Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.03.2021, Az.: 2 K 130/20

Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Berufspilotenausbildung in vollem Umfang als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit oder lediglich auf 6.000 € begrenzt als Aufwendungen für eine Erstausbildung als Sonderausgaben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.03.2021
Aktenzeichen
2 K 130/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 66208
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 15.02.2023 - AZ: VI R 22/21

Fundstellen

  • DStRE 2022, 969-973
  • GStB 2022, 193
  • StX 2022, 503

Tenor:

Aufwendungen für die Verkehrspilotenausbildung des Klägers gehören in den Streitjahren zu den beschränkt abzugsfähigen Berufsausbildungskosten des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG; auch wenn der Kläger bereits seit 2003 in der Veranstaltungs- und Showtechnik gewerblich tätig war, handelt es sich um eine Erstausbildung.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufwendungen des Klägers für seine Berufspilotenausbildung in vollem Umfang als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit oder lediglich auf 6.000 € begrenzt als Aufwendungen für eine Erstausbildung als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist ledig und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

In der Zeit von 2001 bis 2003 hatte der Kläger ein 20 - monatiges Praktikum bei der Firma X absolviert. Die dort erworbenen Kenntnisse in den Bereichen der Veranstaltungstechnik und des Veranstaltungsmanagements nutzte er für seine weitere gewerbliche Tätigkeit im modernen, elektro-musikalischen Bereich. So meldete er 2003 bei der Stadt (...) ein Gewerbe an. Seinem damaligen Briefkopf war zu entnehmen, dass es sich um das Unternehmen

Veranstaltungen und Showtechnik

(...)

handelte. Aus vorliegenden Rechnungen aus 2013 ist ersichtlich, dass der Kläger sein Unternehmen zwischenzeitlich umbenannt hat:

DJ (...)

Der Kläger war nach eigenen Angaben in verschiedenen Musikclubs als DJ tätig. Diese Tätigkeit umfasste die Planung und Vorbereitung des Events sowie deren Durchführung, aber auch die Musikerstellung und Produktion. Seit 2003 erklärte er die folgenden Einkünfte aus dieser Tätigkeit:

2003- 338,00 €
200415.602,86 €
200513.401,48 €
200613.853,76 €
20076.783,51 €
200818.284,20 €
200911.906,24 €
201013.435,72 €
201110.834,02 €
201214.171,95 €
201312.657,00 €
20141.485,00 €
20152.957,14 €
20162.930,27 €
20177.063,00 €
20183.039,00 €

Im Februar 2005 erwarb der Kläger zunächst die Privatpilotenlizenz für einmotorige Flugzeuge nach Sichtflugregeln. 2011 erwarb er dann die Nachtflugberechtigung, 2017 die Instrumentenflugberechtigung für ein- und mehrmotorige Flugzeuge (Berufspilotenlizenz) und 2018 erwarb er schließlich die Musterberechtigung für den Airbus A 320. Ab 2018 erklärte der Kläger dann erstmals Einnahmen aus seiner Berufspilotentätigkeit bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Aufwendungen für die Pilotenausbildung erklärte der Kläger bereits seit 2005 als vorweggenommene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Zur Begründung führte er seit 2005 aus, dass er sich in der Ausbildung zum Verkehrspiloten befinde und beabsichtige, sich nach seiner Ausbildung bei einer Airline zu bewerben und dort als Berufspilot zu arbeiten. Er erklärte die folgenden Ausbildungskosten als vorweggenommene Werbungskosten:

200413.542 €
200523.347 €
200612.333 €
20071.154 €
20080 €
20091.250 €
20101.250 €
201113.045 €
2012605 €
2013134 €
20143.290 €
2015982 €

Der Beklagte war in allen Jahren der Auffassung, dass es sich um eine Erstausbildung des Klägers handele, die Kosten lediglich im Rahmen des begrenzten Sonderausgabenabzugs mit jährlich höchsten 4.000 € zu berücksichtigen seien und berücksichtigte die erklärten Aufwendungen in allen Jahren lediglich im Rahmen des begrenzten Sonderausgabenabzugs. Ein Einspruch des Klägers betreffend die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2006 blieb erfolglos.

In der Einkommensteuererklärung 2016 erklärte der Kläger unter anderem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt - 8.790 €. Bei diesen Einkünften handelte es sich wie schon in den Vorjahren um Aufwendungen für die Berufspilotenausbildung. Er legte seinen Ausbildungsvertrag mit der Flugschule vor. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Aufwendungen:

Schulungskosten6.872,27 €
Fahrtkosten976,20 €
Verpflegungsmehraufwand288,00 €
Übertrag8.136,47
Übertrag8.136,47
Unterkunft
20.09.-21.09 160,00 €
28.09.-30.09.1669,00 €
13.10.-14.10.160,00 €
19.10.-20.10.1622,00 €
26.10.-27.10.1622,00 €
01.11.-02.11.1622,00 €
22.11.-23.11.160,00 €
29.11.-01.12.1644,00 €179,00 €
Lehrmaterial19,00 €
Prüfungsgebühr171,00 €
Fahrtkosten zum Prüfungsort, 4 × 197 km mal 0,30 €/km236,40 €
Verpflegungsmehraufwendungen, Prüfung (4 × 12 €)48,00 €
8.789,87 €

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer des Streitjahres 2016 mit 0 € fest, dem lag ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 2.930 € und ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von - 5.254 € zugrunde. Wie schon in den Vorjahren berücksichtigte er die erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht. In den Erläuterungen des Bescheides wies er darauf hin, dass der Kläger nach Aktenlage bereits 2005 mit der Ausbildung begonnen habe, diese in der Folgezeit unterbrochen habe, es sich daher bei den streitigen Aufwendungen um Sonderausgaben (Berufsausbildungskosten) handele, die maximal bis 6.000 € berücksichtigt werden könnten.

Der Kläger erhob Einspruch gegen diesen Bescheid. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei den streitigen Aufwendungen nicht um eine Erstausbildung handele. Er sei bereits seit mehreren Jahren selbständig tätig gewesen. Zur weiteren Begründung verwies der Kläger zunächst auf die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter den Aktenzeichen 2 BvL 23-27/14 anhängigen Verfahren. Es sei abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht die Nichtabziehbarkeit der Werbungskosten für Erstausbildungen als verfassungswidrig ansehe.

In der Einkommensteuererklärung 2017 erklärte der Kläger unter anderem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt - 18.751 €. Bei diesen Einkünften handelte es sich um Aufwendungen für seine Berufspilotenausbildung, die sich wie folgt zusammensetzten:

Schulungskosten18.735,00€
Kontoführung16,00 €
18.751,00 €

Mit Bescheid vom 26. August 2019 setzte der Beklagte die Einkommensteuer des Streitjahres 2017 mit 0 € fest. Bemessungsgrundlage war ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 7.063 € und ein zu versteuerndes Einkommen von - 560 €. Auch in diesem Jahr berücksichtigte der Beklagte die erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht. In den Erläuterungen des Bescheides wies er darauf hin, dass er die Kosten für die erstmalige Berufsausbildung nicht als Werbungskosten anerkenne, wie schon im Vorjahr seien diese als Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 6.000 € zu berücksichtigen.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 29. August 2019 auch gegen diesen Bescheid Einspruch und verwies auf das für das Vorjahr anhängige Einspruchsverfahren.

Im Laufe der beiden Einspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, dass er mehrere Kleinflugzeugführerscheine besitze, die er unter anderem auch 2005 erworben habe. Für die 2015 begonnene Tätigkeit benötige er jedoch einen Schein für Großflugzeuge. Ziel sei es gewesen, seine wirtschaftlichen Aussichten zu verbessern. So habe er 2015 mit dem Erwerb des neuen Flugscheins begonnen, diese Maßnahme 2017 dann abgeschlossen. Für die Anerkennung als Werbungskosten reiche es aus, dass er bereits beruflich tätig geworden sei, selbst wenn er eine Ausbildung im "formellen Sinn" nie abgeschlossen hätte. Eine solche abgeschlossene Ausbildung sei nicht erforderlich, die in den beiden Streitjahren angefallenen Kosten seien daher als vorweggenommene Werbungskosten abzugsfähig.

Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 19. November 2019, 2 BvL 22/14 entschieden hatte, dass der Ausschluss des Werbungskostenabzugs für Berufsausbildungskosten (§ 9 Abs. 6 EStG) und die Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Berufsausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) verfassungsgemäß ist, führte der Kläger ergänzend aus, dass das Praktikum bei der Firma X als Erstausbildung anzuerkennen sei. Denn die Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann sei erst im August 2001 durch die KfIDiAusbV vom 25. Juni 2001 staatlich anerkannt worden. Zu dieser Zeit habe es jedoch noch keine praktischen Möglichkeiten gegeben, diesen Beruf zu erlernen. Somit habe der Kläger eine Ausbildung in dem gewünschten Beruf nicht durchführen können. Er habe im Rahmen eines 20-monatigen Praktikums die Fertigkeiten eines heutigen Veranstaltungskaufmanns erworben. Eine Ausbildung habe gemäß § 1 Abs. 3 BBiG die notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln und den Erwerb von erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen. Dem Arbeitszeugnis des Klägers sei zu entnehmen, dass dieser in dem besagten Praktikum entsprechende Kenntnisse erworben habe und diese auch habe umsetzen können, sodass er zu einem geschätzten, unverzichtbaren Mitarbeiter herangewachsen sei. Es entspreche der herrschenden Meinung, dass ein zwölfmonatiges Praktikum ausreichend sei, um als Erstausbildung anerkannt zu werden. Insoweit verweist der Kläger auf die Kommentierung von Krüger in Schmidt EStG § 9 Rn. 346. So werde als Erstausbildung auch eine Ausbildung zum Helfer/zur Helferin in Gesundheits- und Sozialwesen anerkannt. Auch eine solche Ausbildung verlaufe lediglich über zwölf Monate.

Darüber hinaus trete der Kläger seit 2003 als Künstler im musikalischen Bereich auf und verdiene seitdem seinen Unterhalt mit dieser Tätigkeit. So sei es dem Kläger möglich gewesen in den vergangenen Jahren nicht nur sich, sondern auch seine Familie mit den Einkünften aus selbständiger Arbeit zu finanzieren. Er produziere zwischenzeitlich seit 17 Jahren Musik und veröffentliche diese vor Publikum. Damit werde deutlich, dass sich der Kläger mit seiner künstlerischen Tätigkeit eine Berufs- und Lebensgrundlage geschaffen habe.

Der Erwerb der Berufspilotenlizenz im Jahr 2017 sei als Umschulung in einen anderen Berufsbereich einzuordnen. Insoweit verweist der Kläger auf ein Urteil des Finanzgerichts Münster vom 7. April 2003, 4 K 394/00 E, veröffentlicht in juris. Entsprechend seien die Aufwendungen für den Erwerb dieser Lizenz als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2020 als unbegründet zurück. § 9 Abs. 6 S. 2ff EStG setze voraus, dass es sich um eine geordnete Ausbildung handele, eine die auf der Grundlage von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers erfolge und mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt werde. Sofern eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen sei, gelte die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen. In den Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 2014 habe das Gesetz den Begriff der Berufsausbildung deutlich weiter gefasst. Maßgeblich sei lediglich gewesen, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigte, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen. Danach habe auch eine 5-monatige Schulung zum Flugbegleiter bereits als eine abgeschlossene erste Berufsausbildung gegolten. Dem stehe aber ab dem Veranlagungszeitraum 2015 der eindeutige Wortlaut des § 9 Abs. 6 S. 2 EStG entgegen. Der Gesetzgeber habe auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung des BFH vom 28. Februar 2013, VI R 6/12, BStBl II 2015, 180 [BFH 28.02.2013 - VI R 6/12] reagiert. Die neue Regelung diene dazu, Gestaltungen zu begegnen, bei denen vor Beginn des Studiums Ausbildungen als Taxifahrer oder Skilehrer als Erstausbildung anerkannt worden seien. So setze die neue Regelung nach Willen des Gesetzgebers eine bestimmte Mindestdauer und Qualität voraus. Weder das Praktikum noch der Erwerb der Privatpilotenlizenz oder die langjährige selbstständige Tätigkeit erfüllten die Voraussetzungen des § 9 Abs. 6 S. 2ff EStG. Bei den beschriebenen Tätigkeiten handele es sich jeweils nicht um eine "geordnete Ausbildung" im Sinne des§ 9 Abs. 6 S. 3 EStG. Denn diese Maßnahmen seien nicht auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt worden.

Mit seiner Klage wendet der Kläger sich gegen diese Entscheidung.

Es seien 2016 insgesamt 8.789,87 € erklärungsgemäß als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. Aufstellung oben). Für 2017 seien insgesamt 21.310,63 € als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen. Diese setzen sich wie folgt zusammen:

(...)

Zur Begründung führt der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass es sich bei dem Erwerb der Verkehrspilotenlizenz um keine Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 S. 2ff EStG handele und wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren.

So sei das Praktikum des Klägers bei der Firma X als Erstausbildung anzusehen. Diesbezüglich weist er ergänzend auf das vorliegende Arbeitszeugnis der Firma X, ausgestellt von dem Geschäftsführer (...), hin. Diesem Arbeitszeugnis sei zu entnehmen, dass der Kläger 2001 bis 2003 im Rahmen eines Praktikums das Berufsfeld der Veranstaltungstechnik und des Veranstaltungsmanagements kennengelernt habe. Der Kläger habe durch die unterschiedlichsten Veranstaltungsorte, Auftraggeber und Events Kenntnisse in verschiedenen Bereichen erworben sowie vorhandenes Wissen einsetzen und ausbauen können.

Im technischen Bereich sei dies gewesen:

- Grundlagen aus der Elektrik Hydraulik und Statik

- Programmieren in der Beleuchtung-, Ton- und Videotechnik

- Bühnenbau

- praktische Übung von Ladungssicherung und Gefahrgut

Organisatorische Aufgaben seien gewesen:

- Planung und Durchführung von Veranstaltungen

- Kundenbetreuung

- Segmente und Strukturen auf einer Produktion

Des Weiteren werde dem Kläger bescheinigt, dass er sich unter anderem im Bereich der Beschallungstechnik, Lichttechnik und Veranstaltungstechnik große Kenntnisse erworben habe und damit zu einem unersetzlichen Mitarbeiter geworden sei. Viele Projekte hätten nur durch seinen Einsatz verwirklicht werden können. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das in den Akten befindliche Arbeitszeugnis verwiesen. Auf Nachfrage des Gerichts führte der Kläger aus, dass er sowohl in dem handwerklichen Bereich wie auch in dem kaufmännischen Bereich tätig gewesen sei. So sei er zum Beispiel bei Messeaufbauten dabei gewesen, habe technische Geräte bedient und gewartet; auch sei er an der Konzipierung größerer Projekte beteiligt gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend erklärt, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass es seit 2001 die Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gegeben habe. Zudem sei ihm auch nicht bekannt gewesen, dass er ggf. die Möglichkeit gehabt hätte, auch ohne entsprechende Ausbildung eine Abschlussprüfung abzulegen. Hierfür hätte er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit auch keine Zeit mehr gehabt.

Auch habe der Kläger sich mit seiner gewerblichen bzw. künstlerischen Tätigkeit bereits eine Berufs- und Lebensgrundlage geschaffen, die eine anschließende Erstausbildung ausschließe. Der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 2019 in dem Verfahren 2 BvL 22/14 sei zu entnehmen, dass eine Erstausbildung nur vor einer erstmaligen Erwerbstätigkeit angenommen werden könne. Eine Erstausbildung stelle eine der Grundvoraussetzungen für die persönliche Entwicklung und die Erlangung und Festigung einer gesellschaftlichen Stellung dar. Sie solle die erstmaligen Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensführung vermitteln und die Kompetenzen für die allgemeine Lebensführung der Auszubildenden verschaffen. Demzufolge sei sowohl das Praktikum wie auch die spätere selbstständige Tätigkeit als eine Erstausbildung des Klägers anzusehen, denn diese habe ihm bereits eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht. Folgerichtig sei der Erwerb der Berufspilotenlizenz im Jahr 2017 als Umschulung bzw. Neuorientierung in einen anderen Berufsbereich zu qualifizieren und somit als Zweitausbildung anzuerkennen.

Hinsichtlich des Erwerbs der Berufspilotenlizenz führte der Kläger auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, dass er in 2005 bereits den Berufswunsch des Berufspiloten gehabt habe. Er habe aber zunächst weder das für diese Ausbildung erforderliche Abitur besessen, dies habe er erst 2008 bzw. 2009 nachgeholt, noch habe er über hinreichend Geld verfügt, um sich diese Ausbildung leisten zu können. So habe er sich das nötige Geld zunächst ansparen müssen, um die einzelnen Bausteine der Ausbildung zu absolvieren. Begonnen habe er 2005 mit dem Erwerb der Privatpilotenlizenz. Er habe im gesamten Zeitraum eine Vielzahl an Flugstunden nachweisen müssen, um die bereits erworbene Lizenz nicht zu verlieren. Er sei ihm allerdings eine entgeltliche Beförderung von Passagieren bis zum Erwerb der Berufspilotenlizenz untersagt gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2021 verwiesen.

Der Beklagte bleibt bei seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung. Ergänzend nimmt er Bezug auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und führt aus, dass dieses gerade entschieden habe, dass die steuerliche Behandlung von Erstausbildungskosten verfassungsgemäß sei. Der Gesetzgeber dürfe die Aufwendung für eine Erstausbildung als wesentlich privat mitveranlasst qualifizieren und den objektiven Zusammenhang mit einem konkreten späteren Beruf als typischerweise gering ausgeprägt bewerten. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, dass er Aufwendungen für die Erstausbildung den Sonderausgaben zuordne. Sowohl das Praktikum als auch die gewerbliche Tätigkeit erfüllten nicht die Voraussetzungen einer Erstausbildung. Denn diese sei nicht auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt worden.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Ausnahmsweise ist die Klage betreffend Einkommensteuer zulässig, obwohl die vom Beklagten festgesetzte Einkommensteuer in beiden Streitjahren 0 € betrug.

Eine Beschwer des Klägers ist in beiden Streitjahren anzunehmen, da die Einkommensteuerbescheide quasi Grundlagenbescheid für die ggf. noch durchzuführenden Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2016 bzw. 2017 gemäß § 10d Abs. 4 S. 1 sind, vgl. § 10d Abs. 4 S. 4 EStG mit dem Verweis auf § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO.

Der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend sind daher fehlerhafte Einkommensteuerbescheide, auch wenn eine Einkommensteuer von 0 € festgesetzt ist, anzufechten, wenn die begehrten Verluste nicht im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt sind (vgl. Heinicke in Schmidt EStG § 10d Rz. 45 m.w.N. der Rechtsprechung).

Dies ist im Streitfall gegeben.

Auch ohne Berücksichtigung der streitigen Verluste ergibt sich in allen Streitjahren eine Einkommensteuer von 0 €, Verlustfeststellungsbescheide waren jedoch nicht zu erlassen, da der Gesamtbetrag der Einkünfte in beiden Streitjahren noch positiv war, 2016 betrug er 2.930 € und 2017 7.063 €.

Mit dem Begehren des Klägers, vorweggenommene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit 2016 in Höhe von 8.789,87 € und 2017 in Höhe von 21.310,63 € zu berücksichtigen, wäre der Gesamtbetrag der Einkünfte in beiden Jahren negativ. Dies hätte zur Folge, dass zwar die Einkommensteuer weiterhin mit 0 € festzusetzen wäre, aber der Beklagte nunmehr verpflichtet wäre, erstmalig Verlustfeststellungsbescheide für die beiden Streitjahre zu erlassen.

2. Die streitigen Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

Die Aufwendungen des Klägers für die Verkehrspilotenausbildung hat der Beklagte in beiden Streitjahren zutreffend den Berufsausbildungskosten des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zugeordnet und entsprechend nur einen begrenzten Sonderausgabenabzug von 6.000 € zugelassen. Eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 EStG kommt nicht in Betracht.

a. Einkünfte sind der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen, zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. So sind beruflich veranlasste Aufwendung grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum als Werbungskosten zu berücksichtigen, indem sie geleistet wurden. Das muss nicht notwendig der Veranlagungszeitraum sein, in dem die zugehörigen Einnahmen erzielt worden sind bzw. erzielt werden sollen. Der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einnahmen kann auch über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg bestehen. Entscheidend ist, dass durch die Teilnahme am Marktgeschehen im weitesten Sinne steuerpflichtige Einnahmen erworben werden sollen bzw. erworben worden sind (Krüger in Schmidt EStG § 9 Rz. 94).

Somit können Werbungskosten schon zu einem Zeitpunkt anfallen, zudem noch keine Einnahmen erzielt worden sind. Voraussetzung ist auch hier, dass ein hinreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, bei der der Abzug begehrt wird. Das ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen einen endgültigen Entschluss zur Einkünfteerzielung gefasst hat und diesen zwischenzeitlich nicht wieder aufgegeben hat. Dass tatsächlich Einnahmen erzielt worden sind, ist nicht zwingend erforderlich (Krüger in Schmidt EStG § 9 Rz. 95).

Damit wären auch grundsätzlich Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung entstehen, letztlich der Vorbereitung der Erzielung von Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit dienen, den Werbungskosten zuzurechnen. Denn diese Aufwendungen dienen jedenfalls mittelbar der Erwerbung der späteren Einnahmen.

Um jedoch einen ausufernden Werbungskostenabzug entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber eine einschränkende Regelung in § 9 Abs. 6 EStG aufgenommen. Danach sind gemäß § 9 Abs. 6 S. 1 EStG Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder für ein Studium des Steuerpflichtigen nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Das Gesetz sieht vor, dass eine Berufsausbildung als Erstausbildung nach Satz 1 nur dann vorliegt, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Eine geordnete Ausbildung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat (§ 9 Abs. 6 S. 2ff EStG).

Eine erstmalige Berufsausbildung ist daher anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige vor der zu beurteilenden Ausbildungsmaßnahme noch keine andere Berufsausbildung durchlaufen oder eine frühere Berufsausbildung ohne Abschluss abgebrochen hat (Thürmer in Blümich EStG § 9 Rz. 688).

Die Erstausbildung hat mindestens 12 Monate in Vollzeit zu umfassen. In Vollzeit bedeutet, dass die Ausbildung durchschnittlich mit mindestens 20 Stunden wöchentlich durchgeführt wird (Thürmer in Blümich EStG § 9 Rz. 689).

Weiterhin setzt die Erstausbildung einen geordneten Ausbildungsgang voraus. Hiervon ist auszugehen, wenn ihre Durchführung auf der Grundlage von Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften, internen Vorschriften eines Bildungsträgers erfolgt. Sie muss die Vermittlung der zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zum Ziel und zum Gegenstand haben. Eine geordnete Ausbildung setzt ferner voraus, dass die Ausbildungsziele definiert sind, ein feststehender Lehrplan existiert sowie Beginn und Abschluss festlegen. Neben staatlich anerkannten oder geregelten Ausbildungen können dies auch solche Berufsausbildungen sein, die nach den Richtlinien von Berufs und Wirtschaftsverbänden oder internen Vorschriften der Bildungsträger geordnet sind (Thürmer in Blümich EStG § 9 Rz. 690).

Zudem muss die Berufsausbildung auch abgeschlossen sein. Nur dann ist sie als Erstausbildung zu berücksichtigen. Der Abschluss kann durch eine Abschlussprüfung erfolgen. Ist nach dem Ausbildungsplan keine Abschlussprüfung vorgesehen, gilt die Ausbildung gemäß § 9 Abs. 6 Satz 4 EStG mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen. Eine abgebrochene Berufsausbildung ist damit keine abgeschlossene Berufsausbildung (Thürmer in Blülich EStG § 9 Rz. 691).

Dies hat zur Folge, dass berufsvorbereitende Maßnahmen oder Ausbildungen, die die gesetzliche Mindestausbildungsdauer von zwölf Monaten unterschreiten, keine Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG darstellen, sie bereiten nicht auf eine hinreichend qualifizierte berufliche Tätigkeit vor. Keine erste Berufsausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG sind deshalb auch Kurse zur Berufsorientierung oder -vorbereitung, Kurse zur Erlangung der Fahrerlaubnis oder auch Betriebspraktika (vgl. Thürmer in Blümich EStG § 9 Rz. 692).

b. Die Voraussetzung für einen Werbungskostenabzug der streitigen Aufwendungen liegen im Streitfall nicht vor.

Bei den Aufwendungen zum Erwerb der Verkehrspilotenlizenz handelte es sich - zwischen den Beteiligten unstreitig - um Berufsausbildungskosten. Der Kläger hat die Aufwendungen getätigt, um die Lizenz zu erhalten, künftig Verkehrsflugzeuge fliegen zu dürfen und mit solchen Flügen künftig Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu erzielen. Dies hat er offensichtlich auch nach Erwerb der Lizenz 2017 entsprechend umgesetzt. Erstmalig im Kalenderjahr 2018 hat der Kläger positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt.

Allerdings handelt es sich um eine den Werbungskostenabzug ausschließende Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG. Der Kläger hatte bis zum Erwerb der Berufspilotenlizenz keine abgeschlossene Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG.

aa. Die Praktikumszeiten des Klägers bei der Firma (...) stellen keine Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG dar. Denn es handelte sich lediglich um ein Berufspraktikum, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG nicht erfüllt. Insbesondere ist dieses Praktikum nicht mit einer Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gleichzusetzen.

So fehlte es insbesondere an einem geordneten Ausbildungsgang.

Die Durchführung dieses Berufspraktikums erfolgte gerade nicht auf der Grundlage von Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers. Dem Kläger war nach eigenen Angaben nicht einmal bekannt, dass es damals die Ausbildungsmöglichkeit zum Veranstaltungskaufmann bereits gegeben hatte. Entsprechend lagen dem Praktikum auch nicht die entsprechenden Ausbildungsvorschriften zugrunde. Ausdrückliches Ziel des Praktikums war es nicht, die für eine qualifizierte berufliche Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Vielmehr waren die Ausbildungsziele nicht klar definiert, ein feststehender Lehrplan existierte nicht. Zudem dauerte das Praktikum auch lediglich 20 Monate und entsprach damit in keiner Weise einer dreijährigen Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann.

Auch wenn der Kläger ausgeführt hat, dass es erst seit 2001 eine entsprechend anerkannte Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gegeben habe, es zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine entsprechenden Ausbildungsplätze gegeben habe, er selber von diesem Ausbildungsberuf erst später erfahren habe, kann das 20-monatige Praktikum auch nicht ausnahmsweise als Erstausbildung angesehen werden. Dies wäre allenfalls möglich gewesen, wenn der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt die Abschlussprüfung zum Veranstaltungskaufmann bestanden hätte. In diesem Fall wäre auch, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hätte, eine abgeschlossene Erstausbildung anzunehmen gewesen, vgl. § 9 Abs. 6 S. 5 EStG. Eine solche Abschlussprüfung hat der Kläger nach eigenen Angaben nicht abgelegt.

Entgegen dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten ist eine Vergleichbarkeit des Praktikums des Klägers mit einer 12-monatigen Ausbildung im Gesundheits- und Sozialwesen nicht gegeben. Insoweit fehlt es bei dem vom Kläger absolvierten Praktikum, wie bereits ausgeführt, an einem geordneten Ausbildungsgang.

Mit der Änderung der gesetzlichen Grundlage in § 9 Abs. 6 EStG in 2015 hat der Gesetzgeber zudem die Anforderungen im Vergleich zur alten Rechtslage erheblich verschärft, so dass es nun grundsätzlich immer eines geordneten Ausbildungsgangs bedarf.

bb. Dem steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass der Kläger bereits seit vielen Jahren ohne abgeschlossene Ausbildung gewerblich tätig war. Diese gewerbliche Tätigkeit, ohne eine abgeschlossene Ausbildung zu haben, kann die für einen Werbungskostenabzug vorgeschriebene abgeschlossene Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG nicht ersetzen.

Auch wenn dies ggf. nach der älteren Rechtslage möglich gewesen sein sollte, hat der Gesetzgeber dies mit der ab 2015 geltenden Neuregelung ausdrücklich ausgeschlossen.

cc. Dieser gesetzlichen Einschränkung stehen im Streitfall auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.

So hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 19. November 2019, 2 BvL 22-27/14, BVerfGE 152, 274 [BVerfG 19.11.2019 - 2 BvL 22/14] (noch zu der vorausgegangenen Fassung des § 9 Abs. 6 EStG) entschieden, dass keine Bedenken an der Wertung des Gesetzgebers bestehen, dass Aufwendungen für eine Erstausbildung im Anschluss an die allgemeine Schulbildung für die Lebensführung, die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen jedenfalls nicht nur von völlig untergeordneter Bedeutung sind. Die Qualifikation der dafür erforderlichen Aufwendungen als durch die allgemeine Lebensführung (privat) veranlasst korrespondiert, der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts folgend, damit, dass eine Erstausbildung nach § 1610 Abs. 2 BGB noch von der Unterhaltspflicht der Eltern umfasst ist. Diese schulden - in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 - XII ZB 415/16 -, juris, Rn. 12). Das Einkommensteuerrecht berücksichtigt die Unterhaltsverpflichtung, indem es die zur Erfüllung dieser Pflicht aufzuwendenden Beträge typisierend im Rahmen des Familienleistungsausgleichs und als außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen (§§ 31f., 33a EStG) bei den Eltern zum Steuerabzug zulässt. Die bei mangelnder Leistungsfähigkeit der Eltern an die Stelle tretenden sozialrechtlichen Leistungen werden dementsprechend der Bildungsförderung und nicht der Arbeitsförderung zugerechnet (Beschluss vom 19. November 2019, 2 BvL 22-27/14, BVerfGE 152, 274 [BVerfG 19.11.2019 - 2 BvL 22/14]).

Den Angaben des Klägers folgend hat er seit 2005 in Form des "modularen Aufbaus" Lehrgänge besucht, sein Abitur nachgemacht, erforderliche Flugstunden absolviert, sich den vorgeschriebenen Prüfungen unterzogen, um schließlich die Berufspilotenlizenz zu erwerben. Damit liegt nach erfolgreicher Prüfung in 2017 eine abgeschlossene Erstausbildung des Klägers vor.

Auch wenn zwischen Schulabschluss und Beginn der Ausbildung einige Jahre gelegen haben, ändert dies an der Einordnung als Erstausbildung nichts. Weder dem Gesetz noch der oben zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine zeitliche Beschränkung der Erstausbildung dahingehend zu entnehmen, dass die Ausbildung sich unmittelbar an den Schulabschluss anschließen muss.

Es ist unbestritten, dass sowohl das Berufspraktikum wie auch die anschließende gewerbliche Tätigkeit des Klägers dazu beigetragen haben, dass der Kläger bereits früh die Möglichkeit erworben hatte, sich und seine Ausbildung zu finanzieren. Dies schließt allerdings nicht aus, dass sämtliche Bausteine der 2005 aufgenommenen modularen Ausbildung des Klägers darüber hinaus ihm nicht nur Berufswissen vermittelt haben, sondern seine Persönlichkeit in einem umfassenderen Sinn geprägt haben, indem ihm die Möglichkeit geboten wurde, sich seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln und allgemeine Kompetenzen zu erwerben, die nicht zwangsläufig für einen künftigen Beruf notwendig sind und somit eine besondere Nähe zu seiner Persönlichkeitsentwicklung aufgewiesen haben.

c. Weiterhin können die streitigen Aufwendungen auch nicht als Umschulungskosten gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG berücksichtigt werden.

aa. Krüger in Schmidt EStG § 9 Rz. 342 ist der Auffassung, dass der Gesetzestext des § 9 Abs. 6 EStG hinsichtlich der Frage, ob Umschulungskosten eines Steuerpflichtigen erfasst werden, wenn dieser zuvor bereits eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte, ohne eine Berufsausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG abgeschlossen zu haben, nicht eindeutig sei. Den Gesetzesmaterialien zur Folge orientiere sich die Regelung am Berufsbildungsgesetz. Nach § 1 BBiG werde unterschieden zwischen Berufsausbildung, beruflicher Fortbildung und beruflicher Umschulung; die Umschulung werde demnach vom Begriff der Berufsausbildung nicht erfasst. In Anlehnung an die Mindestdauer des § 9 Abs. 6 S. 2 EStG könnten Aufwendungen für eine Umschulung jedenfalls dann als Werbungskosten anzuerkennen sein, wenn der Steuerpflichtige mindestens zwölf Monate lang bereits eine vollzeitige berufliche Tätigkeit ausgeübt hätte.

bb. Im Streitfall bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob der Kläger mit seiner gewerblichen Tätigkeit als DJ, Verleiher von Licht- und Tonanlagen sowie als Musiker über Jahre eine Vollerwerbstätigkeit ausgeübt hat.

Zum einen erzielte er über die Jahre im Durchschnitt jährlich lediglich rund 10.000 €. Bereits die Höhe der Einkünfte wie auch die Art der Tätigkeit deuten auf eine Nebenerwerbstätigkeit des Klägers hin. Hierfür spricht insbesondere auch, dass der Kläger selbst in Zeiten der Ausbildung und auch darüber hinaus weiterhin entsprechende Einkünfte erzielt hat. Zudem hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass es schon immer sein Berufswunsch gewesen sei, Berufspilot zu werden. Die gewerbliche Tätigkeit habe er ausgeübt, um die kostenintensive Ausbildung bezahlen zu können, da seine Eltern über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügt hätten.

cc. Zum anderen könnte nur von einer Umschulung ausgegangen werden, wenn der Kläger seine bisherige Tätigkeit mit dem Beginn der neuen Tätigkeit vollständig aufgegeben hätte. Denn eine Umschulung soll gemäß § 1 Abs. 5 Berufsbildungsgesetz (BBiG) zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen.

Der Kläger hat allerdings im Streitfall seine Tätigkeit nicht nur während der Ausbildung, sondern auch nach deren Abschluss fortgesetzt. Damit liegt keine Umschulung vor, sondern die Erlangung einer erstmaligen zusätzlichen Qualifikation in Form einer Berufsausbildung.

cc. Darüber hinaus hält das Gericht die von Krüger (in Schmidt) vorgenommene Differenzierung zwischen den verschiedenen Ausbildungsmaßnahmen für unzutreffend.

Ziel der Gesetzgebung war es, den Werbungskostenabzug zu begrenzen, Ausbildungsmaßnahmen nur unter bestimmten engen Voraussetzungen als Werbungskosten anzuerkennen. Es würde dem gesetzgeberischen Ziel der Begrenzung des Werbungskostenabzugs widersprechen, über eine abweichende Wertung als "Umschulung" zu dem Ergebnis zu kommen, für diese Fälle eine erstmalige Berufsausbildung und damit den Ausschluss vom Werbungskostenabzug über die allgemeine Regelung des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG auszuhebeln. Der Gesetzgeber hat eine Spezialregelung getroffen, die es zu beachten gilt.

Darüber hinaus gibt es keinen sachgerechten Grund, warum die Erstausbildung nach einer längeren Tätigkeit als Taxifahrer oder Skilehrer vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen wird - so die Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 18/3017, S. 43), andererseits die mehrjährige Tätigkeit als DJ/Musiker einen solchen Ausschluss vom Werbungskostenabzug verhindern könnte.

Aus den genannten Gründen hat die Klage keinen Erfolg.