Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.08.2012, Az.: 7 A 126/12

Ausschlussfrist; Sachschadensersatz; Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
23.08.2012
Aktenzeichen
7 A 126/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44452
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 83 Abs. 3 NBG enthält eine Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 479,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Schadensersatz für eine beschädigte Brille.

Sie ist Beamtin des Landes Niedersachsen und als Lehrerin in der Grundschule B. tätig. Am 01.03.2012 wurde ihre Brille in der Turnhalle der Grundschule B. während der Bundesjugendspiele durch einen Fußball beschädigt. Die Klägerin schilderte darauf den Sachverhalt im Sekretariat der Grundschule B. und erhielt dort ein Schadensformular mit der Bitte, dieses ausgefüllt an die Schulleitung zu senden. Dies Formular wies nicht auf eine einzuhaltende Frist sondern nur darauf hin, dass eine Rechnung über die Reparatur der Brille beizufügen sei. Am 16.04.2012 stellte der Optiker eine Rechnung in Höhe von 479,50 Euro für die Reparatur der Brille aus. Die Klägerin übersandte dann das ausgefüllte Formular an die Beklagte.

Mit Bescheid vom 24.05.2012 lehnte die Beklagte eine Sachschadenserstattung gemäß § 83 NBG ab, weil der Antrag nicht innerhalb eines Monats nach Eintritt des Schadens gestellt worden sei. Der Antrag sei erst am 19.04.2012 der Schulleitung zur Unterschrift vorgelegt worden und am 23.04.2012 bei der Regionalabteilung Braunschweig eingegangen.

Die Klägerin hat am 12.06.2012 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass ihr die Monatsfrist nicht bekannt gewesen sei. Auf diese sei weder in dem Schadensformular noch auf der Homepage der Beklagte hingewiesen worden. Ihr sei daher zumindest die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 24.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an sie 479,50 Euro Schadensregulierungssumme zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass auf ihrer Homepage unter dem Begriff „Sachschaden“ auf die Monatsfrist hingewiesen werde. Auf dem Formular werde nicht auf die Monatsfrist des § 83 Abs. 3 NBG hingewiesen, weil dieses auch für andere Berufsgruppen als Beamtinnen und Beamte gelte. Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bestünde nicht, weil die Klägerin nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Monatsfrist einzuhalten. Sie hätte sich unverzüglich nach Eintritt des Schadens über die näheren Umstände eines Antrags auf Erstattung eines Sachschadens informieren können.

Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24.05.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Reparatur der beschädigten Brille.

Die Klägerin hat den Antrag auf Ersatz des Sachschadens nicht fristgerecht gestellt. Die Beklagte hat diesen daher zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 83 Abs. 1 NBG kann für Gegenstände, die in Ausübung des Dienstes beschädigt worden sind, ohne das ein Dienstunfall eingetreten ist, auf Antrag Ersatz geleistet werden. Gemäß § 83 Abs. 3 Satz 1 NBG ist der Antrag auf Leistungen nach § 83 Abs. 1 NGB allerdings innerhalb eines Monats nach Eintritt des Schadens schriftlich zu stellen.

Bei der Frist des § 83 Abs. 3 Satz 1 NBG handelt es sich um eine Ausschlussfrist (vgl. LT-Drs. 16/655, S. 145), nach deren fruchtlosem Ablauf ein Antrag auf Schadensersatz abzulehnen ist (Kümmel, Beamtenrecht, § 83 NBG Rn. 4).

Vorliegend hat die Klägerin erst am 17.04.2012 den Antrag auf Schadensersatz unterschrieben und danach der Schulleitung übergeben, während der Schaden bereits am 01.03.2012 eingetreten ist. Demnach war die Ausschlussfrist gemäß § 83 Abs. 3 Satz 1 NBG von einem Monat abgelaufen. Maßgeblich ist die Entstehung des Schadens, die bereits in der Beschädigung der Brille am 01.03.2012 zu sehen ist, und nicht die Ausstellung einer Rechnung, weil die Antragsfrist der baldigen Klärung der Schadensersatzansprüche dient und damit nicht in der Disposition Dritter bzw. der Antragstellerin oder des Antragstellers liegen soll, wenn eine Reparatur durchzuführen ist (vgl. zu § 32 BeamtVG: Wilhelm in Fürst, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 32 BeamtVG, Rn. 6a). Auch die mündliche Schilderung des Sachverhalts in dem Sekretariat der Grundschule B. stellt keinen fristgerechten Antrag auf Erstattung des Sachschadens dar, denn der Antrag muss gemäß § 83 Abs. 3 Satz 1 NBG schriftlich gestellt werden.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist unstatthaft, weil es sich bei § 83 Abs. 3 NBG um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. zur ähnlichen Vorschrift des § 80 Abs. 3 Nr. 2 LBG BW: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 80 LBG BW Rn. 19). Eine Wiedereinsetzung ist gemäß § 32 Abs. 5 VwVfG nicht möglich, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Die Charakterisierung als Ausschlussfrist muss nicht notwendig ausdrücklich aus dem Wortlaut des Gesetzes hervorgehen; es reicht vielmehr aus, wenn die Regelung bezweckt, eine verspätete Antragstellerin oder einen verspäteten Antragsteller endgültig von der Geltendmachung eines Rechts auszuschließen. Der Sinn der Regelung muss mit der Fristbeachtung stehen oder fallen (vgl. Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 32 Rn. 8; Ritgen in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. § 32 Rn. 46). Dies ist vorliegend der Fall, denn die in § 83 Abs. 3 Satz 1 NBG vorgesehene Frist soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Ausschlussfrist sein und dem Interesse des Dienstherrn dienen, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums Rechtssicherheit über die gegen ihn gerichteten Ansprüche zu erlangen (vgl. LT-Drs. 16/655, S. 145).

Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtslage in der vergleichbaren Vorschrift des § 32 BeamtVG bzw. § 36 NBeamtVG, wonach für bei einem Dienstunfall beschädigte Gegenstände Ersatz geleistet werden kann, wenn der Antrag auf Gewährung von Sachschadensersatz innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten gestellt wurde. Diese Vorschrift bezweckt, dass bei Sachschäden der zum Zeitpunkt des Unfalls bestehende Schadensumfang zeitnah und zuverlässig ermittelt werden kann und die Kosten sich nicht dadurch erhöhen können, weil Reparaturen erst lange nach dem Unfall durchgeführt werden (vgl. BT-Drs. 14/7064, S. 35). Der Zweck der Ausschlussfrist ist mit dem der Ausschlussfrist in § 83 NBG vergleichbar. Im Rahmen des § 32 BeamtVG ist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht möglich (vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 32 BeamtVG Rn. 33; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 32 BeamtVG Rn. 9b; a. A. Wilhelm in Fürst, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 32 BeamtVG, Rn. 6a). Aus dem Umstand, dass § 32 BeamtVG eine Ausschlussfrist von drei Monaten und § 83 NBG von nur einem Monat vorsieht, folgt nichts anderes, denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich von einer Ausschlussfrist von drei Monaten abgesehen, weil die Ausschlussfrist von einem Monat für die Stellung eines Antrags auf Leistung von Schadensersatz als ausreichend angesehen wurde (vgl. LT-Drs. 16/655, S. 145).

Die Rechtslage ist ferner mit § 45 BeamtVG bzw. § 51 NBeamtVG vergleichbar. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Ausschlussfrist, in der ein Dienstunfall zu melden ist. Auch gegen sie ist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht möglich (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 04.12.2009 - 3 ZB 09.657 -, juris; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 07.03.1995 - 1 UE 1098/92 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2011 - 23 K 7945/08 -, juris; Wilhelm in Fürst, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 45 BeamtVG, Rn. 7).

Im Übrigen scheitert die Wiedereinsetzung daran, dass die Klägerin nicht im Sinne des § 32 Abs. 1 VwVfG ohne Verschulden an der Fristwahrung verhindert war. Ein Verschulden in diesem Sinne liegt vor, wenn die oder der Betroffene die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt nicht eingehalten haben. Auch leichte Fahrlässigkeit schließt die Wiedereinsetzung aus (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 32 Rn. 20). Das Gericht kann es dahingestellt lassen, ob die Beklagte auf der Homepage auf die Frist ausreichend hingewiesen hat, denn ein solcher Hinweis ist nicht zwingend geboten. Die Klägerin hat allerdings die gebotene und ihr zumutbare Sorgfalt nicht eingehalten. Es gehört zu den Obliegenheiten einer Antragstellerin oder eines Antragstellers, sich rechtzeitig über die für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs geltenden Vorschriften zu informieren. Sie müssen sich die Unkenntnis der rechtlichen Vorschriften daher selbst zurechnen lassen (vgl. Ritgen in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. § 32 Rn. 15). Soweit die Klägerin versäumt hat, den Antrag rechtzeitig zu stellen, weil ihr unbekannt war, dass Sachschadensersatzansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach Eintritt des Schadens geltend gemacht werden, ist der Grundsatz zu beachten, dass mangelnde Rechtskenntnis zu Lasten der Beamtin oder des Beamten geht, weil das geltende Recht allgemein als bekannt anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1984 - 6 C 33/83 -, juris). Die Klägerin hätte daher, wenn sie sich auf der Homepage der Beklagten nicht ausreichend informieren konnte, bei der Beklagten nachfragen oder die Norm des § 83 NBG nachlesen bzw. anderen rechtskundigen Rat einholen können. Derartige Erkundigungsfragen hat sie aber nicht gestellt. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem fehlenden Hinweis auf die Monatsfrist in dem Antragsformular und der dort geforderten Vorlage einer Rechnung eines Optikers. Dieses Formular erweckt in keinerlei Weise den Eindruck, dass die Einhaltung einer Frist nicht erforderlich ist, weil es keinerlei Hinweise auf oder Ausführungen über die rechtlichen Grundlagen für die Erstattung eines Sachschadens enthält. Daher ist es auch nicht geeignet, die Klägerin von ihrer Obliegenheit zu befreien, sich über die für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs geltenden Vorschriften selbständig zu informieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Abs. 3 GKG.