Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.06.2023, Az.: 3 K 169/21

Erbfallkostenpauschbetrag; Erbschaftsteuer; Vermächtnis; Inanspruchnahme des Erbfallkostenpauschbetrages durch eine Vermächtnisnehmerin

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.06.2023
Aktenzeichen
3 K 169/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 25097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2023:0628.3K169.21.00

Fundstellen

  • DStRE 2024, 471-474
  • ErbR 2023, 901
  • ErbStB 2023, 256
  • FamRZ 2023, 2006
  • GStB 2023, 448
  • StX 2023, 569-570
  • ZEV 2023, 632-634

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Erbfallkostenpauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG kann von Vermächtnisnehmern auch dann in Anspruch genommen werden, wenn sie nicht durch Auflage des Erblassers mit Kosten belastet sind.

  2. 2.

    Ist der Nachlass nicht vollständig in Deutschland steuerpflichtig, dann wird der Erbfallkostenpauschbetrag nur anteilig in Höhe der Quote des in Deutschland erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs zum Gesamtnachlass berücksichtigt.

  3. 3.

    Tatsächlich entstandene Aufwendungen für die Erlangung des Erwerbs sind nicht neben dem Pauschbetrag zu berücksichtigen (entgegen R E 10.9 Abs. 5 ErbStR).

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung pauschaler Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG)

Am 27. November 2019 verstarb die in Großbritannien lebende Tante der Klägerin. Erbe wurde ihr Bruder. Der Nachlass hatte vor Abzug von Kosten insgesamt einen Wert von 247.605 Britische Pfund (GBP). Die Klägerin erhielt aufgrund einer testamentarischen Verfügung der Erblasserin hieraus einen Betrag i.H.v. 50.000 GBP.

Die Klägerin zeigte den Erwerb beim Beklagten an. Dieser forderte die Klägerin zur Abgabe einer vereinfachten Erbschaftsteuererklärung auf. Die Klägerin erklärte, dass sie umgerechnet 58.000 EUR erhalten habe. Dieser Betrag sei ihr vom Nachlassverwalter überwiesen worden. Die Beerdigungskosten seien, soweit es ihr bekannt sei, vom Nachlass abgezogen worden. Sie selbst habe Aufwendungen i.H.v. 13,20 EUR getragen. Dazu legte sie Belege über 6 EUR für eine Beglaubigung und über 7,20 EUR für Portokosten vor. Sie beantragte den Abzug des vollen Pauschbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG.

Der Beklagte erließ am 26. Juli 2021 einen Erbschaftsteuerbescheid für einen sonstigen Erwerb nach § 3 ErbStG i.H.v. 58.000 EUR. Davon brachte er Verbindlichkeiten i.H.v. 14 EUR zum Abzug. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 16 Abs. 1 ErbStG i.H.v. 20.000 EUR berücksichtigte der Beklagte im Bescheid einen auf volle 100 EUR abgerundeten steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 37.900 EUR. Er setzte gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer i.H.v. 5.685 EUR fest.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein.

Sie gehe davon aus, Vermächtnisnehmerin geworden zu sein. Ihr stehe der Ansatz des vollen Pauschbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG i.H.v. 10.300 EUR zu. Nur ihr Erwerb aus der Erbschaft unterliege der deutschen Erbschaftsteuer. Er gelte als gesamter Vermögensanfall im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Der auf den ausländischen Erben entfallende Teil sei auch nicht beschränkt steuerpflichtig. Eine Verteilung des Pauschbetrages auch auf den in Großbritannien ansässigen Erben sei daher unbillig. Ihr Erwerb sei durch den eventuell vorgenommenen Abzug von Beerdigungskosten vom Nachlass nicht gemindert. Der restliche - eventuell durch Beerdigungskosten geminderte - Nachlass unterliege nicht der deutschen Erbschaftsteuer und unterfalle schon deshalb nicht dem Erwerbsbegriff.

Auf die Höhe der angefallenen Kosten käme es für die Gewährung des Pauschbetrages nicht an. Für den Abzug des Erbfallkostenpauschbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG genüge es, dass solche Kosten dem Grunde nach entstanden seien. Die Kosten seien für die Erlangung des Erwerbs angefallen, weil sie ihre Identität gegenüber dem auszahlenden Rechtsanwalt habe nachweisen müssen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 7. September 2021 als unbegründet zurück.

Der Erbfallkostenpauschbetrag sei pro Erbfall zu berücksichtigen. Dabei sei Erbfall nicht gleichbedeutend mit dem Begriff des gesamten Vermögensanfalls im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Vielmehr bedeute Erbfall die Summe der gesamten Vermögensanfälle aller am Erbfall beteiligten Erwerber. Der Erbfallkostenpauschbetrag könne von allen Erwerbern nur einmal in Anspruch genommen werden. Er werde nicht gekürzt, wenn zum Nachlass steuerfreies Vermögen gehöre. Die Verteilung des Pauschbetrages auf mehrere Erwerber sei auch dann durchzuführen, wenn diese nicht steuerpflichtig seien. Daher scheide eine volle Zuordnung des Erbfallkostenpauschbetrages auf die Klägerin aus.

Bei - wie hier - mehreren Erwerbern sei zu unterscheiden, ob sich die Aufwendungen nur auf die Erlangung des eigenen Erwerbs bezögen und nicht den Nachlass belasten oder ob sich die Klägerin auch an den anderen Kosten, z.B. Grabpflegekosten, beteiligt habe. Da eine Beteiligung der Klägerin an den typischen Sterbefallkosten nicht nachgewiesen worden sei, könnten nur die nachgewiesenen Erwerbskosten berücksichtigt werden.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Berücksichtigung des vollen Erbfallkostenpauschbetrages weiter.

Einzig ihr Teil an der Erbschaft sei in Deutschland steuerpflichtig. Alle weiteren Erwerber seien in Großbritannien ansässig. Da es somit an weiteren Anspruchsberechtigten in Deutschland fehle, könne ein Abzug des Pauschbetrages nur bei ihr erfolgen. Es sei keine Aufteilung vorzunehmen. Die Entscheidung des Beklagten führe dazu, dass der Pauschbetrag nirgends berücksichtigt werde. Dies widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes.

Der Erbfallkostenpauschbetrag sei ihr in voller Höhe zu gewähren. Die bei ihr tatsächlich angefallenen Aufwendungen seien darüber hinaus zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus R E 10.9 Abs. 5 Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR). Die Aufwendungen bezögen sich allein auf die Erlangung des Erwerbs und belasteten nicht den Nachlass.

Die Klägerin beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 26. Juli 2021 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 7. September 2021 dahingehend zu ändern, dass der steuerpflichtige Erwerb um 10.300 EUR gemindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid.

Das britische Erbrecht unterscheide anders als das Bürgerliche Gesetzbuch nicht zwischen Erben und Vermächtnisnehmern. Alle Berechtigten hätten ausschließlich Herausgabeansprüche. Die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses erfolge durch einen sog. "personal representative". Dieser kehre den Nachlass aus, nachdem Schulden und Kosten bezahlt worden seien. Ausgaben, welche nach deutschem Recht Erbfallkosten darstellten, seien vom Nachlass in ihrer tatsächlichen Höhe abziehbar. Das britische Recht kenne keinen entsprechenden Pauschbetrag.

Der Klägerin habe aus dem Nachlass ein fester Geldbetrag unabhängig von der Höhe des übrigen Nachlasses, der vorhandenen Schulden und der durch den Erbfall entstandenen Kosten zugestanden. Sie sei durch Erbfallkosten bis auf ihre sehr geringen persönlichen Ausgaben nicht belastet gewesen.

Das Verfahren ruhte zwischenzeitlich bis zum Ergehen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen II R 3/20. Der BFH entschied über dieses Verfahren durch Urteil vom 1. Februar 2023 (BFH/NV 2023, 904 [BFH 01.02.2023 - II R 3/20]).

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht entscheidet über das Verfahren durch Urteil und folgt damit nicht dem Antrag der Klägerin, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in dem dort unter dem Aktenzeichen 1 BvR 804/22 geführten Verfahren ruhen zu lassen.

Gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 251 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn die Beteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, dass diese Anordnung aus wichtigen Gründen zweckmäßig ist.

Vorliegend haben nicht beide Beteiligte das Ruhen des Verfahrens beantragt. Zudem ist eine entsprechende Anordnung auch nicht aus wichtigen Gründen zweckmäßig. Die beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvR 804/22 geführte Verfassungsbeschwerde hat nach Auffassung des Gerichts auch bei einem Erfolg keine unmittelbare Auswirkung auf den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits.

II. Die Klage hat teilweise Erfolg.

Anstatt der vom Beklagten vorgenommenen Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen steht der Klägerin ein Teil des Erbfallkostenpauschbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG zu.

1. Gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Von dem Erwerb sind gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen abzugsfähig. Für diese Kosten wird nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG insgesamt ein Betrag i.H.v. 10.300 EUR ohne Nachweis abgezogen (Erbfallkostenpauschbetrag). Der Betrag ist für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren, namentlich für mehrere Miterben nur einmal (BFH-Urteil vom 1. Februar 2023 II R 3/20, BFH/NV 2023, 904; vgl. BFH-Beschluss vom 24. Februar 2010 II R 31/08, BFHE 228, 189, BStBl II 2010, 491, m.w.N.). Der Abzug des Pauschbetrags setzt nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind (BFH-Urteil vom 1. Februar 2023 II R 3/20, BFH/NV 2023, 904).

2. Danach ist bei der Klägerin vorliegend ein Erbfallkostenpauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG i.H.v. 2.080 EUR zu berücksichtigen.

a) Es kommt nicht darauf an, ob die Klägerin Erbin oder Vermächtnisnehmerin ist.

Die Klägerin kann den Erbfallkostenpauschbetrag auch in Anspruch nehmen, wenn sie Vermächtnisnehmerin geworden ist, ohne dass sie durch eine Auflage der Erblasserin mit Kosten belastet wurde.

Dazu wurden in der Rechtsprechung bislang unterschiedliche Ansichten geäußert.

aa) Das FG Köln hat in seinem Urteil vom 23. April 1991 9 K 2011/89 (juris, nur Leitsatz) die Auffassung vertreten, dass die Pauschale nur den Erben zustehe. Es hat dabei Rückgriff auf den BFH-Beschluss vom 28. November 1990 II S 10/90 (BFH/NV 1991, 243) genommen. Der BFH hatte entschieden, dass der Pauschbetrag nur abgezogen werden könne, wenn dem Erwerber dem Grunde nach Kosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG entstanden seien.

bb) Das FG Nürnberg hingegen hat mit Urteil vom 14. Mai 1998 IV 128/97 (EFG 1998, 1419) entschieden, dass auch ein Vermächtnisnehmer den Pauschbetrag beanspruchen könne, wenn er in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG aufgeführte Kosten (z.B. für Grabpflege) aufgrund einer Auflage zu tragen habe. Das Finanzgericht Köln hat sich in seinem Urteil vom 5. Januar 2000 9 K 8042/98 (juris) dieser Rechtsprechung angeschlossen. Dem dürfte auch in der Literatur gefolgt werden (vgl. Konrad in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl. 2023, § 10 Rz 228; Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 65. EL Februar 2023, § 10 Rz 237; Fumi in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl. 2020, § 10 Rz 75).

cc) Nach Ansicht des hier erkennenden Senats kann auch ein Vermächtnisnehmer den Pauschbetrag in Anspruch nehmen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 10 Abs. 5 Satz 1 ErbStG sind die Nachlassverbindlichkeiten von dem Erwerb abzuziehen. Zum Erwerb von Todes wegen gehören nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch die sonstigen Erwerbe, auf die die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung finden. Damit sind Vermächtnisse und folglich auch Vermächtnisnehmer in die Regelung des § 10 Abs. 5 ErbStG eingeschlossen.

dd) Nach neuester Rechtsprechung des BFH ist es ohne Belang, ob tatsächlich Kosten im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zu tragen waren. Der BFH ist damit von seiner früheren, noch vom Finanzgericht Nürnberg in dessen Urteil vom 14. Mai 1998 (IV 128/97, EFG 1998, 1419) berücksichtigten Rechtsprechung, abgerückt (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2023 II R 3/20, BFH/NV 2023, 904). Im Übrigen findet es keinen Anhalt im Gesetz, dass der Erbfallkostenpauschbetrag einem Vermächtnisnehmer nur dann zusteht, wenn er durch eine Auflage des Erblassers mit Kosten belastet ist. Im Streitfall sind zudem tatsächlich Kosten angefallen.

b) Der Erbfallkostenpauschbetrag steht der Klägerin jedoch nicht in voller Höhe zu.

Ungeachtet des Umstandes, dass der Großteil des Vermögens der Erblasserin in Deutschland erbschaftsteuerlich nicht steuerpflichtig ist, steht der Klägerin der Erbfallkostenpauschbetrag nur anteilig in der quotalen Höhe ihres Vermächtnisses zur gesamten Erbmasse zu.

aa) Der Erbfallkostenpauschbetrag ist für jeden Erbfall nur einmal i.H.v. insgesamt 10.300 EUR zu gewähren (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Februar 2010 II R 31/08, BFHE 228, 189, BStBl II 2010, 491 und BFH-Urteil vom 1. Februar 2023 II R 3/20, BFH/NV 2023, 904).

bb) Die Frage der Aufteilung des Erbfallkostenpauschbetrages zwischen mehreren Erwerbern ist gesetzlich nicht geregelt und bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Denkbar wäre dabei, dass der Erbfallkostenpauschbetrag zwischen mehreren Erwerbern nach Quote des Vermögensanfalls, gemessen an den individuellen Aufwendungen im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG, nach Köpfen oder auch nach freier Einigung der Erwerber untereinander aufzuteilen ist.

cc) Im Streitfall ist der Senat der Auffassung, dass der Erbfallkostenpauschbetrag von der Klägerin nur anteilig in Höhe der Quote des der Klägerin zugeflossenen Vermögens zum Gesamtnachlass zu berücksichtigen ist.

Die Bemessung des Erbfallkostenpauschbetrages nach einer anderen Methode scheidet vorliegend aus. Eine Einigung zwischen den verschiedenen Erwerbern zur Aufteilung des Pauschbetrages ist nicht erfolgt. Die individuellen Aufwendungen eines jeden Erwerbers sind nicht bekannt. Eine Aufteilung nach Köpfen hält das Gericht für nicht sachgerecht.

Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, dass einer Erwerberin oder einem Erwerber der volle Erbfallkostenpauschbetrag zusteht, wenn ein Teil des Nachlasses in Deutschland nicht steuerpflichtig ist und bei dem im Inland steuerpflichtigen Erwerber nur geringe Aufwendungen i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG angefallen sind. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des vollen Erbfallkostenpauschbetrages führte sonst zu einer übermäßigen Begünstigung gegenüber dem Fall, dass die weiteren Erwerber (z.B. Miterben oder Vermächtnisnehmer) der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen und ihrerseits einen Anteil am Pauschbetrag in Anspruch nehmen können. Dass der Gesetzgeber eine solche Überbegünstigung nicht gewollt hat, kommt im Gesetz in § 10 Abs. 6 Satz 1 und 2 ErbStG zum Ausdruck. Eine ähnliche Problematik existiert auch bei der Berücksichtigung von Freibeträgen in Fällen der beschränkten Steuerpflicht gem. § 16 Abs. 2 ErbStG (vgl. hierzu Urteil des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 21. Dezember 2021 C-394/20, BStBl II 2023, 156; Niedersächsisches FG, Urteil vom 22. Juli 2020 3 K 163/19, EFG 2021, 134 und FG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 20. Juli 2020 4 K 1095/20 Erb, EFG 2020, 1522). Nach dieser Regelung wird für unbeschränkt steuerpflichtige Erben der jeweils volle gültige Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG gewährt. Allerdings wird dieser verhältnismäßig gekürzt, soweit er anteilig auf das nicht der beschränkten Steuerpflicht unterfallende Vermögen entfällt. Diese geänderte Norm hat der EuGH nun für unionsrechtskonform erklärt. Die Regelung vermeidet, dass die Steuerkraft eines Erben systematisch zu niedrig angesetzt wird (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2021 C-394/20, BStBl II 2023, 156 Rz 52). Soweit sich der EuGH in dem Urteil auch mit § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG beschäftigt, handelt es sich dabei um keine vergleichbare Konstellation, die für das Begehren der Klägerin streitet.

Vorliegend verhält es sich genauso. Könnte die Klägerin den vollen Erbfallkostenpauschbetrag in Anspruch nehmen, dann würde sie in unbilliger Weise übermäßig begünstigt und ihre Steuerkraft zu niedrig bemessen.

Die Berücksichtigung eines lediglich quotalen Erbfallkostenpauschbetrages führt dabei auch nicht zu einer Benachteiligung der Klägerin. Der Pauschbetrag begrenzt die abzugsfähigen Aufwendungen nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG nicht der Höhe nach. Er schließt nicht aus, dass tatsächlich angefallene und über dem Pauschbetrag liegende Aufwendungen abgezogen werden können. Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall, da der Klägerin lediglich Aufwendungen i.H.v. 13,20 EUR entstanden sind.

c) Der zu berücksichtigende Erbfallkostenpauschbetrag beträgt 2.080 EUR.

Ausgehend von einem Gesamtnachlass i.H.v. 247.605 GBP und einem Anteil der Klägerin i.H.v. 50.000 GBP berechnet sich der zu berücksichtigende Erbfallkostenpauschbetrag nach der Formel

fg_niedersachsen_20230628_3k16921_urteil_as1

und beträgt 2.080 Euro.

3. Die Klägerin kann neben dem Erbfallkostenpauschbetrag nicht auch noch die ihr tatsächlich entstandenen Kosten in Abzug bringen.

Die Berücksichtigung tatsächlicher Aufwendungen neben dem Erbfallkostenpauschbetrag widerspricht der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG. Dort ist geregelt, dass der Pauschbetrag "für" die in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG aufgeführten Aufwendungen gewährt wird. "Für" heißt dabei anstelle der tatsächlichen Aufwendungen. Zu den nach Satz 1 zu berücksichtigenden Aufwendungen gehören indes auch die Kosten, die mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Um solche Kosten handelt es sich vorliegend. Für die Klägerin streitet auch nicht R E 10.9 Abs. 5 ErbStR. Diese Regelung bindet weder die Finanzverwaltung noch das Gericht im Sinne einer sogenannten Selbstbindung der Verwaltung, denn sie verstößt in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. BFH-Beschluss vom 28. November 2016 GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393).

4. Unter Berücksichtigung eines Erbfallkostenpauschbetrages von 2.080 EUR beträgt die festzusetzende Erbschaftsteuer 5.385 EUR.

Sie ermittelt sich wie folgt:

Vom steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 58.000 EUR sind Verbindlichkeiten i.H.v. 2.080 EUR zum Abzug zu bringen. Weiterhin ist ein Freibetrag i.H.v. 20.000 EUR nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG zu berücksichtigen, da die Klägerin nach § 15 Abs. 1 ErbStG im Verhältnis zu ihrer Tante der Steuerklasse II zuzuordnen ist. Es ergibt sich ein auf volle 100 EUR abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb i.H.v. 35.900 EUR. Der Steuersatz beträgt nach § 19 Abs. 1 ErbStG 15 %. Daher beträgt die festzusetzende Erbschaftsteuer 5.385 EUR.

Die Festsetzung der Steuer war mithin entsprechend zu ändern.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.