Auslagen des Nebenklägers; Pflicht des Angeklagten zum Tragen der notwendigen Auslagen des Nebenklägers; Wegfallen der Nebenklagebefugnis; Berechtigung zum Ausschluss eines Nebenklägers; Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 25.04.1990
- Aktenzeichen
- 1 Ws 75/90
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1990, 15757
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1990:0425.1WS75.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA ... - AZ: 43 Js 14564/88
Rechtsgrundlagen
- § 473 Abs. 1 S. 2 StPO
- § 472 Abs. 1 S. 1 StPO
- § 318 StPO
- § 264 StPO
- § 395 StPO
Fundstelle
- JurBüro 1990, 517 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Beleidigung u.a.
Prozessgegner
Auszubildender ..., geb. am ... in ...
Sonstige Beteiligte
Elektriker ...,
vertreten durch Rechtsanwältin ... in ... -
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts ... vom 26. Januar 1990 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht am 25. April 1990
durch
den Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Amtsgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird dahin geändert, daß die Auferlegung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Berufungsverfahren auf den Angeklagten entfällt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen dem Angeklagten auferlegt, nachdem dieser die Berufung zurückgenommen hatte.
Die allein gegen die Belastung mit den notwendigen Auslagen des Nebenklägers gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat Erfolg.
Der Kostenentscheidung liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Durch die Anklage, der der Nebenkläger sich angeschlossen hatte, war dem Angeklagten u.a. der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung z.N. des Nebenklägers vorgeworfen worden. Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen dieser Tat zur einer Geldstrafe verurteilt, jedoch nicht wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung - insoweit hat es Vorsatz nicht feststellen können - sondern allein wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung (§§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, 240 StGB). Seine Berufung hiergegen hatte der Angeklagte bereits in der Berufungsschrift auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Er hat das Rechtsmittel in der Berufungshauptverhandlung zurückgenommen.
Entgegen der auf den Wortlaut des § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützten Auffassung des Landgerichts durften die notwendigen Auslagen des Nebenklägers dem Angeklagten nicht auferlegt werden, weil eine Verurteilung wegen einer Tat, die i.S. des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO "den Nebenkläger betrifft", nicht mehr in Betracht kam. Infolge der gemäß § 318 StPO zulässigen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch war der vom Amtsgericht verhängte Schuldspruch rechtskräftig geworden. Damit erstreckte sich die Überprüfungsbefugnis des Berufungsgerichts nicht mehr auf den dem Angeklagten zunächst vorgeworfenen Versuch einer gefährlichen Körperverletzung, der allein zum Anschluß als Nebenkläger berechtigte; der Schuldspruch im übrigen betraf den Nebenkläger nicht mehr.
Vor der Neuordnung des Rechts der Nebenklage durch das OpferschutzG v. 18.12.1986 war zwar allgemein angenommen worden, die Pflicht des Angeklagten zum Tragen der notwendigen Auslagen des Nebenklägers setze schon ein, wenn die Tat (§ 264 StPO), die zum Anschluß als Nebenkläger berechtigt hatte, sich schließlich zwar nicht als eine Katalogtat, aber als eine gegen ein persönliches, strafrechtlich geschütztes Rechtsgut des Nebenklägers gerichtete Tat herausstellte. Diese Auffassung wird auch nach der erheblichen Erweiterung des Katalogs der zum Anschluß berechtigenden Delikte durch § 395 StPO n.F. weiterhin vertreten (vgl. Kleinknecht/Meyer, StPO, § 472 Rdz. 6 m.N.; KK-StPO-Schikora/Schimansky, § 472 Rdz. 3; a.A. LR-Hilger § 472 Rdz. 12). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob sie grundsätzlich zutrifft. Sie läßt sich jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn bei Entstehung der Auslagen des Nebenklägers bereits rechtskräftig feststand, daß der Angeklagte einer zur Nebenklage berechtigenden Gesetzesverletzung nicht schuldig ist und deshalb nicht bestraft werden kann, wie es vorliegend der Fall war. Denn die Befugnis des Nebenklägers, der Staatsanwaltschaft zwecks Erzielung einer Verurteilung wegen des Nebenklagedelikts als Gehilfe zur Seite zu stehen, war hier weggefallen. Allein die ausstehende Rechtsfolgenentscheidung wegen einer Gesetzesverletzung, die nicht zum Anschluß berechtigt, bildet für die Belastung des Angeklagten mit den Auslagen des Nebenklägers keine ausreichende Grundlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 3 StPO.